Kapitel 31
Die Hitze war es, die Marius einige Stunden später murrend erwachen ließ. Er warf die Wolldecke von sich, die inzwischen viel zu warm geworden war und streckte sich. Daniel lag ausgestreckt auf dem Rücken, das T-Shirt war hochgerutscht und das Gesicht dem dunkelblonden Teenager zugewandt, der lächeln musste, als er es ansah.
Die dichten Wimpern des Dunkelhaarigen lagen wie ein Schleier auf seinen Wangen, die gerötet und sehr frisch aussahen. Ein feiner Schweißfilm schimmerte auf seiner Stirn, die er nun kraus zog und eines seiner grünen Augen öffnete.
»Was geht?«, murmelte Daniel und streckte alle Fünfe von sich, bevor er sich über das Gesicht rieb.
»Es ist heiß«, antwortete Marius, kroch über das Lager in eine der Ecken und angelte nach einer Wasserflasche.
»Ja ... gut, dass ich Wechselsachen dabei habe. Mein Shirt klebt richtig«, Daniel setzte sich auf und nahm die Flasche von dem Anderen entgegen, um ebenfalls zu trinken. »Wie spät ist es?«
»Hm ...«, Marius zog sein Handy aus der Hosentasche, »kurz nach Zwei. Kein Wunder, dass es so heiß ist.« Der Jugendliche stand auf, so weit es ging und drückte den Rücken durch, bis es leise knackte. Wohlig seufzend grinste er Daniel zu. »Oh, jetzt ist es besser. Hast du gut geschlafen?«
Der Dunkelhaarige lächelte und nickte. »Ja. Für das erste Mal nicht schlecht.«
Marius zwinkerte. »Na, da bin ich ja beruhigt. Kein Druck also.«
»Was ...«, Daniel errötete und schüttelte den Kopf. »So hab ich das nicht gemeint. Du bist ein Ferkel.«
»Und du findest das gut so.«
Der Heinemann-Junge nickte leicht und schmunzelte. Ja, er mochte Marius' Art zu denken und seinen Humor, auch die kleinen Anzüglichkeiten und Sauereien. Es gab ihm, Daniel, ein Gefühl der Leichtigkeit, als gäbe es nichts anderes zum Nachdenken für ihn als das, was er mit seinem Freund anstellen könnte und wollte. So wie er immer gedacht hatte, dass es sein würde, ein Teenie zu sein. Schule und Verliebtsein. Nicht mehr.
»Ja, ich mag das«, antwortete er deswegen nur und kramte in seiner Tasche nach einer Packung Kaugummis.
»Was hast du da alles drin?« Marius sah ihm über die Schulter und fing zu kichern an, als er eine kleine Flasche entdeckte und danach griff, bevor Daniel ihn aufhalten konnte. »Ohoo ... Gleitgel? Du Schwerenöter!«
Der Dunkelhaarige lief rot an und versuchte, das Fläschchen zurückzubekommen. »Das ist Massageöl, du Klops«, stammelte er.
»'Kompatibel mit allen gängigen Kondommarken'«, las Marius, noch immer lachend, »klar ... Massage. Deine Voraussicht gefällt mir. Das ist nämlich das Einzige, was ich nicht hatte, um es mitzubringen.«
»Wie meinen?« Daniel zog die Augenbraue hoch.
»Na ... ich weiß nicht, ob du daran gedacht hast. Also an ... Kondome. Aber ich schon. Ich hab gelesen, dass es ... angenehmer ist. Also beim ersten Mal, wenn man eins benutzt.«
»Oh«, machte der Dunkelhaarige und die Röte auf seinen Wangen vertiefte sich. »Ja. Ja, schon möglich. Wegen der weichen Oberfläche, ne?«
Marius nickte und Daniel drehte sich zu seiner Tasche um. »Also ... ich hab auch welche«, murmelte er und zog ein Päckchen hervor. »Ich hab sie zusammen gekauft mit dem ... Gel.«
»Na, dann können wir es ja krachen lassen«, der dunkelblonde Jugendliche fing zu lachen an, doch man konnte hören, dass es leicht zitterte. Er hatte schon immer dazu geneigt, seine Unsicherheit mit Witzen und Albernheiten zu verbergen.
