10
Revali
Nachdem ich Shania zurück in ihr Haus gebracht habe, um sich auszuruhen, schaue ich bei Hertis vorbei, um meinen Bogen warten zu lassen. Die Sehne muss wieder nachgezogen und das Holz an manchen Stellen ausgebessert werden. Außerdem habe ich einen besonderen Pfeil in Auftrag gegeben, den ich heute gleich abholen möchte. Während ich Hertis machen lasse, lehne ich mich gegen die Holzwand und warte. Ich verschränke die Flügel und muss unentwegt an diese naive Hylianerin denken.
Was hat sie sich bloß gedacht, als sie auf die rutschigen Felsen geklettert ist. Sie hätte sich umbringen können. Für eine Auserwählte ist sie ziemlich unvorsichtig. Mich wundert es, dass sie so lange überlebt hat. Aber andererseits war es recht unterhaltsam ihr zuzusehen, dieser ehrgeizige Blick, dieses abenteuerliche Lächeln. Sie wollte sich unbedingt beweisen. Ich habe es an ihren Augen erkannt. Doch das war es nicht wert, sie hätte sich fast die Rippen gebrochen oder das Genick, wenn ich sie nicht aufgefangen hätte. Zum Glück habe ich schon allmögliche Prellungen geheilt, allen voran an mir selbst. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich beim Üben gegen die Felsen geschlagen bin. Mein Körper ist robust, abgehärtet vom täglichen Training. Doch bei Shania ist es etwas anderes. Ich bin ihr Beschützer und außerdem... ich will nicht, dass ihr etwas passiert.
Plötzlich reißt mich der Arbeitslärm des Bogenbauers aus meinen Gedanken. Mit ausdruckslosem Blick schaue ich Hertis dabei zu, wie er mit seinen Werkzeugen an meinem Bogen hantiert. Seine Frau, Araya, ist vor drei Jahren an einem tragischen Unfall gestorben. Sie hat einen Felsen übersehen und sich das Genick gebrochen. Es war ein Schock für alle, ganz besonders für Hertis und der kleinen Molly.
Die Bewegungen, die der Bogenbauer an dem Adlerbogen vollzieht, erinnern mich daran, wie ich Shanias Prellungen eingesalbt habe. Sie hat eine so glatte Haut, ganz anders als bei uns Orni. So warm und ohne Federn. Es fühlte sich angenehm an, sie zu berühren. Allerdings konnte ich es nicht wirklich genießen, denn ich war ständig darum bemüht, nicht ihren Busen anzustarren. Ich konnte bereits spüren, wie sich mein Gefieder wieder aufzuplustern begann, etwas, das in letzter Zeit recht häufig passiert. Es wirkt geradezu, wie eine elektrische Energie, die von der Hylianerin ausgeht, jedes Mal, wenn sie mich berührt. Der blöde Wind... letztes Mal hätte er mich fast in sie hineingeweht, als Shania unbedingt dieses Wollhorn beobachtet wollte. Und dann beim Abendessen... Musste Tulin ihr unbedingt den Flügel fast ins Gesicht schlagen? Nur deswegen hat sie sich auf mich draufgesetzt. Aber irgendwie... Ich war überrascht, aber... Nun ja, es war mir nicht unangenehm. Eigentlich mag ich es, sie in meiner Nähe zu wissen, doch jedes Mal, wenn sie mich berührt, passiert eben das. Und ich kann es mir selber nicht wirklich erklären, warum das so ist.
»Hertis, mein Freund, hast du den Bogen für Tulin schon fertig?«, höre ich plötzlich jemanden den Bogenbauer fragen.
Verdutzt schaue ich vom Boden auf, den ich soeben ganz gebannt angestarrt habe. Vor Hertis Werkbank steht mein Bruder. Der dunkle Orni hebt seinen Blick von meinem Bogen und hält in seiner Arbeit inne. Hertis nickt.
»Klar, Teba! Ich bin gestern damit fertig geworden«, berichtet ihm der Bogenbauer. »Ich hole ihn schnell aus dem Nebenzimmer. Bin gleich wieder da.«
Augenblicklich erhebt sich der Orni von seinem Platz und verschwindet aus dem Raum. Teba dreht sich zu mir um. Er erhebt seine Augenbrauen und blickt mich ganz merkwürdig an.
