Ein verhängnisvoller Abend
Richmond, 2015
„Kommst du heute Abend zu Jake's Party?", fragte mich meine BF Emily, als wir auf dem Weg zum Unterricht waren. Ich hatte absolut keine Lust hinzugehen, aber schon wieder zu schwänzen wäre einfach zu auffällig.
„Weiß noch nicht..." Sie lächelte mir verschwörerisch zu.
„Ich habe gehört, das Milo auch kommt..." Oh.
Milo ging in unsere Parallelklasse und sah mindestens so gut aus wie die süßesten Sänger aller weltweiten Boygroups zusammen.
„Na dann... ich überleg's mir vielleicht noch mal." Ich sah auf meine Uhr. Mist. Wir waren schon fast fünf Minuten zu spät.
„Komm!" Ich nahm Emily an der Hand und zog sie hinter mir her, im Eiltempo stürmten wir durchs Schulhaus.
Bis ich in etwas hineinrannte, das gerade ebenfalls um die Ecke bog. Etwas Lebendiges.
„AH!" Ich fiel auf den Boden und zog Emily gleich mit. Als ich meine Haare zur Seite schob, um zu sehen, in wen ich da gerannt war, erblickte ich blank geputzte Schuhe. Oh je. Der Direktor. Er guckte sehr empört.
„Aha, Cartier und Waves. Sie beide kommen mir gerade recht! Folgen sie mir!"
Und so saß ich nun hier neben Emily, mal wieder im Büro des Direktors. Eigentlich sollte man uns Stammplätze einrichten lassen, so oft wie wir hier waren.
„Macht es ihnen Spaß, für Unfug zu sorgen, Cartier?"
„Ähm... nein?" Er sah trotzdem immer noch ziemlich böse drein.
„Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Und sie ebenfalls, Waves! Warum sind sie beide nicht im Unterricht?"
Emily antwortete mit der besten Ausrede, die ihr auf die Schnelle einfiel.
„Ich habe meine Schulhefte nicht gefunden, Lou hat mir geholfen, sie zu suchen, wodurch wir dann aber den Bus verpasst haben..." Oh ja, im Ausreden erfinden waren wir groß. Der Direktor blickte zwar etwas unsicher, schien uns aber fürs Erste zu glauben.
„Ich beobachte euch! Beide! Verstanden?" Wir nickten.
„Dann ab in eure Klasse! Und wehe, der Vorfall von neulich wiederholt sich!" Mit neulich meinte er die Sache mit dem Feuerlöscher, den wir benutzt hatten, um unserem Mitschüler Matt einen Streich zu spielen.
Irgendwie war die Sache jedoch nach hinten losgegangen und am Ende hatte die ganze Klasse ausgesehen wie mit Sahne überzogen. Bei dem Anblick musste ich immer noch kichern und der Direktor blickte mich irritiert an.
„Cartier, haben sie verstanden?! AB IN DIE KLASSE!"
„Ich gehe ja schon..." Ich zog Ems von ihrem Stuhl hoch und drehte dem Direktor den Rücken zu. Mehr hatte er auch nicht verdient.
~~~
Als ich nach der Schule vor meinem Kleiderschrank stand, war ich fast am Verzweifeln. Das Outfit für heute Abend musste gut sein, einfach perfekt. Denn Milo würde auch dasein.
Allein beim Gedanken an ihn war ich am Ausflippen. Milo war seit einem halben Jahr neu in unserer Klasse, alle Mädchen blickten ihm hinterher. Ich hasste es zwar, so wie alle zu sein aber er war auch einfach süß. Unwiderstehlich. Und ich?
Ich war hübsch, das konnte wohl keiner verleugnen. Ich drehte mir eine braune Haarsträhne durch die Finger. Obwohl meine Haare wohl mal wieder eine Haarkur gebrauchen könnten.
Ich zog drei Kleider aus dem Schrank und drehte mich vor dem Spiegel neben meiner Zimmertür. Ne, Türkis stand mir definitiv nicht. Obwohl es zu meinen Augen gepasst hätte. Mangels weiterer Einfälle fotografierte ich am Ende die zwei Kleider, die in der Endauswahl standen und schickte sie Emily.
>> Welches ist besser?<<
Ihre Antwort kam sofort.