»Vielleicht ist es peinlich«, setzte Daniel an und reichte Marius ein Kaugummi, »aber es ist wichtig, oder? Also sich mal damit auseinander zu setzen. Alles zu durchdenken. Zu beachten, was wichtig ist, damit man sich und seinen Partner nicht verletzt ...«
Der dunkelblonde Jugendliche nickte und setzte sich wieder auf das Bett aus Decken. »Jep. Ich hab mich anfangs gefragt, wozu man als Kerl Gummis braucht, wenn der Partner ja gar keine Kinder bekommen kann. An so was wie Verletzungen, Krankheiten, Aids hab' ich gar nicht gedacht. Schön blöd, oder? Und ich dachte immer, ich wäre aufgeklärt! Ich meine, ich hab' nix. Wie auch? Ich hab's noch nie gemacht.«
»Ich auch nicht«, murmelte Daniel. »Aber ich denke, es ist auch ... sauberer, wenn man eins benutzt.«
»Meinst du, du bekommst Durchfall, wenn dir einer voll alles hinten rein donnert?« Marius prustete und der Dunkelhaarige lächelte leicht.
»Neee. Ich hab' mich auch schlau gemacht. Ich hab' ja meinen eigenen Internetzugang. So was passiert eher nicht. Aber ich weiß nicht ... was rein geht, kommt auch irgendwann wieder raus.«
»Das Gesetz der Schwerkraft«, grinste der Dunkelblonde.
»Ich stell' mir das ein bisschen ... unangenehm vor.«
»Na, dann hätten wir zumindest schon mal geklärt, wer der Hund und wer der Hydrant von uns beiden ist.«
»Was bitte?«
Marius streichelte Daniels Nacken und grinste. »Wenn du dich so eingehend mit der Thematik eines Bottoms beschäftigt hast ...«
»Äh ... müssen wir uns festlegen?«
»Nein. Ich denke, das müssen wir nicht.« Der dunkelblonde Jugendliche neigte sich hinüber und strich mit seinen Lippen über den Nacken des Anderen. Er schnurrte leise, als er den feinen, salzigen Geschmack schmeckte, den der leichte Schweißfilm dort zurückgelassen hatte.
»Gut ...«, brummte Daniel leise und lehnte sich gegen Marius.
»Und was machen wir mit dem angebrochenen Tag?«
»Essen? Ich hab ein bisschen Hunger.«
»Okay«, der Förster-Junge schmatzte seinem Freund einen Kuss auf den Mund und zog die Kühltruhe heran.
Sie nutzten das helle, sonderbar grünlich-gelbe Tageslicht aus, das in den Beobachtungsposten schien, um in aller Ruhe zu essen, sie teilten sich die Kopfhörer eines Discmans, um sich gegenseitig ihre Lieblingsbands vorzuspielen und vertrieben sich die Zeit mit den albernen Psychotests der Jugendzeitschriften, die Marius besorgt hatte, und lösten nach und nach Kreuzworträtsel in einem Heft, das Daniel dabei hatte.
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Der dunkelblonde Jugendliche spürte, wie die Nervosität auf ihn zukroch, als der Abend anrückte, das Licht schwerer wurde und schließlich verschwand und der Wald in der Dämmerung zu verschwimmen begann. Die nachtaktiven Tiere kamen heraus, irgendwo berichtete eine Eule von ihrer Anwesenheit, es raschelte am Boden, Flügelschlagen war zu hören und das Zirpen unzähliger Grillen.
