Slutshaming
Ja, es ist eigentlich traurig, dass es sowas immer noch gibt und das auf einem so hohen Level.
Ich meine, ich dachte bis vor kurzem immer, dass nach den ganzen - tollen und weniger tollen - Beauty-Youtubern Make-up keine große Sache mehr ist. Tja, da lag ich falsch. Denn was ich da auf dieser Plattform schon lesen musste, ist... bedenklich.
Man kennt doch die Antagonistinnen in den typischen Teenage-Dramen: die gehässige, Beliebte, oft Cheerleaderin, die mit dem gutaussehendsten Typ der Schule zusammen ist. Das ist vielleicht ein Klischee, aber im Grunde kann man dagegen nicht wirklich etwas aussetzen. Außer vielleicht, dass es Cheerleadern gegenüber nicht nett ist.
Aber jetzt kommen wir zum Punkt, an dem es fragwürdig wird. Unsere Prota ist natürlich die reine Seele in Person, die immer ungeschminkt oder zumindest nur dezent raus geht und die Antagonistin -oh schreck!- hat ein halbes Gemälde im Gesicht. Was nicht einfach so stehen gelassen wird, sondern schon einmal eine spitze gedankliche Bemerkung der Prota auslöst. Denn Make-up macht ihre Rivalin ja offensichtlich zu einer Bitch.
Moment, was?
Ja, ihr habt richtig gelesen.
Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Eigentlich müsste ich mich da schon persönlich angegriffen fühlen. Ich war nämlich, ab der 9./10. Klasse eines von den Mädchen, das sich öfter mal mehr geschminkt hat. Und damit mein ich oft volles Programm: Foundation, Augenbrauen, Lidschatten, Eyeliner, Wimperntusche, Highlighter und manchmal sogar noch Lippenstift. Natürlich war nicht immer alles dabei, aber komplett ungeschminkt war ich selten. Und, Überraschung - ich war keine "Bitch" und sah trotz Make-up meiner Meinung nach auch nicht so aus. Ich war sogar, wenn man so will, das Gegenteil. Denn wisst ihr was? Viele schminken sich auch einfach weils Spaß macht. Ganz verrückt, ich weiß.
Genauso hat sich dieses Klischee in meiner Erfahrung "überraschenderweise" noch nie bestätigt...
Also, sollte ich mich von sowas jetzt angegriffen fühlen?
Jeder sollte sich doch so viel oder wenig schminken können wie er will - ohne Vorurteile. Es ist nicht richtig
- andere als graue Maus, nicht mädchenhaft genug oder hässlich zu bezeichnen, weil sie sich nicht schminken
- andere mit "Bitch", unecht oder "ohne Make-up ist die sicher hässlich" zu beleidigen, weil sie Make-up tragen
- sich über andere zu stellen, weil man es tut oder eben nicht
Punkt. Daran führt kein Weg vorbei.
Außerdem seien wir doch mal ehrlich, das ganze schreit nach Doppelmoral. Habt ihr euch schon mal die Bilder, der Prota, die immer so hübsch eingefügt werden, angesehen? Von natürlich ist da keine Spur! Wenn die schon aussehen wie gerade frisch gestylte Models - wie sieht dann bitte diese ach so heftig geschminkte "Schulschlampe" aus? Hat sie die Mona Lisa im Gesicht?
Aber kaum geht's mal zu einer Party, da kommen dann mal eben schnell die Smokey Eyes und der Lippenstift und nichts ist falsch daran.
Das zweite, das man dann liest, ist, dass das natürlich immer Mädchen sind, die noch im Winter Miniröcke und ausgeschnittene Tops tragen. Während unsere Prota natürlich, anständig wie sie ist, immer nur in Pulli und weiten Jeans rumläuft. Auch im Hochsommer.
Mal abgesehen davon, dass ersteres im Winter bedeutet, dass man friert, und zweites, dass man im Sommer schmilzt - wen juckt's?
