Chapter Four
Kai Chou hatte den bruchstückhaften Erzählungen gelauscht und Shiva brachte dem kleinen Timber ein Taschentuch. "Midori", knurrte er jetzt und Timber schluchzte so laut, dass er sich selbst kaum hören konnte. Es war unüblich, einen Dämonen ins Reich der Lebenden zu bringen, normalerweise sollten sie gar nicht aus der Niederwelt verschwinden. Denn sobald sie dieses Reich verließen und sich an eine Seele im Jenseits hängen konnten, war es ihnen möglich, Gestalt auch in anderen Dämonsionen anzunehmen. Wenn die Wirtsseele zerfressen und aufgebraucht war, benötigte der Dämon einen neuen Körper. Fand er keinen in den nächsten Stunden, verschied seine Seele zu einem körperlosen Geist oder wurde ins Totenreich, auch Niederwelt genannt, zurückgeschickt. Sobald der Dämon, von seiner Stärke abhängig, genügend Seelen gefressen hatte, konnte er sich in der Menschenwelt materialisieren und Chaos unter die Lebenden bringen. Zum Glück geschah das nur äußerst selten, denn es brauchte manipulative Seelen als Futter und ein dem Hexengeschlecht angehöriges Wesen, um einen Dämonen überhaupt ins Jenseits beschwören zu können. Wer also hatte Midori gerufen? Da traf es Kai Chou wie ein Blitzschlag: Hatte Timber nicht in seinem Tagebuch berichtet, er sei einem Mann begegnet, um dessen Stab grüne Flammen loderten? Natürlich. Ab diesem Tag war alles anders geworden, obwohl er nicht genau wusste was das hieß. Die Tollpatschigkeit, das Schlafwandeln - alles hatte er Midori zu verdanken, die die kleine verwundete Seele sofort gepackt hatte. Wahrscheinlich war er sehr angreifbar gewesen, da die Sorgen um Pigsmell größer waren als er dem Buch oder jemand anderem erzählt hatte. Pigsmell, das Mädchen das kurz nach dem Unfall starb, und auch Timber war nun tot, nur das dritte Kind, Fish, war mit einer schweren Lähmung davon gekommen. Oder er war auch schon gestorben, Kai Chou hatte die Tode der letzten Erdentage schließlich nicht auswendig im Kopf. Waren also noch mehr starker Dämonen entkommen? Aber warum? Weshalb waren die Grenzen von Scheol plötzlich so lückenhaft?
Er blickte zu Timber, dem Shiva eben über den Kopf strich und nahm einen Schluck Tee.
Timber war tot, aber sein Körper war an seine Seele gefesselt, da Midori als Kleber fungierte. Sie hatte die Seele noch nicht vollständig gefressen, und brauchte bis dahin einen lebenden Körper als Nest. Ihrem Aussehen nach musste sie sich aber bereits Teile davon einverleibt haben.
"Ich bin tot, oder?", fragte Timber ihn plötzlich und sah ihn an. "Ja, aber du bist nicht gestorben also keine Angst." Timber nickte überraschend ernst auf Kai Chous Antwort: "Ich weiß. Tot sein ist nicht das schlimme, sterben ist viel unschöner!" Shiva lachte, was er sonst nie, aber immer noch öfter als Chou, tat: "Ach ja? Woher weißt du das denn?" "Das hat mir mein Grandpa gesagt. Ich soll keine Angst vor dem Tod haben, weil er mir nichts Böses will." Shiva grinste und deutete mit einem Kopfnicken auf Kai Chou, dem es nicht gefiel, Thema ihrer Unterhaltung zu sein: "Das ist sozusagen der Tod. Zumindest der der Menschen. Der Präsident des Totenreichs, und der am wenigsten pflichtbewusste Shinigami." Der grünhaarige Butler bekam einen funkelnden Blick zugeworfen und verneigte sich leicht: "Bitte entschuldigt mich, mein Herr." "Du begrüßt die Anwesenheit eines Dämons also so sehr, dass dir zu lachen zu Mute ist?", Kai Chou behielt seine schlechte Laune, die er sich auch nur zu wirklich wichtigen Anlässen austreiben ließ. "Nun, hier ist er doch immerhin die Heimat der Dämonen..."
"Zum Teufel! Aber doch nicht in dieser Form!", Kai Chou stand auf um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen und zeigte mit seinem Knochenfinger auf Timber, beziehungsweise auf Midori, "sie wird Timbers Seele fressen, und dann mit Körper hier herumwandern. Das ist nicht gut Shiva. Wir müssen es schaffen sie auszutreiben, bevor das passiert."
"Aber mein Herr, weshalb habt Ihr sie dann hierher gebracht?"
"Weil Timber hier sicherer ist", sagte Kai Chou stirnrunzelnd. Ich hätte ja schlecht einfach alles beim Alten lassen können."
"Aber Dämonen auf der Erde sind nicht so unüblich, wie Ihr annehmt", Shiva blickte seinen Herrn mit seinen graublauen Augen an. Er schien noch relativ jung, nur seine Augen waren alt und sahen immer etwas müde aus. Vielleicht war er das auch, dachte Kai Chou, vielleicht war er müde. Aber was kümmerte es ihn. Shiva war eine verirrte Seele, die es nur ihm zu verdanken hatte, dass er noch nicht zu Nichts geworden war.
"Austreibung. Das klingt fies", meldete sich Midori zu Wort und ließ die Tasse achtlos zu Boden fallen, die Timber in der Hand gehalten hatte. Sie zerschellte klirrend auf dem harten Boden, wo sich Shiva sofort ihren Überresten annahm. "Das wird es auch", sagte Kai Chou überzeugt, "allerdings brauche ich dafür Hilfe." "Soll ich Tora verständigen, mein Herr?", fragte Shiva sofort hilfsbereit, aber ehe der Shinigami ihm antworten konnte, lachte Midori los: "Haha! Wie erbärmlich! Du brauchst also Hilfe, Chou? Ich dachte du wärst der stärkste Sensentyp?" "Ja", sagte Kai Chou kurz an Shiva gewandt, ehe er Midori am Kragen packte: "Lach du nur, das wird dir schon sehr früh vergehen!" Midori grinste ihn an und betastete interessiert die Knochenhand an ihrem Hals: "Kann ich vor meinem, in Anführungszeichen, Tod, noch den Übergang von deiner Skeletthand in deinen normalen Körper sehen? Es muss da doch irgendwo eine Grenze geben-" Kai Chous andere Hand klatschte so fest auf ihre Wange, dass sie kurz Sternchen sah, und sich lieber wieder in den Hintergrund bequemte.
Timber blinzelte und hielt sich das Gesicht: "Aua..." Mit einem Seufzer aus Frust ließ Kai Chou von den Lumpen des Jungen ab. Mehr als Lumpen war seine Kleidung nicht. Shiva kam zurück und berichtete: "Tora ist leider sehr beschäftigt, sie wird erst in ein paar Erdentagen Zeit haben." "Wer ist Tora?", fragte Timber neugierig, er wusste dass es ein sehr besonderes Buch gab, das so hieß, aber das würde wohl kaum vorbeikommen. "Tora ist auch ein Shinigami, sie ist der Tod der Katzen", sagte Shiva an den kleinen Jungen gewandt. Kai Chou hatte langsam das Gefühl, er mochte Timber sehr gern. Auf jeden Fall war er in dessen Anwesenheit viel freundlicher als bei ihm. "Na toll", murrte er, obwohl ihm keiner zuhörte, "wen können wir denn noch fragen? Alle anderen sind zu schwach oder zu blöd."
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