»Wow«, meinte Daniel mit einem Blick aus den Fenstern, »Ich hätte nie gedacht, dass es nachts hier so laut werden würde.«
»Mein Opa hat oft im Dunklen die Eulen und so beobachtet. Der hat immer erzählt, dass es irre laut ist. Ich hab's auch nich' geglaubt. Stört dich das?«
»Aber nein. Das ist Natur. Wäre es Autolärm, würde mich das mehr stören.«
»Okay ...«
»Vor allem, dass es so extrem dunkel ist, finde ich toll. Schau mal, man kann, wenn man hochschaut, sogar Sterne sehen. In Lengwede, wegen der Straßenlampen, sieht man nicht so viele.«
Marius streckte seinen Kopf ebenfalls aus der Tür des Hochsitzes und nickte dann. »Bei uns hinten im Garten sieht man die. Weil zwischen dem und den Laternen des Schlamau euer Rapsfeld liegt.«
»Hinten bei uns auf dem Hof sieht man die auch. Die Lampe da ist ein Bewegungsmelder.«
Die beiden sahen noch ein paar Minuten in den Himmel, bis ihnen der Nacken zu schmerzen begann und sie sich kichernd wieder nach drinnen verkrochen. Marius machte die Campinglampe an, die den ganzen Tag draußen in der Sonne gehangen hatte und nun genug Saft hatte, um für einige Stunden Licht zu spenden.
Irgendwie erschien es ihm peinlich, die Kerzen zu entzünden. So als würde er es darauf anlegen, dass Daniel nun doch endlich zu ihm ins Bett käme.
Doch dieser nahm Marius die Entscheidung ab, als er nach einer der Stumpenkerzen griff und sie mit seinem Feuerzeug anzündete. Obwohl er nicht rauchte, trug Daniel immer eines mit sich herum, denn man konnte ja nie wissen, wann man es mal brauchen würde.
»Diese Campinglampe macht mich ganz depressiv«, erklärte er seinem Freund mit einem Augenzwinkern. »Dieses blaue Licht lässt dich wie einen Geist aussehen.«
»Und Kerzenlicht?«, schmunzelte Marius.
»Zieh' das Shirt aus, Herkules, und ich sag' es dir«, lachte Daniel leise, nachdem er noch zwei Kerzen entzündet hatte.
»Du bringst mich in Verlegenheit.«
»Tatsächlich? Na, ich finde, warmes Licht schmeichelt deiner Haut und den Muskeln mehr, das ist alles.« Der Jugendliche legte sich wieder zu Marius auf die Bettstatt und zog das Rätselheft heran.
»Du bist süß.«
»Danke«, Daniel zwinkerte ihm zu und spitzte neckisch die Lippen.
»Ist es falsch von mir, dass ich dich gern überall küssen wollen würde?«, murmelte Marius und spürte, dass ihm warm wurde.
»Ich weiß nicht. Kommt drauf an, wen du fragst. Ich finde es ... gut so.« Der Dunkelhaarige kaute spielerisch an dem Kugelschreiber herum und grinste, als der Andere ein knurrendes Zischen ausstieß.
»Hör' auf damit. Du bringst mich auf Ideen.«
»Ach? Na, vielleicht möchtest du mich daran teilhaben lassen?«
Marius packte Daniel an den Handgelenken und stemmte sich über ihn. »Willst du das?«, knurrte er verführerisch, bevor er sich herunterbeugte, um ihn zu küssen.
»Oh ja«, schnurrte der Dunkelhaarige mit einem Lachen in der Stimme, das ihm im Halse stecken blieb, als Marius sich mit einem seiner Beine zwischen Daniels Schenkel kniete und leichten Druck auf dessen Körpermitte ausübte.
»Immer noch?«
Der Dunkelhaarige presste die Augen zusammen und Röte breitete sich auf seinem Gesicht aus, aber er nickte. »Ja ... immer noch.«
Die Kreuzworträtsel waren vergessen, als Marius sich hinunterbeugte, um ihn wieder zu küssen. Dabei rieb er kontinuierlich mit seinem Bein leicht an Daniels Schoß, was diesen nach einer Weile seufzen ließ. Der dunkelblonde Jugendliche knabberte sich sanft über die Lippen seines Freundes dessen Kinn hinunter und verharrte an dessen Schlüsselbein.
»Mir ist warm«, jammerte Daniel nach einer Weile leise, was Marius als Aufforderung verstand, ihm das T-Shirt über den Kopf zu ziehen.
