Kapitel 35
,,Weil ich daran glauben will, dass du mich nicht verlässt.''
Seine Worte hallten wie ein nie endendes Echo in meinen Gedanken wider. Ich hatte Angst vor dem, was diese Worte bedeuteten. Mein erster Gedanke war es, mich von ihm zu distanzieren, da ich dieser Verantwortung nicht gewachsen war. Ich konnte nicht zulassen, dass er mir zu nahe kam. Denn wenn ich anfing, tiefe Gefühle für ihn zu entwickeln, wäre ich ihm schutzlos ausgeliefert. Das würde bedeuten, ich ginge das Risiko ein, ihn zu verlieren und das konnte ich nicht. Allein der Gedanke, er könnte nicht mehr an meiner Seite sein, versetzte mir tiefe Schmerzen.
Obwohl sich alles in mir sträubte, umfasste ich mit meiner Hand vorsichtig sein Gesicht. Angst und Hoffnung spiegelten sich in seinen schwarzwirkenden Augen wider. Sie führten einen Kampf und ich glaubte, seine Angst vor meiner Antwort gewann die Oberhand. In diesem Moment wirkte er so verletzlich, dass mein Herz sich krampfhaft zusammenzog. Sein Schmerz war zu meinem geworden und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. Ich hatte schon längst angefangen, mehr für ihn zu empfinden, als ich eigentlich sollte. Seine Dunkelheit hatte mich umhüllt und sich mit meiner vermischt, sodass ich immer einen Teil von ihm in mir trug. Ich war schon viel zu weit gekommen, um umdrehen zu können. Das wollte ich auch nicht, egal, wie sehr ich versuchte, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
Er war über seinen Schatten gesprungen und hatte mir von seiner Vergangenheit erzählt, obwohl es ihn viel Kraft gekostet haben musste. Trotzdem konnte ich mich nur schwer überwinden, die nächsten Worte auszusprechen. Um mich abzulenken, strich ich mit dem Finger seine Kinnpartie entlang.
,,Weißt du, ein Mensch darf nie alles für dich sein. Denn wenn er geht, hast du nichts, was dir bleibt. Jeder Mensch verlässt dich irgendwann und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst.''
Ich wollte ihn nicht verletzen, doch der Ausdruck, der kurz darauf in seinen Augen aufblitzte, hatte wohl genau das bewirkt. Seine Miene wandelte sich in Sekundenschnelle von verletzlich zu emotionslos. Ich merkte, wie sich sein Körper augenblicklich versteifte. Als er Anstalten machte, aufzustehen, drückte ich ihn mit der Hand auf seiner Brust bestimmend zurück auf meine Beine.
,,Bitte, geh nicht.''
Er musterte mich mit fragender Miene, blieb aber mit dem Kopf in meinem Schoß liegen.
,,Ich verstehe dich. Besser als jeder andere. Deswegen versuche ich dich zu beschützen. Obwohl meine Angst, dir vielleicht nicht nahe sein zu können, mich auffrisst, habe ich doch Angst, dich zu verlieren, wenn du an meiner Seite bleibst. Es ist ein nie endender Kampf und am Ende werden wir beide verlieren'', flüsterte ich ihm zu.
,,Nicht alles endet schlecht, Aza. Wir sind uns in dieser Hinsicht ziemlich ähnlich. Wir wollen uns gegenseitig vor unseren inneren Dämonen schützen, aus Angst, wir könnten den anderen mit in die Tiefe reißen. Wir stoßen uns weg und gleichzeitig ziehen wir uns an.''
Er hatte recht. Wir beide hatten in der Vergangenheit schmerzhafte Erfahrungen mit Verlust machen müssen, die uns bis heute prägten. Wir gingen lieber auf Distanz zu anderen Menschen und ließen niemanden zu nah an uns heran, aus Angst, wir könnten wieder verlassen werden.
Am Anfang hatte ich gedacht, nichts könnte Raven verletzen. Er wirkte stets kühl und berechnend, so als würde er nichts an sich heranlassen. Doch nun musste ich mir eingestehen, dass all diese Vermutungen falsch waren. Seine Abgründe lagen viel tiefer, als ich erahnen konnte. Auf eine seltsame Art und Weise fühlte ich mich ihm nun umso näher. Mein Körper füllte sich mit Wärme und am liebsten hätte ich ihn sofort umarmt, doch ich widerstand dem Drang.
