Kapitel 16
„Auf die Tanzfläche!" ruft Cora, als ein guter Song gespielt wird. Sie springt auf, stürmt auf die leere Tanzfläche und schon macht sie irgendwelche verrückten Bewegungen, das wohl so etwas wie tanzen sein soll. Es sieht auf jeden Fall ziemlich lustig aus, was uns alle zum Lachen bringt. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass wir schon einige Runden Getränke hinter uns haben. Zwischendurch sind wir auch immer wieder vor die Bar zu unseren versteckten Flaschen gegangen, um etwas Geld zu sparen. Ich frage mich, wie lang mein Magen diese Nächte noch mitmachen wird. Vermutlich sollte ich morgen mal eine Pause machen. Aber darum kann ich mir morgen immer noch Gedanken machen. Es ist gerade viel zu lustig, um jetzt mit dem Trinken aufzuhören. Oh man, bald könnte man wirklich denken, dass wir hier alle Alkoholiker sind.
Eigentlich kommt mir Cora mit der Tanzfläche gerade richtig. Wenn ich noch länger neben Jason sitze, mache ich vielleicht bald Dummheiten. Wie gerne würde ich einfach meinen Kopf an seine Schulter lehnen. Oder ihn umarmen. Oder ihn küssen. Sieht er eigentlich schon immer so gut aus? Ob ich wohl doch mit ihm reden sollte?
„Jason." Ohne weiter darüber nachzudenken, ist mir sein Name herausgerutscht. Verdammt. Und jetzt?
Bevor ich überlegen kann, ob es besser wäre, wenn ich so tue, als ob ich das eben nicht gerade laut ausgesprochen hätte, dreht Jason seinen Kopf in meine Richtung und starrt mich fragend an.
Scheiße, was mache ich eigentlich?
Stumm sehen wir uns in die Augen. Keiner wendet den Blick ab. Ich weiß nicht, ob es gut ist, oder nicht, dass ich gerade kein Wort hervorbringe. Womit soll ich überhaupt anfangen? Dass er ein Arsch ist, oder vielleicht doch damit, dass ich noch immer etwas für ihn empfinde, obwohl das bereits ein Jahr her ist und er mich unglaublich verletzt hat.
„Jason, Ronnie, kommt schon!" Erschrocken von Adrians Ruf, breche ich den Blickkontakt ab und schaue peinlich berührt zu Adrian, der auf uns wartet. Also stehe ich auf und gehe, ohne etwas zu Jason zu sagen. Aus dem Augenwinkel bekomme ich noch mit, wie Luke eindringlich auf Adrian einredet. Luke sieht nicht gerade erfreut auf. Worüber sie wohl reden?
Doch schon zieht mich eine Hand auf die Mitte der Tanzfläche und die Musik lässt mich für einen Moment vergessen, dass ich tatsächlich gerade kurz davor war, mit Jason über was auch immer zu reden.
Die Zeit vergeht und langsam brauche ich eine Pause, also drängle ich mich an den anderen vorbei und verlasse die Bar, um ein Schluck Wasser zu trinken, das wir ebenfalls vor dem Eingang gelagert haben. Ich denke, es war genug Alkohol für heute. Ein Blick auf Uhr verrät mir, dass wir in knapp 3 Stunden aufstehen müssen, um bei der Morgenwanderung dabei sein zu können. Vielleicht war die Logos Bar heute doch ein Fehler, aber was soll's. Man kann es jetzt sowieso nicht mehr ändern.
Als ich hoch in den Himmel schaue und die Sterne erblicke, wandern meine Gedanken wieder zurück zu Jason. Habe ich mir vorher wirklich eingestanden, dass ich noch was für ihn empfinde? Ich meine, ich weiß doch, dass er mir nicht egal ist, jedoch wollte ich diese Gefühle eigentlich verdrängen. Ist wohl ziemlich schief gegangen.
"Alles okay?"
Scheiße. Kurz taucht die Frage in mir auf, wie oft ich heute in Gedanken schon geflucht habe, doch sobald sich Jason neben mir niedergelassen hat, kann ich nicht mehr klar denken.
Was macht er hier? Wo sind die anderen? Das ist wohl das erste Mal seit ich ihn wiedergesehen habe, dass wir nur zu zweit sind. Einerseits beunruhigt mich diese Situation und andererseits bin ich auf irgendeiner Art und Weise dankbar, dass wir gerade ungestört sind.
"Ja", antworte ich zögernd. Ich könnte ihn anschreien, oder ignorieren, aber mein Gefühl sagt mir irgendwie, dass dies jetzt nicht das Richtige ist. Obwohl Jason neben mir sitzt, ist der Moment viel zu schön, um ihn zu zerstören. Ich verspüre gerade tief in mir drinnen einen Frieden, ein Glücksgefühl, wie ich es schon lange nicht mehr empfunden habe. Scheiß auf Jason, er wird mir diesen Augenblick nicht zerstören.
Eine Weile sagt keiner von uns etwas, doch es ist keine unangenehme Stille. Im Gegenteil, ich genieße die Ruhe und wohl auch seine Anwesenheit. Wieso stört es mich gerade nicht im Geringsten, dass er hier ist?
