Wo ist die Stecknadel?
Ich hatte Lust euch mit einem neuen Kapitel zu überraschen, also... enjoy it! :D
Natürlich kommt morgen noch das Normale ^^
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Paris, Dezember 2017
"Das ist also Frankreich." Das Land, aus dem meine Familie kam und ich eigentlich hätte aufwachsen müssen. Mit der Sprache war ich schon im Flugzeug gescheitert als die französisch-sprechende Stewardess einer Frau unweit von mir irgendetwas erklärt hatte.
"Gefällt es dir?", fragte Chris nach, der ebenfalls die Stadt bewunderte, die draußen vorbeizog. Wir saßen im Taxi zum Hotel, es war kurz nach zwei. Oder erst kurz nach eins? Ich war mir nicht ganz sicher, ob es von London nach Paris einen Zeitunterschied gab und wenn ja, ob eine Stunde minus oder plus.
"Wusstest du eigentlich, dass das hier unser erster gemeinsamer Urlaub war? Hat dir Sandra schon mal das Foto von uns beiden vor dem Eiffelturm gezeigt?" Oh ja, das hatte sie. Die beiden knutschten sich fast zu Tode und ich wusste schon, in welche Richtung dieses Gespräch ging.
"Wie heißt das Gebäude da? Das sieht irgendwie wichtig aus", versuchte ich das Thema zu wechseln.
"Oh, meinst du das da? Das ist der Petit Palais. Macht ihr so was nicht in Geographie?"
"Na ja, die Lehrer haben da meistens ihren eigenen Kopf."
"Schau mal, das ist..."
Ich hatte das Gefühl, dass der Taxifahrer extra die lange Sehenswürdigkeitstour fuhr. Fragte sich nur, ob um Touristen seine schöne Stadt näher zu bringen oder um mehr Geld zu verdienen.
Aber auch Chris merkte schnell, dass wir nicht die normale Route sondern die Touri-Tour fuhren.
"Hey, ich hab gesagt direkt zum Hotel!"
Der Taxifahrer grummelte einige Worte auf Französisch, bog aber an der nächsten Kreuzung in Richtung Hotel ab.
"Du wirst dich in die Stadt verlieben, Lou", versprach mir Chris. "Genau wie wir damals."
Ich war mit meinen Gedanken allerdings schon wieder ganz woanders, genauer gesagt bei unserem morgigen Termin im Einwohnermeldeamt. Chris musste mir meine Gedanken wohl angesehen haben.
"Hey, alles wird gut, mach dir nicht so viele Gedanken." Er nahm mich in den Arm. Leichter gesagt als getan. Ich versuchte, mir nicht mehr so viel anmerken zu lassen und setzte ein Lächeln auf.
"Bin nur aufgeregt."
"Ich hab total vergessen, dir das Wichtigste zu sagen: morgen besuchen wir die beste Patisserie der Stadt. Na, wie klingt das?"
"Echt? Wie cool ist das denn?" Ich war ein richtiges Schleckermaul und Schokolade war einfach göttlich.
"Wo müssen wir morgen eigentlich genau hin?" Chris hatte sich um alles Organisatorische gekümmert, so war ich wenigstens nicht so verplant wie bei meiner letzten Reise.
"Ich hab eine Stecknadel auf Google Maps gesetzt, wir können es also nicht verpassen."
~~~
Die Stecknadel führte uns am nächsten Morgen in mitten durch Paris und ich kam noch einmal dazu, die großen Häuser und Sehenswürdigkeiten zu bestaunen. Für meinen Geschmack war es zwar noch ein bisschen zu früh, aber ich hatte sowieso nicht gut schlafen können und war früh aufgewacht. Immerhin, das Frühstück war fantastisch gewesen. Ich hatte mir ein Sandwich toasten lassen und selbst bei der Marmeladenauswahl hatte man sich nicht beschweren können, es gab alles von Himbeere bis hin zu Orange.