»Guten Tag, Revali!«, beginnt er ganz normal. »Ich habe gehört, Shania hat sich heute beim Training verletzt. Ist alles in Ordnung mit ihr?«
Ich nicke kaum merklich. »War halb so wild...«
Teba verdreht die Augen. Offenbar habe ich ihm nicht die richtige Antwort gegeben.
»Du weißt aber schon, dass es ihr nicht gutgeht, oder?«
Abrupt zucke ich zusammen. Ich öffne meine Flügel, die ich vor mir verschränkt hielt. »Aber es sind doch nur Prellungen... Oder ist etwa doch etwas gebrochen? Aber ich habe doch...«
Teba schüttelt mit geschlossenen Augen den Kopf. »Nein, nein, das habe ich nicht gemeint! Ich rede von den Träumen, die sie hat.«
Augenblicklich erinnere ich mich daran, als mir Shania von ihren Albträumen in der Höhle erzählt hat.
»Davon sprichst du... Ja, ich weiß Bescheid! Aber warum machst du dir Sorgen darüber?«, frage ich meinen Bruder.
»Naja, gewöhnlich ist das nicht...« Teba langt sich an das Kinn und setzt ein besorgtes Gesicht auf. »Sie schreit im Schlaf. Meistens wacht sie dann schweißgebadet auf oder weint sogar.«
»Woher willst du das wissen?«, entgegne ich meinem Verwandten gereizt, weil ich nicht will, dass er solch intime Dinge über die Hylianerin weiß.
»Ich habe es schon öfter mitbekommen, schließlich wohnen wir nicht weit von ihr weg. Falls du dich daran erinnerst?« Teba hat einen verärgerten Ton aufgesetzt. »Aber gestern Nacht...«
Teba bricht abrupt ab, als Hertis mit einem kleinen Bogen durch den Eingangsbereich marschiert. Präsentierend legt er die Waffe in Kindergröße auf den Tisch.
»Ich habe deinen Bogen als Vorbild genommen, so wie du es gesagt hast«, meint Hertis mit einem stolzen Nicken.
»Danke, Hertis!«, spricht Teba mit einem begeisterten Glitzern in seinen Augen. »Tulin wird sich freuen.«
Teba fischt einen Beutel aus seiner Hosentasche und bezahlt den Bogen mit einem Haufen Rubinen. Dankend nimmt der Bogenbauer seine Entlohnung an sich. Mit dem Minibogen im Flügel dreht sich Teba zu mir um, während sich Hertis wieder meinem Bogen zuwendet. Ohne ein weiteres Wort zu Shanias Träumen, verabschiedet sich mein Bruder von mir und lässt mich allein in der Werkstatt zurück. Es gefällt mir ganz und gar nicht, dass Shania Albträume hat. Und noch weniger gefällt mir die Tatsache, dass mein Bruder mehr weiß, als ich.
»Ich habe deinen Pfeil gleich mitgenommen. Willst du ihn sehen?«, höre ich den Bogenbauer zu mir herüberrufen.
Langsam schreite ich zu dem Orni herüber. Er hält ein Tuch in der Hand. Als ich fast vor ihm stehe, schlägt er es auf und enthüllt einen Pfeil mit gelblich flackernder Spitze, ein Donnerpfeil, erschaffen aus der Schuppe des Drachens.
»So habe ich mir das vorgestellt!«, bemerke ich zufrieden.
Als ich Hertis mit Pfeil und Bogen verlasse, bemerke ich, dass sich einige Ebenen unter mir einige Orni versammelt haben. Eigentlich lässt mich so was kalt, doch als ich Shania in der Masse erblicke, erregt das aus irgendeinem unerklärlichen Grund mein Interesse. So stoße ich mich von der Brüstung ab und gleite hinab, bis ich mich mitten im Geschehen befinde. Mit fasziniertem Blick steht die Hylianerin im Getümmel. Ihre Augen sind stur nach vorn gerichtet. Langsam bahne ich mir den Weg frei. Ein paar Schritte von ihr entfernt, so dass sie mich nicht bemerkt, hebe ich meinen Blick, um zu sehen, was Shania so in den Bann gezogen hat. Da höre ich plötzlich Musik, jemand beginnt, zu spielen.
»Nicht der schon wieder...«, murmle ich genervt.
