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Ein paar Stunden später war alles ganz anders. Ich saß mit Marie und den anderen auf einer Wiese und wurde mit frischem Wasser und Nahrung versorgt. Kurz konnte ich die Sonnenstrahlen auf meiner Haut genießen, doch dann ging die große Erzählung los, und ich kam nicht mehr dazu, mich zu entspannen.
Nachdem mir die Gruppe alles erzählt hatte, musste ich erst einmal ganz tief Luft holen. Alle starrten mich an und warteten auf meine Reaktion. Luna hatte zwischenzeitlich sogar ihre Flügel ausgebreitet, um mir zu demonstrieren, dass sie die Wahrheit sagten. Doch nun ließ sie die schwarzen Flügel durch die Magie wieder verschwinden.
Auch ich hatte mich während der Erzählung verwandeln müssen, und saß nun mit meinen gold-schwarzen Flügeln da. Im Gegensatz zu Luna wusste ich nicht, wie ich sie verschwinden lassen konnte.
„Pia?", fragte mich Marie gespannt.
Ich schluckte nur und drehte mich auf der Stelle um. Meine Gedanken rasten, als ich in den dichten Wald hineinlief. Ich musste jetzt ein paar Minuten für mich sein.
Alles über diese fremde Welt zu hören, die angeblich mein Zuhause war, fühlte sich an, als würde man gerade ein Buch über eine neue Fantasiewelt lesen. Die seltsamen Wesen berichten dir alles über diesen magischen Ort, in dem deine Träume wahr werden, der aber von bösen, dunklen Kreaturen angegriffen wird.
Und genau das war es ja auch. Tag- und Nachtreich wurden von den Feuerbändigern angegriffen.
Die Guten, und die Bösen. Es gab meist kein Mittelding in Büchern.
Aber in meinem Leben gab es sie anscheinend schon: Die Auserwählten. Wir wurden von beiden Seiten gehasst. Super!
Wütend schlug ich gegen einen Baum, der gerade an genau der richtigen Stelle stand.
Oder war es die falsche Stelle? Der Baum dachte dies sicher, denn jetzt bekam er es mit meiner ganzen Wut zu tun.
Ich fand die Energie in meinem Körper, von der ich bis vor ein paar Minuten gar nichts wusste, und knallte sie volle Kanne gegen den Baum. Er zerbrach genau an der Stelle, an den ihn die Energie traf und schlug gegenüber von mir auf den Boden auf.
Tschüss Baum!
Was haben sich meine Eltern - ach nein: ADOPTIVELTERN -nur gedacht? „Oh, wir adoptieren dieses Kind, was ohne Grund abgegeben wurde. Den anderen Eltern geht's gut, aber die wollen halt nur ein Kind haben. Und davon erzählen wir ihr natürlich nichts, sondern lassen sie denken, dass ihre Schwester nur ihre beste Freundin ist."
Am besten wäre es gewesen, wenn wir damals einfach weg gezogen wären. Dann hätte ich Marie nie richtig kennengelernt und jetzt auch nichts von all dem gewusst.
Der nächste Baum knallte neben mir auf die Erde, und es sollte nicht der letzte sein.
Ich hatte mir dieses Leben nicht ausgesucht. Ich wollte doch niemals, dass so etwas passiert! Ich war zufrieden mit meinem Leben!
Klar, früher hatte ich mir gewünscht, eine Fee, eine Hexe oder eine Meerjungfrau zu sein, aber das war schon Jahre her. Ich war mittlerweile noch nicht einmal mehr ein Fan von mystischen Kreaturen. Ich hatte keine Lust auf diese Magiemenschen, die sich Natesim nannten.
„Pia?" Ich hörte die Stimmen der Gruppe, doch sie waren noch weit von mir entfernt. Bestimmt würden sie im Fliegen nach mir suchen, deshalb suchte ich mir schnell Unterschlupf unter einer Hecke.
Dass diese voller Dornen war, sah ich zu spät. War auch egal.