,,Ich möchte dich nicht verletzen, Raven'', erwiderte ich ehrlich. Mir wurde klar, dass ich seiner Bitte nicht nachgehen konnte. Nicht weil ich es nicht wollte, sondern ich konnte es einfach nicht. Ich würde ihm keine Hoffnung für etwas machen, wofür es keine Garantie gab. Auch wenn ich ihm versprechen würde, ihn nicht zu verlassen, würde es irgendwann so kommen. Ob wir es nun wollten oder nicht. Denn so war das Leben.
Ruckartig setze er sich auf. Wir saßen uns nun fast gegenüber. Es war mittlerweile so dunkel, dass ich ihn nur noch schemenhaft erkennen konnte. Doch dieses Mal hatte ich keine Angst vor der Dunkelheit, da Raven bei mir war.
,,Das will ich auch nicht. Für Menschen, die dir sehr viel bedeuten, möchtest du immer das Beste für sie und manchmal ist das Beste nicht man selbst. Ich weiß, dass ich nicht gut genug für dich bin. Ich kann dir nicht immer das geben, was du vielleicht in diesem Moment brauchst. Wie du schon gemerkt hast, bin ich ziemlich schlecht darin, meine Gefühle zu zeigen. Ich bin impulsiv und kann mich manchmal nur schwer kontrollieren. Doch egal, was ich versuche, ich kann mich nicht von dir fernhalten. Dich damals aus der Ferne beobachten zu müssen, war schwer für mich. Aber in deiner Nähe zu sein und dich nicht berühren zu können, ist umso härter.''
Dabei nahm er mein Gesicht in seine Hände und schaute mich eindringlich an. Das Schwarz seiner Pupillen hielt mich gefangen. Ein Sturm der Gefühle tobte in seinen Augen und ließ ein Orkan in meinem Inneren entstehen. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Es fühlte sich so an, als würde ich hier und jetzt eine wichtige Entscheidung für mein Leben treffen. Weglaufen oder bleiben? Risiko oder Sicherheit?
Meine Augen huschten nervös umher und mein Herzschlag beschleunigte sich zunehmend, je mehr Zeit verstrich. Als ich unsicher in Ravens Augen schaute, wurde mir schlagartig bewusst, wofür ich mich entscheiden würde.
,,Nur weil du nicht weißt, wie du deine Gefühle kontrollieren kannst, heißt das nicht, dass du ein schlechter Mensch bist. Manchmal braucht man nur jemanden, der einen dabei unterstützt. Du trägst tiefe Narben in dir, von denen du denkst, dass sie dich ausmachen. Aber das stimmt nicht. Du zerstörst nicht. Sondern du heilst. An all den kranken Tagen, an denen ich in der Dunkelheit gefangen war, warst du mein Licht. Deswegen hör bitte auf zu denken, du wärst nicht gut für mich. Denn ehrlich gesagt weiß ich nicht, was passiert wäre, wenn wir uns nicht begegnet wären. Mit dir ist es ein wenig leichter, all den Schmerz zu ertragen'', gestand ich ihm.
Der Schemen näherte sich mir bis sein herber Duft nach Wald und Minze mir alle Sinne raubte. Ich atmete seinen Duft ein und ich ließ mich ein wenig in seine Richtung fallen. Seine Hände umfassten noch immer mein Gesicht, während sein Daumen beruhigende Kreise über meine Wange zog. Fast zaghaft legte er seine Stirn an meine und mein Herzschlag setzte für einige Augenblicke aus. So nah waren wir uns noch nie gewesen.
Wie versteinert saß ich da und lauschte seinen ruhigen Atemzügen. Ich hatte die Augen geschlossen, da ich mich nicht traute, in seine zu sehen. Seine plötzliche Nähe vermischt mit seiner unvergesslichen kratzigen Stimme löste in mir eine Gänsehaut am ganzen Körper aus.
,,Vielleicht sollte es genauso sein. Vielleicht sind wir uns aus diesem Grund begegnet. Vielleicht ergeben die Menge, an all deinen und meinen Erfahrungen, etwas, das uns heilt, von all diesem Schmerz, der uns droht zu ersticken. Vielleicht bist du dieser Teil, der mir immer gefehlt hat.''
Mein Verstand setzte aus. Er war nur wenige Zentimeter von meinen Lippen entfernt. Mein Herz drohte zu zerbersten, so laut und energisch schlug es in meiner Brust.