Auf einem Kissen sitzend spielt Kashiwa auf seinem Akkordeon, während einer seiner Töchter auf einer Mundharmonika spielt. Seine Frau und seine anderen vier Töchter sind ebenfalls anwesend. Ich werde es nie verstehen, wie sie sie diesen treulosen Papagei trotz allem noch um sich haben wollen.
Plötzlich zupft mich jemand an den Federn. Abrupt zucke ich zusammen und blicke nach unten. Mit freudvollem Grinsen schaut mein Neffe zu mir hoch.
»Hörst du auch gerne Kashiwas Lieder, Onkel Rivali?«
Ich verdrehe die Augen. »Natürlich, es gibt nichts, was ich lieber täte«, entgegne ich Tulin sarkastisch.
»Toll!«, jubelt der Kleine, der nichts von Sarkasmus versteht und wackelt mit den Schwanzfedern. »Hebst du mich hoch, damit ich etwas sehen kann?«
»Wo ist eigentlich Teba?« Suchend schaue ich umher.
Der kleine Orni deutet in eine Richtung. »Mama und Papa sind da drüben und reden mit Utella und Daru. Hebst du mich jetzt hoch?«
Tulins Augen glänzen mich erwartungsvoll an. Seufzend gebe ich nach, greife nach meinem vor Freude quiekenden Neffen und setze ihn auf meine Schultern.
»Und siehst du jetzt was?«, grummle ich nicht gerade sehr freudvoll.
»Ja!«, ruft Tulin erheitert, trotz meines Tons.
Während der Sohn meines Bruders dem Barden beim Musizieren zusieht, starre ich unentwegt zu Shania hinüber. Mein Blick wird von Mal zu Mal dunkler. Warum himmelt sie diesen Stümper nur so an? Wenn sie wüsste, dass er seine Familie im Stich gelassen hat, würde sie ihn nicht so mit ihren glänzenden Augen verschlingen.
Mit einem Mal stimmt Kashiwas Frau zu der Musik ein Liedchen an. Ihre Töchter singen mit. In diesem Moment teilt sich die Menge und einige Orni beginnen, zu tanzen. Staunend betrachtet Shania das Treiben, bis ihre Augen die meinen treffen. Ungläubig blinzelt sie zu mir herüber. Wie angewurzelt stehe ich da, als würden meine Beine mir den Dienst versagen, als Tulin plötzlich beginnt, auf mir herum zu zappeln.
»Ich will auch tanzen!«, meckert der kleine Orni.
Augenblicklich hebe ich ihn von meinen Schultern herunter. Als ich meinen Kopf wieder hebe, sehe ich Shania auf mich zukommen.
»Warum tanzen und singen alle einfach so?«, fragt mich die Hylianerin nachdenklich gestimmt, als hätte sie das Gefühl, etwas verpasst zu haben. »Gibt es etwas zu feiern?«
»Das ist für uns Orni nicht ungewöhnlich. Dafür braucht es keinen Anlass«, erkläre ich ihr.
Unschlüssig blickt die Auserwählte von Orni zu Orni.
»Ich glaube, ich kann mich an etwas erinnern... Aber ich bin mir nicht sicher«, meint sie mit zarter Stimme.
Bevor ich etwas darauf erwidern kann, wird die Musik plötzlich leiser und die wundervollste Frauenstimme, die unser Dorf zu bieten hat, ist zu hören. Mit geweiteten Augen dreht sich Shania zu Saki um, die nicht unweit von uns entfernt zu der weichen Melodie sinkt.
»Ich wusste gar nicht, dass Saki so schön singen kann«, bemerkt die Kleine.
Wieder berührt es etwas in mir, Shania so begeistert zu sehen. Sie wirkt wie ein frischgeschlüpftes Küken, das zum ersten Mal die anderen fliegen sieht.
»Alle Orni-Frauen können singen«, sage ich zu ihr. »Aber Saki ist die beste Sängerin unseres Dorfes. Viele Männer haben sich in ihren Gesang verliebt.«
»Oh...«, meint Shania mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen. »Im Gegensatz zu dir hat sie gar nicht erwähnt, dass sie ein solches Talent besitzt, bester Bogenschütze der Orni!«
Ich recke den Schnabel in die Höhe. »Es spricht nichts dagegen, den anderen von seinen Talenten wissen zu lassen«, erwidere ich der Hylianerin mit einfältigem Ton.
Die Hylianerin lacht amüsiert auf. »Nicht jeder ist eben so überzeugt von sich, wie du.«
Als ich in ihr fröhliches Gesicht blicke, bleibt mir nichts anderes übrig, als zu lächeln. Plötzlich bemerke ich Teba, der es sich auf einer Brüstung bequem gemacht hat und seinen verzauberten Blick auf seine Gattin gerichtet hält.
»Wusstest du eigentlich das Teba ein ziemlicher Frauenschwarm war?« Ich verschränke die Flügel.
Verdutzt schaut mich Shania an. »Nein...«
»Er ist der Bruder des obersten Kriegers und sie die beste Sängerin, also wenn du mich fragst, war es nicht wunderlich, dass ausgerechnet die beiden zusammenkommen sind«, werfe ich ein.
Merkwürdiger Weise wird Shanias Gesicht plötzlich knallrot. Sie wendet den Blick von mir ab und starrt zu Boden.
»Warum bist du eigentlich nicht verheiratet? Naja... also... so als Anführer der Orni-Krieger und dazu bist du auch noch älter als dein Bruder«, stammelt Shania etwas verlegen.
Mit meinem Flügel streife ich über meinen Hinterkopf. Wieder spüre ich so ein merkwürdiges Klopfen in meinem Bauch. Auch dieses elektrische Gefühl meldet sich wieder, dass meinen Federn befiehlt, sich aufzurichten. Eisern versuche ich gegen diesen Drang anzukämpfen. Ich kann es mir nicht leisten, dass sich mein Gefieder vor all den Orni aufplustert. Das wäre eine wahre Schande!
Allerdings stellt mir die kleine Hylianerin eine berechtigte Frage. Nur gab es bisweilen keine Orni-Frau, die mich wirklich interessiert hätte. Jeder weibliche Orni kann singen, aber keine unterscheidet sich wirklich von der anderen. Nach wenigen gemeinsamen Nächten langweilen mich Frauen eigentlich nur.
Bevor ich dem Mädchen auf die Frage antworten kann, rempelt ein tanzender Orni Shania von hinten an und stößt sie geradewegs in meine Flügel. Reflexartig fange ich sie auf. Mit ihren Händen an meine Brustpanzerung gestützt schaut mich die Hylianerin stumm an. Nun kann ich es nicht mehr vermeiden, mein Gefieder bläst sich auf. Augenblicklich springen wir auseinander. Hektisch versuche ich mein Federkleid wieder zu glätten, bevor es jemand bemerkt. Shanias verzückter Gesichtsausdruck zu Urteil hat sie es jedenfalls schon längst erkannt.
Dann spüre ich zu meinem Verdruss auch noch einen Flügel auf meiner Schulter. Natürlich ist es ausgerechnet mein Bruder, der mir einen belustigten Blick zuwirft. Vogeldreck!
»Shania! Warum singst du denn nicht auch mit?«, fragt Teba die Hylianerin, als ich meinen Bruder verärgert von mir wegstoße.
»I-ich...«, verunsichert blinzelt Shania zu meinem Bruder zurück. »Ich kenne doch gar keine Orni-Lieder.«
Da steht auch schon Saki hinter der Hylianerin. »Das muss du auch nicht. Sing mir einfach nach!«
Meine Schwägerin singt mit den anderen Orni-Frauen um uns herum das Lied weiter, während die Auserwählte verdrossen danebensteht.
»Komm, Tante Shania! Sing du auch, so wie Mama!«, drängt Tulin die Hylianerin, der sich gerade zwischen mir und Teba durchquetscht.
Mit einem Blick auf meinen Neffen bläst Shania die Backen auf. Ja, sie scheint es wirklich nicht zu mögen, wenn alle sie anstarren, trotzdem öffnet sie den Mund. Ein Ton kommt aus ihrer Kehle, ein ziemlich schiefer Ton. Augenblicklich verziehen alle in ihrer Umgebung das Gesicht, ich, Teba und Saki eingeschlossen. Der einzige Tulin lacht angetan und versucht, ebenfalls mitzusingen. Seine Stimme klingt bei Weitem besser als Shanias. Also Singen scheint wirklich kein Talent der Auserwählten zu sein.
