Kapitel 57: Unkontrollierte Gedanken
Jeongguks Sicht:
Jahrelang habe ich versucht, dass Beste aus meinem Leben zu machen und meine Mitmenschen gut zu behandeln. Ich wollte niemals so egoistisch und hasserfüllt wie meine Eltern werden, die sich nur um ihren eigenen Arsch gekümmert haben. Ich habe es wirklich versucht, nett zu sein und jedem zu helfen, aber was habe ich im Gegenzug bekommen? Haufenweise Messer im Rücken, die ich einfach nur weg gelächelt habe. Yunho ist die einzige Person gewesen, die ich richtig an mich rangelassen habe und selbst er ist mir in den Rücken gefallen. Nun ist er tot und hat ein riesiges Loch in meinem Herzen geschaffen.
Emotionslos starre ich in den Spiegel vor mir und analysiere meinen ganzen Körper. Unter meinen Augen befinden sich dunkle, angeschwollene Augenringe. Meine Lippen sind aufgerissen und meine Haut ganz blass. An meinem Hals beginnen die blauen Flecken und Verletzungen, die sich über meinen gesamten Oberkörper verteilen. Es gibt kein einziges Körperteil, auf dem keine Verletzungen zu sehen sind.
"Ich bin so dumm", flüstere ich voller Abscheu und spüre diese unbendige Wut in mir.
Wollte ich wirklich den Superhelden spielen, weil es in meiner Lebensgeschichte nie einen gab? Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Wie ein Vollidiot habe ich mich ins Feuer geschmissen, da ich dachte, dass ich so viel erlebt habe und mich nichts mehr aus der Fassung bringen würde. Kein Wunder haben sich die anderen über mich lustig gemacht. Wahrscheinlich tun sie es in Gedanken immer noch. Ich bin eine blöde Witzfigur.
Ich kann nicht anders, als bitter aufzulachen. Was für ein verdammtes Klischee bin ich doch geworden. Der gute Junge, der immer für andere da war, der sich selbst aufgeopfert hat, nur um am Ende alleine dazustehen. Und wofür? Für Menschen, denen ich egal bin. Für ein System, das mich zerschlagen hat, Stück für Stück, bis nur noch dieser Schatten übrig geblieben ist.
Ich schließe die Augen, die Bilder von Yunho brennen sich in meinen Geist. Die Art, wie er es immer geschafft hat, mich zu beruhigen, wenn ich kurz davor war, die Kontrolle zu verlieren. Er war der Einzige, der mich wirklich gekannt hat. Und jetzt? Jetzt ist er tot – wegen seiner Geldgier und meiner Dummheit.
„Ich hätte bei ihm bleiben sollen... Ich hätte ihn nicht alleine lassen dürfen“, murmle ich vor mich hin, während ich eine Faust gegen den kalten Spiegel presse.
Das kalte Glas kühlt meine Haut, aber es ist, als würde es das Feuer in mir nur noch mehr anfachen.
Das Bild von Yunho in meinen Gedanken verschwimmt, vermischt sich mit den letzten Momenten, in denen ich ihn gesehen habe. Seine letzten Worte, seine letzten Blicke. Ich sehe seine leblosen Augen, sein erschlaffter Körper, und ein eisiger Schmerz durchzuckt mich.
„Scheiße, was habe ich getan...“, hauche ich, die Tränen, die ich so lange unterdrückt habe, brennen in meinen Augen, aber ich weigere mich zu weinen.
Was würde das jetzt schon bringen? Nichts kann ihn zurückholen. Nichts kann das wieder gutmachen, was passiert ist. Nicht meine Tränen, nicht meine Reue, nichts.
Ich schließe die Augen und lasse den Kopf gegen den Spiegel sinken. Die Kälte des Glases erdet mich, gibt mir einen Anker inmitten des Chaos in meinem Kopf. Ich weiß nicht mehr, was richtig oder falsch ist. Alles, was ich noch spüre, ist Schmerz. Und Wut. So viel Wut, dass es mich fast zerreißt.
