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Ich hätte den Weg auch ohne zu rennen geschafft, doch dann wäre ich genau pünktlich gekommen. Um meinen Neuanfang zu starten musste ich jedoch VOR dem Klingeln pünktlich um Acht kommen, damit ich als Erste ankam und einen besseren Platz ergattern konnte. Als ich endlich vor meinem Klassenraum ankam, befand sich dort ein Schild.
„Liebe Eb, wir sind ab heute in K37."
Soviel nun zu meinem Neuanfang.
Schon völlig außer Atem sammelte ich mich erneut und rannte dann weiter durch das Schulgebäude.
Wie erwartet war ich die Letzte, die in der Klasse ankam. K37 war genau am anderen Ende der Schule, und so musste ich noch ein gutes Stück rennen. Lange bevor ich ankam hörte ich die Klingel, die den Unterricht ankündigte.
Alle anderen hatten auf WhatsApp Bescheid bekommen und waren sofort hierher gekommen.
Ich war nicht in der Klassengruppe. Als die Schüler und Schülerinnen sie gegründet hatten, wurde ich nicht eingeladen. Ob sie mich einfach übersehen, oder absichtlich vergessen hatten, wusste ich nicht. Bis heute hatte ich nicht die Kraft gehabt mich zu beschweren. Vielleicht wäre heute eine Möglichkeit jemanden auf mein Fehlen anzusprechen.
„Schön, dass du es auch noch geschafft hast Marie", schnauzte mich mein Lehrer an, während ich mich nach einem Platz umsah. Die erste Reihe war vollständig besetzt. Genauso wie Reihe zwei und drei. Die einzigen freien Plätze waren mein sonstiger Stammplatz und der Nebenplatz, dort wo gewöhnlich mein Schulranzen saß.
Alle waren in hitzige Gespräche über ihre Sommerferien vertieft. Keiner beachtete mich. Ich stöhnte und drehte mich zu meinem Lehrer um. „Gibt es nicht noch einen anderen Platz?" Ich hatte mir eigentlich vorgenommen dieses Schuljahr nicht mehr ganz hinten zu sitzen."
„Es tut mir leid, aber wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Gelangweilt widmete er sich wieder der Zeitung, die vor ihm lag.
„Aber mir hat keiner Bescheid ..." Ich merkte, dass es keinen Sinn hatte mit meinem Lehrer zu diskutieren, da er mir sowieso nicht zuhörte, also ging ich nach hinten und ließ mich auf meinen gewohnten Platz fallen. Mein Ranzen nahm wie immer neben mir platzt.
Ich holte ein Blatt heraus und schrieb ganz groß NEUANFANG darauf. Dann strich ich das Wort Dreiviertel durch. Ja, ich saß wieder auf meinem Platz. Ja, keiner hatte mich beachtet, als ich eben in die Klasse kam. Aber ja, ich war nicht die Erste gewesen, die hier angekommen war, also blieb zumindest ein kleines bisschen Hoffnung. Ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht. Immerhin etwas.
„Ich habe eine freudige Ankündigung zu machen," versuchte der Lehrer unsere Aufmerksamkeit zu erhalten. Meine Klassenkameraden verstummten. Komisch, plötzlich konnten sie leise sein.
„Also, ihr seid nun in der zehnten Klasse, nicht nur ihr, sondern auch andere Schüler, von anderen Schulen. Und eine Schülerin einer anderen Schule, genauer gesagt eines Gymnasiums aus Berlin, hat sich dazu entschlossen ihre letzten drei Schuljahre hier auf unserer Schule zu verbringen. Leider nicht ganz freiwillig. Ihre Entscheidung hängt mit einem harten Schicksalsschlag zusammen, weshalb wir ihr auch bitte ihren Freiraum lassen."
Eine neue Schülerin? Mein Herz machte einen begeisterten Sprung. Perfekt! Vielleicht konnte ich so eine Freundin finden.
Mein Lehrer schien ebenfalls begeistert von der Idee, denn lächelnd verkündete er: „Ich freue mich, euch Luna Karoot vorzustellen."
Gespannt sah ich zur Tür. Das war der Moment. Gleich würde ich das Mädchen sehen, welches meine Zukunft verändern könnte. Sie könnte der Schlüssel zu einem Leben voller Freunde sein. Zu einem spannenderen und glücklicherem Leben.
Halt Marie! Du klingst leicht hysterisch. Dankbar, dass meine Gedanken mich warnten, richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Tür.
Luna Karoot betrat den Klassenraum. Sie war dünn gebaut und besaß leichte Kurven genau an den richtigen Stellen. Ihre schulterlangen schwarzen Haare umrundeten ihr Gesicht perfekt. Die Gesellschaft würde sie als perfekt bezeichnen.
Mein Mut sank. Dieses Mädchen würde sich sicher nicht mit mir abgeben wollen.
Ich wollte mich schon wieder meinem Neuanfang-Blatt widmen, da sah ich doch noch einmal auf. Als Erstes fielen mir die schwarzen Klamotten auf.
Schwarze Haare, schwarze Klamotten, genau wie bei dem Mädchen aus dem Park. Seltsam.
„Hallo, ich bin Luna." Selbstbewusst lächelte sie uns zu. Diese Stimme ... Genau die Selbe wie heute morgen. Es gab keinen Zweifel, dass sie Dumbledores Freundin war.
Als nächstes sah ich mir ihr Gesicht genauer an, und dann fiel mir eine Sache auf, die noch viel erschreckender war, als dass sie sich um sechs Uhr morgens mit alten Männern hinter Büschen traf.
Ihre Augen. Sie waren schwarz wie die Nacht.
Genau wie die Augen meiner Mutter.
Genau wie mein rechtes Auge.
„Es tut mir leid Luna, aber es gibt leider nur noch einen freien Platz, ganz hinten neben Marie." Die Nennung meines Namens riss mich aus meinen Gedanken. Diese Luna sollte neben mir sitzen? Niemals! Da saß ich doch lieber neben meinem Ranzen. Das Aussehen war schon fast beängstigend schön.
Andererseits hatte sie einige Geheimnisse an sich, und ich liebte Geheimnisse. Vielleicht war es gar nicht schlecht, wenn sie sich neben mich setzte. Dann könnte ich schneller herausfinden, was es mit ihr auf sich hatte.
„Oh das macht nichts. Der Platz ist in Ordnung." Luna lächelte unseren Lehrer an, während sie sich nach hinten zu mir durchkämpfte. Jede Reihe drehte sich um, wenn Luna vorbeigegangen war. Sie war schon jetzt der Star der Klasse. Und neben so jemanden musste ich jetzt sitzen. Ich wusste nicht, ob ich das aushielt.
Luna strahlte immer noch, und der Lehrer strahlte zurück „Na dann. Viel Spaß."
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„Hallo, ich heiße Luna und du?" Kaum hatten die anderen das Interesse verloren Luna anzustarren, drehte sie sich freudestrahlend zu mir um. Anscheinend hatte sie gar nicht mitbekommen, dass unser Lehrer meinen Namen schon gesagt hatte.
„Marie."
Eigentlich war es meine Chance als erste Kontakt zu der neuen Schülerin aufzunehmen, aber irgendwas sagte mir, Desinteresse zu zeigen. Vielleicht war es meine immerzu besorgte Mutter, der alles zu gefährlich war, vielleicht hing es aber auch an Lunas Treffen mit Dumbledore.
Du musst sie davon überzeugen, mit dir zu kommen. Nur dann darf sie von ihrem Schicksal erfahren. Nur dann zeigst du ihr, was sie kann.
Dieser Spruch wird mir nie wieder aus dem Kopf gehen. War das an mich gerichtet? Wohl kaum, was sollte ich denn für ein Schicksal haben? Das Schicksal, dass mein Neuanfang nach hinten losging? Danke, aber das wusste ich schon.
Die Chance, dass sie mich meinten, ging gegen Null. Immerhin gab es so viele Menschen auf der Welt. Andererseits wusste ich schon länger, dass etwas mit mir nicht stimmte. Immerhin kaufte ich meinen Eltern die Geschichte mit den Augen immer noch nicht ab.
„Freust du dich auf das neue Schuljahr?" Ohne Luna anzusehen, wusste ich, dass sie immer noch lächelte.
„Ne, nicht wirklich."
„Warum das denn?" In ihrem Blick erschien Trauer aber auch Unglaube, was sie aussehen ließ wie ein zu groß gewachsener Welpe.
Sollte ich ehrlich sein? Lunas freundliche Art wirkte irgendwie abschreckend auf mich. Sie war mir etwas zu freundlich. Das kam wahrscheinlich davon, dass die letzten fünf Jahre keiner meiner Mitschüler nett zu mir war.
Das alles erinnerte mich plötzlich wieder an mein Neuanfang-Blatt, welches ich schnell wieder in meinem Ranzen verschwinden ließ. Es wäre zu peinlich, wenn Luna es finden würde. Was würde sie dann von mir denken? Und was würde sie den anderen erzählen, wo mich alle sowieso schon komisch fanden?
„Hab mir im Urlaub eine Fischvergiftung geholt. Kann sein, dass ich jeden Moment kotze."
Angeekelt drehte Luna sich weg. Ich musste grinsen. Sosehr ein Neuanfang verlockend war, manchmal sollte man doch lieber man selbst bleiben.
Und mich mochte nun mal keiner. Luna sollte da keine Ausnahme sein.
„Aber hast du dich nicht gefreut, deine Freunde wiederzusehen?" Sie hatte sich viel zu schnell wieder schwungvoll zu mir gedreht und ihren Schock anscheinend fürs erste überwunden.
„Ich habe keine." Dass Pia immer für mich da war, ließ ich jetzt lieber weg. Sie war für mich eher eine Internetfreundin. Ich hatte sie seit 3 Jahren nicht mehr wirklich gesehen, da wir beide keine Zeit hatten, uns zu treffen.
„Was?" Jetzt sah Luna wirklich geschockt aus.
„Ich habe keine Freunde."
„Oh ..." Kurz sah sie betreten zur Seite, bevor sich anfing, übertrieben zu lächeln. „Ich bin deine Freundin."
Wenn ich so drüber nachdachte, erinnerte sie mich an Luna Lovegood. Dass würde auf jeden Fall auch erklären, warum sie sich mit Dumbledore traf.
„Nein bist du nicht, wir kennen uns doch gar nicht."
„Noch nicht, aber bald." Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ich glaubte sie zwinkern zu sehen.
Ich ließ sie in dem Glauben. Sollte sie doch denken, sie könnte sich mit mir anfreunden.
Der Lehrer schrieb unterdessen unseren Stundenplan an die Tafel und forderte uns dann auf ihn abzuschreiben. Währenddessen redete er, als gäbe es kein Morgen. Wenn das so weiterging, würde sich die Stunde bis ins Unendliche ziehen. Ich wollte Luna gerade fragen, ob sie wusste, wie viel Uhr es ist, da fielen mir wieder ihre schwarzen Augen ein.
„Weißt du, warum deine Augen so dunkel sind? Das ist doch eigentlich enorm selten." Ich war ehrlich gespannt auf ihre Antwort. Es gab ja Menschen mit dunklen Augen, aber ihre waren wirklich komplett schwarz. Es gab nur den weißen Ring um ihre Iris, wie bei meiner Mutter.
„Äh ... nein. Um ehrlich zu sein nicht. Meine Eltern haben beide keine schwarzen Augen. Aber wie sieht das denn bei dir aus? Deine Augen sind ja noch viel interessanter."
Ich wusste nicht, ob ich gleich mit der Tür ins Haus fallen sollte, immerhin kannte ich Luna nicht. Und helfen konnte sie mir offensichtlich auch nicht. Also verriet ich nicht zu viel.
„Irgendwie haben meine Eltern mir beide ihrer Augenfarben vererbt."
„Spannend." Luna legte einen Ellenbogen auf den Tisch, um ihren Kopf noch weiter zu mir wenden zu können. „Du musst sie mir unbedingt mal vorstellen. Meine kannst du ja leider nicht mehr kennenlernen." Viel zu plötzlich wechselte Lunas Emotion. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Meine Antwort war selten dämlich. „ Warum nicht?"
„Sie sind dieses Jahr bei einem Autounfall gestorben."
Sie lügt, sagte eine Stimme in meinem Kopf, doch ich wusste nicht, woher sie kam oder warum sie das sagte. Warum sollte Luna mich anlügen? Noch dazu, wenn es um den Tod ihrer Eltern ging. Das war doch eigentlich ein Thema, über das man keine Witze machte.
Doch Augen lügen bekanntlich nicht, und in ihren erkannte ich keinen Schmerz, keine Trauer. Sie sah nur ein bisschen traurig aus. Trotzdem musste an der Geschichte ja etwas dran sein. Unser Lehrer hatte ja auch etwas von einem Schicksalsschlag erwähnt. Sicher meinte er damit den Autounfall.
Ich sollte Luna damit also nicht überfallen, sondern jetzt etwas sagen, was sie aufmunterte, und nichts, was ihre traurige Geschichte anzweifelte.
„Oh." War erst einmal alles, was mir einfiel. Ich musste sie trösten, aber, nun ja, ich war nicht wirklich gut in so was.
„Bist du deshalb hierhergezogen? Weil, ... dann hat es ja auch einen Vorteil: Wir haben uns getroffen." Schon während ich das sagte, merkte ich, wie dumm es klang. So gar nicht tröstend.
Trotzdem lächelte Luna jetzt. „Du hast recht." Dann seufzte sie, nur um daraufhin wieder zu lächeln. „Ich denke, wir werden gute Freunde Marie."
Wenn sie das meinte...
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Hey!
Ich hoffe, euch hat das zweite Kapitel gefallen. Lasst mich gerne wissen, was ihr von Luna haltet. :)
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