,,Vielleicht kann ich nie ganz werden, ohne dich'', flüsterte er, bevor er sanft seine Lippen auf meine legte.
Die Schmetterlinge in meinem Bauch explodierten, als ich seine Lippen auf meinen spürte. Erst vorsichtig, fast als wollte er mich nicht zerbrechen, hauchte er zarte Küsse auf meinen Mund. Unsere Lippen verschmolzen und der Kuss wurde intensiver. Er küsste mich, als wäre ich seine Luft, die er zum Atmen brauchte.
Zum ersten Mal seit drei Jahren schwieg dieses dumpfe Pochen in mir. Auch wenn es nur für wenige Augenblicke war, hatte Raven mir ein Stück Unendlichkeit geschenkt. Ich hatte endlich wieder das Gefühl, Zuneigung spüren zu können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Er hatte mir viel mehr gegeben als nur einen Kuss. Es war ein Stück von ihm selbst. Wir schenkten uns Vertrauen und die Macht einander zu verletzen. Denn das war das Risiko dabei, sich zu verlieben. Der Schmerz war immer ein Teil davon.
Sanft hauchte er mir einen letzten federleichten Kuss auf die Lippen, ehe er sich von mir löste. Ein schüchternes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, was mich ebenfalls zum Grinsen brachte. Die ganze Situation war surreal und doch war es Realität.
Keiner von uns sagte etwas. Die Luft zwischen uns knisterte förmlich. Ich spürte seinen intensiven Blick auf mir, doch ich konnte ihm im Moment nicht in die Augen sehen. Zum Glück war es so dunkel, dass er nicht erkennen konnte, wie ich unter seinem feurigen Blick errötete. Noch nie hatte jemand solche Gefühle in mir ausgelöst. Ich war unsicher, was ich sagen sollte. Denn dieser Kuss hatte alles zwischen uns verändert.
Raven schien meine Nervosität zu bemerken. Er entfernte sich ein wenig von mir und legte sich in den Sand. Seine Arme kreuzte er unter seinem Kopf und schaute in den klaren Sternenhimmel. Er gab mir Raum, den ich brauchte, um endlich wieder atmen zu können. Ohne dass mich seine Nähe um den Verstand brachte.
Instinktiv berührte ich mit den Fingern meine Lippen und durchlebte noch einmal diesen süßen Augenblick. War das gerade wirklich passiert?
,,Hör auf, alles zu zerdenken. Leg dich lieber zu mir'', holte mich Raven aus meinen Tagträumen. Mit weit ausgestreckten Armen und einem breiten Grinsen im Gesicht gab er mir zu verstehen, dass ich mich an seine Brust kuscheln sollte. Ich zögerte. Doch nach kurzem Überlegen entschied ich mich seiner Bitte nachzukommen. Wir waren heute schon weitaus intimer gewesen, also was sollte schon passieren?
Vorsichtig legte ich meinen Kopf auf seine Brust. Ich konnte sein Herz schlagen hören. Es klopfte in einer rasenden Geschwindigkeit. Da ging es wohl jemandem ähnlich wie mir. Dieser Gedanke beruhigte mich und brachte mich zum Schmunzeln.
Er zog mich eng an sich und umschloss meinen Körper mit seiner Wärme. Es fühlte sich natürlich an, auf seiner Brust zu liegen. Wie als hätte ich es schon mein ganzes Leben lang getan. Augenblicklich entspannte ich mich. Die ganze Anspannung der letzten Zeit löste sich förmlich in Luft auf. Da waren nur Raven und ich bedeckt von einem funkelnden Sternenmeer, das uns beschützte vor den Abgründen dieser Welt.
Mein Blick fand den Himmel und ein Lächeln bedeckte meine Lippen. Raven hatte Recht gehabt. In Oregon Coast, fern ab von den Lichtern der Großstädte, konnte man die Sterne am besten sehen. Ein Meer aus winzigen Punkten, die sich zu einem Teppich voller Glanz und Anmut zusammenfanden. Was würde ich dafür geben, ein Foto davon zu machen, um es meinem Dad zu zeigen? Wie sehr wünschte ich mir, Mom von meinem ersten Kuss erzählen zu können und Evan als meinen beschützenden Bruder noch einmal zu erleben.
Eine einzelne Träne löste sich aus meinen Augenwinkeln.
