4. Advents-Special 2021, Teil 1
"...Hey." Aella hatte für eine lange Weile über etwas nachgedacht und wandte sich nun an Lucian, der in einem der Sessel in der Halle saß. Sie lief zu ihm herüber und pflanzte sich selbst auf die Lehne. "Ich... hatte gerade eine Idee. Da... es bis Weihnachten nur noch knapp eine Woche ist, dachte ich, dass wir uns unseren Aufsehern gegenüber erkenntlich zeigen sollten. Größtenteils Adachi, weil er das schon lange macht und weil er sich oftmals für uns stark gemacht hat. Nelson... naja, ich meine... wir verstehen uns langsam so halbwegs...? Also dachte ich, dass wir sie am 4. Advent vielleicht überraschen könnten, so als Dankeschön. Was denkst du dazu?",
"Ein... Advent-Geschenk?" fragte er mit leichter aber verständlicher Verwirrung in der Stimme. "Aber Weihnachten ist doch bald, ich verstehe nicht so ganz, wieso du das nicht da machen willst.",
"Ich weiß, ich weiß, aber...", sie lächelte und legte mit einem hinterlistigen Lächeln den Kopf in den Nacken, "...ich dachte daran, Adachi über die Weihnachtsferien in den Urlaub zu schicken. Er hat sich eine Pause verdient, oder?",
"Richtig. Aber meinst du echt, er würde uns über Weihnachten einfach so alleine lassen?",
"Wir haben doch noch eine zweite Aufseherin, oder?",
"Ich meine... ja. Aber, naja... Nelson ist... jetzt nicht die... Zuverlässigste.",
"Tja, da hast du schon recht... Aber zur Not würden wir ja auch ohne sie ganz gut zurecht kommen. Adachi kann immer noch in, keine Ahnung, auf den Orange Inseln chillen.",
"Er macht wirklich viel für uns... Die Idee ist nicht schlecht!",
"Und wenn wir ihm dieses, äh, Geschenk am vierten Advent geben, dann sollten wir uns für Nelson auch was überlegen.",
"Schon. Sie gibt sich schließlich wirklich Mühe.",
"Wir sollten das Taen erzählen. Soweit ich das mitbekommen hab, sitzt er schon seit Wochen an der Überlegung, wie er Adachi zurück zahlen kann. Immerhin hat er unsere Hintern davor gerettet, dass Toris Mutter uns auffliegen lässt und seinen Job riskiert, damit Taen das Gefängnis umgehen kann... Und so weiter... Taen wollte ihm das irgendwie zurück zahlen, aber anscheinend ist er wirklich schlecht darin, sich etwas in der Richtung auszudenken. Hab ich gehört...",
"Haha... Ja, ich weiß." Lucian musste schmunzeln. "Lass uns gehen. Ich wette, er ist in seinem Zimmer.",
"Wie immer."
Sie liefen die Treppen hinauf zu Taens Zimmer, wo der Gildenleiter in der Tat gerade alte Rechnungen sortierte oder weg warf.
"Hi!" rief Lucian ihm zu.
"Hallo." Er drehte sich zu ihnen um.
"Hey!" Aella winkte ihm zu. "Wir haben einen Vorschlag für dich!",
"Ah, wirklich? Dann lasst hören.",
"Also... Aella hat vorgeschlagen, dass wir Adachi über Weihnachten in den Urlaub schicken", erklärte Lucian. "Da er so viel für uns gemacht hat, denke ich, dass es nur fair ist, dass er sich auch mal entspannen darf.",
"... Urlaub", wiederholte Taen und tippte sich ans Kinn. "Exzellente Idee. Das ist allerdings etwas... knifflig in der Umsetzung. Weil, uhm... Als Strafe dafür, dass er mich damals hinter dem Rücken des Polizeipräsidenten zur Sozialarbeit verdonnert hat, wurde er als unser Aufseher eingesetzt und... daher ist es ihm nicht gestattet, Einall zu verlassen, solange wir es nicht tun. Und ich kann nicht einfach da rein marschieren und ihm sagen 'Hey, wir wollen den Mann, der uns eigentlich beobachten soll, für eins, zwei Wochen über Weihnachten weg schicken, also... mach mal'. Wir müssten das etwas... indirekter bewerkstelligen. Taro hat einen guten Draht zum Polizeichef, ich werde ihn fragen, ob er etwas arrangieren kann.",
"Das stimmt. Vielleicht kann Dad etwas zu der Idee beitragen", überlegte Lucian. "Es ist im Moment sowieso sehr ruhig in der Stadt geworden.",
"Außerdem sieht das besser aus, wenn Taro, als Adachis "besorgter" Freund, dieses Thema anspricht. Er ist schließlich Meister darin, andere zuzureden und sie von seinem Standpunkt zu überzeugen. Ich meine, dass Adachi sowieso einiges an Überstunden angesammelt hat, also sollte es etwas geben, was man in Gang setzen kann. Das einzige, was es noch zu tun gäbe, wäre, herauszufinden, was Adachis Traumurlaub wäre. Ich würde ihm den aus der Tasche zahlen.",
"Ich könnte mir eine sonnige Küste vorstellen, wo er sein Lieblingsbier genießen kann", meinte Lucian grinsend. "Vielleicht irgendwo, wo er sich einen Teint zulegen kann.",
"Ich habe heute sowieso noch einen Termin bei ihm... Er wollte einen Bericht über den Vorfall in Chromlexia haben. Ich könnte ihn nebenbei mal danach fragen", schlug Taen vor.
