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Luna
Nach einigen Stunden ist Skye auf meinem Schoß eingeschlafen und auch Siobhan wirkt so, als würde sie jeden Moment zur Seite kippen und anfangen zu schnarchen. Obwohl Soleil keines der Spiele kannte, die wir gespielt haben, und bei den Erklärungen häufig verwirrt war und mehrfach nachfragte, hat er ausnahmslos jedes Spiel gewonnen. Inzwischen wird er zunehmend begeisterter von den Brettspielen und ich weiß gar nicht, wie ich ihm schonend beibringen soll, dass sich der Abend dem Ende zuneigt.
In diesem Augenblick besiegt Soleils Armee auch Dylans letzte Soldaten auf dem Risiko-Spielbrett vor uns. Nun sind nur noch wir beide übrig und es sieht nicht gut für mich aus: Soleil gehören alle Kontinente bis auf Asien und Australien. Letzteres gehört mir – in Asien habe ich dagegen nur einen einsamen Vorposten. Soleil wird in der nächsten Runde für jeden Kontinent Bonustruppen erhalten und mich ohne Zweifel sofort überrennen.
Dylan reicht seine Karten an Soleil weiter, dessen Gesicht sich bei deren Anblick aufhellt. Scheinbar kommt meine Vernichtung schneller als gedacht ... Doch Soleil mustert das Spielbrett und runzelt die Stirn, bevor er die Würfel an mich weiterreicht, ohne einen weiteren Zug zu machen.
»Danke«, sage ich überrascht und beginne seine Länder in Asien anzugreifen.
»Ich muss der Dame doch eine faire Chance geben«, erwidert der Sommerkönig.
Erst nach dem sechsten Land, das ich ohne nennenswerten Widerstand erobere, fällt mir auf, dass hier etwas nicht stimmen kann. Obwohl die Länder nicht schlecht besetzt waren, habe ich fast keinen meiner Soldaten verloren. Als ich meinen Zug beende, erobert Soleil nur eines meiner Länder, statt mich vollends zu besiegen, wie er es sicher könnte.
»Hey«, beschwere ich mich, »du lässt mich gewinnen!«
»Wie süß«, kommentiert Jade und blickt böse zu Marcus, der ihre Truppen bereits nach vier Runden ausgelöscht hatte.
»Es ist nicht gentlemanlike, jemanden so unfair einfach gewinnen zu lassen«, meine ich. Marcus nickt zustimmend.
Soleil zuckt mit den Schultern.
»In dem Fall verstehen die Menschen anderes unter einem Gentleman als ich«, erwidert er und fährt fort damit, Fehler auf dem Spielbrett zu machen. Ich zucke bei seiner unbedachten Wortwahl zusammen. Jade runzelt zwar die Stirn, aber der Rest scheint nichts mitbekommen zu haben. Rhia und Marina sind in ein angeregtes Gespräch vertieft, während Siobhan gedankenverloren etwas auf eine Serviette kritzelt. Ohne Zweifel ein Portrait von Dylan, so intensiv, wie sie ihn ansieht. Marcus und Dylan sitzen inzwischen vor dem Fernseher und haben Jades Wii U eingeschaltet, um gegeneinander Mario Kart zu spielen.
Es dauert keine zwei Runden, bis ich Soleil besiegt habe, da er sich in keinster Weise wehrt. Ich weiß nicht, ob ich sauer auf ihn sein soll, weil er meine Ehre als Risiko-Spielerin befleckt hat, oder geschmeichelt. Es ist auf jeden Fall nicht unangenehm zu gewinnen und ich muss zugeben, dass ich schon bei »Siedler von Catan« und »Nobody is perfect« eine schlechte Verliererin war und mich mehrfach beschwert habe.
»Danke«, sage ich also zu Soleil, während ich das Spiel abbaue. Er grinst nur als Antwort.
»So«, meint Jade, »letztes Spiel für heute Abend?«
Wie ich bereits erwartet habe, ist Soleil sehr erschrocken über diese Aussage.
»Aber es ist doch gerade erst Mitternacht«, entgegnet er nach einem Blick auf die Uhr, die Viertel vor eins anzeigt. »Und ich dachte, wir könnten die anderen noch überzeugen, ihre Geheimnisse zu offenbaren.«
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