-5-
Harry reparierte gerade etwas an seinem Boot, als ich und Lulu total aufgedreht auf ihn zu liefen.
,,Harry!" , rief ich schon vom Weitem und er drehte sich um. Wir rannten in einem Affenzahn in ihn rein und er hatte große Not uns beide festzuhalten. ,,Was ist los?" , fragte er und musterte uns besorgt von oben bis unten. ,,Ist etwas passiert? Seid ihr verletzt?" ,,Ja und Nein" , keuchte ich. Er runzelte die Stirn. Lulu fügte hinzu: ,,Wir müssen mit dir reden. Dringend." ,,Na schön" , sagte er, ,,schießt los." ,,Doch nicht hier!" Lulu sah um sich. Harry sah sie verwirrt an. ,,Ich verstehe gar nichts. Warum...?" Ich unterbrach ihn. ,,Es ist wirklich wichtig und es soll unter uns drei bleiben!" Harry nickte, aber überzeugt sah anders aus. ,,Okay, kommt mit." Er führte uns auf sein Schiff und ging ins Innere. Dort öffnete er eine Tür und ließ uns rein. Staunend sah ich mich um. ,,Ist... ist das alles deins?" Ich sah ihn an. ,,Ja" , sagte er und lächelte mich an, ,,klar." Ich lächelte schüchtern, aber ehrlich zurück. Lulu inspizierte mittlerweile den Schreibtisch. ,,Coole Karte!" , rief sie. ,,Oh" , sagte Harry, eilte an mir vorbei zum Schreibtisch, drängte Lulu weg und drehte die Karte um, ,,das ist nichts Wichtiges oder Weltbewegendes." Lulus Kopf sank zur Seite und sie sah ihn schräg an. ,,Erzählt mir lieber was los ist" , sagte Harry schnell und versuchte wohl so, Lulu von der Karte abzulenken. ,,Nun gut" , Lulu sah mich an. Ich nickte. Wir erzählten ihn alles und seine Augen wurden immer größer.
,,Was?!" , rief er aus und sprang von dem Stuhl auf, auf dem er gerade noch gesessen hatte, ,,ihr habt die Karte mitgenommen?" Lulu nickte.
Harry raufte sich die Haare. ,,Was ist los?" , fragte Lulu. ,,Was los ist?" , Harry fiel aus allen Wolken. Seine Hände bebten, eine Ader am Hals trat hervor, ,,diese Typen werden nach ihrer Karte und ihrem Kompass suchen. Sie werden euch suchen!"
,,Es tut uns leid, Harry" , sagte ich, um ihn zu beruhigen und stand ebenfalls auf, ,,es ging alles so schnell, wir hatten Angst und überhaupt..." Ich hatte meine Hand auf seine Schulter gelegt. Er tat nichts dagegen, er sah mir nur in die Augen, kam mir nur näher und umarmte mich plötzlich. ,,Ich bin doch nur froh, dass euch nichts passiert ist."
Ich war total überrumpelt. ,,Uns wird nichts passieren. Wir passen auf" , sagte ich lahm und sah Lulu hilfesuchend an. Diese lächelte mich nur frech an. Danke. Echt tolle Hilfe.
,,Ähm, ja" , sagte ich ausweichend und löste mich von ihm, ,,was machen wir jetzt?" Lulu musterte mich. ,,Kannst du dir das nicht denken?"
Oh nein. Nein.
,,Psst! Leise!" , kicherte ich, als Lulu ihren zweiten Lachanfall bekam. ,,Es darf uns niemand sehen!" Wir waren bei meinem Haus, unterhalb meines Fensters angekommen und ich kletterte hinein, packte eine große Reisetasche mit allem Nötigem und legte meinen Eltern eine Nachricht aufs Bett. Sie würden ausflippen, das wusste ich. Dann würden sie sich Sorgen machen und...
,,Bist du fertig?" , raunte Lulu. ,,Ja." Ich warf die Tasche zu ihr hinab und kam nach. Zusammen rannten wir, mit der Tasche, zu Harrys Boot und sprangen an Bord. ,,Alles dabei?" , fragte er. ,,Ja!" , stimmten wir beide zu. Lulu hatte auch ihre Tasche in der Hand und grinste. Harry steuerte aufs Meer hinaus, wir Mädchen gingen hinab in unser Zimmer. ,,Du schläfst unten, ich oben!" , krähte Lulu.
Ich nickte und legte mich aufs Bett. Ich horchte dem seichten Schaukeln des Bootes auf dem Meer und schloss die Augen. Plötzlich war ich müde. Als letztes fühlte ich, wie jemand mir eine Decke über die Knie zog und mich zudeckte. Ich drehte mich auf die andere Seite und verschwand im Reich der Träume...
Im Traum war ich auf dem Boot, mit Harry und Lulu. Es stürmte. Wir schrien. Eine Welle peitschte über unser Boot hinweg und Harry konnte mich gerade so packen. ,,Wir werden sterben!" , schrie ich voller Panik, die nassen Haare hingen mir in der Stirn, Tränen liefen mir über die Wangen. ,,Nein, ich bin da!" , rief mir Harry durch den peitschenden Sturm zu, ,,ich werde immer für dich da sein, Siyna! Immer. Das verspreche ich dir!" Er nahm mich in den Arm und für einen Traum fühlte es sich verdammt real an. ,,Ich bin da. Das kannst du mir glauben. Ich werde uns nicht sterben lassen und dich...!"
,,Siyna! Siyna!"
Ich warf mich herum. ,,Wer ist da?" Arme ergriffen mich. ,,Lasst mich!" Ich kämpfte gegen sie an und suchte die Gegend nach Harry ab. Er löste sich auf und winkte noch. ,,Harry! Harry!" , kreischte ich, ,,verlass mich nicht! Bitte! Bleib hier! Harry, verlass' mich nicht! Ich..."
Doch es war zu spät.
Harry war weg.
Ich war zu spät.
Harry war weg!
Ich war allein. Ich weinte. ,,Harry..." , schluchzte ich, ,,komm zurück! Harry... Komm zu mir zurück!"
,,Siyna!? Siiiynaa! Ich bin da, ich bin nicht weg! Ich bin genau hier! Öffne die Augen!"
,,Nein!!" , kreischte ich, ,,das ist ein Trick! Harry!!! Bleib hier, ich brauche dich! Harry!"
,,Siyna!"
,,Harry!"
,,Siyna, wach auf!"
,,Nein!"
,,Komm schon! Du kannst! Komm schon! Du musst aufwachen!"
,,Nein! Harry, wo bist du? Ich brauche dich, ich will zu dir! Harry..."
Arme ergriffen mich, zogen mich weg, vom Boot, durch Dunkelheit und Wolken. Ich stöhnte, als würde ich durch eiskaltes Wasser schwimmen.
Was war hier los? Wo bin ich? Wo ist Lulu?
,,Lulu!"
Wo ist Harry?!
,,Harry! Wo seid ihr? Warum bin ich allein?!"
_______________________________________
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro