Chapter Two
Es zitterte erbärmlich auf den kalten Stufen des Brunnens. Das Wasser war längst gefroren, und ragte wie spitze Nadeln gen Boden, ebenso wie die Tränen, die in seltsamen Formationen an die Wangen des Kindes gefroren waren. Der Himmel färbte sich langsam rot, aber der kleine Junge konnte sich nicht mehr bewegen und in die Sonne robben, um seine Gliedmaßen aufzutauen. Sein kompletter Körper war eiskalt und blau verfärbt. Mit großer Anstrengung rang er jeden Atemzug kläglich nach Luft, aber es war, als würde er ertrinken.
Kai Chou blieb neben dem Bündel liegen und blickte mit seinen blutroten Augen auf den Vergehenden. Von diesem Kind also war das Erdenbuch, welches er vor wenigen Erdenstunden vor dem Nebel der Unterwelt gerettet hatte. Aber warum es dort gelegen hatte und wie es dorthin gekommen war, wusste Kai Chou noch immer nicht. Mit einem tiefen summenden Geräusch materialisierte sich eine lange, glänzend schwarze Sense in der linken knochigen Hand des Totenengels. Mit der anderen, menschlichen Hand, streichelte er dem kleinen Jungen über den Kopf, der fast gänzlich in dem Schal verschwunden war, kurz bevor dieser starb. Dann hob er die Sense und durchtrennte das Band zwischen Körper und Geist, um die Seele ins Totenreich zu schicken. Aber es geschah nichts. Hatte das Kind keine Seele mehr? Kai Chou bückte sich wieder, obwohl er gerade erst aufgestanden war. "Seltsam", murmelte er, "normalerweise werden Seelen nur bei extremen Katastrophen wie Feuer ausgelöscht. Von Eis habe ich noch nie gehört." Der Körper war tot, kein Zweifel, aber die Seele musste ihm schon jemand anderes weggeschnappt haben. Plötzlich flammte der Leichnam in grünen Flammen auf, und versengte ein Stück von Kai Chous Mantel. Womöglich wäre noch mehr zu Schaden gekommen, wäre der junge Mann nicht reflexartig zurück gestolpert. Drohend packte er die Sense fester. Ihre Klinge funkelte rötlich.
"Lass sie frei!", rief er dem Dämon entgegen, der sich dröhnend aus dem optisch Toten aufrichtete. Er hatte die Form einer jungen Frau mit pechschwarzer Haut. Um ihren hübschen Körper knisterte es drohend, und ihre pupillenlosen Augen waren nicht mehr als zwei große Löcher aus denen grüne Flammen züngelten. Kai Chou zeigte keine Schwäche und blieb wo er war, obwohl seine Kleidung weiterhin unter dem Dämonenfeuer litt und sich loszureißen versuchte um vor der Hitze zu flüchten. "Das glaubst du doch selber nicht, du Shinigami!", lachte die Dämonin mit einer heulenden Stimme, "diese Seele gehört mir!" "Das tut sie nicht, lass sie gehen oder ich werde dich töten müssen!", der Todesengel musste einige Blitze abwehren, griff aber nicht an. Wenn er diesen Dämon mit Gewalt zerstören würde, war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er die Seele dabei verwundete. Aber eine leere Drohung war immerhin einen Versuch wert. "Haha!", amüsierte sich die Frau, "Ich, Midori, werde diese Seele nicht eher freilassen, als dass du mir etwas dafür geben kannst, was diesen Preis gerecht wäre!" Flammen zischten aus ihrem geöffneten Mund und umwirbelten Kai Chou wie ein heulender Sturm. Er hielt sich den Arm vors Gesicht und seine Sense als Schild, aber Midori war stark. Warum hatte ein solcher Dämon einen kleinen Jungen besetzt, dessen Tagebuch ins Jenseits gelangen konnte? Kai Chou hatte keine Lust mehr sich gegen das Feuer zu stemmen und wirbelte auf die Dämonin zu. Sein Mantel flatterte in kleinen glimmenden Aschestückchen davon, was er jetzt aber wirklich nicht beachten konnte, aber seine Kleidung darunter sollte besser nicht dem selben Schicksal erliegen. Midori kreischte auf als die rote Klinge der Sense ihre Flammen durchschlug und sie zu Rauch und heißer Luft verpufften. "Gib die Seele sofort her!" In einer Wolke aus Ruß kamen die beiden zum Stehen. Abneigung