Teil 1 : Es war einmal / Kapitel 1: Traumfänger
Vor langer, langer Zeit, als meine Haare voller waren und sich keine grauen Strähnen eingeschlichen hatten, als mein Gesicht rosig war und frisch, anstatt matt und verbraucht, erlebte ich den Sommer meines Lebens.
In der Nähe unseres Hauses war ein kleiner See, ach nein, es war wohl eher ein größerer Tümpel, aber man konnte sehr gut darin schwimmen und die Enten schien die Tatsache dass es eigentlich gar kein richtiger See war, auch nicht zu stören.
Dort badeten wir regelmäßig.
Wir, dass waren meine Geschwister und ich. Sheila war in jenem Sommer 19 Jahre alt, Robbie war 12 und Janine, meine Zwillingsschwester, und Ich hatten gerade unseren 15. Geburtstag gefeiert. Außerdem gab es noch Conny, die eigentlich Constance hieß, aber die Kleine lag noch in den Windeln und war mit Mom daheim geblieben.
Unsere Schwester Sheila hatte vor einigen Monaten eine neue beste Freundin, Michelle, die auch oft mit an den See kam.
Michelle war ein witziges Persönchen, mit kurzen dunklen Haaren und dazu im Kontrast stehenden leuchtend blauen Augen.
Während wir 3 im See planschten, Robbie hatte oft noch Kumpels dabei, mit denen er im Wald verschwand um heimlich zu rauchen, verdrückte sich Sheila meist mit Michelle in den Schilf, manchmal hörte man Geflüster und Gekicher.
Wir waren nicht so naiv wie unsere Eltern. Janine und ich wussten sehr wohl, dass Michelle nicht nur eine beste Freundin war.
Spätestens wenn die beiden länger als 10 Minuten abgetaucht waren, begannen wir beide auch zu flüstern und zu tuscheln, neckten uns und stießen einander mit den Ellenbogen an.
Janine versuchte einen Kussmund zu machen, während sie mir erschreckend Nahe kam, mir ins Gesicht tatschte und laute Kussgeräusche machte. Da sie bei der ganzen Aktion wie ein würgender Fisch aussah, der gestrandet ist und gerade endet, brach ich in wildes Gelächter aus.
Sie verdrehte die Augen, spritzte mir Wasser ins Gesicht und schrie „Engarde"!
Ich konnte ihr nicht mehr ausweichen, als sie sich mit ihren vielleicht 45 Kilo Leichtgewicht komplett gegen mich warf und es tatsächlich schaffte mich umzuwerfen.
Wir rangen unter Wasser, hielten uns an einander fest und versuchten irgendwie zu Atem zu kommen, während wir lachten wie die Irren.
Es war ein herrlicher Nachmittag.
Der letzte dieser Nachmittage, später wurde alles anders.
Und Herrgott, ich bereue es nicht einmal.
An diesem Abend hatte keiner groß Lust auszugehen, was wohl auch an der Sturmwarnung für die Nacht gelegen haben könnte. Alle gingen früh zu Bett. Sheila, die mittlerweile im kleinen Sommerhäuschen wohnte, das etwas weiter vom Haupthaus entfernt war, hatte es sich mit Michelle gemütlich gemacht.
„Ich liebe deine Haare, Süße." trällerte Michelle, während sie Sheilas goldblonde Wellen streichelte.
„Du machst wohl Witze." Meinte Sheila und kratzte sich am Kinn. „Deine sind kurz und frech, außerdem hat das dunkle einen Besonderen, irgendwie geheimnisvollen Reiz. Glaub mir, ich weiß wovon ich spreche, ich bin die einzige in meiner Familie, mit hellen Haaren, von Dad mal abgesehen, aber der zählt nicht. Er ist erwachsen, hat einen Job und eine Familie. Wenn man schon alles hat, was man sich wünscht, braucht man keine Ausstrahlung mehr." Lachte sie und verwuschelte Micheles kurzes, sowieso schon wuscheliges Haar.
„Weißt du eigentlich, was du für einen Blödsinn redest?" fragte Michelle lachend.