Die Wut lodert weiter in mir, als ich auf meine eigenen Worte lausche. Alles in mir schreit danach, endlich frei zu sein. Es hat nichts mit den Jungs zu tun, auch wenn es sich so anfühlt. Es ist diese ständige Klaustrophobie, dieser Druck, der mich in die Enge treibt.
Ich will raus. Raus aus diesem verdammten Experiment, das uns hier festhält wie Tiere in einem Käfig. Jeder Tag, der vergeht, bringt nur noch mehr Schmerz, noch mehr Unsicherheit. Wie lange kann ich das noch aushalten?
Ich trete vom Spiegel zurück, mein Blick wandert zur Tür, als hätte ich eine Wahl, einfach hinauszugehen. Aber es gibt keinen Ausweg. Die verschlossenen Türen, die ständigen Beobachtungen – sie halten uns hier fest.
„Ich muss hier raus“, flüstere ich erneut, fast zu mir selbst, doch die Worte hallen in der leeren, sterilen Luft wider. Niemand hört zu. Niemand wird uns helfen.
Die anderen Jungs, die ebenfalls hier feststecken, mögen genauso leiden wie ich, aber ich kann nicht mehr so tun, als wären wir ein Team. Als könnten wir das gemeinsam durchstehen. Es gibt kein „wir“ mehr. Es gibt nur mich, und das, was von mir übrig ist.
Jeden Tag werde ich mehr zu einer Hülle von dem, was ich einmal war. Selbst Yunhos Tod, so sehr es mir auch wehtut, ist für die anderen kaum mehr als eine Tragödie, die sie in ihrem eigenen Überlebenskampf verdrängen. Für mich jedoch hat es alles verändert. Es hat mich zerbrochen. So sehr wie ich aus diesem Experiment entkommen möchte, so sehr fürchte ich mich in die Realität zurückzukehren. Was soll ich seiner Familie sagen? Sie werden mich irgendwann fragen, wo Yunho ist. Warum konnte ich nicht an seiner Stelle sterben? Mein Tod wäre für alle besser zu verkraften als seiner. Er hatte zwar ständig Stress mit seinen Eltern, aber sie haben ihn dennoch geliebt.
"Nein, nein, nein... Ich kann hier nicht raus", murmle ich mir panisch zu und spüre dieses enge Gefühl in meiner Brust, das mir die Luft raubt.
Ich schnappe stockend nach Luft und drücke meine rechte Hand gegen meinen Brustkorb, während ich mich mit der linken am Waschbecken festhalte. Mein ganzer Körper zittert und ich kann mich nicht mehr zusammenreißen. Bebend lasse ich mich zu Boden sacken und lege mich vorsichtig auf die Seite. Fest kralle ich meine Finger in meine Oberarme und umarme mich selbst. Die kühlen Fliesen lassen mich erschaudern, aber die Kälte auf meiner erhitzten Haut fühlt sich unfassbar gut an. Ich schließe langsam meine Augen und spüre die Müdigkeit tief in meinen Knochen. Das Einzige, was ich gerade möchte, ist einzuschlafen und nie wieder aufzuwachen. Aber ich kann nicht.
Meine Gedanken wirbeln durcheinander, und ich spüre, wie das Zittern in meinem Körper intensiver wird. Meine Hände klammern sich immer noch an meinen Oberarmen fest, als wären sie der letzte Anker, der mich davor bewahrt, komplett auseinanderzubrechen. Jeder Atemzug ist ein Kampf, jeder Gedanke bringt mich näher an den Rand des Abgrunds.
Ich weiß, dass ich hier nicht rauskomme. Nicht wirklich. Selbst wenn sie uns irgendwann gehen lassen – wenn ich diese Hölle überlebe – was soll dann aus mir werden? Draußen wartet nichts außer Schuld, Schmerz und Scham. Yunho ist tot. Weil ich nicht stark genug war, um ihn zu retten. Weil ich nicht mutig genug war, mit ihm zu fliehen. Sein Tod liegt wie eine Last auf meiner Brust, schwerer als die Luft, die ich versuche zu atmen.
Ich öffne langsam die Augen, meine Wimpern schwer von der Müdigkeit, die mich überwältigt. Der Raum ist verschwommen, und für einen Moment wünsche ich mir, dass diese Unschärfe alles verschluckt. Mich. Diesen Raum. Die Erinnerungen, die mich quälen.
"Ich will einfach nur aufhören zu fühlen...", flüstere ich, meine Stimme ist kaum mehr als ein Hauch.
Es ist, als hätte der Boden unter mir alle Energie aus mir gesogen, jede noch so kleine Spur von Kraft. Die Fliesen unter meiner Wange sind kühl und hart, aber irgendwie ist es beruhigend. Zumindest fühle ich etwas. Aber dieser Schmerz... dieser Schmerz ist zu viel.
Meine Gedanken kreisen zurück zu den Jungs, die hier mit mir feststecken. Ich hasse sie nicht. Ich kann es einfach nicht. Aber ich kann auch nicht mehr so tun, als wären sie meine Freunde. Taehyung... er hat mich fast umgebracht, aber auch das fühlt sich seltsam unwirklich an. Wir sind alle nur Schatten unserer selbst geworden, gefangen in diesem Experiment, das uns Stück für Stück zerstört.
Meine Finger graben sich tiefer in meine Haut, als könnte ich durch diesen Druck irgendeine Art von Kontrolle zurückgewinnen. Aber ich weiß, dass ich mich selbst belüge. Nichts hier ist unter meiner Kontrolle. Ich bin gefangen, sowohl körperlich als auch in meinen eigenen Gedanken.
Plötzlich höre ich Schritte im Flur. Sie kommen näher, werden lauter, aber ich rühre mich nicht. Es ist egal. Was spielt es für eine Rolle, wer hereinkommt? Was sollen sie schon tun? Mich trösten? Mich retten? Es gibt nichts mehr zu retten. Ich bin bereits verloren.
Die Tür öffnet sich, und ich höre jemanden leise meinen Namen rufen, aber ich weigere mich, zu reagieren. Ich schließe einfach die Augen und hoffe, dass die Dunkelheit mich endlich verschlingt.
Die Person lässt natürlich nicht von mir ab und rüttelt beinahe energisch an meiner Schulter. Widerwillig öffne ich meine Augen einen kleinen Spalt und sehe in das vernarbte Gesicht von Blauauge. Mein Herz setzt einen Schlag aus und augenblicklich bin ich hellwach. Ich schlucke hart und starre ihn regungslos an.
"Listen to me carefully. I only have a few minutes left before the professor finishes me off. I'll give you all my weapons and you hide them well so no one finds them. Try to break down the main door and escape from there. Escaping through the black space is your certain death. The hallway and the room from the beginning are not guarded. So your chances of survival are high. Okay, I wish you good luck, kid. Don't end up like me and I'm really sorry I can't help you more", rattert er herunter und holt auf einmal all seine Waffen aus seinen Taschen heraus, um sie vor mir hinzulegen.
Mir schießen Tränen in die Augen und ich packe ihm am Handgelenk, um ihn zu stoppen, aber er schüttelt den Kopf und macht weiter. Er weiß, dass er gleich sterben wird. Def Professor wird ihn zerfetzen, weil er ihn verraten hat. Ich raffe mich auf und schaue runter auf den Boden, auf dem ich zwei Pistolen und vier Messer vorfinde. Ich will das nicht. Wenn er mir seine ganzen Waffen gibt, kann er sich nicht mehr verteidigen.
"No, take it back", sage ich ihm und schiebe ihm alles mit zittrigen Händen zu.
"Stop. I know you lost your best friend, but you can't leave the other boys hanging because of him. He betrayed you even though he knew everything about you. At least the other boys regret treating you so terribly. So jump over your shadow and be a real team. That's the only way you can get out of here. That was my mistake back then", zischt er mich an und steht ruckartig auf, um sich schnell von mir zu entfernen.
"Henry, get your fucking ass out of that bathroom! NOW!", brüllt die verzerrte Stimme aus den Lautsprechern.
Das ist sein Todesurteil.
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