„Du siehst gut aus", unterbricht er die Stille. Es braucht einen Augenblick, bis ich seine Worte realisiert habe, doch als ich merke, was er eben gesagt hat, kann ich nicht anders, als plötzlich laut loszulachen. Maddie hat also recht mit dem roten Kleid. Das muss ich ihr unbedingt erzählen.
Jason scheint sichtlich verwirrt zu sein. Kein Wunder, wenn ich auf seinem Kompliment mit einem Lachen reagiere. Wer wäre da nicht verwirrt?
„Sorry, danke", antworte ich also, nachdem ich mich wieder beruhigt habe. Soll ich ihm jetzt sagen, dass er auch gut aussieht, oder lieber nicht? Bevor ich mir die Vor- und Nachteile im Kopf zusammengereimt habe, redet er weiter. Gut, dann sage ich es ihm eben nicht.
„Was wolltest du vorhin eigentlich, Ronnie?"
„Ich... musste bloß auf die Toilette." Die erste Ausrede, die mir gerade in den Sinn kam.
„Achja? Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass du dann auf der Toilette warst." Auf Jasons Gesicht schlich sich ein Grinsen.
„Hast du mich etwa beobachtet?"
Ups. Habe ich das gerade laut gesagt? Das wollte ich eigentlich nicht. Peinlich.
Bevor er antworten kann, springe ich auf. Ich muss von hier flüchten.
„I-ich gehe... zurück zu den anderen", stottere ich vor mich hin und ohne auf eine Antwort zu warten, betrete ich erneut die Logos Bar. So viel zu meinem inneren Frieden. Gerade will ich wieder auf die Tanzfläche stürmen, als mich jemand am Arm zurückhält.
„Sollten wir nicht bald nach Hause? Ein paar Stunden Schlaf vor der Wanderung ist besser, als überhaupt kein Schlaf." Jasons Hand hält meinen Arm noch immer fest. Eine Gänsehaut überkommt meinen Körper. Ich starre noch einen weiteren Augenblick auf seine Hand, dann reiße ich meinen Blick los und nickte dann. Schließlich hat er recht.
„Warte, ich sage den anderen Bescheid", und schon ist Jason verschwunden. Dort, wo seine Hand mich Sekunden zuvor noch berührt hat, bleibt eine seltsame Kälte zurück.
Kurze Zeit später kommt er mit Aiden und Cora wieder. „Die anderen wollen nicht schlafen gehen. Die glauben wirklich, dass es sich nichts mehr bringt. Naja, ist nicht unser Problem. Ich werde sie morgen ganz bestimmt nicht den Berg hinauftragen, wenn sie umkippen", meint Aiden.
„Naja, wenn sie durchgehend jammern, ist es sehr wohl auch unser Problem", sage ich und muss kichern, da ich mir jetzt schon vorstellen kann, wie sehr sich Maddie morgen beschweren wird.
„Egal, gehen wir?", fragt Jason und so machen wir uns auf den Weg.
Jason geht wie selbstverständlich neben mir, was mich etwas nervös macht. Was ist heute los mit ihm?
„Ronnie, wir hätten noch ein Bett frei. Wenn du willst, kannst du bei uns schlafen, dann musst du nachher nicht so weit, bis zu dem Treffpunkt gehen", bietet Cora mir an. Das hört sich wirklich verlockend an, denn mein und Maddies Zimer ist tatsächlich etwas weiter davon entfernt.
„Keine Sorge, Jason und ich haben das Nebenzimmer", sagt Aiden. Moment. Heißt das, dass Jason bei ihnen wohnt? Scheiße, dann sollte ich wohl doch nicht bei ihnen übernachten. Das kann doch nur schief gehen.
„Danke, aber ich gehe lieber heim. Ich habe doch gar keine Sportkleidung dabei", fällt mir gerade ein. Das ist nicht einmal gelogen.
„Dann werde ich dich aber heimbegleiten", sagt Jason bestimmend.
„Danke, aber das ist nicht nötig. Wirklich nicht", versuche ich ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Jason war heute schon oft genug in meiner Nähe. Ich brauche eindeutig eine Auszeit.
„Mädchen sollten in der Nacht nicht alleine durch die Gegend laufen", versucht es Jason. Wieso will er das unbedingt? Als ob ich nicht auf mich aufpassen könnte. Denkt er wirklich, dass ich seine Hilfe benötige?
„Ich bin kein Mädchen, sondern eine junge, aber doch erwachsene Frau, falls es dir nicht aufgefallen sein sollte. Ich kann auf mich selbst aufpassen", keife ich ihn an. Meine Wut kehrt langsam zurück und diese Seite von mir gefällt mir eindeutig besser, als dieser Innerer Frieden Scheiß. Ich denke, ich bin wieder nüchtern. Oder ich habe einfach schlimmere Stimmungsschwankungen, als eine Schwangere.
„Das meinte...", beginnt Jason, doch er wird von Cora unterbrochen. „Jason, du hast sie gehört. Lass es einfach."
Ich werfe Cora einen überaus dankbaren Blick zu, drehe mich um und stolziere davon.
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