„Aber..." setzte sie hinzu „wenn deine Theorie stimmt, brauche ich ja gar keine Ausstrahlung mehr. Du kannst mein Haben! Ich habe nämlich schon alles was ich mir wünsche..." Sie küsste Sheila aus den Mund. Die beiden umschlangen einander, küssten sich und verloren sich in den mit Daunen gefüllten Kissen auf dem Bett, eng aneinander geschmiegt schliefen sie ein, während draußen langsam der Sturm losging.
Amanda hatte die kleine Conny schon zu Bett gebracht und sah zu Richard, ihrem Mann hinüber, der mit der Lesebrille auf der Nase im Bett lag und Zeitung las.
Er hatte ihren Blick genau gespürt und sah auf. Sie lächelte.
In dieser Nacht bedurfte es keiner Worte, es war schon viel zu viel gesagt worden.
Die beiden liebten sich, eng und leidenschaftlich pressten sich ihre Körper aneinander.
Nachdem es vorbei war, schliefen sie ein. Sie hatten die ganze Zeit kein Wort gesprochen.
Der Wind rüttelte an den Fenstern.
Robbie hatte sich rausgeschlichen, das tat er öfter. Etwas Banales wie eine Sturmwarnung konnte ihn nicht davon abhalten sich hinter dem Haus einen Joint reinzuziehen.
Er hatte ihn einem seiner Freunde abgekauft, die regelmäßig wechselten.
Robbie war es im Grunde genommen egal mit wem er rumhing, Hauptsache Spaß. Wer Bier oder Joints hatte, war natürlich gleich oben auf seiner Beliebtheitsliste.
Er zog den Rauch zu tief ein und hustete. Der Wind blies und heulte.
Robbie vergrub den fertig gerauchten Stummel notdürftig in der Erde, bedeckte ihn mit einigen Blättern und schlich sich zurück ins Haus.
„David?" flüsterte Janine dicht an meinem Ohr. Wir hatten zwar getrennte betten, doch sie schlief von klein auf meistens in meinem.
„Ja?" flüsterte ich zurück.
„Ich liebe Dich." Säuselte sie sanft, halb am Einschlafen.
„Ich liebe Dich auch." Sagte ich etwas lauter. Mir erschien es in der Stille etwas zu laut zu sein und trotzdem war es nicht weniger wahr. Ich nahm die jetzt schlafende Janine enger in meine Arme und legte meinen Kopf auf ihre Schulter.
Sie finden das ungewöhnlich? Das war zwischen uns ganz normal, ein Ritual vor dem Einschlafen.
Wir hatten uns schon immer besonders nahe gestanden, selbst für Zwillinge war unser Band eigenartig fest und sehr vielschichtig.
Wir waren füreinander wie Traumfänger, ineinander verwoben, voller wunderschöner Perlen und dazu da, um einander schöne Träume zu bescheren.
Die schönste Perle war Janine.
In der Nacht wachte ich auf. Janine weinte leise und hatte ihren Kopf an meiner Brust vergraben.
„Was ist denn los, mein Engel?" fragte ich sie erschrocken.
„Ich habe Angst." Sagte Janine.
„Wegen dem Sturm, aber da kann dir nichts passieren, ich beschütze dich."
„Nein, davor erwachsen zu werden. Wir sind schon 15, bald werden wir erwachsen sein, du wirst heiraten, Kinder haben und dein eigenes Leben führen und ich bleibe für immer alleine und werde einsam und traurig sein."
Ich sah Janine erstaunt an.
„Was redest du da? „fragte ich und das Erstaunen muss in meiner Stimme mitgeklungen haben, denn sie sah mir jetzt in die Augen.
„Ich werde dich niemals alleine lassen, du Schussel."
Janine sah mich mit Tränen in den Augen an.
„Beweis es." Sagte sie leise.
Und ich tat es, ich beging der ersten Fehler und änderte das Schicksal.
Während ich ihren Kopf mit beiden Händen umfasste, küsste ich sie gierig und leidenschaftlich.
Sie erwiderte den Kuss.
Ich frage mich immer wieder, ob wir etwas hätten anders machen können, ob wirklich in diesen Zeitpunkt die große Änderung lag.
Jetzt muss ich mir eingestehen, dass man so und so nichts hätte ändern können.
Wir waren schon lange entflammt.
Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Janine schlief leise schnarchend in meinen Armen.
Ich sah auf sie herab und sah sie plötzlich mit anderen Augen. Durch diese neuen Augen war sie wunderschön, wenn nicht sogar das schönste Wesen, dass ich jemals gesehen hatte.
Ihre langen, glatten schwarzen Haare glänzten im schwachen Licht der aufgehenden Sonne.
Ihre Lippen waren satt rosa, ihre Nase wohlgeformt mit einem kleinen Höcker.
Was sich unter ihren Lidern verbarg, kannte ich schon seit unserer Geburt und trotzdem war ich beinahe schockiert über den Anblick ihrer Augen, als sie sie kurz darauf öffnete.
Noch nie hatte ich etwas so schönes gesehen. Sie funkelten wie dunkler Bernstein, etwas Kastanie, dunkles braun, ein Hauch Karamell.
„Morgen." Sagte sie leise. Es muss sehr früh gewesen sein, die Vögel zwitscherten draußen, das Licht war gedämpft, das Haus schien noch zu schlafen.
Ich streichelte Janines Gesicht.
„Morgen, mein Engel."
In diesem Sommer unternahmen Janine und ich sehr viel miteinander. Wir hatten sowieso schon viel Zeit miteinander verbracht und gerne Dinge gemeinsam unternommen, jetzt wurde es zu einer Art Besessenheit. Sie vernachlässigte ihre Freundinnen, ich meine Hobbys.
Und es war uns egal.
Das ganze ging so weit dass Janine vergaß auf die Geburtstagsfeier einer ihrer Freundinnen zu gehen und mein Schreibtisch allmählich zu verstauben begann.
Wir gingen gemeinsam spazieren, sahen uns abends Filme an, lasen einander Gedichte vor, fuhren mit den Rädern am See entlang, durch den Wald, durch weite Felder.
Und genossen es, genossen uns und unsere Berührungen die wir austauschten, wenn keiner in der Nähe war. Meine Hand streifte ihre Brust, ihre Lippen streiften meinen Hals.
Wir waren unglaublich ineinander verliebt, mir war als hätte Gott meine Gebete erhört, meine Seele erleuchtet , sie brannte und loderte und jede Faser meines Körpers, jeder Funke meines Geistes rief Janine, Janine, Janine.
Während ich sie leidenschaftlich liebte, sie oft glühend an mich zog und küsste als würde es kein Morgen mehr geben, liebte sie mich zärtlich und sanft. Wie ein kleiner Vogel, der gerade den Frühling und all seine Wonnen entdeckt.
Ihre Berührungen waren manchmal flüchtig, fast schon verstohlen. Wenn sie sich zu hundert Prozent unbeobachtet wähnte, waren sie oftmals lang und weich, nachdenklich.
In so einer Situation werden sie sich sicher fragen, ob wir keine Angst, kein schlechtes Gewissen aufgrund der Blutschande hatten, die wir in ihren Augen zu betreiben schienen.
Aber wenn sie das wirklich denken, haben sie nicht das Geringste verstanden. Unsere Liebe war rein.
Wie ein neu geborenes Lamm, denn wir liebten beide von Herzen und obwohl wir uns nacheinander verzerrten, wie 2 Verdurstende nach einem Schluck Wasser, hatten wir nicht miteinander geschlafen.
Wir redeten nicht über Sex, oder was wir Taten oder über Grenzen.
Wie Seiltänzer bewegten wir uns wortlos auf einem Seil über einem Abgrund, nicht nur zum Fallen, nein, zum Springen bereit. Aber der letzte Funke Verstand hielt uns zurück.
Ich dachte sehr viel nach in dieser Zeit, stellte mir sehr oft vor, wie ich meine Hände um Janines nackten Körper legte, ihre Brüste streichelte und einiges mehr.
Um ehrlich zu sein, konnte ich oft nur unter Aufbietung all meiner mentalen Kräfte eine Erektion verhindern. Denn ich wollte sie weder beschämen, noch in eine unangenehme Lage bringen und ich wusste dass es ihr auch so ging. Wahrscheinlich hätte sie sich mir nie angeboten, aus Angst mich zu verletzen, zu viel zu wollen. Doch dann kam es sowieso anders.
Eines Morgens, wir hatten uns auf die Räder geschwungen und waren losgefahren, ohne Ziel, ohne Eile, einfach dem Horizont entgegen, landeten wir auf einer unglaublich großen und hellen Lichtung.
Eine wunderbare Wiese tat sich vor uns auf, wir sahen Blumen und Gras soweit das Auge reichte.