Für den Preis den wir bezahlt hatte, Paris war unglaublich teuer, war ich sowieso sehr positiv überrascht gewesen. Das äußere Erscheinen des Hotels war zwar nicht sehr ansehnlich, es nahm nur einen kleinen Abschnitt zwischen zwei anderen, viel protziger aussehenden Hotels ein, dafür hatte man an der Inneneinrichtung gearbeitet, die Eingangshalle war riesig und hatte einen gigantischen Kronleuchter an der Decke hängen. Ich hatte die ganze Zeit Angst gehabt, dass er mir auf den Kopf fallen könnte, aber dann war ich mir wieder der Realität bewusst geworden. Ich war eine Magierin und hätte keine Probleme mit einem herabfallenden Kronleuchter.
"Hier ist es, oder?" Ich stand vor einem Schild, laut dem hier das Einwohnermeldeamt Paris sein musste.
"Warte..." Chris zoomte die Karte auf seinem Handy näher heran und kniff die Augen zusammen.
"Ähm, Chris?" Hier herrschte ein unglaublicher Andrang, dauernd kamen Leute durch die großen Glastüren, die das Gebäude von der Straße trennten und gingen hinein. Außerdem war das hier das protzigste Gebäude der ganzen Straße, und das soll in Paris schon was heißen. Natürlich waren wir richtig. ich zog Chris einfach hinter mir her, während er immer noch gespannt auf das Handy starrte und unseren Standort ausfindig machte.
"Warte, Lou, ich bin noch nicht..."
Er sah auf. "Oh."
"Ja, oh. Wir können hier unmöglich falsch sein." Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und versuchte bei dem Andrang der hier herrschte, die Information zu finden. Mein Gott, man könnte meinen dass sei hier ein Flughafen!
"Ich glaube wir müssen da lang!" Diesmal war es Chris, der mich weiterzog.
Wir versuchten möglichst vielen Menschen auszuweichen und standen wenige Minuten später vor einer der zahlreichen Türen, die in die Büros führten. Und vor denen sich jeweils eine meterlange Schlange gebildet hatte.
"Das ist nicht deren Ernst, oder? Das dauert doch Stunden...", seufzte Chris genervt als wir uns an ein Ende der Schlangen stellten.
"Wir haben nicht viele andere Möglichkeiten, oder?" Ich sah mich unauffällig um während ich schon mal meinen Pass herauskramte. Die anderen Leute schienen ebenso genervt wie wir. Und alle sprachen sie Französisch, ein riesiges Geplapper, dass ich nicht verstand.
Als wir nach einer Stunde immer noch in der Schlange standen, begannen meine Füße nicht mehr mitzuspielen. Ich trat von einem Fuß auf den anderen, aber ich sehnte mich sehnlichst nach einem Stuhl. Und auch Chris schien diese Warterei in den Wahnsinn zu treiben. Und dabei standen immer noch drei Leute vor uns.
"Excusez-moi, avez-vous un mouchoir?", fragte mich der Mann vor mir.
"Ähm... was? Ich spreche kein Französisch." Er sah mich erst leicht verdattert an, drehte sich dann aber zu der Frau vor ihm und fragte sie dasselbe.
"Kommt es mir nur so vor oder ist es realistisch dass die alle kein Englisch können?" Chris zuckte mit den Schultern.
"Ich glaube nicht dass es daran liegt, dass sie kein Englisch können, die meisten erwarten einfach nur dass man Französisch kann." Damit konnte ich auch nicht viel anfangen. Immerhin, nach weiteren dreißig Minuten waren wir endlich dran und sobald der Mann, was auch immer er gewollt hatte, das Büro verließ, klopfte ich auch schon an.
"Vous pouvez entrer!"
"Wir können rein", übersetzte Chris für mich und ich griff im gleichen Moment nach der Klinke. Verdammt, ich war schon wieder so aufgeregt!