Verlegen räuspert sich Shania bereits nach dem ersten gesungenen Satz und zuckt unschuldig mit den Achseln. »Ich weiß nicht wieso, aber ich kann mich plötzlich daran erinnern, dass ich nicht singen kann.«
Zunächst glotzen sich Teba und Saki einfach nur an, dann brechen beide in Gelächter aus. Auch Shania muss lachen und sieht mich dabei an. Ich liebe es, wenn sie lacht, dieser Ton ist viel schöner, als ihre Gesangsstimme.
Wenig später tanzen Shania, Saki und Tulin zu der Musik, während ich mich von dem Geschehen etwas zurückziehe und die Hylianerin heimlich beobachte. Also tanzen kann sie ja ziemlich gut...
»Der große Revali... Er fürchtet nichts und niemanden, lässt Wirbelwinde entstehen und lehrt seinen Gegnern das Fürchten.«, höre ich meinen Bruder mit belustigter Stimme sagen. »Doch trotzdem hat er Angst davor, sich seine Gefühle einzugestehen.«
Ich werfe Teba einen genervten Blick zu und drehe mich abrupt von ihm weg. Beide stehen wir angelehnt an einer fremden Hütte.
»Keinen blassen Schimmer, wovon du redest!«, blaffe ich zurück.
Abrupt schließe ich die Augen und tue so, als würde ich meinen Verwandten ignorieren.
Doch so wie ich Teba kenne, gibt er nicht so schnell auf. »Dein Gefieder plustert sich auf, wenn sie dich berührt, du bist momentan für deine Verhältnisse ziemlich gut gelaunt und du redest unentwegt von ihr, was ebenso wenig für dich spricht.«
Entrüstet seufze ich auf, wende mich Teba wieder zu. Meine grünen Augen funkeln ihn genervt an.
»Sie ist keine Orni«, erwidere ich meinem Bruder einfach nur und hoffe, dass das Thema somit erledigt ist.
Seine gelben Augen starren unberührt zu mir zurück. »Und das ist eine Ausrede wofür?«
»Das ist keine Ausrede, das ist eine Tatsache! Sie hat keine Federn und kann nicht fliegen«, gifte ich die Nervensäge an.
Teba legt den Kopf schief. »Als würde das einen Unterschied machen. Attraktiv findest du sie ja trotzdem, sonst würdest du sie nicht immer so ansehen.« In diesem Moment sieht er zu der Hylianerin hinüber, die offenbar Spaß am Tanzen hat.
»Wie sehe ich sie denn an?« Mein Ton wird von Mal zu Mal schärfer.
Der graue Tölpel lacht und antwortet nur zu gerne auf meine Frage. »Wie ein ausgehungerter Alder, der einen Fisch im See erspäht hat.«
»Ach, Quatsch!«, zische ich, stoße mich von der Wand ab und presche gefährlich nah an meinen Bruder heran. »Was soll ich denn mit einer Hylianerin anfangen, die sich nicht an einmal an ihren richtigen Namen erinnern kann. Sie hat ihre Vergangenheit komplett vergessen und womöglich ist sie vielleicht sogar verheiratet. Irgendwann wird sie sich an all das erinnern und dann ist sie weg.«
Augenblicklich zucke ich zusammen, als ich Tebas verwunderten Blick bemerke.
»Ach so... Das ist also dein Problem. Verstehe...«, meint er mit verschwörerischer Stimme
Ergeben drehe ich meinem Bruder den Rücken zu, so dass er mein Gesicht nicht sehen kann. Es war ein Fehler, die Worte laut ausgesprochen zu haben. Was in Hylias Namen denkt er nun von mir? Doch in Wahrheit ist es egal, denn Teba denkt sowieso, was er will.
»Du glaubst also, Shanias Herz könnte bereits einem anderen gehören und dann, wenn sie sich erinnert, spielst du die zweite Geige... Tja, das wäre schon möglich!«
Und schon wende ich mich wieder dem grauen Orni zu und strafe ihn mit einem zornigen Blick.
