Ungewollte Überraschung
St.Petersburg, today
Als ich nach sieben Stunden Flug erstmals wieder an die frische Luft kam, atmete ich tief durch. Privatflüge waren schon etwas anderes als die normalen Linienflüge, bei denen man eingezwängt zwischen seinen Sitznachbarn die Zeit totschlug.
„Willkommen in St.Petersburg", wurde ich vom Busfahrer begrüßt, der mich wieder quer über den Flughafen in die Check-In-Halle brachte.
Ich ließ meinen Blick über den Flughafen schweifen, der modern und kunstvoll hinter der Landebahn aufragte.
„Wo ist mein Koffer?", fragte ich den Busfahrer, als er mich und Mike am Eingang zum Parkplatz des Flughafens hinausließ.
„Ihr Koffer ist bereits im Taxi, Miss, machen Sie sich keine Sorgen." Langsam wurde mir etwas mulmig zumute, ich wurde hier behandelt wie ein weltbekannter Promi.
„Was ist hier los?", flüsterte ich Mike zu, als er mich zu einem Taxi lotste, das schon in einer Parklücke auf uns wartete.
„Mr.Samuels verwöhnt seine Gäste gerne, das ist alles."
„Ja, aber womit habe ich das verdient, er kennt mich doch gar nicht..." Der Fahrer des Taxis hielt mir die Tür auf und ich stieg ein.
„Glauben sie das bloß nicht, meine Liebe..." Da ich meine Wut nicht zeigen wollte, drehte ich den Kopf zum Fenster und sah hinaus. Langsam gingen mir diese geheimnistuerischen Sprüche wirklich auf die Nerven.
Mike beugte sich vor und flüsterte dem Fahrer irgendetwas auf Russisch zu, dann lehnte er sich wieder entspannt in seinen Sitz zurück. Aha, anscheinend konnte Mike nicht nur perfekt Englisch, auch Russisch lag in seinem Fachgebiet.
Das Taxi bog bald von der großen, vielbefahrenen Straße zum Flughafen ab und auf eine etwas kleinere Straße ein, die uns durch mehrere Dörfer führte.
„Wir nehmen eine Abkürzung." Ich sagte nichts dazu.
Die Natur draußen schien viel grüner, satter, als bei uns in England. Die Menschen, die ich vorbeischlendern sah schienen mir entspannt, fast schon gelangweilt. Der Himmel war blau und es schien, als hätte all dies nur auf meine Ankunft gewartet.
„Sie können wirklich froh sein, dass es hier gerade Sommer ist, Miss Rust. Im Winter ist die Kälte eine ganz andere als Sie es in England gewohnt sind. Sie kriecht einem schneller in die Knochen", erklärte mir Mike.
Mir schien es, als wären wir nur zehn Minuten gefahren, doch ein Blick auf meine Uhr bestätigte mir, dass wir fast eine Stunde gebraucht hatten, als wir endlich in St.Petersburg ankamen. Das hatte wohl zum größten Teil an der „Abkürzung" gelegen.
Als wir in die Straßen der belebten, bunten Stadt fuhren, verschwand aber auch hier das Gefühl der Ruhe und die Menschen hetzten hektisch von einer Straßenseite zur anderen.
„Wie weit ist es denn noch?", unterbrach ich die Stille, die schon seit einiger Zeit im Taxi herrschte. Mike räusperte sich.
„Nur noch ein paar Minuten, sehen Sie sich die Stadt an, Miss Rust, diesen Anblick hat man hier nur selten. Und dieses Wetter", fügte er noch hinzu.
Meinetwegen.
Aber ich konnte nicht leugnen, dass ich aufgeregt war, Mr.Samuels kennenzulernen.
Vielleicht ist er der Schlüssel zu all deinen Antworten.
Ich hatte mir schon überlegt, gleich mit der Wahrheit herauszurücken aber dann beschlossen, ihm erst auf den Zahn zu fühlen, nicht, dass er sich als Betrüger ausgab.
Und was, wenn er dich hierhergelockt hat? Wenn es ein Psychopath ist, der Mädchen zu sich lockt und sie dann an weiß Gott wen verkauft?
Ich verbot mir diesen Gedanken. Wenn mich der Fakt, dass Magie wirklich existierte, nicht schocken konnte, dann sicher auch kein verrückter Psycho. Mein Kopf rauchte schon von all den Gedanken und ich lehnte ihn an die Scheibe. Wann waren wir nur endlich da?
Das Taxi hielt vor einem begrünten Grundstück, das völlig umzäunt war. Ich wollte schon aussteigen, aber Mike hielt mich zurück.
„Warten Sie, wir sind noch nicht ganz da." Verwundert runzelte ich die Stirn, blieb jedoch sitzen.
Plötzlich öffnete sich das Tor und das Taxi rollte langsam hindurch. Ich hatte mich schon vorher über die Umgebung gewundert, als wir von einer Brücke auf eine kleine Insel gefahren waren, die mitten in der Stadt lag.
Mike hatte mir jedoch erklärt, dass das hier das Villenviertel St.Petersburgs war. Aber so prunkvoll hatte ich mir es dann doch nicht vorgestellt.
Als sich das Grün, das den Kiesweg, auf dem wir fuhren umsäumte, lichtete, fiel mein Blick auf eine monströse Villa mit Erkern und kleinen Türmen. Mir war vollkommen unklar, wie man das von der Straße aus nicht hatte sehen können, aber jedes Grundstück hatte hier anscheinend sein eigenes Geheimnis.
„Mr.Samuels ist nicht zufällig Multimillionär, oder?" Mike lachte.
