Kapitel 50: Verzweiflung zerstört von innen nach außen
Taehyungs Sicht:
Dieser verfickte Bastard. Wenn Jeongguks bester Freund ihn schon an dieses Experiment verkauft hat, dann hat Jinsung mich wahrscheinlich verschenkt. Allein mich leiden zu sehen, genügt ihm als Belohnung. Die anderen Jungs wurden ganz blass im Gesicht und überlegen sicherlich, wer aus ihrem Umfeld sie insgeheim vom tiefsten Herzen hasst. Der Jüngste unter uns klammert sich momentan an Hoseok, der ihn fest an sich drückt und in seinen Gedanken vertieft ist. Währenddessen starrt mich der Kleine durch seine angeschwollen Reh Augen an und beobachtet jede Reaktion meinerseits. Seitdem er mein ganzes Geheimnis kennt, lässt er mich nicht mehr aus den Augen. Vielleicht hat er Angst, dass ich mir eines Nachts die Kehle aufschlitze, weil ich es hier drin nicht mehr aushalte.
Wer weiß das schon? Mir ist nur klar, dass es nichts mehr nützt, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie mir mein eigener Schwager sowas antun konnte. Es war von vorne rein klar, dass Jinsung diesen Menschen erzählt hat, was er mir antut. Ich kann mir sogar vorstellen, dass er das mit vollem Stolz über die Lippen gebracht hat. Er liebt es, mich als sein Spielzeug zu benutzen und würde alles dafür gegeben, um bei diesem Experiment mitzumachen. Mein Blick wandert zu der einen Kamera an der Decke, die direkt auf mich gerichtet ist und ich bekomme eine widerliche Gänsehaut am ganzen Körper. Wenn Yunho uns schon die ganze Zeit beobachten darf, dann ist Jinsung auch irgendwo in diesem Gebäude.
„Denkt ihr wirklich, dass der Professor es wirklich erlaubt hätte, dass Jeongguk das Experiment verlässt?“, frage ich sie und wende meinen Blick von der Kamera kein einziges Mal ab.
„Ich denk schon... Er hat uns versprochen, dass er ihn gehen lässt, wenn wir dann alles tun, was er verlangt“, antwortet Hoseok unsicher, was mich ein wenig zum Grinsen bringt.
„Ich bezweifle das stark. Ich denke, dass er ihn nur auf der anderen Seite haben wollte, weil ihm ein Mann nun fehlt. Er würde es niemals riskieren, dass einer von uns zur nächsten Polizeistation rennt, während das Experiment noch läuft“, sage ich ihnen und scheinbar klingt das für Yoongi plausibel, da er langsam nickt und mir somit zustimmt.
„Wahrscheinlich hätten sie ihn wie seinen besten Freund unter Drogen gesetzt, um ihn gefügiger zu machen“, meint Yoongi und Jeongguk zuckt in sich zusammen, als das Wort 'Drogen' fällt.
„Und wenn schon... Ich hätte euch um keinen Preis verlassen“, murmelt der Jüngere und wird ganz rot an den Ohren vor Scham.
„Wenn es hart auf hart kommt, musst du uns irgendwann aufgeben“, erwidert Jimin ernst und ist sich wohl auch im Klaren, dass wir nicht alle lebend hier rauskommen.
Vielleicht möchte es Jeongguk nicht wirklich einsehen oder hängt an der Hoffnung, dass wir die restlichen Tage noch überstehen müssen und dann nach Hause gehen können. Wahrscheinlich hält dieser Gedanke ihn noch bei Sinnen. Wer kann es ihm verübeln? Er hat alles verloren, was er jemals besaß. Seine Schwester ist gestorben, seine Mutter redet nicht mehr mit ihm und sein bester Freund hat ihn verraten.
„Es nützt gerade überhaupt nichts, darüber nachzudenken, was passiert wäre, wenn der Kleine sich anders entschieden hätte. Wir können froh sein, dass wir noch vollständig sind und keiner von uns so wirklich zu Schaden gekommen ist... Naja, abgesehen von unserer Psyche“, meldet sich der Älteste zu Wort, der auf seinem Bett sitzt und Namjoon plötzlich einen komischen Blick zuwirft.
Aus dem Augenwinkel erkenne ich, wie sich Namjoon am ganzen Körper anspannt und seine Hände zu Fäusten ballt. Hier stimmt irgendwas nicht. Ich runzle die Stirn und scanne die anderen Jungs von oben bis unten ab. Alle außer Jeongguk, der sich mittlerweile aus Hoseoks Umarmung befreit und sich hingelegt hat, sind vollkommen angespannt. Die verschweigen uns etwas. An ihrer Erzählung roch irgendwas faul, aber ich weiß nicht, was es genau sein könnte. Wenn sie den Professor provoziert haben, dann müssen sie irgendwie bestraft worden sein.
In den letzten Tagen haben wir gesehen und zu spüren bekommen, dass er über Leichen für dieses Experiment geht. Für mich macht es keinen Sinn, dass er ihnen einfach so ein Angebot gemacht hat.
Ruckartig stehe ich von meinem Stuhl auf und stelle mich genau vor Namjoon hin, der überrascht zu mir hoch schaut und seine Augen weit aufreißt, als ich den Stoff seinen T-Shirts packe und es mit einem Ruck hochziehe. Wie erwartet offenbaren sich haufenweise Blutergüsse und Kratzer auf seinem kompletten Oberkörper. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und sehe unsere Nummer 4 entgeistert an.
„Was zur Hölle?“, kommt es schockiert aus Jeongguk, der in der nächsten Sekunde schon aufsteht, um sich die Verletzungen anzusehen.