"Ich hoffe bloß, dass er gut drauf ist...", warf Lucian ein.
"Ja, ich auch... Danke für die Idee, ihr zwei. Ich habe schon seit Wochen darüber nachgegrübelt... Ich bin einfach nicht kreativ genug...",
"Ich hab wirklich nichts gemacht. Es war Aellas Idee!" Lucian schüttelte den Kopf.
"...Ach übrigens." Taen blickte das Mädchen an. "Ich muss dich mal loben.",
"Huh? Mich?" fragte sie überrascht.
"Ja. Du machst dir immer sehr viele Gedanken darüber, wie du gewisse Dinge organisieren kannst.... Erst Ostern, jetzt Weihnachten... Ich schätze deine Bemühungen sehr wert.",
"Ah... Kein Problem..." Sie lachte peinlich berührt auf. "Ich möchte bloß ein paar nette Dinge für das Team machen. Tori und Makoto kennen Nelson sehr gut, vielleicht wissen sie, was wir für sie machen könnten...",
"Knie- und Ellbogenschützer vielleicht", witzelte Lucian. "Da sie eine Tendenz dazu hat, den Boden zu umarmen..."
Aella lachte auf. "Und einen passenden Helm. Oder Krücken. Vielleicht ist sie ja so unsicher auf den Beinen, dass sie Unterstützung beim Gehen braucht...",
"Vielleicht kann Elma sie ihrer "Geh mit geradem Rücken"-Lektion unterziehen", dachte Taen.
"Hah, Tori und Jairo mussten da auch schon durch." Aella hielt sich kichernd die Hand vor den Mund. "Taen sieht auch so aus, als wäre er da schon mal durch gegangen, aber er hat ja diese "Stock-im-Rücken"-Haltung von Natur aus!"
Taen hob die Augenbrauen, während er da stand, als würde sein Rücken von einem Holzbrett anstatt von seiner Wirbelsäule unterstützt werden. "Entschuldigung?"
Lucian schnaubte und winkte ab. "Ja, wie wahr!"
"Wie auch immer, viel Glück!" wünschte Aella ihrem Anführer.
"Danke. Ich werde Taro auf dem Weg anrufen." Taen hob die Faust in Lucians Richtung, damit er seine dagegen stoßen konnte.
"Oh! Eigentlich ist er gerade in dem Bücherladen in der Trend Street. Er hat mir vor ein paar Minuten ein Bild geschickt", merkte Lucian an, als er seine Faust gegen die von Taen stieß.
"Oh, das ist ja noch besser. Danke für die Information." Er schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. Lucian lächelte zurück und rieb sich die Sommersprossen. "Sei vorsichtig da draußen!"
Taen tätschelte seinen Kopf und machte sich dann auf den Weg.
Er entdeckte den Freiberufler in besagtem Buchladen, wo er gerade dabei war, eine Zeitung aufzuschlagen. Taen schneite also unauffällig herein und tippte ihm auf die Schulter.
"...hrm?" Aufmerksame, hinter perfekt sauber gewischten Brillengläsern versteckte braune Augen trafen seine. "Oh! Welch eine Überraschung! Wie geht's?" Er lachte erfreut.
"Hallo, Tar- Ugh..." Er seufzte. Er bekam es immer noch nicht hin, aufzuhören, ihn beim Vornamen anzusprechen. Sowas machte man doch in einer Vater-Sohn-Beziehung nicht- Obwohl Lucian damit mittlerweile auch angefangen hatte, wenn auch nur aus Versehen und auch nur, weil Taen es auch tat. "Hallo, Dad.",
"Du weißt, dass du mich nicht so nennen musst, Taen." Er zog die Augenbrauen zusammen.
"Ich weiß, aber ich habe es versprochen. Oder?" Er setzte sich gegenüber von ihm hin.