,,Es gibt diese Theorie von Steven Weinberg, die besagt, dass unendlich viele Paralleluniversen existieren. So könnte jede Entscheidung, die wir treffen, in einem anderen Universum unterschiedlich ausfallen. Er schlussfolgerte daraus, es sei möglich, dass in all diesen Universen verschiedene Formen von uns selbst leben könnten'', erzählte ich ihm mit belegter Stimme.
Ich schluckte hart. Ein starker Druck baute sich in meiner Brust auf. Raven strich mir beruhigend über den Handrücken und zeigte mir, dass er für mich da war.
,,Und das Einzige, an was ich denken konnte, als ich diese Worte las, waren ihre Gesichter. Wenn diese Theorie stimmt, dann gibt es irgendwo eine Version von meiner Familie und mir, in der all das nicht passiert ist und mir nicht die Luft zum Atmen genommen wurde, als sie mir gehen mussten. In einem von diesen Universen liege ich noch immer neben meiner Mom in meinem alten Kinderzimmerbett. Wir beobachten den Himmel, wie er sich von rot-orange Tönen in ein sattes Lila verwandelt und mein Dad schießt ein Foto, das er dann in unseren Flur hängt. Sie alle sind noch hier bei mir.''
Meine Stimme versagte. Ungeliebte, kaltnasse Tränen strömten nun ungehindert meine Wangen hinab. Instinktiv rutschte ich näher an Raven heran und vergrub mein Gesicht an seiner Halsbeuge.
,,Und egal, welches Universum das auch ist. Dies ist der Ort, an dem mein Herz für immer leben wird. Denn ohne mich wären sie nun nicht dort oben'', wisperte ich in die Stille.
,,Aza'', flüsterte er und meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Ich hatte seine Fürsorge nicht verdient.
,,Hör auf, dir die Schuld an dem Unfall zu geben. Es war ein Wildunfall. Nichts, was in deiner Kontrolle lag.''
Wie falsch er damit lag.
Das Gefühl, keine Luft in meine Lungen zu bekommen, verstärkte sich. Mein Körper begann zu zittern. Jedoch nicht vor Kälte. Ich konnte die Gefühle, die nun in mir ausbrachen, nicht verarbeiten. Zu lange schlummerten sie schon in meinem Inneren. Die Schuldgefühle, die an mir nagten, waren wie eine klaffende Wunde, die nie verheilte. Ich hatte Angst, Raven die Wahrheit über mich zu verraten. Er würde anders von mir denken, wenn er einsah, dass ich allein schuld an dem Tod meiner Eltern war.
,,Sie sind wegen mir gestorben. Ich hatte Geburtstag und wollte unbedingt in dieses neue Restaurant. Eigentlich feierten wir jedes Jahr meinen Geburtstag zu Hause, doch dieses Mal machten meine Eltern eine Ausnahme. Es war eine Überraschung. Das heißt, wir sind an diesem Abend nur losgefahren, weil ich es wollte. Ich habe meine Eltern umge...''
Ich stockte. Meine Atmung wurde immer flacher und kurzlebiger. Ich hatte es noch niemandem erzählt. Keiner wusste, dass ich schuldig war. Wenn meine Großeltern davon wüssten, würden sie mich nicht mit ihren mitleidigen Augen ansehen. Denn ich hatte ihnen ihren Sohn genommen und ich konnte es nicht rückgängig machen.
Die Verzweiflung in mir wuchs und ein schmerzverzerrtes Schluchzen drang an die Oberfläche. Die Schuldgefühle drohten mich zu zerquetschen, bis plötzlich alles aus mir herausbrach. Das zweite Mal an diesem Abend lag ich in Ravens Armen und stellte mich meinem Schmerz entgegen.
Ravens Arme zogen sich fester um meinen zierlichen Körper. Obwohl alles in mir zerbrach, wurden die Teile meiner zerbrochenen Seele von ihm aufgefangen und sicher verwahrt.
,,Ich weiß, du willst das jetzt nicht hören, aber das ändert gar nichts. Ich glaube nicht an Zufälle, Aza. Bestimmte Ereignisse sind unausweichlich. Auch wenn man sie noch so sehr zu verhindern versucht. Doch du konntest an diesem Tag nicht wissen, was passieren wird. Nimm dir diesen Berg an Schuldgefühlen nicht an. Das hätten weder Evan noch deine Eltern für dich gewollt.''
