13 | Panik
Kapitel 13 | Panik
»I am a lost boy from Neverland. Usually hanging out with Peter Pan. And when we're bored we play in the woods. Always on the run from Captain Hook. "Run, run, lost boy, " they say to me. Away from all of reality.«
L I A M
Unsicher schaue ich mich in dem großen Zimmer um. Die Luft hier richt schon gerade zu nach Luxus, so nobel und sauber ist das hier alles. Ich muss schon sagen, das Gästezimmer von Raf ist richtig cool.
Und dank diesem ganzen Protz hier, fühlt man sich schnell fehl am Platz.
Er hat mir gerade noch Klamotten zum umziehen gegeben, das Gästezimmer hat sogar ein eigenes Badezimmer, welches ich gerade betrete. Im Spiegel schaue ich mich erstmal kurz an. Ich sehe einfach schrecklich aus.
Warum nehmen die Jungs jemanden auf, der so rumläuft wie ich gerade?
An einem der unteren Zähne fehlt ein kleiner Teil des Zahnes, welcher an diesem Abend raus gefallen ist. Ich trage an meinem Oberkörper Narben von meiner Vergewaltigung. Man sieht auf meinem Rücken deutlich Schriemen von Gürtel Schlägen. Narben von Messern. Und von dem Elektroschocker.
Seit dem Überfall begleiten mich ein blaues und ein rotes Auge. Wobei beide zum Glück anfangen zu heilen. Dann noch die Verletzung an der Wange.
Und so bin ich vor diesen Männern rum gelaufen. All das haben sie gesehen. Erst jetzt im Moment wird mir das wieder so richtig bewusst. Es ist wie ein Schlag in der Fresse. Mein Leben ist einfach ein Scheiterhaufen.
Schluckend und ganz vorsichtig ziehe ich mir meine Hose aus. Den Verband dort zu sehen, macht mir erst so richtig bewusst, was für Narben mich für immer an die schrecklichsten Stunden meines Lebens erinnern werden.
Ich sollte den Verband erneuern, doch ich traue mich nicht Raf nach Hilfe zu fragen. Dafür schäme ich mich zu sehr, wenn er das sehen würde. Dieses Wort eingeritzt auf meinem Oberschenkel sollte niemals jemand anderes als Jonas und ich sehen.
So schnell es geht mit meiner Schulter ziehe ich mir die Jogginghose von Raf an. Beim Tshirt aus und anziehen wird es schon komplizierter. Am Ende habe ich das Tshirt nur halb über den Kopf bekommen.
Ein klopfen an der Tür unterbricht meinen verzweifelten Versuch mich anzuziehen. Da ich die Tür des Badezimmers aufgelassen habe, sehe ich das Raf das Zimmer betritt. Schmunzelnd kommt er zu mir rüber.
»Ist schwierig mit nur einem Arm, nicht war? Na komm, lass mich dir helfen.« Vorsichtig kommt er auf mich zu und betrachtet mich intensiv. Als würde er sofort sehen wollen, wenn ich zusammen zucke.
Ich gebe mir einen Ruck und nicke ihm zu. Erleichtert kommt er auf mich zu und hebt seinen Arm.
Er wird dir nichts tun. Er wird dir nichts tun. Er wird dir nichts tun. Er wird dir nichts tun.
»Keine Sorge, ich werd ganz vorsichtig sein. Ich tue dir nichts.«, Überrascht schaue ich ihn an. Leise lacht er und hilft mir vorsichtig ins Tshirt zu kommen. »Dein Gesicht hat Bände gesprochen.«
Als es schließlich geschafft ist, verlasse ich mit Raf das Badezimmer. Fragend schaut er zu mir rüber: »Brauchst du noch etwas?« Ich schüttel mit dem Kopf. Nickend geht er richtung Tür.
»Falls noch etwas ist, mein Schlafzimmer ist Ende des Flurs auf der rechten Seite. Ansonsten, gute Nacht, Liam.«
»Gute Nacht.«, meine Stimme gleicht einem Hauchen. Ich bin mir nicht sicher, ob er es überhaupt gehört hat.
Mein Blick schweift zum Bett. Das erste mal seit zwei Wochen wieder in einem weichen Bett schlafen. Das wird ungewohnt.
· · ·
Ich stehe mitten im Nichts. Um mich herum ist nur weiß. Keiner ist hier. Ich kann nichts hören, als wäre ich taub. Bin ich im Himmel? Plötzlich durch bricht ein lautes Piepsen die Stille. Es ist laut und schrill. Sehr laut. Zischend halte ich mir die Ohren zu. Trotzdem ist das Geräusch noch zu hören. Meine Ohren tuen weh. Ich will das nicht hören. Das Piepsen wandelt sich um in einen Schrei. Ein lauter, markerschütternder Schrei. Zwischen drin ein gehässiges Lachen. Doch der Schrei übertönt alles. Der Schrei ist Schmerz erfüllt.
Tränen sammeln sich in meinen Augen. Ich gehe auf die Knie. Ich will das nicht hören. Nein! Warum tut es so weh, das zu hören?
Auf einmal wird mir schwindelig. Der Schrei wird zu einem röcheln. Verwirrt schaue ich hoch. Und was ich da sehe, lässt mich geschockt nach Luft schnappen.
Mein Vater steht gebäugt über meiner Mutter. Er hat sie fest im Würgegriff. Ihre Augen schauen starr auf meinen Punkt. In meine Richtung. Aber warum zu mir? Kann sie mich sehen?
Da sehe ich, dass ein abbild von mir vor mir sitzt. Mein drei jähriges Ich. Welches weinend dabei sitzt. Nur fünf Meter entfernt und nichts anderes kann als zuschauen.
Mein kleines Ich fängt an zu schluchzen.
»Nein! Nein! MAMA!«
Auf einmal dreht sich alles. Ich drücke meine Augen zu. Der Schrei meiner Mutter wird immer leiser und leiser. Als er ganz verklungen ist, öffne ich wieder meine Augen.
Ich sehe die lüsternden Blicke meines Vaters über mir. Geschockt schaue ich zur Seite. Neben ihm stehen diese beiden Typen. Da wird mir bewusst in welcher Situation ich bin.
Ich fange an zu schreien, doch kein Ton verlässt meine Lippen. Mein Schrei ist nur laut in meinem Kopf zu hören. Und ich muss mit ansehen, was mir passiert ist. Mein Gehirn spielt mir alles wieder vor mir ab.
»NEIN! BITTE NICHT!« Ich schreie mir die Seele aus dem Leib, doch es scheint als würden sie nichts hören.
Schreiend winde ich mich. Ich will das nicht! ICH WILL DAS NICHT NOCH MAL ERLEBEN!
Plötzlich verlässt meine Seele meinen Körper. Nun stehe ich daneben und muss mit anschauen, was mir geschehen ist.
Nein! Nein! Nein! Hört auf! Bitte!
Schreiend sitze ich daneben. Ich kann meine Augen nicht verschließen. Es ist als ob eine Kraft mich davon abhält. Meine Lider sind so schwer, ich kann sie nicht nach unten bewegen. Schmerzlich muss ich mit ansehen, was mir angetan wurde.
Um den Schmerz auf einen anderen Punkt zu bringen, fange ich an mich zu kratzen. An den Armen. Doch nichts hält den Schmerz ab.
Ich schreie und schreie. Doch nichts kommt an.
»LIAM!«
Ich will das nicht. Ich will das nicht. Ich will das nicht. Doch das hat die drei nie interessiert.
»Liam!«
Was ist das?
Geschockt reiße ich meine Augen auf, als mich ein Schwall kaltes Wasser trifft. Dann krieche ich an den oberen Teil des Bettes, presse mich an die Wand. Ich kann nicht sehen, wer vor mir steht. Meine Sicht ist verschwommen, lauter Tränen verlassen meine Augen.
»Nein, nein, nein. Bitte nicht. Tut mir nichts.« Aufgeregt kratze ich meine Arme auf. Doch ich merke es gar nicht.
Wie in Trance schaue ich auf einen Fleck. Ich bekomme nicht mit, was um mich herum passiert. Das einzige was ich spüre, ist der Schmerz in mir.
»Nein. Nein. Nein.«
Immer fester kratze ich mich. Ich will diesen Schmerz nicht spüren.
»Scheiße. Was hat er?!«
»Ich weiß es nicht. Fuck.«
Ich höre Stimmen, doch weiß nicht was sie sagen.
Ich mache mich ganz klein. Möchte nicht gesehen werden. Habe Angst vor Bestrafungen.
»Mama...«
»Wie schaffen wir es, dass er wieder normal ist?«
»Man Raf, ich habe keine Ahnung.«
»Denkst du eine kalte Dusche kann helfen?«
»Ja, könnte klappen. Nur ob wir ihn anfassen können, weiß ich nicht.«
»Wenn wir es nicht versuchen, verletzt er sich noch mehr.«
Ich liege zusammen gerollt wie ein Igel auf einer weichen Unterlage. Meine Arme schmerzen, mein Körper schmerzt. Mein Herz schmerzt.
Ich will das nicht mehr spüren.
Und dann spüre ich Hände an meinem Körper die mich packen. Nein!
»Ganz ruhig Liam. Wir tun dir nichts.«
»NEIN! Nein! Nein...«
»Ganz ruhig. Wir passen auf dich auf. Hier passiert dir nichts.«
Nein! Ich will nicht wieder geschlagen werden. Ich versuche mich zu wehren. Schlage und Trete um mich.
»Ah fuck. Aua.«
»Halt ihn gut fest, Raf.«
Als würde mein Körper erschlaffen, mache ich nichts mehr. Es ist zu spät. Gleich passiert mir was. Ich kann mich nicht wehren. Ich bin zu schwach.
»Mama...«
»Komm, schnell. Ich hoffe deine Idee klappt.«
Ich spüre, wie ich getragen werde. Kann nichts erkennen. Die Stimmen kann ich nicht auseinander halten. Wer ist das? Ist das vielleicht sogar mein Vater?
Dann werde ich runter gelassen. Ich fange an zu zittern.
Ich spüre Hände an meinem Körper. Sie ziehen mir meine Klamotten vom Leib. Mein zittern wird stärker. Ich will das nicht.
»Ganz ruhig, kleiner. Wir wollen nur nicht, dass du erkältet wirst.«
Mein Tshirt wird mir ausgezogen. Mir wird kalt. Dann spüre ich Hände an meiner Hose. Wenn es noch schlimmer geht, wird mein zittern noch stärker. Nein. Bitte nicht.
Ich will das nicht noch mal erleben. Und dann ist auch schon meine Hose aus.
»Nein.«, flüstere ich. So gut es geht ziehe ich meine Beine an mich ran.
Und dann trifft mich ein kalter Strahl. Geschockt reiße ich meine Augen auf. Wasser kommt in meine Lunge, ich muss husten. Da werde ich auch schon vorsichtig aus der Dusche gezogen.
Verwirrt schaue ich mich um. Ich befinde mich auf dem Fußboden. Mit meinen Händen reibe ich mir die Tränen und das Wasser aus den Augen. Meine Sicht wird klarer.
Was ist passiert? Warum tun meine Arme weh?
Mein Blick fällt auf die beiden Personen, die vor mir gehockt stehen und mich besorgt und mitleidig anschauen. Was machen Raf und Max hier?
»Hey, kleiner. Wieder alles gut?«
Da fällt mir ein, was passiert ist. Was ich geträumt habe. Was ich gemacht habe.
»Mama...«, leise hauche ich dieses Wort und lege meinen Kopf auf die kalten Fliesen. Die Kälte durch strömt meinen Körper. Ich fange wieder an zu zittern.
»Hey, Liam. Du musst dich umziehen. Sonst wirst du krank.« Ich höre die Wörter aus Max Mund. Doch ich kann nichts verstehen. Ich kann nicht reagieren.
»Was jetzt?«
Ich spüre eine Hand auf meinem Kopf und zucke zusammen.
»Shh... ganz ruhig. Ist es okay, wenn wir dich umziehen?«
Noch total verwirrt und fertig nicke ich. Nicht denkend an meine Ängste. Das ist ganz hinten in meinem Kopf. Gerade denke ich nur an die Angsterfüllten Augen meiner Mutter.
Nur halb bekomme ich mit wie Hände meine Boxershorts ausziehen. Ich bekomme nicht mit, wie die beiden geschockt nach Luft schnappen.
»Ach du scheiße...«
Ich bekomme nicht mit, wie sie mich abtrocken und wieder anziehen. Ich bekomme nicht mit, wie Raf meine Arme verarztet. Ich bekomme nicht mit, wie Max mich hoch nimmt und ins Bett trägt.
Ich kann nur die Augen meiner Mutter sehen. Das wütende Gesicht meines Vaters. Mein kleines drei jähriges Ich.
Erst jetzt bekomme ich wieder etwas mit. Max sitzt vor mir im Bett, schaut mich besorgt an. Raf steht neben ihm und schaut genau so auf mich runter.
»Hey Kleiner, versuch wieder zu schlafen.«
Panisch schüttel ich den Kopf.
Ich kann das nicht noch mal sehen.
»Nein. Nein. Bitte nicht... ich kann das nicht... Nicht nochmal. Nein. Das zu sehen ist schrecklich.«, flüstere ich und schaue auf die Decke.
»Hey, ganz ruhig. Du musst nicht schlafen okay? Raf hol mal Kakao oder so, für ihn. Ich rufe kurz Jenny an und sage ihr bescheid.«
»Kleiner wir sind gleich wieder bei dir.« Eine Hand streichelt mir über den Kopf.
Ich höre Schritte, die den Raum verlassen.
»Was war das?«, dann geht die Tür langsam zu.
»Mama... warum hast du uns verlassen?«
[ 30.03.2019 | 1895 Wörter | 19:14 Uhr ]
Armer Liam...
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