Ich weiß, dass viele Vorurteile immer bestehen werden, weil Menschen eben einfach in Schubladen denken. Aber ein bloßer Kleidungsstil sagt doch nicht zwangsläufig was über einen Menschen aus. Es gibt bestimmt Personen, die diesen Klischees entsprechen, aber genauso gibt es sehr viele die das nun mal nicht tun. So wie das bei fast jedem Thema der Fall ist.
Ja, wenn man in der Schule so rumrennt, dass man so aussieht, als hätten sich Zensurbalken in Kleidungsstücke verwandelt, ist das unangebracht und fragwürdig... aber 1. macht das kein Mensch und 2. wird hier jedes Mädchen, bei dem auch nur ansatzweise die Figur mit ihrer Kleidung betont wird und so weiter als Schlampe betitelt. 3. Wieso sollte es mich interessieren was andere mit ihrem Körper machen?
Jeder soll das tragen, was er will und aus. Man ist nicht prüde, weil man wenig zeigt und keine Schlampe, wenn man mehr zeigt. Wieso darüber urteilen? Wieso sich überhaupt damit beschäftigen?
Wenn man sich so sehr von der Aussicht unbedeckte Haut zu sehen belästigt fühlt, sollte man sich Gedanken über eine Karriere im Kloster machen - da wird einem sowas nicht passieren und man muss sich auch nicht länger darüber auslassen.
Das traurige ist hier vor allem die Doppelmoral. Der weibliche Körper wird so stark sexualisiert, dass jeder Millimeter Haut schon anstößig oder "anturnend" sein könnte. Warum sagt keiner was über die Männer, die halb oder ganz oberkörperfrei durch die Gegend laufen? Wenn Frauen sowas machen würde, gäbs wohl einen Aufstand.
Der sexy Bädboi darf sich natürlich sein T-Shirt in jeder Szene ausziehen. Aber wehe man sieht bei dem Mädel aus Protas Klasse auch nur einen Millimeter Haut!
Abgesehen davon, dass Männer und Frauen nun einmal anatomisch anders aussehen: Körper ist Körper. Haut ist Haut. Warum das eine normalisieren und das andere sexualisieren? Denn, Überraschung, Frauen sind genauso anziehend für andere wie Männer nun mal auch so wirken können. Wenn schon gleiche Regeln für alle.
Und natürlich spielt auch die unausgesprochen Kleiderordnung teilweise keine Rolle mehr, wenn unsre liebe Prota feiern geht. Komisch, komisch...
Und dann kommen wir zum Thema aller Themen...
Kurz gesagt:
Man ist nicht prüde, weil man mit der ersten Beziehung, dem ersten Kuss, dem ersten Mal und was weiß ich, warten will.
Man sollte nicht auf sich "stolz" sein, nur weil man mit 18 noch Jungfrau ist und Kommentare wie "Ehrenfrau" sind völlig fehl am Platz.
Man ist kein schlechterer Mensch, weil man diese Erfahrungen schon früher oder mit mehreren Menschen gemacht hat.
Man sollte aber auch nicht darauf stolz sein, weil man ja "ach so viele schon hatte".
Ich verstehe das Prinzip dieser Gedanken einfach nicht. Inwiefern definiert das, wer du bist und wieso sollte man darauf stolz sein? Kann mir das bitte jemand erklären, denn mir erschließt es sich nicht. Entweder ist es so oder es ist eben anders. Für mich sind das einfach klare, neutrale Tatsachen, die weder postitiv noch negativ sind.
Am Ende des Tages kommt es darauf an, dass du das tust, was für dich das Beste ist und womit du dich wohl fühslt. Keine, egal welche, Regelungen sollten dir vorschreiben was du selbst mit deinem Körper tun willst. Ich verstehe nicht, warum solche Argumente als Aufhänger benutzt werden, um sich selbst über andere zu stellen. Und das oft völlig doppelmoralisch.
Als Beispiel etwas, das ich selbst schon oft sehen und lesen musste: Ein Typ lässt sich feiern, weil er schon so viele Frauen hatte. Im nächsten Moment beleidigen die selben Männer aber Frauen, die so einen Lebensstil haben, als Schlampen. Wo ist der Unterschied? Richtig, es gibt keinen.
