12. Anders als erwartet (Nathaniels POV)
Ich sehe wie Lisa aufsteht, sich allerdings weiter im Hintergrund aufhält. Ganz im Gegensatz zu Kentin, der einige Schritte weiter auf mich zugeht. Ich lasse mich nicht dadurch einschüchtern. Im Gegenteil, ich komme ihm sogar entgegen. Zumal ich größer bin als er und das um ein ganzes Stück. "Ich habe dich was gefragt", äußert er nun ungeduldig. Schnurstracks blicke ich ihm in die Augen. Was denkt er eigentlich wer er ist? Mal ganz davon abgesehen dass er seine Hände nicht bei sich behalten kann?! So ein ... Verdammt, ich muss Ruhe bewahren. Ich darf jetzt keinen Anspruch auf Lisa erheben, obwohl ich jedes Recht dazu hätte ... Ich atme einmal tief ein und aus, ehe ich antworte: "Feuerholz holen." Mit einer flüchtigen Augenbewegung deute ich auf den Stapel, auf dem die beiden vorhin noch gesessen haben. Lisa dreht sich leicht zu diesem um, dann wieder zu mir. Ihr Gesichtsausdruck zeugt von Besorgnis. Zumindest macht es auf mich diesen Eindruck. "Dann nimm es dir und geh wieder." Kentins Stimmlage scheint sich wieder zu beruhigen, nachdem ich ihm ein Grund für mein plötzliches Auftauchen geliefert habe. Ich gehe an ihm sowie an Lisa vorbei, um folglich mehrere Stücke Holz auf meinem rechten Arm zu stapeln. Die Stille währenddessen ist kaum erträglich. Die Lautstärke meiner Gedanken umso schriller. Es ist nicht mal gelogen dass ich hier bin um Feuerholz zu holen. Mrs. Delaney hat mich dazu gebeten, da sich der Großteil der Klasse um das Kaminfeuer in der Lobby versammelt hat. Als ich zugestimmt hatte konnte ich ja nicht ahnen dass ich Sekunden später Lisas und Kentins Gespräch vernehmen kann, ohne überhaupt die Tür öffnen zu müssen, um sie besser zu verstehen. Letztendlich aber wusste ich was er ihr zu sagen hat und das wollte ich mir wirklich nicht geben. Womit ich allerdings nicht gerechnet habe waren seine Arme um ihrer Taille. Am liebsten hätte ich ihn sofort von ihr weggerissen ...
"Wenn es geht heute noch", drängt der Brünette weiter.
Lisa zischt: "Kentin ..."
"Was? Wir waren schließlich gerade mitten im Gesprä-"
"Ich bin sofort fertig", gebe ich stumpf zurück und nehme noch ein letztes Exemplar Feuerholz mit auf den Arm. "Ihr könnt jetzt weiter ungestört sein." Zugegeben, ich hätte mir diesen Satz auch sparen können. Ich will Lisa gar kein schlechtes Gewissen einreden oder etwas dergleichen aber ich muss wenigstens ein bisschen rauslassen dass mich dieses Treffen der beiden stört. "Okay", höre ich sie noch murmeln. Ich schenke ihr einen letzten Blick, den ich allerdings nicht zu lange verweilen lasse. Kentin ignoriere ich weitestgehend. Er kann froh sein dass ich nicht so schnell die Beherrschung verliere. Trotzdessen lasse ich meine Verärgerung erneut raus, indem ich die Tür hinter mir heftig zu schlage. Ich hoffe Lisa kommt gleich nach und verbringt nicht weiter ihren Abend mit diesem Idioten. Offensichtlich findet er immer noch was an ihr. Was ich auch verstehen aber nicht dulden lassen kann und will. Diese Geheimnistuerei geht mir gerade gehörig auf die Nerven ...
Am Kaminfeuer lasse ich meine gefundene Ware ab, bevor ich mich missmutig zurück auf eines der Sofas begebe. Es dauert nicht lange bis sich Melody zu mir setzt. Obwohl ich sie mag kommt sie mir gerade mehr als ungelegen. "Hey Nath", begrüßt sie mich aufgeweckt und rückt so nahe an mich ran, sodass kein Spalt mehr zwischen unseren Beinen frei ist. "Hallo", antworte ich trüb.
"Oh, stimmt etwas nicht?"
"Nein, es ist alles in bester Ordnung." So tun, als wäre dem wirklich so, kann ich gut.
"Ach, da bin ich erleichtert! Ich dachte schon du hättest irgendwelche Sorgen", stößt sie erleichtert mit einem Grinsen auf den Lippen aus. Ich lächle sie an, um meine Worte zu untermalen. Sorgen habe ich nicht. Die Singularformulierung würde hingegen wieder zutreffen. Die Brünette neben mir fängt plötzlich an zu zittern. Ich ziehe verwundert die Augenbrauen hoch und frage: "Ist dir etwa kalt?"
"Ja! Und wie!"
"Dabei sitzen wir doch am Kaminfeuer ..." Ich schaue mich um, ob ich zu voreilig Schlüsse ziehe, doch bis auf Melody friert niemand auch nur ansatzweise. Nichtmal Kims freie Arme ziert ein Hinweis darauf. Verdutzt schaue ich wieder in Melodys blaue Augen. "Ähm", zögere ich etwas, "vielleicht solltest du dich dann nach da vorne, zu Peggy, setzen? Da bist du näher am Feuer." Enttäuschung breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Habe ich was falsches gesagt?
"Also eigentlich dachte ich du ..." Sie hört mitten im Satz auf.
"Ich?"
"Ja ..."
Plötzlich leuchtet mir ein was sie sagen will. Beziehungsweise was sie von mir will. Unsicher beginne ich leise zu lachen. "Du solltest dich wirklich besser nach da vorne setzen, Melody."
"Aber warum denn?"
"Weil es hier, neben mir, auch nicht wärmer wird ..." Ich könnte ihr klipp und klar sagen, dass ich sie nicht aufwärmen werde, indem ich mit ihr kuschle oder etwas dergleichen aber ich würde mir dabei etwas zu harsch vorkommen. Vielleicht interpretiere ich ihre Worte aber ja doch falsch?
"Ich will aber bei dir bleiben", gibt sie mit einem Schmollmund zurück. Nein, ich liege richtig mit meiner Deutung. "Oder hast du ein Problem damit?"
"Nein, von mir aus kannst du hier bleiben aber wie gesagt."
Sie seufzt, als wäre eine Unterhaltung mit mir äußerst schwierig. Ich mache es ihr aber auch gerade nicht leicht, das ist mir klar. Doch was soll ich sagen? Nein, Melody, ich werde nicht meinen linken Arm um dich legen, weil ich erstens nichts von dir will und zweitens wieder mit Lisa zusammen bin aber behalte das bitte für dich? Mir wird das hier gerade wirklich zu unangenehm. Ich stehe auf.
"Wo gehst du denn hin?", erkundigt sich Melody, mit gerunzelter Stirn. "Raus?"
"Vielleicht. Mal sehen. Es kann auch sein dass ich heute mal früher als sonst schlafen gehe."
"Ich könnte dir Gesellschaft leisten, wenn du raus gehst?"
"Ich habe mich gerade entschieden auf mein Zimmer zu gehen, tut mir leid. Wir sprechen uns morgen." Ich verabschiede mich nur noch flüchtig von Armin, der meine Entscheidung genauso wenig nachvollziehen kann, wie Melody, doch mir ist das ziemlich gleichgültig. Einen Moment überlege ich nochmal zur Blockhütte, in der sich Lisa und Kentin offensichtlich noch immer befinden, zurückzukehren aber mir wird schnell bewusst dass dies ohne Sinn wäre.
Auf meinem Zimmer schnappe ich mir einen der Kriminalromane, die ich von Zuhause mitgenommen habe, allerdings packe ich diesenvon genauso schnell wieder weg, wie ich nach ihm gegriffen habe. Ich kann gerade nicht lesen. Nicht solange meine Freundin sich mit diesem ... Okay. Entspann dich, Nathaniel. Du bist drauf und dran maßlos eifersüchtig zu werden ... Es ist wiederum so unfair, dass die Umstände, unter denen Lisa und ich zusammen sind, dieses Gefühl auch noch fördern. Sobald wir wieder daheim sind, gehe ich eine Runde Boxen. Es ist gerade mal der erste Tag hier, in Arlberg, vergangen und ich bin jetzt schon kurz davor überzukochen. Was soll ich nur machen? Ich kann nichts machen! Es treibt mich noch in den Wahnsinn ...
Ich versuche mich selbst zu beruhigen, indem ich die Wände sowie die Decke des Zimmers anstarre. Tatsächlich bin ich dadurch nicht mehr so geladen, wie vor einigen Minuten noch. Plötzlich vernehme ich ein Klicken, durch das ich meinen Oberkörper leicht erhebe und zur Tür blicken kann. Unmittelbar danach öffnet sie sich und Kentin kommt dahinter zum Vorschein. Juhu. Willkommen zurück, Zimmergenosse. Ich lehne mich wieder komplett zurück und schaue starr zur Decke hinauf. Ich war schließlich noch nicht fertig damit. Nebenbei höre ich das leise Rascheln von Kentins Bettdecke, woraus ich schlussfolgere, dass er soeben die selbe Liegeposition eingenommen hat. Auch wenn ich mich nicht unbedingt mit ihm verstehen will, wünschte ich gerade wir würden wenigstens so gut miteinander auskommen, dass ich einfach fragen könnte, warum er mit Lisa in diesem mehr oder weniger ranzigen Schuppen war. Als hätte ich meine Gedanken laut ausgesprochen, beginnt der Brünette ein Gespräch, das genau dieses Thema anschneidet: "Warst du eben echt nur da, um Feuerholz zu holen?"
Verwundert sehe ich ihn an. "Ja, warum fragst du?"
"Erschien mir halt ziemlich aus der Luft gegriffen, deine Antwort."
"Frag Mrs. Delaney, wenn du mir nicht glaubst."
"Nein, schon gut", winkt er lässig ab. "Der Schülersprecher wird seine Untertanen schon nicht belügen."
Er provoziert mit vollem Bewusstsein! Wie ich sowas nicht ausstehen kann! Auch wenn er und Castiel sich gegenseitig ein Dorn im Auge sind, hat Kentin wenigstens noch Angst vor dem Rothaarigen. Nicht dass er sich vor mir fürchten soll, nur ein wenig mehr Humanität und Respekt wäre wünschenswert. "Ich wäre dir dankbar, wenn du solche Bemerkungen unterlässt", gebe ich schließlich kund.
"Alles klar", lacht er nur zynisch zurück. Wie gerne ich gerade aufstehen, ihn mir packen und ihn als Boxsack benutzen würde! Unbewusst beginne ich meine Fäuste zu ballen. Kentin erhebt seinen Kopf leicht und sieht zu mir rüber. Ein kleines Grinsen breitet sich auf seinen Lippen aus. "Mache ich dich etwa wütend?"
"Ganz ehrlich, lass mich einfach in Ruhe." Ich sollte besser nicht weiter auf seine Sticheleien eingehen. So sehr es auch in mir brodelt.
Seine Miene wird wieder ernster, wobei er seinen Kopf auf sein Kissen herablässt und kurz darauf erneut zur Decke sieht. Nach einer stillen Weile fragt er zögernd: "Und wenn ich dich etwas fragen will?"
Ich seufze. "Stell sie."
"Liebst du Lisa noch?"
Mir stockt der Atem. Es fühlt sich an, als müsste ich jeden Moment kräftig husten, doch es kommt nichts raus. Stattdessen bleibt dieser dicke Kloß, der sich innerhalb weniger Millisekunden gebildet hat, in meinem Hals stecken. Ich schlucke heftig, ehe ich meinen Blick ein wenig der Wand zuwende, die rechts von mir ist. Aus dem Augenwinkel erkenne ich Kentins Silhouette, die sich nun in eine Sitzposition begeben hat. Er hakt weiter nach: "Oder liegt dir noch was an ihr?"
Ich wüsste nicht was dich das angeht, würde ich am liebsten antworten, doch er stellt seine Fragen plötzlich mit solch einer Ruhe, dass ich eine Entgegnung dieser Art nicht mit mir selbst vereinbaren kann. Ich streiche mir langsam durch die Haare, bevor ich zu ihm rüber schaue. "Warum interessiert dich das?"
"Ich bin vielleicht nicht so schlau wie du aber auch kein Idiot."
"Das beantwortet meine Frage nicht."
"Denkst du ich habe nicht gemerkt wie es dir überhaupt nicht gepasst hat, dass Lisa mit mir ihre Zeit verbracht hat?"
"Ich weiß nicht wovon du sprichst", gebe ich selbstsicher zurück.
"Ach, komm schon! Ich bin doch selbst ein Kerl."
"Tro-"
"Und ich bin nun schon lange genug in Lisa verliebt. Ich kenne diese Art von Reaktionen vermutlich immer noch am besten. Also, sag schon!"
Dieses Gespräch hat nun eine wirklich eigenartige Wendung genommen. Er spricht mit mir gar nicht mehr in diesem streitsüchtigen Unterton. Obwohl er ausgesprochen hat, was ich ohnehin schon längst wusste - aber nicht wahrhaben wollte - kann ich gerade nicht sonderlich wütend auf ihn sein. Ich hätte immer noch lieber dass er sich ein anderes Mädchen sucht aber ... Naja, wie auch immer, ehrlich antworten kann ich nun trotzdem nicht. "Nein."
"Nein? Du lügst doch."
"Nein", sage ich nochmal kräftiger.
"Hm. Ich glaube dir nicht."
"Dazu bist du auch nicht verpflichtet, wir sind schließlich nur Klassenkameraden und keine Freunde."
Er antwortet nicht darauf, stattdessen steht er auf und geht auf die Tür zu. "Ich verschwinde zu den Anderen", verabschiedet er sich mehr oder weniger und ich sehe ihm nach, wie er das Zimmer verlässt. Ich atme einmal tief ein und aus, als er die Tür hinter sich geschlossen hat, und überlege was diese Unterhaltung nun sollte. Zudem bin ich mir noch nicht darüber im Klaren, ob ich beunruhigt oder gleichgültig sein soll. Er glaubt mir nicht dass ich Lisa nicht mehr liebe und das zu Recht, doch dass soll er ja eben nicht wissen. Unerwartet klopft es an der Tür. Ob Kentin was vergessen hat? Seinen Schlüssel? Sonst müsste er ja nicht klopfen ... Ich stehe auf, um die Türklinke runterzudrücken. Doch es ist nicht Kentin, sondern Lisa, die zum Vorschein kommt. Sie lächelt mich etwas unsicher an. "Hallo", begrüßt sich mich in sanfter Stimmlage.
"Hallo", spreche ich aus, als hätte ich gerade erleichternde Neuigkeiten erfahren, und ziehe sie zu mir herein. Nachdem ich die Tür hinter ihr eher zugeknallt als geschlossen habe, greife ich sie mir an ihrer Taille und hebe sie hoch. Sie schlingt unmittelbar ihre Beine um mich und wir beginnen uns leidenschaftlich zu küssen. Gefühlt ist es eine Ewigkeit her, dass wir das getan haben. Umso größer ist nun mein Verlangen nach ihr. Ich lege meine rechte Hand in ihren Nacken, um unsere Zungenküsse noch weiter zu intensivieren. Währenddessen gehe ich mit Vorsicht einige Schritte zurück, bis ich an mein Bett stoße und nicht mehr weiter komme. Ich lasse mich bedachtsam nieder auf diesem, bis ich mich sogar ganz hinlege und Lisa sich mit ihren Armen über mir abstützen kann. Mir wird ganz heiß und ich verliere beinahe den Verstand, durch ihre Küsse. Ich liebe meine 1,53 Meter kleine und dunkelbrünette Freundin so sehr. Wenn ich wieder daran zurückdenke, dass ich nicht der Einzige bin, der diese Gefühle für sie empfindet, könnte ich wieder rasend werden, doch dann erinnere ich mich wieder an ihre beruhigenden Worte von damals: Ich habe mich in dich verliebt, Nathaniel. Es ist mir egal, wer mich haben will. Das sollte es dir auch, denn ich gehöre bereits dir und ich will zu niemand anderes gehören. Ja. Sie gehört mir. Mir ganz allein. Besonders jetzt. Hier. In diesem Moment. Ich erstreife mir langsam mit meinen Händen den Weg unter ihren Pullover. Ihre Haut da drunter ist so warm und weich. Sie lässt mich all die negativen Gefühle, vor ihrem Erscheinen bei mir, wieder vergessen. Wie unglaublich toll sie doch ist. Ich wende mich von ihren zarten Lippen ab, um folglich ihren Hals hinunter zu küssen. Dabei streichle ich über ihren Rücken und ich sehe, wie sie sich fallen lässt und mit geschlossenen Augen jede meiner Berührungen vollständig genießt. Ich kann nicht verhindern wie sehr mir dieser Anblick gefällt. Sie kichert leise, als ich ihr Ohr küsse und in dieses hineinhauche: "Ich liebe dich." Sie greift mit einer ihrer Hände wieder mein Gesicht und drückt mir einen liebevollen Kuss auf die Lippen und dann noch einen und noch einen und noch einen. "Ich liebe dich auch", antwortet sie schließlich lächelnd und zieht mich an meinen Schultern herauf, sodass ich sitze und sie auf meinem Schoß ist. Ich will ihr gerade den Pullover über den Kopf ausziehen, da kommt sie mir zuvor, indem sie meinen zuerst abstreift. Danach komme ich zum Zug und küsse gelinde ihre Schlüsselbeine, als würde ich sie zerbrechen, wenn ich auch nur ein bisschen stärker meine Lippen auf sie presse. Ein leises Seufzen entwischt ihr. Mir ist bewusst dass dieser Ort nicht der beste dafür ist, um mit ihr zu schlafen, doch ich kann meine Gefühle nicht länger zurückhalten. Sie macht mich wahnsinnig. Ich packe ihren Oberkörper und drehe mich geschwind mit ihr, sodass sie plötzlich unter mir liegt. Sie grinst mich erstaunt an. "Das ging schnell", lacht sie. Ich nicke und lächle sie an, ehe ich ihren Bauch entlang weiter runter küsse. Nach und nach befreie ich sie von den restlichen Kleidungsstücken, um jede einzelne ihrer Körperstellen besser liebkosen zu können. Ich verfalle förmlich in solch einen Rausch, dass ich nicht mehr Herr meiner Sinne bin. Alles was jetzt noch zählt ist Lisa und wie nahe ich ihr sein will. "Komm zu mir", flüstert sie irgendwann ungeduldig. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich komme wieder zu ihr rauf und als ich ihr endlich so nahe bin, dass es näher nicht mehr geht, fahre ich ein wenig runter und will sanft sein. Allerdings zeigt sie mir schnell, dass sie das gar nicht will. Sie will mich abrupt. Abrupt und direkt. Während ich ihr diesen Wunsch erfülle, bekomme ich ihre Fingernägel in meinem Rücken zu spüren. Bald, Lisa. Bald können wir endlich wieder allen zeigen, dass wir zueinander gehören. Kein Verstecken mehr, keine Lügen mehr. Ich freue mich auf diese Zeit. Das waren meine letzten Gedanken, bevor meine Lust mich komplett einnahm und ich nur noch die Augen zukniff, ihren Körper fester an meinen drücke, bis mir nichtmal mehr unsere Haut als letzte, undurchbrechbare Grenze zwischen uns vorkommt, und letztlich alles Blut in mir kocht und mein Leib anfängt zu zittern.
Erschöpft lasse ich für einen Moment die Augenlider nieder, während ich Lisa durch ihr langes und mittlerweile ein wenig verknotetes Haar streiche. "Schön, dass du gekommen bist", spreche ihr zaghaft zu.
"Ich hatte Sehnsucht nach dir, Nath. Dich die ganze Zeit in meinem Umfeld zu haben aber dir nicht richtig nahe sein zu können kann wirklich anstrengend sein."
"Ich weiß. Mir ergeht es nicht anders." Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. "Das tut mir auch leid für dich."
Sie schlägt leicht mit ihrer Hand auf meiner Brust auf. "Hör auf mit deinen Entschuldigungen", sagt sie einerseits ernst aber andererseits zerstört ihr leichtes Lächeln diese Ernsthaftigkeit wieder.
"Schon gut, schon gut", lache ich. Wir sehen uns tief in die Augen, bevor unsere Lippen wieder aufeinander treffen.
"Ich möchte hier bleiben", seufzt sie.
"Das hätte ich auch gerne. Wollen wir nicht zusammen ein Zimmer besetzen und Kentin und Amber werden neue Zimmerkollegen?"
"Naja, eher Zimmerfeinde", berichtigt sie mich grinsend.
"Na und", antworte ich und gucke sie entsetzt an, "momentan sind wir doch alle vier unglücklich. Besser wäre es, es sind nur zwei!"
"Nathaniel!" Sie klingt schockiert.
"Was?"
Sie grinst: "Wie kann es sein, dass der Schülersprecher so egoistisch denkt?!"
"Wenn es um dich geht, kann ich das sehr schnell werden ..."
Nachdem wir uns angezogen und sie mir einen Kuss auf die Wange gegeben hat, steht der Moment unserer Verabschiedung bevor. Doch unerwartet kommt sie auf Kentin zurück: "Es tut mir übrigens leid, dass du da vorhin so hinein geplatzt bist", sagt sie reumütig.
"Naja, wirklich etwas dafür konntest du ja nicht."
"Ich wollte mich mit ihm über Alexy unterhalten aber er hat so dermaßen abgeblockt, es war ... Willst du das überhaupt hören?"
"Natürlich", antworte ich und neige meinen Kopf leicht zur Seite, "ich möchte mir alles anhören, was du zu erzählen hast."
Sie lächelt entzückt. "Gut. Jedenfalls war es frustrierend und anstrengend ... Seltsamerweise ist er mir dann wieder so nahe gekommen und ich war komplett verwirrt, weil ich dabei ständig dieses Bild von ihm und Alexy, auf meiner Geburtstagsfeier, im Kopf hatte. Weißt du, das hat einfach nicht gepasst!"
"Lisa ..." Ich zögere unsere Verabschiedung jetzt nur weiter hinaus aber will ihr das noch persönlich sagen: "Kentin war, wie du vermutlich gesehen hast, kurz hier, bevor du gekommen bist."
"Ja, ich weiß. Ich habe nämlich die ganze Zeit über gewartet, dass er von hier wieder verschwindet. Aber warum erwähnst du das?"
"Weil er mit mir über dich gesprochen hat."
"... Wie?"
"Er wollte von mir wissen, ob ich dich noch liebe."
"Aber du hast das verneint, richtig?"
"Richtig, aber er hat mir das nicht geglaubt."
"Okay ... Wie kommt er darauf?"
"Er meint aufgrund meiner Reaktion, als ich euch beide zusammen gesehen habe."
"Man hat schon gemerkt, dass es schönere Dinge für dich zu sehen gibt, als das, aber wenn ich dich nicht besser kennen würde, würde ich nicht unbedingt davon ausgehen, dass dich das verärgert hat."
"Kentin ist davon überzeugt, dass ich ihm nicht die Wahrheit gesagt habe."
"Hm", sagt sie leise und denkt nach. "Das klingt nicht so als hättet ihr euch gestritten. Habt ihr ganz normal darüber geredet?"
"Joa, schon. Am Anfang hat er wieder derartig provoziert aber plötzlich hat sich dieses Gespräch um 180 Grad gedreht und er war ganz ruhig."
"Seltsam ..."
"Ich kenne ihn zwar nicht so gut, wie du, aber das kam mir auch ziemlich eigenartig vor."
"Nun gut. Ich denke ich sollte jetzt besser gehen, bevor wir noch auf ihn treffen."
"In Ordnung", stimme ich widerwillig ein.
"Gute Nacht, mein Liebster", verabschiedet sie sich mit einem warmen Lächeln und darauf folgenden herzlichen aber innigen Kuss. Ich komme ihrem Kuss direkt entgegen, wobei ich ihr die Tür öffne. Wir entfernen uns voneinander. "Träum was schönes. Ich schreibe dir", sage ich ihr noch hinterher. Sie dreht sich ein letztes Mal zu mir um, wodurch ihr wehendes Haar ihrem süßen Lächeln schmeichelt. Ich will gerade wieder in mein Zimmer zurück, da entdecke ich Castiel den anderen Flur entlang kommen, aus dem Lisa gekommen ist. Er sieht mich skeptisch an, zieht dabei eine Zigarette aus seiner Hosentasche raus und steckt sich diese in den Mund.
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