Und keine Menschenseele. Eigentlich waren wir durch den Wald gefahren, waren lange unterwegs gewesen. Müde und verschwitzt wie wir waren, ließen wir uns direkt ins warme, weiche Gras fallen und kuschelten uns aneinander.
Als ich ungefähr eine Stunde später erwachte, schlief Janine noch. Sie lag auf dem Bauch, ihr Top war hochgerutscht und da, auf ihrem wunderschönen Rücken saß ein kleiner Schmetterling.
Er war hellblau und bewegte sanft die Flügel, als wollte er mich einladen mit ihm zu tanzen, als wollte er mich und Janine zum Tanz auffordern, durch die Lüfte, durch das Gras.
Wie in Trance strecke ich meine Hand aus, der Schmetterling erhob sich in die Luft und flog davon, meine Hand landete sanft auf Janines nackter Haut und begann zu streicheln.
Sie wachte auf und sah mir in die Augen.
„David? Was..?" Flüsterte sie leise und drehte sich auf den Rücken.
Ich nahm sie in meine Arme und sie verstummte. Wir küssten uns, erst sanft, dann heftig und leidenschaftlich. Meine Hand wanderte über ihren Körper, ihre Hände Lagen in meinem Nacken, strichen über meinen Rücken. Ich war jetzt über ihr, wild machte ich mich an ihrer Kleidung zu schaffen. Sie bremste meine Berührungen ab, machte sie zärtlicher.
Dieser Nachmittag war erfüllt von Zärtlichkeit. Janine und ich schliefen miteinander, es war ungeschickt und wundervoll, verlangend und voll der tiefsten Liebe die wir füreinander empfanden. Und es fühlt sich richtig an, als hätten wir nur auf den anderen gewartet, als wären wir jetzt vollkommen und eins.
Für uns beide war es das erste Mal gewesen.
Janine und ich waren zu Hause in unserem Zimmer. Sie lag auf dem Bett und spielte mit einem Traumfänger, er war klein, blau, geschmückt mit braunen Perlen und weißen Federn.
In mir brannte es, immer wieder sah ich Janine vor mir, wie sie sich in der Wiese räkelte, spürte ihre Arme um meinen Nacken. Das süße, verbotene Geheimnis wirkte auf mich wie ein Gift, es brannte beinahe ein Loch in meine Eingeweide, mein Magen schaukelte, als wäre ich gerade Achterbahn gefahren, mein Herz barst schier vor lauter Worten, die nicht raus durften. Ich traute mich kaum Janine anzusehen, ganz zu Schweigen davon sie anzufassen.
Sie suchte meinen Blick und wie das Kaninchen vor der Schlange, musste ich ihr nun doch in die Augen sehen. „David?"
Mein Blick wurde fragend.
„Wir dürfen dass niemals jemanden erzählen." Sagte sie nur. Und brach damit etwas in mir. Natürlich wusste ich, dass wir es niemandem erzählen durften, es war verbotener als verboten. Aber es aus Janines Mund zu hören, tat weh. Schämte sie sich, für das was geschehen war? Mir wurde klar, dass ich es vielleicht eines Tages bereuen würde, aber schämen? Nie würde ich mich dafür schämen, mit dem wunderbarsten und schönsten Mädchen der Welt geschlafen zu haben, auch wenn es sich dabei um meine Zwillingsschwester handelte.
Janine hatte wohl gesehen, wie sich meine Mimik verändert hatte und es auch gleich richtig gedeutet. Einerseits war mir das sehr unangenehm, aber andererseits liebte ich sie dafür noch inniger. Unser Band war als durch den heimlichen Liebesakt nicht beschädigt worden, ganz im Gegenteil.
„Du weißt, dass ich mich nie dafür schämen würde, was zwischen uns war oder ist oder sein wird?" fragte sie mich.
Ich schluckte und nickte. „Ich habe nur solche Angst, dass man uns trennt. Wenn jemand davon erfährt... ich wage es gar nicht daran zu denken! Ich kann ohne dich nicht leben, David..." ihre Stimme verlor sich. Ich stand auf, ging auf sie zu und nahm sie stürmisch in meine Arme. Gemeinsam kuschelten wir uns aufs Bett. „Ich liebe Dich, Janine. Ich liebe Dich so sehr." Sagte ich.
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