Ich verstehe vollkommen, wenn man eine Beziehung mit einer Person, die vielleicht einen ganz anderen Zugang zu Intimität hat als man selbst, vielleicht keine Beziehung führen will. Jemand, der bis zur Ehe mit seinem ersten Mal warten will, und jemand, der regelmäßig One-Night-Stands auf Partys hat, werden vermutlich nicht zusammenpassen, weil sie höchstwahrscheinlich was das Thema betrifft nicht auf einer Wellenlänge sind. Und das ist auch okay. Aber es sollten hier trotzdem keine dummen Sprüche fallen oder auf eine Person herabgesehen werden.
Jeder sollte so leben können, wie er will. Solange man, und da kommt der Punkt, wo für mich der Spaß aufhört, niemanden ausnutzt, belügt, betrügt, bewusst verletzt, ausspannt etc. Also solange niemandem Schaden zugefügt wird, ist es doch egal wie oft man was mit wie vielen Leuten macht.
Klar, es gibt auch Einstellungen, die ich nicht verstehen kann... aber you do you.
Dann gibt es aber auch noch Dinge, die ich noch viel weniger verstehe...
Mir ist schon klar, dass Protagonisten nicht immer sympathisch sind - oder sein sollen. Aber manchmal lese ich echt so Dinge, die dann auch noch gerechtfertigt werden, bei denen ich 1:1 zum "Excuse me wtf"-Meme mutiere.
Und das ist, wenn die Konkurrentin der Prota, die bisher einfach nur wie der netteste Mensch überhaupt war, von ihr geslutshamed wird, einfach weil sie hübsch ist und der Schwarm der Prota sich in die verlieben könnte oder schon mit ihr zusammen ist. Vor allem, wenn der Leser praktisch dazu gezwungen werden soll es auch so zu sehen.
Ganz ehrlich, das sagt mehr über die Prota (und vielleicht auch den Autor/die Autorin) aus als über diesen Charakter. Und sowas liest man, leider, wieder mal nicht nur auf Wattpad sondern auch in veröffentlichten Büchern.
Okay, ich verstehe Eifersucht oder Neid. Das ist doch noch irgendwie nachvollziehbar. Aber eine Person durchgehend runterzumachen und das obwohl sie für die eigenen Zweifel oder die Gefühle des Crushs nichts kann - und das als normal und gut zu verkaufen - ist ziemlich...ähm... wie hieß es noch gleich? Ja, richtig, scheiße.
Ich stelle hierzu mal eine vielleicht gewagte Theorie auf: Ist es möglich, dass die kleinen süßen Autorinnen, die sowas verfassen, gerade gewaltig in der Pubertät stecken und einfach... eifersüchtig sind? Ich meine, da haben wir die süße 14-jährige Susi, die wie viele in ihrem Alter eben unsicher ist. Und dann plötzlich kommt so ein Mädchen daher, dass sich hübsch anzieht, sich schminkt, selbstbewusst ist und keine Angst hat seine Weiblichkeit zu entdecken. Sie bekommt Aufmerksamkeit, vielleicht sogar die des Jungen, auf den Susi so steht. Die Lösung: Sie ist eine eklige Bitch. Denn was anderes kann sie gar nicht sein.
Alleine, dass dieses Klischee und diese Thematik so heftig ausgeschlachtet wird und wieder - und wieder und wieder und wieder - so drauf rumgeritten wird, diese Mädchen als das Feindbild schlechthin präsentiert wird, zeigt mir wie sehr das junge Autoren beschäftigt und anscheinend auch emotional betrifft.
Fazit: Menschen zu verurteilen ist schlecht. Doppelmoral ist schlecht. Mach dir doch einfach ein Bild von einer Person und konzentriere dich auf ihren Charakter, ob sie ein gutes Herz hat, und nicht auf solche oberflächlichen Dinge. Und zu guter letzt, verbreite deine sexistische Meinung nicht im Internet.
Sorry not sorry Slutshaming und Leute, die das immer noch vehemment verteidigen
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