,,Ich weiß. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich nie abschließen konnte. Warum ich mir nicht erlaubte, glücklich zu sein.''
Das Päckchen, das ich mit mir trug, verhinderte, dass ich positive Gefühle zuließ. Denn welches Recht hatte ich glücklich zu sein, wenn Evan noch immer um sein Leben kämpfte und meine Eltern schon lange ihren letzten Atemzug getan hatten? Ich wusste nicht, ob ich mir diese Gefühle erlauben durfte.
,,Wir sind nichts weiter als kleine Atome. Vielleicht zerfallen wir zu Sternenstaub, wenn wir sterben, und versuchen unseren Weg zurück zu den Sternen zu finden. Und irgendwann werdet ihr euch wiedersehen, wenn ihr euch zu einem Stern zusammensetzt'', versuchte er mich zu trösten. Mir gefiel dieses Bild, das er vom Tod zeichnete. Es tat dadurch ein bisschen weniger weh.
,,Steh mal kurz auf. Ich möchte dir gern etwas zeigen'', bat mich Raven. Wie vom Blitz getroffen hatte er sich aufgerichtet und wühlte nun in seiner Jacke herum. Ich zog verwundert die Augenbrauen zusammen und wischte mir die letzten Tränen von der Wange.
,,Mach die Augen zu und öffne sie erst, wenn ich es dir sage, okay?'', bat er mich. Ein nervöser Unterton schwang in seiner Stimme mit. Was hatte das zu bedeuten?
Ich schloss meine Augen und wartete. Es dauerte ein wenig und ich fragte mich, was Raven nun wieder anstellte. Ich hörte ihn leise fluchen. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, doch ich schwieg.
Ich spürte etwas Kühles an meinem Hals und riss erschrocken die Augen auf.
,,Mensch Aza. Du solltest erst die Augen aufmachen, wenn ich es dir sage."
Mein Blick richtete sich auf meinen Hals, an dem eine zarte silberne Kette mit einem Halbmondanhänger hing. Ganz vorsichtig, aus Angst, ich könnte sie kaputt machen, berührte ich sie mit meinen Fingern.
,,Sie ist wunderschön'', hauchte ich beeindruckt. Mit großen Augen schaute ich zu Raven. Er machte den Anschein, als fiele ihm ein Stein vom Herzen.
,,Warum ein Mond?'', fragte ich ihn.
,,So hast du immer einen Teil von mir an deiner Seite, egal, wie einsam du dich auch fühlen magst'', erwiderte er mit einem schüchternen Lächeln.
,,Ich habe an dir die Kette mit dem Sonnenanhänger gesehen. Es passte zu dir. Zu deinem Geburtstag wollte ich nicht mit leeren Händen dastehen und da hatte ich diese Kette entdeckt. Sie schien wie für dich gemacht. Denn du bist beides. Sonne und Mond'', flüsterte er, während er sich zu mir beugte.
,,Vielleicht küsst dich die Sonne dort, wo du verletzt bist, und der Mond hört dir zu, wenn niemand sonst es tut. Auf diesem Weg bist du niemals allein.''
Ich wusste nicht, wie ich Raven zeigen konnte, wie sehr mich seine Geste berührte. Es fühlte sich an, als würde mein Herz in tausend Stücke zerbersten und er sammelte jedes einzelne Teil auf und flickte es mit größter Sorgfalt zusammen.
Statt ihm zu sagen, was ich fühlte, schloss ich die Distanz zwischen uns und zeigte ihm, wie glücklich er mich machte.
Ich glaubte nicht an Zufälle.
Alles passierte aus einem bestimmten Grund und vielleicht waren wir uns deshalb begegnet. Vielleicht war er dieser Teil, der mir immer gefehlt hat, wie eine klaffende Wunde, die nicht verheilte. Vielleicht konnte ich nie ganz werden ohne ihn.
Wahrscheinlich war es unsere Bestimmung, uns immer wieder zu finden.
Egal, wie weit ich mich auch entfernte, er holte mich immer wieder ein, fing mich auf und hielt mich fest.
Auch wenn ich drohte zu zerbrechen.
Dieses Kapitel bedeutet mir unglaublich viel. Gefühlt steckt mein ganzes Herzblut in diesen 3000 Wörtern. Wenn ihr etwas anzumerken habt oder einfach eure Gedanken teilen wollt, würde ich mich riesig freuen (:
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