Der Schmerz tat gut. Die Dornen schnitten in meine Flügel und ich hoffte, dass sie davon kaputt gingen.
„Pia?" Jetzt waren sie schon näher an mir dran. Wenn ich mich nicht irrte, war das Moritz' Stimme. Die Stimme meines Vaters ... pah! Das war er nie gewesen.
Ich hörte seine Flügel und die von jemand anderem über mir im Wind schlagen. Wenn ich mich jetzt bewegte, würden sie mich sehen.
Doch das würde nicht geschehen. Niemals würde ich jetzt hier hervorkriechen und ihnen hallo sagen, als wäre nichts geschehen. Marie hatte ihr Schicksal schnell akzeptiert, doch ich würde das nicht tun.
„Pia?" Langsam entfernten sich die Stimmen wieder und ich holte einmal tief Luft. Glück gehabt!
So musste man sich fühlen, wenn man gerade versuchte, vor seinem Mörder zu fliehen. Natürlich galt das für mich gerade nur im übertragenen Sinn. Die Gruppe würde mich nicht töten. Sie konnten mich auch nicht zwingen, mit ihnen zu kommen. Ich wusste nicht, wie mächtig ihre Kräfte waren, aber ich hatte herausgehört, dass meine sie auf jeden Fall topten. Das zählte aber leider nur für meine magischen Kräfte. Körperlich waren sowohl Maries ... nein ... mein Vater, Lunas Vater, Lance Vater und auch Lance selbst mir haushoch überlegen. Bei Luna, ihrer Mutter, Marie und ihrer ... nein ... unserer Mutter war ich mir nicht sicher. Wobei Luna größer war als ich. Vielleicht würde sie mich körperlich doch schlagen.
Ich kroch unter dem Busch hervor und betrachtete die Wunden an meinem Körper.
In Armen und Beinen steckten ein paar Dornen, doch die zog ich ohne große Schmerzen heraus.
Das wirkliche Problem stellten die Flügel dar. Die Dornen hatten kleine Löcher hineingeschnitten. Bei der kleinsten Berührung verspürte ich höllische Schmerzen.
Kurzerhand entschied ich mich dazu, dass es am besten war, wenn die Flügel wieder weg wären. Sie störten mich, weil sie so groß waren und sie mir Schmerzen bereiteten.
Also konzentrierte ich mich auf die Energie in mir drinnen. Beim ersten Mal hatte Luna mir geholfen, mich mit meinen Kräften vertraut zu machen, deswegen war es nun umso schwerer die Energie zu finden.
Irgendwann fand ich sie dann doch. Luna hatte mir gesagt, dass ich sie in meinen Kniekehlen suchen sollte, was jedoch bei jedem Natesim unterschiedlich war.
Dann versuchte ich die nun flüssig wirkende Energie außerhalb von mir (meine Flügel) zu der in meinem Knien zu lenken.
Nach zehn Minuten gab ich auf. Das hatte doch keinen Sinn! Meine Flügel waren am Arsch ...
Ich konnte sie nicht mehr retten. Und wollte ich das überhaupt?
Am Arsch war wohl auch die treffende Beschreibung für meine gesamte Lage.
Statt in der Schule für meinen Abschluss zu lernen, befand ich mich mitten im Wald und hatte plötzlich magische Kräfte.
Dass die Flügel kaputt gegangen waren, war eigentlich ganz gut. Jetzt war ich den Natesim immerhin zu nichts mehr nütze. Natürlich taten sie weh, aber wenigstens fühlte ich jetzt den Schmerz, den ich vorher nur seelisch gespürt hatte. Den Schmerz meiner Herkunft.
Arg! Eine weitere Welle des Schmerzes schoss durch meine Flügel und in meinen Körper.
Warum schaffte ich es nicht, die doofen Dinger wieder loszuwerden?
Noch einmal hörte ich in mich hinein und versuchte, die Energie um mich herum ,also die verdammten Flügel, wieder in meinen Körper zu bekommen.