blitzte in Kai Chous roten Augen auf, während er sich mit der freien Hand die schwarz-weißen Haare aus der Stirn strich, die das Feuer zum Glück unbeschadet überstanden hatten. Midori blickte auf den Schnitt an ihrem Oberkörper, der ihre ohnehin recht freizügige Kleidung unschön teilte, und verschränkte die Arme: "Perversling." Kai Chou schnaubte: "Ich wollte dich treffen und nicht deine Kleidung." "Hast du auch, Shinigami", Midori ließ die Arme wieder sinken und ihre Beine knickten unter ihr weg. Leuchtend violettes Blut verteilte sich rasch auf dem Boden. "Du bekommst die Seele nicht... außer...", ihre Lippen zogen sich zu einem Grinsen nach oben, "außer du nimmst mich auch mit." Ihre Gestalt leuchtete in grünem Feuer auf, welches in den Körper des toten Menschens fuhr, der keinen Moment später nach Luft ringend die Augen aufschlug. "Oh verfluchte Dämonen...", grummelte Kai Chou und ging zu dem Kind hinüber. War sein Name nicht Timber? Es war schon Mitte November, aber konnte in eineinhalb Erdenmonaten so viel passieren? Warum war der kleine Junge nicht im Waisenhaus von Miss Chuckley? Timber stand auf und sah den Todesengel mit großen braunen Augen an, sie waren mit ein paar grünen Sprenkeln und goldenen Tupfen versehen, sodass sie an einen Waldboden voller Laub erinnerten. Rasch ließ Kai Chou die Sense verschwinden und lächelte den Jungen an: "Lauf nach Hause, ja?" Timbers Augen wurden immer größer und er machte keine Anstalten, sich auch nur irgendwie zu bewegen. Er war vollkommen fasziniert von dem Wesen, das vor ihm stand. Kai Chou seufzte und kauerte sich vor Timber in die Hocke: "Dir ist doch kalt, oder nicht? Da solltest du heim laufen und dich aufwärmen - Hee?!" Er war leicht überrumpelt davon, dass der kleine Junge seine Haare offenbar sehr faszinierend fand. "Weiß...", sagte er und streichelte die hellen Haare des Shinigami, die nach hinten immer dunkler bis rabenschwarz wurden, "... und ein Horn! Bist du ein Drache?" Kai Chou stand auf: "Nein ich bin kein Drache, eigentlich dürftest du mich überhaupt nicht sehen." Er fegte sich den Dreck vom karminroten Hemd. "Aber ich kann nicht zurück gehen", sagte Timber und schnappte sich das eine Ende des Bandes, welches sich Kai Chou als Gürtel um die Taille geknotet hatte. "Ach nein?"
"Nein!"
"Und warum nicht?"
"Weil... weil es abgebrannt ist."
"Oh...", Kai Chou versuchte das kleine Kind loszuwerden, "dann geh doch zu..."
"Zu dir!"
"Was?! Nein!"
"Bitte Drachenmann! Ich bin auch ganz brav!"
"Nenn mich einfach Chou, ja? Und du kannst nicht mit zu mir kommen."
Timbers Augen leuchteten auf einmal grün auf, und es war Midoris Stimme, die aus dem kleinen Körper kam: "Selbstverständlich komme ich mit." Sie stemmte ihre Fäuste in die Seite und lief los: "Du wolltest seine Seele doch in deinem dunklen Loch haben, jetzt kriegst du sie."
"Aber er lebt jetzt wieder, da kann er die Grenze zum Jenseits überhaupt nicht überqueren."
"Ach komm schon Chou, da wird er wohl nochmal sterben müssen."
"Nenn mich nie wieder Chou", er stand noch immer unverändert am Brunnen, und Midori konnte ihn im Körper dieses kleinen Menschen so schnell auch nicht von dort weg bekommen, "weshalb hast du ihn dann wiederbelebt?"
"Habe ich nicht, er war nie wirklich tot, ich hatte nur etwas an seiner Seele geknabbert-"
"Was hast du?!", Kai Chou hatte Midori am Kragen packen wollen, die sich aber in dem Moment zurückzog, sodass er nur dem armen kleinen Timber knurrend in die Augen sah, der daraufhin anfing zu weinen.
\\\\٩( 'ω' )و ////
Kinda pretty, huh? ^.^
1. Teil der Lesenacht für chensing- (und andere Menschen von denen ich nichts weiß...?), ich denke es wird jede halbe Stunde ein Kapitel kommen, insgesamt vier denke ich ^.^
Viel Spaßßß 😂❤️
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