»Aber...« Plötzlich tritt mein jüngerer Bruder an mich heran und legt mir seinen Flügel auf die Schulter. Zunächst habe ich vor, ihn von mir zu schupsen, da höre ich ihn sagen: »Doch Shania ist jetzt schon so lange bei uns. An einige Dinge kann sie sich schon erinnern, an ihre Familie, an ihre Heimat, aber nicht an einen Mann. Und selbst wenn es jemanden gäbe, das können wir beide nicht wissen, dann kann es immer noch sein, dass sie dich ihm vorziehen wird.«
Aus irgendeinem Grund, ich weiß nicht warum, lasse ich mich von seinem Optimus, der mir sonst immer wahnsinnig macht, beeinflussen. »Und wenn schon... Ich bezweifle, dass sie mich als Gefährten haben möchte.«
Wieder ernte ich einen höchst verwunderten Gesichtsausdruck von Teba. »Revali! Zweifelst du etwa an dir? Bist du krank?«
Augenblicklich greift er mit dem Flügel nach meiner Stirn. Hektisch wische ich seine Federn von mir.
»Lass das!«, ermahne ich ihn und rette meine perfekte Federpracht vor seinen Schmierschwingen.
Unter lautem Lachen zieht Teba seinen Flügel zurück. »Du hast doch sonst auch keine Probleme, jedem, zu sagen, was du denkst, da wirst du es doch auch hinbekommen, Shania seine Gefühle zu gestehen. Naja... aber wenn ich es mir so recht überlege... Mit Gefühlen hast du es ja nicht so.«
Verächtlich schnaube ich. Er redet sich so leicht. Zwischen ihm und Saki war alles anders, es war leichter. Sie ist eine gewöhnliche Orni und keine Auserwählte. Es ist völlig gleichgültig, ob sich Shania für mich entscheiden würde oder nicht, denn die Hylianerin hat ihr Schicksal zu erfüllen. Die Hylianerin kann also niemanden brauchen, der ihr im Weg steht. Doch dann muss ich mich wieder an diese vielen Momente erinnern. Ich kann es nicht verhindern, sie kommen einfach über mich. Augenblicklich muss ich mich daran zurückdenken, als ich Shania vor den Yiga gerettet habe und sie bettelnd und schreiend ins Wasser gehalten habe, als ihr Körper sich geweigert hatte, sich zu heilen. Sie hätte sterben können und dieser Gedanke raubt mir beinahe den Verstand. Was, wenn sie eines Tages das Orni-Dorf verlässt, um ihre Bestimmung zu erfüllen und in Schwierigkeiten gerät. Wenn ich nicht bei ihr bin und sie Hilfe braucht... Der Gedanke daran schmerzt. Dann sehe ich plötzlich ihr heiliges Lächeln vor mir, das Lächeln, das ich so liebe, gemeinsam mit ihren stauenden braunen Augen, wenn sie mir beim Bogenschießen zusieht und mich heimlich bewundert. Oder bilde ich mir etwa nur ein, dass sie mich bewundert? Ich finde keine Antwort darauf. Womöglich wünsche ich mir nur, dass sich mich anhimmelt. Warum macht mich diese Frau nur so närrisch? Ich verstehe es nicht. Könnte es wirklich sein, dass ich Gefühle für Shania entwickelt habe? Nun, zugegeben, sie geht mir nicht aus dem Kopf, ich verbringe gerne mit ihr Zeit und nun ja, ich mag sie. Als ich dann auch noch an den Augenblick denke, wie sie halbnackt neben mir gesessen hat und neben mir eingeschlafen ist, plustert sich wieder mein Gefieder auf. Wie peinlich!
Teba wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Er hat es bemerkt, schon wieder. Das darf doch nicht wahr sein!
»Siehst du! Und wehe du streitest es ab, dass du gerade an sie gedacht hast.« Mit einem Mal verschwindet jegliche Art von neckischer Belustigung in Tebas Gesicht und seine Stimme wird ernst. »Sei nicht so stur, Revali! Niemand hat je erlebt, dass eine Frau dich so fasziniert. Sie wird dir guttun, glaube mir. Du darfst es nur nicht vermasseln!«
Seine Worte werfen mich so aus der Bahn, dass ich zum ersten Mal sprachlos bin. Tatsächlich weiß ich nicht mehr, was ich meinem Bruder erwidern soll. Er wirft mir einen letzten aufmunternden Blick zu und verschwindet dann in der tanzenden Menge.
Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich unsicher. Meine Gedanken sind hin- und hergerissen zwischen Stolz und Sehnsucht. Will ich wirklich mit Shania zusammen sein? Innerlich sträube ich mich dagegen, mir diese Frage zu stellen, aber insgeheim ertappe ich mich dabei, wie ich sie mit Ja beantworte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro