Day Two
Shivas Blick huschte unermüdlich umher, zu viel gab es hier, das er sehen wollte. Alles war ganz anders als er gedacht hatte und noch so viel erstaunlicher als alles, was er bisher gesehen hatte. Mit angehaltenem Atem blickte er nach unten zu seinen Füßen, die in der Luft baumelten, da er unverändert von einem Engel durch die Luft getragen wurde. Eine leichte Höhenangst war in ihm aufgekommen, aber der wunderschöne Blick mit dem er belohnt wurde, ließ ihn dies so schnell wieder vergessen, wie es entstanden war. Der Boden erinnerte in keinster Weise an Indien oder die düsternasse Welt des Jenseits: Schnee lag auf den kleinen Hügeln, die von roten gepflasterten Straßen durchzogen waren. Wandelnde Bäume die aussahen als wären sie Teigwaren, schaufelten emsig mit ihren Blättern gelbes Pulver vom Boden in die Luft, wie riesengroße Wasserräder. Der feine Goldstaub stieg nach oben und verdichtete sich zu Wolken. Shiva hielt die Luft an und schloss die Augen als sie durch einen solchen Dunst flogen und er spürte die kleinen Partikel über sein Gesicht streichen, als würde jemand winzige Blütenblätter über ihn streuen. Die Wolke war größer als gedacht und Shiva atmete den seltsamen Staub ein - musste aber nicht husten. Ganz im Gegenteil fühlte es sich sogar sehr viel besser an als normale Luft! Blinzelnd öffnete er die Augen wieder, scheute sich aber dann doch davor dass ihm das Pulver schaden konnte und schloss sie wieder. "Was ist das?", neugierig und beeindruckt hatte er Askaziel schon fast vergessen. Der Tenshi lachte nun gut gelaunt: "Das ist Gelb. Es hat ungefähr den selben Zweck wie Pollen bei euch in der Oberwelt. Die Bäume ernten es, und es befruchtet die Wesen hier." Shiva nickte und öffnete die Augen jetzt wieder, da das Kribbeln auf seiner Haut aufgehört hatte. Sie waren wieder allein an dem strahlend rosafarbenen Himmel. Die Seele begann Vögel zu vermissen und sah sich um, aber nur sein Begleiter schwebte wie ein gewaltiger Vogel durch die Lüfte. Bei jedem Schlag verursachten sie ein Rauschen und in dem metallenen Flügel spiegelte sich die Sonne und blendete Shiva. Störte das nicht beim Fliegen? "Na, geht's dir schon besser?", Askaziel flog immer höher und Shiva bekam Angst, die Luft könnte für ihn zu dünn werden: "Ich... ich denke schon." Der Inder hatte plötzlich so viele Sachen an die er gleichzeitig dachte, der Engel brachte ihn durcheinander wenn er jetzt auch noch ein Gespräch anfing. "Gut. Wir sind gleich da", Askaziel flog durch ein kreisrundes Loch in der Himmelsdecke, es gab einen Himmel über dem Himmel. Plötzlich war da alles was Shiva vermisst hatte: Riesige kunterbunte Vögel mit meterlangen Schwingen tanzten in Loopings durch die nun strahlend goldene Luft. Schiffe aus reinem Kristall durchkreuzten den Himmel als wäre es Wasser und Engel in wunderschöner Kleidung saßen auf unterschiedlich großen fliegenden Inseln. Alles glänzte und funkelte als hätte man Tau über allem ausgeschüttet und die ersten Strahlen des Tages würden es nach einer langen Nacht berühren. Auf der größten der tropisch wirkenden Inseln stand ein wunderliches Haus. Seine Türme ragten in den Boden hinein während das Dach aus einer Seifenblase zu bestehen schien, die sich ständig hin und her bewegte. Kleine ebenso schillernde Kügelchen lösten sich vereinzelt aus der Masse und schwebten durch die Gegend, bis sie zerplatzten. Pflanzen wuchsen hier in Hülle und Fülle, wenngleich vorwiegend solche, die Shiva weder in seinem Leben, noch in seinem Dasein als Toter, jemals erblickt hatte. Sie schienen einfach keinerlei Gesetzen Folge zu leisten und kringelten sich von den Oberflächen der Wolken - oder was auch immer dieser lachsfarbene Schleier unter ihnen war - zu den Inseln hinauf. Fast wie Seegras ging es Shiva durch den Kopf. Es wogte auch ebenso wie dieses in nicht ersichtlichem Wasser. "Ich träume", sagte Shiva und realisierte erst, dass er es laut gesagt hatte, als er Askaziels raues Lachen vernahm: "Nicht wirklich. Die Welt der Nachtmahre ist nochmal ganz woanders."
Sie steuerten auf eine Insel zu, auf der eine Menge Tenshi zu sehen waren. Auch ein paar Gebäude die an riesenhafte Schuhe erinnerten standen dort. Kaum berührte Shiva wieder festen Boden ließ der Engel ihn los, sodass er fast stolperte. "Askaziel! Da bist du ja wieder! Komm her Bro!" Der rothaarige Engel wurde von einer Menge Edenbewohnern empfangen als wäre er ein Held, Shiva stand nur etwas teilnahmslos daneben und fragte sich, ob der Pfefferminzgeruch von dem riesigen Busch neben ihm kam oder von den kleinen wie Bonbons geformten Mücken. Seine Füße verschwanden bis zu den Knöcheln in dem quietschgrünen Gras wie in Wasser und eine fremde Energie fing an in ihm aufzusteigen. Es fühlte sich so an, als würde das Gras in ihn hineinwachsen und rasch änderte er den Standpunkt. "Eh Askaziel wieso bringst du eine Seele mit? Und vor allem warum eine mit Körper?", eine Frau - Shiva war es unmöglich ihr Alter zu bestimmen, aber alle hier waren gefühlt einfach in ihren besten Jahren - kam auf ihn zu. Ihre kupferroten Flügel waren hinter ihr gefaltet und die untersten Schwungfedern streiften den Boden. "Er war halb am abschmieren Zeska, außerdem hatte ich gerade Bock was freundliches zu tun", Askaziel gähnte und wuschelte Zeska durch die olivgrünen kurzen Haare, was diese eindeutig verärgerte. "Freundlich? Dieses Wort aus deinem Mund zu hören ist abartig!", die Tenshi schnaubte und entfernte sich mit einer schnellen Drehung. "Was... was mache ich jetzt hier?", fragte Shiva. Sein Kopf war wie leergefegt und er fühlte sich verstoßen und sofort wieder neu adoptiert. Er war doch auf einer Mission gewesen, was war mit dem kleinen Timber? Wer hielt das Haus instand und räumte auf? "Du ruhst dich jetzt aus und dann schauen wir mal, was wir mit dir machen können", der Rothaarige lächelte, aber seine Augen blieben unbewegt. Ein Schauer durchlief die Seele aber ihm blieb nichts anderes übrig, als dem Engel zu einem der Gebäude zu folgen.
Die Tür passte sich dem runden Äußeren des Anwesens an und war oval wie ein Ei. Das wäre ja noch in Ordnung gewesen, aber die Inneneinrichtung des Hauses war grotesk: Es existierten einfach keine Ecken. Der Tisch war rund. Die Bilder an den Wänden waren rund. Die Teppiche, Schränke, Regale, Treppenstufen - auch die "Ecken" in den Wänden! Shiva wurde ein ganz klein bisschen übel.
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