Kapitel 33
Der restliche Tag vergeht glücklicherweise ziemlich ereignislos. Die anderen sind wieder ins Bett gegangen, also haben Maddie und ich beschlossen, mit unseren Müttern frühstücken zu gehen, da wir uns schon länger nicht mehr mit ihnen unterhalten haben. Ich denke, dass sie es auch genießen, uns mal nicht ständig in der Nähe zu haben. Die Auszeit von uns gefällt ihnen sicherlich, auch wenn meine Mutter das nie zugeben würde.
Am Nachmittag, als die anderen endlich wieder wach waren, sind wir gemeinsam zum Strand gegangen und haben dort unsere Zeit verbracht.
Adrian hat mir nur erzählt, dass Jason kurz im Zimmer aufgetaucht ist, aber sonst habe ich noch nichts von ihm gehört. Kann mir nur recht sein. Er soll sich nicht mehr bei mir blicken lassen, so schmerzhaft dieser Gedanke auch ist, nie wieder mit ihm zu reden auch nur in seiner Nähe zu sein. Es ist besser so.
Am Abend beschließen wir mal Pause zu machen und früher ins Bett zu gehen. Die letzten paar Nächte waren lang genug und ehrlich gesagt ist mir die Lust auf Feiern sowieso vergangen. Ich möchte die nächsten Tage einfach in Ruhe genießen.
So kommt es, dass Maddie und ich auf unserem Balkon Karten spielen, bis wir schließlich so müde sind, dass wir beschließen, zu schlafen.
Doch auch, wenn ich letzte Nacht keine Sekunde Schlaf abbekommen habe, schaffe ich es einfach nicht, ruhig liegen zu bleiben und meine Augen zu schließen. Bei Maddie sieht das immer so einfach aus. Kaum hat sie sich hingelegt, schläft sie auch schon ein. Ich würde es ihr so gerne nachmachen, aber was das angeht, bin ich wohl echt unfähig.
Gerade als ich eine halbwegs gemütliche Position gefunden habe, höre ich ein leises Klopfen an der Tür. Verwirrt setze ich mich auch und horche in die Stille hinein. Habe ich mir das nur eingebildet? Doch dann klopft es wieder, also schleiche ich zur Tür und öffne sie leise, um Maddie nicht zu wecken.
„Ronnie, warte", flüstert Jason leise, aber doch flehend, also ich gerade dabei bin, die Tür vor seiner Nase wieder zuzuschmeißen. Ich hätte nicht an diese verdammte Tür gehen sollen. Was bildet er sich nur ein?
„Verschwinde, ich habe dir nichts zu sagen!", zische ich ihn an.
„Aber ich habe dir etwas zu sagen. Bitte. Ich werde nicht von hier weggehen, bis du mir wenigstens zugehört hast." Seine Stimme hört sich wirklich verzweifelt an und als ich ihn genauer mustere, erkenne ich, dass er noch schlimmer aussieht, als ich. Scheint, als hätten wir beide keinen Schlaf abbekommen. Geschieht ihm nur recht.
„Ich werde nichts dergleichen tun", und somit versuche ich die Tür ganz zu schließen, doch Jason hat bereits einen Fuß dazwischen gestellt, um mich davon abzuhalten.
„Ronnie, ich flehe dich an. Gib mir wenigstens fünf Minuten."
Für einen Moment stehe ich einfach still da und sehe ihn an. Das einzige Geräusch, dass ich wahrnehme, ist mein Herz, das mir bis zum Hals schlägt.
Soll ich? Soll ich nicht?
Ich sollte nicht. Ich mache es trotzdem.
Dann kann ich meine Wut endlich mal an ihm rauslassen.
„Na gut, warte kurz", flüstere ich und verschwinde schnell ins Zimmer, um mir eine Weste drüberzuziehen, damit ich mir mit meinem Bauchfreien-Schlaftop nicht allzu nackt vorkomme. Dann schnappe ich mir meinen Schlüssel und verlasse das Zimmer.
„Gehen wir ein Stückchen, damit wir keinen aufwecken", sage ich mit kalter Stimme. Er soll nicht denken, dass das hier ein gutes Ende haben wird.
Schweigend gehen wir nebeneinander her, bis wir an einer niedrigen Steinmauer angekommen sind, an der wir uns niederlassen.
Auffordernd sehe ich ihn an und warte darauf, was er zu sagen hat.
„Ronnie, das, was ich getan habe, tut mir wahnsinnig leid. Aber du musst wissen, dass das nie meine Absicht war. Weißt du, warum ich an dem Abend so viel getrunken habe? Ich konnte den Gedanken an eine Zurückweisung von dir nicht ertragen. Du warst nach dem Kuss so kalt zu mir und ich dachte, dass du es bereust." Jason sieht mich an, doch ich sage nichts. Also redet er weiter.
„Gestern... ich war nicht mehr ganz bei Sinnen. Sie... sie ist einfach auf mich zugekommen und hat mich geküsst. Einfach so. Ich wollte das nicht. Als ich realisiert habe, was ich hier gerade tue, wollte ich es sofort unterbrechen, doch eher ich die Chance dazu hatte, ist Maddie schon dazwischengekommen."
Wieder Stille. Ich denke nach. Über das, was er gesagt hat.
