Kapitel 32
„Ich bringe diesen Idioten um", ist das erste, das Maddie sagt, als ich das Zimmer betrete. „Wie hat er das tun können? Nachdem ihr euch geküsst habt? So ein... Ronnie, was ist das schlimmste Schimpfwort, das du kennst?"
Ich zucke nur mit Schultern, unfähig etwas darauf zu antworten.
„Geht's... Wie geht es dir?", fragt sie vorsichtig nach.
„Ganz okay", sage ich.
Beschissen, denke ich.
Maddie durchschaut meine Lüge natürlich, aber wie soll es mir nach alldem auch gehen?
„Kann ich irgendwas für dich tun?", will sie wissen.
„Gehen wir einfach schlafen. Der Tag war schon viel zu lang", antworte ich ihr, obwohl ich genau weiß, dass ich diese Nacht kein Auge zubekommen werde. So müde ich auch bin, so gerne ich einfach schlafen würde, um einfach mal abschalten zu können, es funktioniert nicht. Immer wieder denke ich an den heutigen Abend zurück. Was wäre passiert, wenn ich ihn rechtzeitig angesprochen hätte? Wenn wir einfach gegangen wären? Wären wir jetzt zusammen? Würde ich jetzt bei ihm im Bett liegen und nicht hier am Boden zerstört?
Verdammt, wieso habe ich so lange gewartet? Wir hätten es in der Schmugglerbucht klären können. Wir hätten glücklich sein können, aber nein, ich Idiot muss ja auf den perfekten Moment warten, den es jetzt nicht mehr geben wird.
Die ganze Nacht liege ich also da und denke daran, was gewesen wäre, wenn es nicht so gekommen wäre, wie es nun mal gekommen ist.
Bis es schließlich halb 6 in der Früh ist und ich beschließe, an den Strand zu gehen. Die Sonne müsste bald aufgehen.
Kurz überlege ich, Maddie eine Nachricht zu hinterlassen, doch dann beschließe ich sie einfach aufzuwecken, auch wenn sie mich dann vielleicht hasst.
Ich rüttle sie sanft. „Maddie. Lust auf einen Sonnenaufgang am Strand?"
„Ist das dein scheiß ernst?", murrt sie, doch so leicht gebe ich nicht auf.
„Komm schon, eigentlich ist das eine Tradition am letzten Abend der Woche. Also beweg deinen faulen Hintern und steh auf", versuche ich es weiter.
Entgegen meinen Erwartungen setzt sie sich tatsächlich auf und reibt sich über die Augen. „Na gut, wenn's sein muss."
Somit setzen wir uns in Bewegung und gehen den Strand entlang. Es tut gut, sich die Beine zu vertreten. Es lenkt mich sogar etwas von Jason ab.
„Sitzt da vorne wer?", fragt Maddie plötzlich und ich folge ihrem Blick. Tatsächlich sehe ich eine kleine Gruppe, die es sich anscheinend auf den Liegestühlen gemütlich gemacht haben.
„Ronnie! Maddie!", ruft uns plötzlich jemand zu. Als wir uns der Gruppe nähern, erkenne ich, dass es sich um Cora, Emma, Clara und Adrian handelt. Ich bin wirklich erleichtert, dass Jason nicht hier ist. Ich weiß nicht, wie ich ihm gegenübertreten sollte. Vermutlich würde ich ihn einfach nur anschreien, doch ich hoffe, dass mir das vor der ganzen Gruppe erspart bleibt.
„Was macht ihr denn hier?", fragt Maddie und wir setzen uns zu ihnen dazu.
„Wir wollten noch nicht schlafen, also haben wir beschlossen, bis zum Sonnenaufgang durchzumachen", erklärt uns Adrian.
Emma und Cora sehen mich verunsichert an. Wahrscheinlich überlegen sie, ob sie mich auf Jason ansprechen sollen, oder nicht. Ich schüttle kaum merklich den Kopf, aber sie scheinen es zum Glück zu verstehen, dass ich jetzt nicht darüber reden will.
„Wollen wir Luke nicht auch dazu holen?" fragt Maddie.
„Wenn du es schaffst, ihn wachzubekommen. Du kannst es gern versuchen", meint Cora amüsiert.
„Nagut, diese Herausforderung nehme ich an. Will mich wer begleiten?" Maddie steht auf und sieht uns abwartend an.
„Warum nicht", sage ich und erhebe mich ebenfalls. Ich will mir diese mitleidigen Blicke von den anderen ersparen. Ich weiß, ich muss ziemlich scheiße aussehen, schließlich habe ich ziemlich viel geheult, aber das ist kein Grund, mich die ganze Zeit so anzustarren, als wäre ich sterbenskrank.
„Hast du irgendeine Ahnung, wo Jason ist?", frage ich Maddie leise, sodass die anderen es nicht mehr mitbekommen.
Wir gehen ein Stückchen, eher sie antwortet. „Ich weiß es nicht. Vielleicht in seinem Zimmer, obwohl ich das irgendwie bezweifle, wenn Adrian und auch mehr oder weniger Cora sich eines mit ihm teilen."
Ich kann den Gedanken nicht verhindern, dass sich Jason möglicherweise mit Sara irgendwohin zurückgezogen hat und weiß Gott was mit ihr anstellt.
„Hey, Sara und Phil sind heimgegangen, nachdem ich ihr mächtig in den Arsch getreten habe. Jason kauert vermutlich allein in irgendeiner Ecke und denkt über seine Dummheit nach", sagt Maddie, die mich wohl durchschaut hat.
„Ach, er kann tun, was er will. Ist nicht mein Problem." Das muss alles andere, als überzeugend gewesen sein, aber Maddie belässt es dabei.
Nach kurzer Zeit sind wir bei Lukes Zimmer angekommen und klopfen so laut daran, dass die Nachbarn vermutlich auch aufwachen, doch das ist und gerade herzlichst egal.
„Luke, du Penner! Komm raus!", schreit sie, was mich zum Lachen bringt.
Gerade will sie noch einmal klopfen, da öffnet sich schon die Tür. Das ging ja schnell.
„Spinnst du? Was wollt ihr?", murmelt er.
„Na los, zieh dich an. Die anderen warten am Strand. Wir schauen uns den Sonnenaufgang an", klärt sie ihn auf. Luke steht einen Moment schweigend da, dann knallt er die Tür einfach hinter sich zu. „Na dann. Auf geht's."
Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Luke steht ohne T-Shirt mit komplett verstrubbelten Haaren vor uns und will einfach so außer Haus gehen. Der Anblick ist zu amüsant.
Luke kneift mir daraufhin in die Wange. „Immerhin bist du nicht so niedergeschlagen, dass du nicht über mich lachen kannst. Dann würde ich mir wirklich Sorgen machen."
„Lass uns das Thema Jason für eine Weile vergessen, okay", bitte ich ihn. Ich muss mich von ihm ablenken, sonst ziehe ich noch alle mit meiner schlechten Laune mitrunter. Außerdem will ich diesen Sonnenaufgang genießen, danach kann ich mich immer noch über Jason aufregen.
„Alles, was Ihr euch wünscht", antwortet Luke und verbeugt sich.
„Wow, wie habt ihr das hinbekommen?", fragt Cora erstaunt, als wir mit Luke im Schlepptau wieder zurückkommen.
„Maddie hat mir versprochen, dass Adrian mich massiert, wenn ich mitkomme", sagt Luke und setzt sich vor Adrian in den Sand. „Na los, meine Schultern sind schon ganz verspannt."
„Davon träumst du wohl", antwortet Adrian und schubst Luke von sich weg.
„Leute, wir könnten den Strand etwas weiter hinunter gehen", schlägt Emma vor. Da keiner etwas dagegen hat spazieren wir ein Stückchen weiter, bis wir bei einem Steg angekommen sind, falls man das Steg nennen kann. Es ist bloß ein kurzer Weg aufs Meer hinaus aus blauen Plastikteilen, ohne Geländer oder sonstigem.
Kurz muss ich daran denken, dass Jason und ich voriges Jahr genau hier gesessen sind und uns geküsst haben. Ich denke, hier war sogar unser erster Kuss. Wer weiß, vielleicht wäre es dieses Jahr wieder so gekommen, wenn Jason nicht ein so verdammtes Arschloch wäre.
„Denk nicht an ihn", flüstert Maddie mir zu und wischt mir eine einzelne Träne von der Wange. Ich habe sie gar nicht bemerkt.
Ich atme tief ein und versuche Jason aus meinem Kopf zu verbannen, auch wenn mich alles hier an ihn erinnert. Es ist vorbei. Ich muss das endlich mal kapieren.
Am Ende des Stegs setzen wir uns hin und lassen unsere Füße in Wasser baumeln. Dann beobachten wir schweigend, wie die Sonne über dem Festland aufgeht. Auch wenn ich diesen Anblick schon oft gesehen habe, es ist immer wieder aufs Neue faszinierend.
Plötzlich schreie ich auf, als jemand mich nach vorne schiebt und ich im Wasser lande. Ich drehe mich um sehe Luke, der einen Lachflash hat. Gerade als ich ihn anschreien will, schleicht sich Maddie von hinten an ihn ran und keine Sekunde später befindet er sich neben mir im Meer. Nun kann ich mein Lachen nicht zurückhalten.
„Oh Maddie. Das war ein Fehler", sagt Luke bedrohlich, während er wieder auf den Steg raufklettert. Sobald er oben ist, rennt er Maddie hinterher, die versucht, sich am Strand in Sicherheit zu bringen. Ich muss grinsen, als ich sehe, dass Luke sie erwischt hat, bevor sie festen Boden unter ihren Füßen erreicht hat und er sich gemeinsam mit ihr ins Wasser haut.
Wer weiß, vielleicht wird die zweite Woche ja gar nicht so schlimm, wenn ich Jason einfach vermeide. Ich brauche ihn schließlich nicht, um glücklich zu sein. Denke ich.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro