mit dem schlauch, ihr lustmolche! 𝘐𝘐
Ich mache also Aah. Natürlich gebe ich keinen Laut von mir, ich bin ja nicht bescheuert.
Dr Klinger schiebt mit überraschender Vorsicht, die gar nicht zu seinem Auftreten zu passen scheint, seine Finger in meinen Mund. Ich finde das einfach nur merkwürdig und würde am liebsten aufspringen und rauslaufen.
Dass ich so verletzlich vor ihm liege, er seine Hand in meinem Mund hat - das passt einfach nicht zu meinem natürlichem Schutzinstinkt und meinem Stolz. Aber was tut man nicht alles für seinen Freund? Rhetorische Frage, ich will keine Antwort. Sonst zwingt Will mich noch dazu, mit ihm Riesenrad zu fahren oder so.
Er labert irgendwelche Zahlen und Buchstaben und Will klickert fleißig auf der Tastatur herum. Die einzigen Wörter, die ich verstehe sind „bleibend" und einmal „Milchzahn". Ich habe noch Milchzähne? Das ist peinlich!
Es fallen noch einige Fachbegriffe, die Will alle zu verstehen scheint. Ist bestimmt angeboren.
„So, Nico." Der Arzt nimmt seine Finger wieder aus meinem Mund. „Putzen tust du anscheinend ganz gut, ich habe keinen Karies entdecken können. Gerade sind deine Zähne ebenfalls, allerdings hast du eine leichte Schiefstellung deines Kiefer, was durch einen Schlag oder ähnliches entstanden sein kann" Ich verziehe schuldbewusst das Gesicht. Warum verziehe ich schuldbewusst das Gesicht? Ach ja, weil ich total erniedrigt auf einem Stuhl liege mit herunterhängendem Kopf.
„Das ist aber nichts, was man mit einer Spange nicht wieder hinbekommen würde", sagt Dr Klinger den verhängnisvollen Satz.
„Was?!", frage ich entsetzt. Will kichert.
„Warum kicherst du?" Ich sehe ihn böse an und er verstummt.
„Du brauchst eine Spange, Nico", sagt der Arzt noch einmal und hat die Unverschämtheit, mich anzugrinsen.
„Ich will aber keine Spange!", rufe ich und springe auf.
„Ah, ah, ah", macht der Arzt. „Sitzen bleiben" Er drückt mich wieder in den Stuhl. Darf er das überhaupt?
„Sieh mal, Nico. Wenn du die Spange... sagen wir mal, ein Jahr lang trägst, hast du deine Kieferfehlstellung behoben und danach hast du ein perfektes Gebiss. Wenn du allerdings keine trägst, wird dein Kiefer so schief weiterwachsen und dann wirst du irgendwann wie ein Pferd aussehen."
„Ich will nicht aussehen wie ein Pferd. Ich will keine Spange", verhalte ich mich wieder wie ein kleines Kind mit Trotzanfall und Rotznase.
„Du musst dir eins aussuchen, was du weniger schlimm findest", sagt Will entschuldigend zu mir. Tja, wenn ich eine Spange habe, würde er merken, wie es ist, wenn er mich küssen will. Oh shit! Aber seine Schuld...
„Dann lieber eine Spange", gebe ich mürrisch zu. Ich bin nicht wirklich eitel, aber ein schräges Gebiss will ich trotzdem nicht bekommen.
„Gute Entscheidung!", lobt mich Dr Klinger und zwinkert mir zu. „Na dann fangen wir doch mal an"
„Warte, warte! Das geht mir ein bisschen zu schnell. Muss man die nicht auch erst bauen?", stoppe ich den übermotivierten Zahnarzt.
„Klar muss die gebaut werden, aber wir haben hier eine fähige Tochter des Hephaistos arbeiten. Wir müssen dich nur ausmessen und sie bastelt die dir in Windeseile. Und schwuppdiwupp, hast du deine feste Zahnspange"
„Na toll, erster Zahnarztbesuch und gleich so etwas", murre ich leise in meinen nicht vorhandenen Bart. „Was muss ich denn so beachten?", seufze ich und beugte mich mit diesem Satz meinem Schicksal.
Dr Klinger beginnt mir an einem Gebiss (ich glaube, es ist echt) etwas über das Zähneputzen zu erklären, aber mein Blick wird auf Will gelenkt, der mich stolz anstrahlt. Na, wenn es ihn glücklich macht—
„Wieso erkläre ich das eigentlich? Wenn du Will sowieso schon so anstarrst, als wäre er die Lösung all deiner Probleme, kann er dir das auch später erklären.", unterbricht der Doktor meine Gedanken. Meine Wangen werden heiß und auch auf Wills Gesicht zaubert sich eine hinreißende Röte.
„Oh Götter, ihr seid so niedlich, dass es schon wieder eklig ist", stöhnt der Arzt.
„Und das hier ist so sauber, dass es schon wieder eklig ist", schieße ich zurück, immer noch mit brennenden Wangen. Ich wende meinen Blick von Will ab und sehe zu Dr Klinger. Er guckt mich beleidigt an, lacht dann aber. Gut. Nicht auszudenken, was wäre, wenn ein wütender Arzt dich behandelt...
„Na dann fangen wir mal mit der Säuberung an!", feixt der Arzt beim Anblick meines Gesichtes, das wahrscheinlich an einen ängstlichen Welpen erinnert. Wäre ich ein Hund, würde ich jetzt meinen Schwanz einziehen und leise jaulen und wimmern. Aber ich bin ja zum Glück kein Hund. Obwohl - kriegen Hunde Zahnspangen? Mrs O'Leary hat zumindest keine. Vielleicht wäre es ja besser, ich wäre doch ein Hund.
Egal.
Ich öffne widerstandslos meinen Mund und Dr Klinger kratzt und bürstet mit irgendwelchen Gerätschaften an meinen Zähnen herum. Es ist nicht unangenehm, eher ungewohnt.
Doch schon bald spüre ich, wie sich der Speichel in meinem Mund sammelt und ich muss meinen Schluckreflex unterdrücken, da das mit offenem Mund einfach nicht geht. Da lässt Dr Klinger kurz von mir ab und ich kann meinen Mund schließen und schlucken.
„Will, komm mal her", winkt der Zahnarzt meinen Freund zu sich. Will trottet heran und lässt sich von seinem Halbbruder einen dünnen Schlauch in die Hand drücken.
Was wird das jetzt?
„Saug du bitte mal den Speichel ab", bittet Dr Klinger Will. Was?! Ich reiße, genau wie Will, meine Augen auf. Das...das—
„Bei Asklepios! Was denkt ihr denn? Die Jugend von heute. Ihr denkt auch nur an das eine. Mit dem Schlauch, ihr Lustmolche!" Ich senke verlegen meinen Blick und meine Wangen fangen wieder an zu brennen.
„Selbst Schuld, wenn du das so formulierst", lacht Will, der das wohl lockerer nimmt als ich. Er tritt auf die andere Seite der Liege und betrachtet mich spöttisch. „Da liegst du nun"
„Ja, da liege ich nun. Wegen wem wohl?", fauche ich die rhetorische Frage.
Er zuckt nur mit den Achseln. „Mir" ist seine schlichte Antwort.
„Okay, dann machen wir mal weiter", mischt sich Dr Klinger ein und dreht sich schwungvoll auf seinem Stuhl wieder herum. Will steckt mir den Sauger in den Mund (Oh Gott, es hört sich schon falsch an, wenn ich das nur denke!) und Dr Klinger säubert weiter meine Zähne. Es läuft alles gut, bis ihm ein kleines Gläschen mit irgendwas rosafarbenem drinnen herunterfällt und kaputt geht.
„Bei den Augias-Ställen", flucht er und dreht sich steif auf seinem Stuhl um, sodass er mit dem Rücken zu uns steht, und kramt in einer Schublade herum. Er murmelt irgendetwas vor sich her.
Plötzlich spüre ich, wie irgendetwas an meiner Nase saugt. Erschrocken zucke ich zusammen. Will! Ich öffne empört meinen Mund, aber er hält mir die Hand darauf und kichert leise.
Er fährt langsam mit dem Sauger über mein Gesicht und immer wieder wird meine Haut angesogen und bleibt an der Öffnung stecken. Will ist bei meinen Augenbrauen angekommen und ich habe inzwischen irgendwie Spaß an der Sache gefunden. Also wackele ich provokant mit diesen und es kribbelt ganz merkwürdig. Ich lache heiser.
Dr Klinger hat uns immer noch den Rücken zugekehrt und werkelt an seinen Schubladen herum. Sie scheint zu klemmen.
Will zieht den Sauger langsam hoch zu meinem Haaransatz und sieht mich frech an. Ich schüttele nur den Kopf. Wag es nicht! Ich zucke zusammen, als mein erstes Haar eingesogen wird und es ziept. Ich runzele wütend die Stirn und schüttele meinen Kopf, um dem Sauger zu entkommen.
Also erbarmt Will sich grinsend und setzt den Sauger an meinem Kinn wieder an und fährt einmal meinen (angeblich schiefen) Kieferknochen entlang. Dann umkreist er meine Lippen und fährt sanft die Umrisse nach. So sanft es eben mit einem Sauger geht. Dabei sieht er mich liebevoll lächelnd an.
„Was machst du denn da?", poltert Dr Klingers Stimme. Ich zucke erschrocken zusammen und auch Will scheint das nicht erwartet zu haben, denn er zieht den Sauger ab und schlägt ihn mir aus Versehen ins Gesicht. „Autsch", beschwere ich mich.
„Nichts", antwortet Will auf Dr Klingers Frage und blinkert ihn unschuldig an. Dieser seufzt nur und hält ein Gläschen hoch, das gleiche, was er eben runterfallen lassen hat.
„Dann wirst du jetzt eingeschäumt. Und den Sauger, den nehme ich!", fordert er. Will gibt ihm mit einer ironischen Huch-Geste den Sauger und verzieht schmollend das Gesicht.
„Der Sauger ist cool", meint er. „Das hab ich gemerkt", ist Dr Klingers trockene Antwort.
Vier Stunden später habe ich eine feste Zahnspange.
Nico di Angelo, Sohn des Hades, hat eine feste Zahnspange. Hört sich merkwürdig an. So banal.
Es tut leicht weh, aber es ist ein auszuhaltender Schmerz. Der Geschmack im Mund ist unangenehmer, auch, wenn ich gleich die Mundspülung benutzen werde, die Dr Klinger mir in die Hand gedrückt hat.
Generell sehen Will und ich aus, als hätten wir eine Apotheke ausgeraubt. Vollgepackt mit Prospekten, Anleitungen, verschiedensten Zahnbürsten und Zahnpasta gehen wir wieder den langen, weißen Gang entlang, der gar nicht mehr so bedrohlich erscheint wie zuvor.
Wir kommen an einem Spiegel vorbei, denn ich vorhin gar nicht bemerkt hatte.
Ich blecke meine Zähne und die Zahnspange fällt mir sofort ins Auge. Klar, sie ist echt unangenehm und es ist ein ungewohntes Gefühl, etwas in seinem Mund zu haben, was dort definitiv nicht hingehört.
Aber andererseits sieht es auch echt cool aus.
Ich habe mich skelettisch gefreut, als ich erfahren habe, dass es auch mattschwarz als Farbmöglichkeit gibt. Natürlich habe ich das sofort gewählt. Es fällt zwar mehr auf, aber irgendwie gibt es dem Lächerlichen etwas Stylisches. Die Aphrodite-Hütte wäre stolz auf mich.
Apropos. Auf einem der Stühle im Wartezimmer sitzt Drew. Will sieht mich verwundert an, ich zucke aber nur mit den Schultern. Wir gehen ins Wartezimmer.
„Was machst du denn hier?", frage ich.
„Schicke Spange, Nico. Hat was Stylisches", bestätigt sie meine Gedanken. „Sieht aber auch echt merkwürdig aus." War ja klar, sie kann nicht einfach nur nett sein.
„Aber ich bin hier, weil ich einen Kontrolltermin habe. Meine geraden Zähne sollen gerade bleiben und weiß weiß. Also-"
„Mrs Tanaka?", quatscht das Resting Bitch Face dazwischen.
„Ich komme", lächelt sie strahlend, schenkt uns noch einen letzten prüfendem Blick und will dann aus der Tür stolzieren, aber Will hält sie am Arm zurück.
„Ich will ja echt nicht anstößig sein, liebste Drew, —"
„Dann sei es nicht", faucht sie.
„—aber", fährt er unbeirrt fort, „es meinst du nicht auch, dass Lippenstift beim Zahnarzt eine sehr dämliche Idee ist?"
———————
Immer noch hier? Anscheinend ja :)
Nicht mein Meisterwerk, aber ich hoffe, es war okay.
Das soll jetzt keine Werbung sein (glaubt mir kein Wort, natürlich ist das Werbung!), aber ich habe ein neues OS-Buch geboren. Es ist wie ein Kalender mit dem selben Prinzip wie „Remember-your-first-kiss-Day". Es heißt „Fliegende Milchkühe". Der Grund ist skurril...
Egal, das wollte ich nur mal angepriesen haben.
Und ja, es war doch Werbung. Ups.
Tschau Miau mit Wau
🐱🐶
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