Wieder scheiterte ich kläglich.
Das durfte doch nicht so schwer sein! Marie hatte vorhin erzählt, dass sie das alles sofort geschafft hatte. Und sie war meine Schwester, also warum konnte ich es nicht?
Nach zwei weiteren Versuchen versagten meine Kräfte. Ich spürte, wie mir vor Anstrengung schlecht wurde und ich mich nicht mehr bewegen konnte.
Dann bäumte sich mein Körper auf und ich musste kotzen.
Super! Davor hatte mich auch niemand gewarnt.
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Stunden später saß ich noch immer an Ort und Stelle. Die Flügel taten höllisch weh und auch wenn das Kotzen aufgehört hatte, dröhnte mein Schädel und in meinem Bauch tanzte ein Bär Tango.
Langsam stand ich auf. Mein Kopf pochte höllisch und meine Knie fühlten sich ganz weich an. Womöglich hatte es etwas mit der Energie zu tun, die sich ja dort bündelte und die ich durch meine Versuche, die Flügel wegzuzaubern, total beansprucht hatte.
Ich lief einige Minuten wahllos in der Gegend herum. Keine Ahnung, wonach ich suchte. Vielleicht etwas Wasser oder ein paar Waldbeeren. Ich war hungrig und durstig. Die letzte richtige Mahlzeit hatte ich in Gefangenschaft gegessen und ich hatte keine Ahnung, wie lange das jetzt schon her war.
Schließlich fand ich einen Strauch mit Brombeere und pflückte so viele, bis ich nicht mehr hungrig war. Zum Glück waren sie so saftig, dass ich nach dem Essen auch keinen Durst mehr verspürte.
Die Brombeeren erinnerten mich an einen Ausflug mit meiner Familie. Ich war vielleicht sechs Jahre alt gewesen. Wir waren an einem Sonntag Morgen früh losgefahren und meine Eltern hatten Leon und mir nicht erzählt, wo wir hinfuhren. Leon war mein großer Bruder. Zumindest hatte ich das immer angenommen.
Ich fragte mich, ob es irgendetwas an unserer Beziehung veränderte, wenn er wüsste, dass ich gar nicht seine Schwester war. Mir war das egal. Er war mein Bruder, egal wer uns gezeugt hatte.
Nach einer Stunde Fahrt kamen meine Eltern, Leon und ich an diesem Tag in einem Wald an und veranstalteten dort ein Picknick. Meine Eltern hatten alle möglichen Sachen eingepackt. Leckeren Saft, kleine Häppchen, Brettspiele und eine Kamera. Wir hatten viel Spaß.
Nach dem Picknick gingen wir spazieren und fanden einen Strauch mit Brombeeren. Obwohl wir alle ziemlich satt waren aßen wir trotzdem ein paar. Die Beeren waren so saftig, dass unsere Münder danach komplett rot-blau umrandet waren und wir lustige Fotos davon schossen.
Während ich daran dachte, rollten mir vereinzelte Tränen über die Wangen. Ich hatte so viele schöne Erinnerungen an meine Familie, doch jetzt wusste ich, dass es gar nicht meine echte Familie war.
Wussten sie überhaupt, dass es mir gut ging? Wussten sie, das ich gefangen genommen wurde? Wusste Leon, dass ich nicht seine Schwester war?
„Pia!" Als ich nach oben gen Himmel blickte, sah ich Luna, die direkt über mir flog. Sie trug Marie mit sich und sah ganz schön angestrengt aus.
„Pia!" Marie hatte mich auch gesehen. Na toll! Jetzt hatte es keinen Sinn mehr wegzulaufen, sie würden mich sowieso einholen. Meine Beine fühlten sich noch immer viel zu schwach an. Also wartete ich, bis sie gelandet waren und blickte sie dann wütend an.
„Pia ich habe mir Sorgen gemacht." Marie kam auf mich zu und umarmte mich. Ich hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ließ mich nur wiederwillig darauf ein.