"Lass es, wenn es dir unangenehm ist.",
"Sollte es nicht... Ich bin es nur immer noch nicht gewohnt. Tut mir leid... Aber ich will dich nicht verletzen, also werde ich weiterhin mein Bestes geben.",
"Du verletzt mich damit doch gar nicht, Taen. Vertrau mir da. 'Taro' ist schon in Ordnung.",
"...Richtig. Tut mir Leid. Wie auch immer, das ist jetzt nicht das Problem. Es gibt etwas, um das ich dich Bitten möchte, wenn du dagegen nichts einzuwenden hast.",
"Klar. Um was geht es denn?",
"Also... Ich bin in den letzten Wochen daran verzweifelt, etwas zu finden, um Adachi für seine... wie soll ich es nennen... rechtschaffene Großzügigkeit zu danken. Jetzt hatten Mitglieder der Gilde die Idee gehabt, ihn in einen wohlverdienten Urlaub zu schicken, was ich sehr nett finde. Allerdings können wir selbst nicht bei seinem Chef einfach danach Fragen, ob er ihm frei geben würde... wegen der ganzen Einschränkungen und strengen Regelungen. Ich weiß, dass das ganze bloß abgelehnt werden würde. Also wollte ich dich fragen, ob DU vielleicht danach fragen könntest, da wir ja im Moment einen zweite Aufseher haben. Du hast eine gute Beziehung zum Polizeichef von Stratos, und es würde definitiv einen anderen Eindruck erwecken, wenn du es machst, da du mit Adachi befreundet bist. Würdest du das tun? Es wäre natürlich klasse, wenn wir das vor Adachi geheim halten würden, zumindest bis zum vierten Advent, weil wir ihm da dann das Geschenk überreichen würden, damit er über Weihnachten wegfahren kann. Ich werde ihn befragen, was er sich so vorstellt und ihm das dann buchen."
"Das ist sehr aufmerksam von dir", meinte Taro. "Ich mach's, kein Problem. Auch, wenn ich mir nicht sicher bin, ob er euch über Weihnachten allein lassen würde. Nicht, weil er Angst hat, dass ihr wieder in Probleme geratet. Zumindest dieses Mal", fügte er hinzu. "Sondern weil er euch eben sehr ins Herz geschlossen hat.",
"Das sind bloß zwei Wochen. Ich denke nicht, dass er das als Problem auffassen würde. Außerdem würde er zum Beginn des neuen Jahres wieder zurück sein.",
"Verstehe.",
"Danke im Voraus, Taro." Er seufzte, als er wieder viel zu spät feststellte, dass er ihn wieder beim Namen angesprochen hatte. Jedoch schien Lucians Vater das nicht zu stören, denn er korrigierte lediglich seine Brille. "Kann ich dir noch mit etwas Anderem helfen?",
"Nein, nichts weiter für's Erste.",
"Du siehst gut aus. Du wirkst fröhlicher als früher.",
"..." Er zeigte ein zaghaftes Lächeln. "Das ist wahrscheinlich so, weil es wahr ist. Ich hätte nie gedacht, dass das Leben so... schön sein kann. Jahrelang habe ich es nur als Hölle gekannt, aber... ich habe realisiert, dass es auch sehr schön sein kann, und dass die schönen Aspekte des Lebens die schlechten überstrahlen.",
"Fühlst du dich gut bei deinen Freunden?",
"Ja. Sie haben mir geholfen, jeden Tag zu einem besseren Menschen zu werden. Die Dunkelheit, die mich einst umgab, ist lange verflogen... Ich genieße die Freiheit, die ich habe, und schätze jede Sekunde davon wert. Ich habe meine persönliche Freude darin gefunden, anderen in der Not zu helfen, damit auch sie wieder lächeln können... So... wie ich.",
"Du findest also langsam doch deine eigene Gerechtigkeit, hm? Ich bin stolz auf dich. Nur, damit du es weißt.",
"...Komm schon... nicht schon wieder die Gerechtigkeits-Rede... Aber...", er senkte den Blick und betrachtete seine Stiefel mit einem ehrlichen, eigentlich sogar ziemlich süßen, Lächeln auf den Lippen, "...danke. Ich werde dir weiterhin jeden Grund geben, das nicht zu bereuen."
Taro lächelte ebenfalls. "Tut mir Leid. Du kennst mich doch.",
"Ja, und ich weiß, dass du diese Rede stundenlang schwingen kannst, also unterbreche ich dich lieber schon an der Stelle. Nun denn..." Er stand wieder auf. "Ich muss los. Ich will nicht zu spät zu meinem Termin kommen.",
"Viel Glück. Halte mich auf dem Laufenden!",
"Man sieht sich..." Er blickte Taro mit einem weiteren seines speziellen Lächelns an das eigentlich nur Lucian kannte. Im Gegensatz zu seiner normalerweise eher ernsten und emotional zurückhaltenden Art stellte ihn das in ein ganz anderes Licht. Er wollte jedoch nicht ohne eine Umarmung gehen, also trat er vor und umarmte Taro. Er bekam ein sanftes Klopfen auf den Rücken als Antwort. Erst danach machte sich Taen auf den Weg zu Dinos Büro.
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