Noch niemals hatten sie die Möglichkeit gehabt, einander ohne all den Stoff zu berühren und der Jugendliche konnte spüren, dass seine Hände zitterten, als er Daniels Haut zu streicheln begann.
Dieser wand sich und schnurrte wie eine Katze, öffnete irgendwann die Augen, die im warmen, aber matten Licht der Kerzen schwarz zu sein schienen und griff nach dem Bund von Marius' T-Shirt, um es ihm energisch vom Körper zu ziehen.
»Herkules. Ich hab es ja gesagt«, kicherte der Dunkelhaarige und warf das Kleidungsstück zu seinem eigenen an die Seite.
»Du bist auch nicht übel«, schmunzelte Marius und legte sich neben seinen Freund, die Fingerspitzen noch immer neckisch über dessen Haut wandern lassend.
»Wie gnädig«, seufzte Daniel wohlig, neigte sich vor und strich mit seinen Lippen über die sonnengebräunte Haut des Anderen.
Sie drängten sich aneinander, ineinander verkeilt, sich streichelnd und küssend und noch nie hatte sich einer von beiden wohler gefühlt als in dieser Sekunde. Das Gefühl der Nähe des Anderen zu spüren, den Geruch zu erleben und den Geschmack auf der Zunge, das war so viel mehr als die innigen und sinnlichen, aber gestohlenen Momente, die sie sich in der Pyramide des Hundeplatzes erschlichen hatten, immer auf der Hut, nicht doch von jemandem erwischt zu werden.
»Ist dir auch so ... eng?« Marius kicherte verlegen und zog etwas am Bund seiner Jeans.
»Ja«, murmelte Daniel nur verlegen. Er hatte Segelhosen aus Stoff an, doch die sahen in dieser Sekunde nicht weniger unbequem und einengend aus.
»Na dann wollen wir mal Abhilfe schaffen«, grinste der dunkelblonde Jugendliche, kniete sich aufrecht hin und öffnete geschickt die Hose seines Freundes, der verlegen die Augen zusammenpresste und erleichtert seufzte, als der Stoff ihn freigab.
»Oh, besser«, stieß er hervor und öffnete die Lider wieder, als er das Klirren von Marius' Gürtel hörte. Röte schoss Daniel in die Wangen, als dieser seine Jeans auszog.
Sie waren einander nicht mehr fremd, hatten sich schon einige Male gegenseitig berührt. Doch noch nie trugen sie dabei so wenig Kleidung. Nun zu sehen, wie sehr sich die Boxershorts des Dunkelblonden wölbten, versetzte Daniel in Aufregung und er konnte spüren, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug.
»Was schaust du so?«, grinste Marius und legte sich wieder neben den Anderen. »Ist das neu für dich? Ist ja nicht so, als würde es hier bei dir anders aussehen.« Er stupste den Dunkelhaarigen an, der leise aufkeuchte.
»So ... nackt schon.«
»Ja. Ungewohnt, dass keine Jeans beim Anfassen stört, oder?« Mit einem Schnurren ließ der dunkelblonde Jugendliche seine Hand in den Bund von Daniels Unterwäsche gleiten und dieser zuckte leicht.
»Ja, total«, der Jugendliche atmete tief ein und streichelte Marius' Brust und Bauch, bevor er es dem Anderen gleichtat und seine Finger in die Boxershorts wanderten.
»Uh«, machte Marius mit einem Kichern, »du hast kalte Hände.«
»Das Blut dafür ist leider woanders gelandet«, murmelte Daniel verlegen und küsste den Anderen, damit er endlich aufhörte, zu reden.
Sie achteten nicht mehr darauf, welchen Krach die Waldbewohner vor ihrem kleinen Refugium veranstalteten, noch scherten sie sich darum. Es interessierte sie auch nicht, was morgen sein würde, denn in diesem Moment gab es nur sie beide, dieses abgelegene Zimmer und die Zärtlichkeiten, die sie einander zu geben hatten.
Und das war genug.
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