Dann grummelte ich: „Hallo."
„Was ist mit deinen Flügeln passiert?"
„Der Busch ist passiert." Marie sah mich schockiert an. „Warum bist du in einen Busch gefallen?"
„Nicht gefallen. Ich habe mich vor euch versteckt."
Jetzt grinste Marie mich an. „Wie damals, als Kind? Du hast dich schon früher immer in Büschen versteckt." Ich konnte ihren Optimismus nicht teilen. Als Kind ging es mir gut. Ich hatte eine Familie und eine beste Freundin. Keine Fake-Familie und keine geheime Zwillingsschwester.
Es war sowieso ein Rätsel, wie Marie genau jetzt zur Optimistin wurde. Sonst war ich immer diejenige, die sie aus ihren dunklen Gedanken holen musste.
„Luna, wie können wir ihre Flügel reparieren?", fragte Marie angespannt und deutete auf mich.
„Ich weiß nicht genau ... das habe ich noch nie gemacht. Vielleicht können wir die Energie zurück in ihrem Körper bringen und sie dann einfach erneut hervorrufen. Die Flügel bestehen ja nur aus Energie. Die Löcher können mit neuer Energie gestopft werden." Luna trat neben mich und berührte leicht meine Flügel. Sofort zuckte ich zusammen.
„Das tat weh!"
„Tut mir leid. Du musst deine Energie zurück in die Kniekehlen lenken", erklärte mir Luna nochmal.
„Ich schaffe es aber nicht", antwortete ich genervt.
„Ich helfe dir. Schließ die Augen." Luna nahm meine Hand. Sogar ich wusste, dass sie das gar nicht tun brauchte, aber ich ließ es zu. Ihre Hand war schön warm und weich. Ein bisschen half sie mir dabei, meine Wut zu unterdrücken. Es half ihnen nicht, wenn ich wütend war. Und eigentlich hatten sie ja auch gar nichts falsch gemacht. Ich sollte eher auf meine Eltern und auf diese Natesim sauer sein.
Ich schloss meine Augen um mich besser konzentrieren zu können. Außerhalb meines Körpers schwirrte meine Energie um mich herum und plötzlich war da noch eine andere: Luna. Ich ließ sie hinein, doch sie wollte nicht durch meine Haut hindurch. Sie blieb davor stehen und schickte einen Teil ihrer Energie los, um meine Flügel einzufangen. Der andere Teil hielt das Loch aufrecht, dass ich ihr gebildet hatte, und so schob sie meine Energie in meinen Körper. Von dort aus konnte ich sie leicht in meine Knie lenken. Lunas Energie verschwand, und ich schloss das Loch. Dann öffnete ich meine Augen.
Die Flügel waren verschwunden, dass war schon mal gut. Die Schmerzen hatten aufgehört und mein Kopf dröhnte nicht mehr so stark.
Aber wer konnte wissen, ob die Flügel beim nächsten Mal wieder ganz waren?
Eigentlich war es mir natürlich egal, ob ich sie reparieren konnte, oder nicht, denn ich hasste alles an diesem neuen Leben, aber trotzdem war ich gespannt.
Abermals tauchte ich in mich hinein und suchte die Energie in meinen Knien. Ich nahm Luna war, doch ich schenkte ihr keine Beachtung. Jetzt wollte ich es alleine schaffen!
Ich lenkte die Energie zu meiner Haut und bildete ein Loch durch das ich sie hindurch quetschte. Dann lenkte ich die Energie zu meinem Rücken und platzierte sie dort.
Ich öffnete die Augen und spürte das Gewicht der Flügel auf meinem Rücken.
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Hey, ich melde mich auch mal wieder.
Denkt ihr, die Flügel sind wieder heile? Lasst mich auch gerne wissen, wie euch die Story sonst bisher gefällt. Langsam geht es ja auf das Ende zu.
Liebe Grüße!
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