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Luna
Mein schlechtes Gewissen, Soleil so rüde behandelt zu haben, ist schnell vergessen. Ehrlich gesagt bin ich froh, einmal offen mit ihm geredet zu haben. Vielleicht stellt er seine Eroberungsversuche nun ein.
Der Herbstball ist so atemberaubend, dass ich kaum daran denken kann. Von außen ist die Schönheit des Hauses bereits unvergleichlich, aber als wir es betreten, bleibt mir kurz die Luft weg. Überall sind Elfen – Sommerelfen, die in Blüten oder Ranken gekleidet sind, Winterelfen in Eis und Schnee. Ich entdecke die ausgefallensten Kleider – neben klassischen Abendkleidern aus Spitze und Seide, die ein Vermögen wert sein müssen, entdecke ich eine Elfe, deren Kleid in Flammen steht, und eine andere, deren Kleid aus hunderten Schmetterlingen besteht, die leicht mit den Flügeln schlagen. Aber auch sonst sind die Elfen beeindruckend. Ein Winterelf hat sich seine gesamte Haut eisblau gefärbt, während der Körper einer Sommerelfe, die eine Kleid trägt, das nicht viel der Fantasie überlässt, vollständig mit einem Henna-Tattoo bedeckt ist, das ineinander verschlungene Blumenranken darstellt. Es erinnert mich an die Rosentattoos von Fyre und Crystal.
Obwohl ich mich sorgfältig zurechtgemacht habe, würde ich mich in dieser Menge fast unscheinbar fühlen, wären da nicht meine schillernden Flügel und der Sommerkönig, der neben mir den Raum betritt. Sobald wir die Schwelle übertreten, werden die Elfen still, das lustige Treiben verstummt und sie wenden sich uns zu. Oder wohl eher Soleil. Auf der anderen Seite des Raumes geschieht das Gleiche, wo sich das Winterkönigspaar einen Weg durch die Menge bahnt.
Die Elfen rücken zusammen und schaffen damit einen Platz in der Mitte, der als Tanzfläche gedacht ist. Ich bleibe am Rand stehen, während Soleil auf Crystal zugeht und sich spöttisch verneigt, bevor er sie in seine Arme zieht und den Tanz eröffnet.
»Lasst die Party beginnen!«, ruft Soleil in den Raum, ein Ersatz für die Ansprache, auf die er dieses Jahr wohl keine Lust hat. Die anderen Elfen strömen ebenfalls begeistert auf die Tanzfläche, doch ich bleibe und beobachte den Sommerkönig und die Winterkönigin. Man sieht ihnen an, dass sie miteinander vertraut und beide perfekte Tänzer sind. Sie wiegen sich im Takt der Musik, die zu Beginn ihres Tanzes hastig eingesetzt hat und einen Wiener Walzer spielt. Immer wieder drehen sie sich in atemberaubender Geschwindigkeit über die Tanzfläche. Dennoch komme ich nicht umhin festzustellen, dass irgendetwas an ihnen falsch aussieht.
Ich seufze. Vermutlich bin ich nur neidisch auf ihre Fähigkeiten.
Erst da bemerke ich Onyx, der neben mir steht und die beiden ebenfalls mustert, mit zusammengezogenen Augenbrauen.
»Alles in Ordnung?«, frage ich. Er wirkt nicht gerade glücklich.
Doch er wendet mir den Blick zu und grinst mich an.
»Entschuldigung«, meint er, »nur ein kleiner Anfall von Eifersucht. Aber eigentlich bin ich hergekommen, um dich um einen Tanz zu bitten.«
Er sieht sehnsüchtig zu Crystal.
»Schließlich sind unsere Partner gerade leider anderweitig beschäftigt.«
Bei diesem Gesichtsausdruck muss ich lachen.
»Sie ist deine Königin, man sollte meinen, dass du sie oft genug siehst«, bemerke ich. Onyx blickt zerknirscht.
»Aber um auf dein Anliegen zurückzukommen«, fahre ich fort, »ich würde gerne tanzen, obwohl ich dich warnen muss, dass meine Fähigkeiten lange nicht an Crystals heranreichen.«
Onyx lächelt und zieht mich auf die Tanzfläche.
»Keine Sorge. Es gibt keine Elfe, die jemals im Entferntesten an Crystal heranreichen könnte.«
Wir nehmen Tanzhaltung ein. Als ich seine kühlen Finger spüre, zucke ich zurück. Onyx lächelt verlegen.
»Entschuldige«, sagt er. Ich zucke mit den Schultern. Er ist ein Winterelf, natürlich ist er kalt. Dafür kann er nichts und ich schätze, dass Crystal es eher angenehm findet.
Onyx führt mich durch die Musik und ich spüre, dass er mir Jahrzehnte an Tanzerfahrung voraushat. Allerdings kompensiert er dadurch gut mein fehlendes Talent, sodass es ein angenehmer Tanz wird. Wir unterhalten uns ein wenig über den Ball und das Ambiente, doch er ist unaufmerksam und ich kann seine Ungeduld fühlen, dass der Tanz endlich endet. Zum Glück weiß ich, dass es nicht an mir liegt, sondern an Crystal, die sich irgendwo hinter mir befindet und zu der Onyx immer wieder sehnsüchtig schaut.
Ich habe recht: Sobald das Orchester den letzten Ton spielt, löst sich Onyx von mir, murmelt ein »Bis dann« und stürmt regelrecht auf Crystal zu. Das Gefühl scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Bei seinem Anblick fängt die Winterkönigin an, zu strahlen, lässt Soleils Hand fallen wie eine heiße Kartoffel und wendet sich Onyx zu, um sich von ihm in die Arme nehmen zu lassen. Man könnte meinen, sie wären Jahre getrennt gewesen, so verliebt sind sie.
Es wärmt mein Herz, das mit anzusehen. Und es macht mich neidisch.
Zum Glück tritt in diesem Moment Soleil vor mich, sodass ich wieder in meine übliche ablehnende Haltung zurückverfallen kann. Als er mir die Hand für den nächsten Tanz anbietet, ertappe ich mich jedoch dabei, wie ich lächle.
Heute können wir Frieden schließen und einfach als Freunde diesen Ball genießen, entscheide ich. Der Abend ist zu schön, zu magisch, um mit Soleil zu streiten.
Als das Orchester beginnt einen Cha-Cha-Cha anzuspielen, lasse ich mich von Soleil durch den Tanz führen.
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