„Wenigstens haben sie euch nicht die Fresse poliert. Ich würde vorschlagen, dass wir mit diesen ganzen Lügen einfach aufhören. Wir müssen der Tatsache ins Auge gesehen, dass wir einfach gefickt sind und für jeden Fehler von diesen Bastarden bestraft werden“, gebe ich gereizt von mir und kann nicht fassen, dass sie uns schon wieder irgendwas verheimlichen wollten.
„Seht ihr etwa alle so aus?“, fragt Jeongguk besorgt in die Runde, woraufhin die anderen bloß schweigen.
„Das deutet auf ein klares 'Ja' hin. Was habt ihr euch bloß dabei gedacht, diese Idioten zu provozieren? Ihr habt doch gesehen, was sie mit einem ihrer Verbündeten getan haben! Wolltet ihr euer Leben riskieren?“, meine ich und bin einfach sprachlos.
„Ja, es war dumm! Aber denkst du, dass es uns Spaß gemacht hat, euch dabei zuzusehen, wie sie euch mental komplett durchficken und euch dazu gezwungen haben, eine verdammte Leiche zu verstümmeln?! Wir mussten unseren Frust irgendwie rauslassen!“, faucht Seokjin mich an, steht von seinem Bett auf und kommt auf mich zu.
„Euren Frust? Ihr habt euch nur damit in Gefahr gebracht! Auf euch werden auch noch Aufgaben warten, also solltet ihr euch nicht leichtsinnig mit ihnen anlegen“, zische ich zurück und verstehe nicht wirklich, warum er so schnippisch wird.
„Okay, kommt endlich mal runter! Vergangene Dinge kann man nicht mehr ändern. Wir müssen nach vorne schauen und froh sein, dass einer von ihnen tot ist und nicht einer von uns!“, geht Jimin zwischen uns und schiebt uns beide an der Brust auseinander.
„Er ist derjenige, der sich merkwürdig verhält! Seit dem der Professor ihn dazu gezwungen hat, die Wahrheit zu sagen, erkenne ich Taehyung kaum wieder!“, ruft Seokjin verärgert und zeigt mit dem bloßen Finger auf mich.
„Was kümmert es dich, ob ich mich anders verhalte oder nicht? Jeongguk ist auch nicht mehr derselbe. Warum wirst du bei mir böse und bei ihm nicht?“, frage ich ihn angespannt und bin kurz davor komplett auszurasten.
„Was es mich kümmert? Ist das dein Ernst? Du wolltest dich vor diesem Experiment noch umbringen! Es wäre unmenschlich, wenn es-“, versucht er zu erwidern, jedoch überkommt mich meine Wut, sodass ich ihn sofort unterbreche.
„HALT DIE KLAPPE! ICH BIN MEHR ALS DAS!“, schreie ich ihn über Jimin hinweg an, der sich die Ohren zuhält und sich schockiert zu mir umdreht.
Seokjin reißt die Augen auf und geht einen Schritt zurück. Es herrscht durch mein Schreien totenstille im Wohnraum. Die Jungs starren mich einfach nur an und wagen es nicht noch ein Wort über die Lippen zu bringen. Mein ganzer Körper zittert und mir steigen Tränen in die Augen, die ich jedoch wegblinzle. Für mich ist es das schlimmste Gefühl von jedem als dieses verdammte Opfer gesehen zu werden. Es ist so entwürdigend.
„Ich... Ich bin mehr als dieser Suizidversuch. Ich bin auch nicht nur ein Opfer von Missbrauch. Das zeichnet mich nicht aus. Vielleicht hatte ich einen Moment der Schwäche und habe mich auch nie getraut, mich jemanden anzuvertrauen... Aber ich habe mir versprochen, dass ich ihm alles heimzahlen werde, wenn ich dieses Experiment überlebe. Also macht euch keine Sorgen um mich. Ich will einfach nur das Beste für uns alle“, sage ich mit dünner Stimme und kämpfe gegen den Drang an zu heulen.
Die Jungs nicken still und wissen wahrscheinlich nicht, was sie sagen sollen. Darum wende ich mich von ihnen ab und laufe mit schweren Beinen zurück zu meinen Bett, auf das ich mich setze und mir über das Gesicht fahre. Jimin ist mir scheinbar gefolgt, da er sich zu mir setzt und mich fest von der Seite umarmt. Er sagt nichts, sondern hält mich einfach fest. Meine Kehle schnürt sich zu und ich lege meine linke Hand auf seinem Unterarm, während ich den Kloß in meinem Hals runterschlucke. Seokjin lässt sich ebenfalls neben mir nieder und legt einen Arm um meine Schulter.
„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anfahren. Mir steigt das alles einfach zu Kopf und ich möchte keinen von euch verlieren...“, entschuldigt er sich und lehnt seinen Kopf an meinen.
Seufzend schließe ich die Augen, jedoch bricht der angestaute Damm in mir, sodass ich anfange zu weinen. Das ist alles so eine verfickte Scheiße. Ich habe mit meinen eigenen Händen einen Toten zerstückelt. An meinem ganzen Körper hat so viel Blut geklebt und diese Kälte seiner leblosen Haut spüre ich immer noch auf meinen Händen. Wie soll ich nach all dem meinen Eltern in die Augen schauen? Ich kann doch niemals wieder nach Hause zurückkehren. Davor war es schon schwierig mit meinen Eltern zu reden, weil ich mit der Angst lebte, dass Jinsung ihnen eines Tages einfach erzählte, dass ich auf Männer stand. Aber jetzt konnte ich ihnen doch nie mehr in die Augen schauen.
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