„Ich weiß, dass sich das alles unglaubwürdig anhört, aber es ist die Wahrheit. Bitte, Ronnie. Ich will dich nicht verlieren. Nicht, nachdem ich dich wieder gefunden habe. Ich ertrage das kein zweites Mal."
„Du hast recht", sage ich und sehe, wie seine Augen hoffnungsvoll aufflammen. „Das hört sich wirklich unglaubwürdig an."
Und schon ist sie wieder weg. Die Hoffnung.
„Ich habe dich nur um etwas Zeit gebeten", flüstere ich. „Ich habe dir gesagt, dass wir reden würden und das wollte ich. Gestern. Kurz, bevor du abgehauen bist. Ich wollte dir verzeihen. Ich wollte dich. Also muss ich dir wohl danken. Danke, dass du mich vor dem größten Fehler meines Lebens bewahrt hast." Und somit stehe ich auf will ihn sitzenlassen, doch er greift nach meinem Arm und hält mich zurück. Gefühlt tausend Stromschläge durchfahren meinen Körper, als seine Hand meine Haut berührt.
Schnell entziehe ich ihm meinen Arm.
„Das soll es jetzt mit uns gewesen sein? Nach allem, was wir füreinander empfinden, willst du uns einfach so aufgeben?" Seine Stimme ist nun ebenfalls ein Flüstern, doch laut genug, dass sie zu mir durchdringt.
„Verdammt Jason, versteht du denn überhaupt nicht, was du getan hast?", schreie ich ihn an. Ich kann mich nicht mehr zurückhalten. „Der Kuss war ernst gemeint", äffe ich ihn wütend nach. „Wie kannst du nur so etwas sagen und dich 24 Stunden später an eine andere ranschmeißen? Wie kann ich dir je wieder vertrauen? Und weißt du noch, warum ich dich überhaupt erst zu hassen gelernt habe? Muss ich dich wirklich daran erinnern, was du voriges Jahr abgezogen hast? Ich hätte mich gar nicht erst wieder auf dich einlassen lassen sollen!"
Es ist das erste Mal diesen Urlaub, dass ich ihn darauf anspreche. Auf das, was letzten Sommer zwischen uns war.
„Ich wollte mit dir darüber reden. Ich wollte es dir erklären, aber du hast nicht zugehört. Du hast mir nicht einmal eine Chance gegeben." Auch er ist nun lauter geworden.
„Meinst du, dass deine Beziehung sowieso schon im Arsch war? Ja? Wieso hast du dann nicht vorher Schluss gemacht, anstatt sie so zu hintergehen? Sag mir, warum, Jason!" Wieder einmal beginnen meine Augen zu tränen. Wieder einmal wegen Jason. Doch diesmal sind es Tränen der Wut.
„Scheiße, ihre Mutter hatte Krebs, okay? Sie war sterbenskrank und ich konnte meine Ex in dieser schwierigen Zeit nicht allein lassen. Zufrieden?"
Seine Worte treffen mich wie ein Schlag. Sprachlos stehe ich hier und weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Kann das wirklich sein? Mein Leben dreht sich gerade völlig auf den Kopf.
„Wieso hast du nie etwas gesagt?", sage ich nun, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
„Ich wollte es dir sagen, aber dann hast du mich gehasst und ich dachte..."
„Was dachtest du?", frage ich nach.
„Ich dachte, dass ich es vielleicht verdient habe, von dir gehasst zu werden."
„Wieso?"
„Ich habe sie nie geliebt. Meine Ex. Zuerst dachte ich es, aber dann habe ich dich kennengelernt und mir wurde bewusst, dass das mit ihr keine Liebe war. Ich habe ihr etwas vorgespielt. Die ganze Zeit. Ich wollte nicht, dass sie denkt, dass ich sie allein lasse, nur weil ich die Krankheit ihrer Mutter nicht ertragen kann. Deswegen bin ich bei ihr geblieben. Ich konnte ihr das einfach nicht antun. Aber das hat sie nicht verdient. Sie hat jemanden verdient, der sie wirklich liebt, nicht mich."
Stille.
Ist das wirklich alles wahr? Und selbst wenn, ist das eine Entschuldigung für sein Verhalten? Macht es einen Unterschied?
Ja. Das tut es.
Es ändert einfach alles.
Jason wollte ihr mit ihrer Mutter helfen, deswegen konnte er nicht Schluss machen, auch wenn er sie nicht liebte.
Jason ist kein Arschloch.
Er wollte ihr beistehen.
Jason ist ein guter Mensch.
Und ich liebe ihn.
„Ich habe gelogen", sagt er.
„Was meinst du?", frage ich.
„Bei einem Trinkspiel. Ich habe dabei schon einmal gelogen."
Verwirrung macht sich in mir breit. Wieso fängt er jetzt damit an?
„Das war noch gar nicht so lange her", redet er weiter. „Genau genommen an unserem ersten Abend dieses Jahr in Griechenland."
„Was willst du mir damit sagen?" Eine seltsame Vorahnung spielt sich in meinem Kopf ab.
„Es war bei dem Spiel ‚Ich hab noch nie'", fährt er fort. „Ich habe mich noch nie hier in Griechenland in jemanden verliebt."
Habe ich nicht erst letztens mit Luke darüber geredet? Über genau diese Aussage?
„Ich habe damals nicht getrunken. Aber das war eine Lüge. Ich habe mich in dich verliebt."
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