„Das ist ein Erbstück, wie vieles andere auch. Aber lassen wir Ihn besser nicht warten, kommen Sie."
Der Taxifahrer hielt direkt vor dem Eingang, zu dem man mehrere Treppenstufen emporgehen musste und der von zwei Säulen umrahmt war. Mir kam das alles vor wie im Märchen. Aber war ich die Prinzessin?
Mir wurde wieder die Tür geöffnet und schon stand ich leibhaftig selbst vor dem Haus, beeindruckt von der enormen Größe.
„Ihr Koffer wird Ihnen auf ihr Zimmer gebracht, ich begleite Sie zu Mr.Samuels." Mike machte eine Geste, ihm zu folgen. Mir wurde mulmig. Gleich würde ich Mr.Samuels wohl persönlich kennenlernen.
Er führte mich durch die Eingangshalle in ein Zimmer mit Sesseln und kleinen Tischen, auf denen Früchte aufgereiht waren. Insgesamt passte der Einrichtungsstil zum Äußeren des Hauses, das alles hätte auch in einem Schloss im achtzehnten Jahrhundert spielen können.
Ich setzte mich in einen der Sessel und ehe ich noch ein Wort sagen konnte, hatte Mike das Zimmer verlassen. Ich wippte mit den Füßen, ungeduldig, auf was jetzt kommen könnte. Da schreckte ich hoch, denn die Tür hatte sich mit einem Quietschen geöffnet. Verwundert blickte ich die Person im Türrahmen an.
„Miss Rust, nehme ich an?" Der Junge, der im Türrahmen stand konnte nicht viel älter sein als ich, längere dunkelbraune Strähnen hingen ihm in die Stirn, was jedoch keineswegs ungepflegt aussah sondern... sexy.
Vor Schreck merkte ich erst, dass ich ihn anstarrte, als er sich räusperte. Ich lief rot an.
„Ähm... ja? Und sie sind...?" Er machte einen schritt auf mich zu und ließ sich den Sessel gegenüber von mir fallen.
"Verzeihung, das ich mich nicht vorgestellt habe. Mr.Samuels." Mir blieb die Kinnlade offen stehen.
„SIE sind Mr.Samuels?! Aber...aber..." Ich schnappte nach Luft.
„SIE haben mich hier herbestellt? Das waren Sie? Sie sind Olivier Samuels?" Er lachte bei meinen vielen Fragen und ich musste mich zusammenreißen, denn sogar das sah süß aus.
„Immer mit der Ruhe, noch haben wir mit dem Interview ja noch gar nicht angefangen. Aber um ihre Frage zu beantworten: Nein, ich bin nicht Olivier Samuels. Ich heiße Alexander Samuels und bin sein Enkel. Sind damit alle Fragen erst mal geklärt? Oh und bitte, nennen Sie mich doch Alex, Mr.Samuels klingt so gewollt höflich."
Ich nickte, konnte immer nicht nicht fassen, dass er mich reingelegt hatte. Was war jetzt mit meinem Interview? Und der Grund, weshalb ich überhaupt hier war: Wer konnte mir jetzt mit den Thema Magie weiterhelfen? Alex musste mein verwirrtes Gesicht bemerkt haben, denn er meldete sich jetzt wieder zu Wort.
„Ich würde vorschlagen, du packst jetzt erst einmal aus und denkst über alles nach. Wir sehen uns dann beim Abendessen wieder. Kristin wird dir dein Zimmer zeigen" Anscheinend hieß das für ihn jetzt auch, das er mich duzen konnte. Mit einem galanten Lächeln verabschiedete er sich und verließ das Zimmer.
Kristin entpuppte sich als die nette Haushälterin, was mich nicht weiter verwunderte, denn bei diesem Haus waren garantiert noch weitere Angestellte und Gärtner dabei. Sie führte mich in den ersten Stock und öffnete eine Tür.
„Hier, ich hoffe, Sie sind damit zufrieden, Miss Rust." Ihr starker russischer Akzent war trotz ihrem fast perfekten Englisch herauszuhören. Sie erinnerte mich in gewisser Weise an meine Großmutter, die Mutter von Sandra. Ihr Charakter und ihre Art waren mir sofort sympathisch.
„Sagen sie ruhig Elicia." Sie lächelte und wandte sich zum Gehen, ich hielt sie jedoch zurück.
„Eine Frage noch. Wer ist dieser Alex genau?" Die Antwort war nicht gerade zufriedenstellen.
„Ich bin leider nicht befugt, Ihnen weitere Dinge anzuvertrauen, das müssen Sie Ihn schon selbst fragen." Damit verabschiedete sie sich endgültig und zog die Tür hinter sich zu.
Ich sah mich im Zimmer um. Es war ähnlich eingerichtet wie der Rest des Hauses, antike Möbel, die nur noch von dem großen Bett in der Mitte des Zimmers getoppt wurden. Ich war wirklich in meinem ganz eigenen Märchen gelandet.
Ich ließ mit einem Seufzer auf das Bett fallen und starrte an die Decke. Mein Magen knurrte und mein Blick fiel auf den Apfel auf der Kommode gegenüber.
Mit einem schnellen Wink flog der Apfel quer durchs Zimmer in meine Hand. Erst da kam mir der Gedanke, dass der gute Alex vielleicht Kameras im Haus installieren hatte lassen. Verdammt! Ich durfte mich auf keinen Fall mit meiner Gabe erwischen lassen, bevor ich wusste, ob ich ihm vertrauen konnte.
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Auch so gespannt auf die Erklärung, die Alex Lou hoffentlich beim Abendessen liefern wird? ^^
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