Als wir eintraten erkannte ich im gleichen Augenblick, dass der kleine Mann mit Brille, der hinter dem Schreibtisch thronte, nicht die Frau war, mit der ich gesprochen hatte. Aber hier gab es ja auch ungefähr tausend Büros, in denen sie sitzen könnte.
"Avez-vous une date?"
"Oui, mais pourrions parler en anglais?"
"Ich nicht anglais. Un moment." Er griff zum Telefon und sah uns mehrmals abschätzend an, während er sprach. Als er den Hörer auflegte zeigte er in eine Richtung.
"Par ici, mon collègue pourra vous aider."
Chris packte mich am Arm und seufzte.
"Ich fürchte wir müssen woanders hin. Wenn wir da noch mal so lange anstehen müssen..."
Musste wir nicht. Anscheinend gab es eine eigene Abteilung für Fremdsprachige Anträge. Was wiederum bedeutete die ganzen eineinhalb Stunden qualvolles Anstehen hätten wir uns sparen können. Meine Laune sank, wenn das überhaupt noch möglich war, noch einmal um mindestens die Hälfte.
Aber schließlich standen wir vor dem richtigen Büro und als ich anklopfte, ertönte ein Herein auf Englisch.
"Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?" Ich betrachtete die Brünette hinter dem Schreibtisch. Konnte sie womöglich die Frau sein, mit der ich gesprochen hatte?
"Hallo, setzten Sie sich doch erst einmal. Was brauchen Sie?"
"Ich habe vor einer Woche schon mal angerufen und nach einer Adresse gefragt." Ich war zwar froh, dass Chris da war, aber ich musste das jetzt alleine mit ihr regeln. Schließlich war ich schon fast achtzehn.
"Der Name?" Ich nannte ihn ihr und war mir gleichzeitig sicher, dass sie es nicht war. Nein, die andere hatte einen anderen Akzent gehabt, fast gar keinen. Außerdem hatte sie eine höhere Stimme gehabt. Aber ich konnte ja nicht immer so viel Glück haben.
"Sind sie verwandt?"
"Ja." Ich hielt ihr den Pass hin und sie prüfte die Daten.
"Alles klar, ich kann ihnen die Adresse ausdrucken, in der Misses Cartier damals gewohnt hat. Allerdings nur bis vor fünf Jahren." Das wusste ich ja schon.
"Und wissen Sie, wohin sie dann gezogen ist?"
"Uhhh... das sind private Informationen, dazu müsste ich erst einen Antrag stellen und das kann ziemlich lange dauern. Genauer gesagt Monate." Der Drucker piepte und sie nahm das Blatt Papier in die Hand und warf einen prüfenden Blick darüber, bevor sie es mir in die Hand drückte.
"Brauchen Sie sonst noch etwas?"
"Ich glaube nicht, nein."
"Okay, dann brauche ich nur noch ihre Anschrift um ihnen die Infos zuzuschicken, wenn der Antrag durch ist." Und zwei Minuten später standen wir schon wieder draußen.
"Was willst du jetzt machen?", fragte Chris, während ich den Zettel mit der Adresse faltete und in meine Jackentasche steckte. Die Anschrift würde ich sowieso nie wieder vergessen.
"Können wir diese Patisserie besuchen, von der du geredet hast?" Ich konnte da jetzt noch nicht hingehen, denn wenn ich das Haus sehen würde, in dem meine leibliche Mutter mal gelebt hatte, wenn andere Menschen jetzt dort wohnen würden, könnte ich das nicht verkraften. Außerdem wollte ich Paris genießen, ich war schließlich zum ersten Mal in der Stadt des Lichts.
"Wie du willst. Aber ich muss dich warnen: wenn du dort ein Mal etwas probiert hast, wirst du nicht mehr aufhören können." Ich musste lachen und war Chris dankbar für die Aufheiterung.
"Na dann lass uns mal losgehen!"
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