>>Da will wohl jemand Milo beeindrucken ;)<<
>>Und selbst wenn? ;) Welches haut ihn um?<<
Die Antwort dauerte etwas länger, war jedoch eindeutig.
>> Definitiv das dunkelrote, das passt perfekt zu deinen Haaren.<<
Okay, damit war es entschieden.
~~~
„Ich bin dann weg!" Ich wollte gerade die Haustür hinter mir zuziehen, als sich Chris mir in den Weg stellte.
„Wann kommst du wieder?"
„Na ja, kann schon etwas länger werden... aber es ist doch Freitag!" Er musterte mich, verschränkte dann die Arme.
„In diesem Kleid gehst du mir nicht aus dem Haus!"
Ich schnaubte empört auf.
„Was?! Geht's noch, du hast mir nicht zu sagen, was ich anzuziehen habe!" Okay, er hatte recht, das rückenfreie Kleid war nicht gerade unauffällig, aber war nicht gerade das der Sinn einer Party? Vor allem, wo Milo doch kommen würde...
„Sandra, komm mal und erkläre Lou, warum ich ihr nicht erlaube, das hier anzuziehen", rief er nach hinten ins Wohnzimmer.
„Komme!", ertönte Sandras Antwort.
Kurz darauf erschien sie neben Chris und betrachtete mich ebenfalls. War ich hier im Zoo oder was?
„Schatz, ich sehe nicht was daran so schlimm sein soll, lass sie doch Spaß haben." Sie küsste Chris etwas unbeholfen auf die Wange, sie hatte anscheinend ein bisschen Rotwein zu viel getrunken, auch wenn wir ihr immer sagten, dass sie sich dann aufführte wie ein betrunkener Teenager, der Wodka gekippt hatte.
„Komm wieder vor den Kamin!" Sie zerrte an Chris' Arm und ich warf ihm einen triumphierenden Blick zu.
„Am besten du kümmerst dich mal um deine Frau, sie scheint ja gerade nicht ganz sie selbst zu sein..." Damit warf ich die Haustür hinter mir zu. Geschafft, jetzt konnte ich den Abend voll und ganz genießen.
Eine Viertelstunde später kam ich bei Jake an, wobei mir schon im Vorgarten ein kotzender Teenager begegnete.
Ich war zwar etwas zu spät, aber wie sagte man doch: Die Coolen kamen immer später. Im Wohnzimmer angelangt mischte ich mich unter die tanzende Meute, und versuchte, Emily oder Milo in der Menge zu erhaschen. Plötzlich tippte mich jemand von hinten an.
„Hey, du bist doch Louise, oder?" Oh nein. Jeffrey Parkers versuchte schon das ganze Schuljahr, mich anzuquatschen, wobei ich ihm bis jetzt immer gekonnt ausgewichen war.
„Ja...", antwortete ich ausweichend und suchte weiter nach den beiden.
„Hier." Er drückte mir was zu trinken in die Hand.
„Ähm... danke?"
„Kein Problem." Er zwinkerte mir zu. Oh Gott, ich musste schnellstens von ihm weg. Nicht das ich etwas gegen Jeffrey hätte, aber er war war nicht gerade der hübscheste Junge mit seinen vielen Pickeln...
„Oh hi Lizzy!" Ich tat so, als hätte ich jemanden in der Menge entdeckt und schob mich winkend von Jeffrey weg. Puh. Das war knapp gewesen. Nächstes Mal würde ich ihm einfach sagen, dass ich nicht auf ihn stand und er sich bitte ein anderes Mädchen zum Anquatschen suchen sollte!
Ich hatte den Becher geleert und warf in in irgendeinen Papierkorb, der hier herumstand. Dann zwängte ich mich durch die Menge auf die Terrasse hinaus. Ich wurde schon wieder von hinten angetippt.
„Jeffrey, Klartext: Lass mich in Ruhe! Ich will nichts..." Ich drehte mich schwungvoll um und erkannte Clare aus meiner Klasse.
„Sorry, ich dachte du wärst..."
„...Jeffrey!" Sie beendete den Satz lachend für mich.
„Genau. Hey, wie geht's?"
„Gut, danke, ich wollte dich eigentlich fragen ob du Montag mit Shoppen gehen willst?"
Ich dachte kurz nach. Montag.
„Klar, wer kommt denn mit?"
„Ach, du weißt schon, die Üblichen, Rosy, Viola,..." Ich ärgerte mich, dass ich nicht öfter etwas mit Clare unternommen hatte. Eigentlich war sie echt nett.
„Cool, dann bis Montag." Sie wollte sich schon wieder umdrehen, doch ich hielt sie am Ärmel zurück.
„Hey, hast du zufällig Milo gesehen?" Sie runzelte die Stirn, dann sah sie auf den Boden.
„Naja... ich glaube, vorhin mal kurz..." Sie brach ab.
„Und...? Wo ist er?", fragte ich nach. Ihr Gesichtsausdruck irritierte mich.
„Lou, ich glaube wirklich nicht, dass du wissen willst..."
„Wo ist er?!" „Im ersten Stock."
„Danke." Was hatte sie denn bloß?
Auf der Treppe konnte ich gerade noch einem Jungen ausweichen, der grölend die Treppe hinuntersprang. Auf einer Treppenstufe saß der bekiffte Rick Mitchell, der immer im Vordergrund stand, wenn es um illegale Sachen ging.
Ohne ihn anzusehen lief ich die letzten Stufen hinauf und stand in einem Flur, an den drei Türen grenzten. Die erste führte anscheinend in das Badezimmer und war verschlossen. Da ich auch nicht mehr ganz nüchtern war, klopfte ich ohne nachzudenken an.
„Was ist? Ich bin auf dem Klo!" Okay, das war ganz sicher nicht Milo. Die Zweite war eine Art Abstellkammer, unverschlossen und ansonsten langweilig. An der dritten blieb ich stehen. Dem Poster nach zu urteilen, war das hier Jakes Zimmer.
Ich drückte die Klinke und öffnete ohne weiter darüber nachzudenken die Tür. Ich erwartete, niemanden anzutreffen, da ja nicht verschlossen war. Doch niemals hätte ich gedacht, das... Milo... mit Emily... die sich intensiv küssten. Mir blieb der Mund offen stehen und wie erstarrte stand ich im Türrahmen.
Erst jetzt bemerkten die beiden mich, Emily blickte mich ebenso erschrocken an wie ich sie.
„Lou... ich kann das erklären..." Ich erwachte aus meiner Starre. Milo sah mich ganz ungeniert an, dieser Arsch. Er hatte ganz genau gewusst, dass ich auf ihn stehe.
„Ich glaube, das hier braucht keine Erklärung, Emily, das hier erklärt sich GANZ VON ALLEINE!" Ich schrie sie an, ich spürte schon die ersten Tränen auf meinen Wangen. Sie sprang auf und wollte auf mich zukommen, doch ich rannte, auf einmal wieder ganz nüchtern, die Treppe hinunter.
Emily rannte mir hinterher.
„Bitte Lou! Es tut mir so leid, ich hätte es dir erzählen sollen." Ich blieb stehen, umringt von tanzenden Leuten und bunten Lichtern.
„Oh ja, das hättest du, Emily! Ich hätte niemals von dir gedacht..." Meine Stimme brach ab. Sie sah mich nur ausdruckslos an und das war genug für mich, um zu wissen, dass sie es mir nicht erzählt hätte.
„Unsere Freundschaft ist vorbei, Emily Waves, für immer vobei!" Ich rannte tränenüberströmt aus dem Haus, vorbei an allen Anderen, die mich nur anstarrten.
„Lou Cartier hat sich mit Emily Waves gestritten, dabei sind sie doch beste Freundinnen!" Ich konnte sie schon tuscheln hören. Ich wollte nur noch nach Hause. Weg von dem hier.
Zu Hause lief ich in mein Zimmer und knallte die Tür zu. Gerade noch rechtzeitig, denn in diesem Moment brach ich vollends in Tränen aus und Blätter erhoben sich von meinem Schreibtisch. Ich weinte immer heftiger und mein Zimmer glich einem Orkan aus losen Blättern, aber auch Büchern und anderen kleineren Dingen.
Mir war das im Moment egal, Emily hatte mich hintergangen, hatte ihre beste Freundin hintergangen. Meine Emotionen spielten verrückt und so auch mein Zimmer.
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Ein bisschen mehr Infos zu Lou's Umfeld.
Keine sehr tollen Freunde, die sie sich da geangelt hat...
Wie gefällt euch Sandra? ;)
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