11 % LuftfeuchtigkeitTrocken
Soleil
Während Luna meditiert, starre ich aus dem Fenster in den klaren Sommerhimmel. Der Tag ist trocken und heiß, ideal, um schwimmen zu gehen oder eine Elfe durch den Sommerwald zu jagen. Einige Elfen habe ich bereits durch die Bäume huschen sehen, auch wenn viele meiner Untertanen noch schlafen. Wie jedes Mal haben sich auch die Tänze auf dem gestrigen Ball bis in die frühen Morgenstunden gezogen und trotz der Tatsache, dass ich mich im Hinblick auf die Unterrichtsstunde heute früher in mein Bett verabschiedet habe, merke auch ich die Schwere meiner Augen, die gerne mehr Schlaf abbekommen hätten.
Luna sitzt einige Meter von mir entfernt auf dem Boden. Obwohl ich nach wie vor den Blick nach draußen gerichtet lasse, nehme ich sie mit jedem meiner Sinne wahr. Erst seit ich sie kenne, weiß ich, wie es ist, die Präsenz von jemandem zu spüren – eine Person als Ganzes wahrzunehmen, ihre Anwesenheit aktiv zu merken und eine Art ... Aura zu fühlen. Luna strahlt für mich heller als die Sonne und wenngleich ich sie nur aus den Augenwinkeln heraus beobachten kann, erkenne ich genau ihre Schönheit und bemerke jede ihrer Bewegungen. Ihr Geruch ist ein ständiger Begleiter – sie riecht nach Rosen und Meer und ich wünschte, ich könnte es wagen, näher an sie heranzugehen und den Geruch ganz in mich aufzunehmen.
Ich reiße mich jedoch zusammen, um sie nicht einmal direkt anzusehen. Sie würde mir eine Ohrfeige verpassen, wenn ich so dreist wäre – hat sie ehrlich gesagt schon. Nach dem Verweis auf ihren Geruch beschimpfte sie mich als »Schleimer« und ist dem Sommerhof zwei Wochen ferngeblieben. Keine Erfahrung, die ich wiederholen möchte. Trotz ihrer geschlossenen Augen ist mir bewusst, dass Skye ihr später berichten würde, sollte ich sie zu sehr stalken, während sie meditiert. In diesem Moment ist Luna so friedlich, wir könnten fast Freunde sein, aber mit dieser Fee mache ich immer zwei Schritte vor und drei wieder zurück.
Eigentlich weiß ich, dass meine Besessenheit von Luna völlig irrational ist. Wenn man von ihren Flügeln mal absieht, ist sie ein ziemlich normales Mädchen. Sie ist nicht außerordentlich magisch begabt (offensichtlich) oder hat einen besonders charmanten oder einnehmenden Charakter, zumindest mir gegenüber zeigt sie sich stets zurückhaltend. Sie ist schön, aber objektiv betrachtet gibt es sicher auch viele andere Elfen, die ihr in dieser Hinsicht das Wasser reichen können. Doch Luna fasziniert mich, sie nimmt mich auf eine Art ein, die unerklärlich ist. Ich weiß nicht, ob es an ihren Flügeln liegt oder daran, dass sie mich zurückweist. Vielleicht fände ich sie deutlich weniger besonders, wenn sie sich wie alle anderen Elfen über meine Aufmerksamkeit freuen und mich weiter ermutigen würde.
Vielleicht könnte ich dann endlich aufhören mich wie ein liebeskranker Trottel zu benehmen.
Fakt ist, dass ich es über das letzte Jahr nicht geschafft habe, sie mir aus dem Kopf zu schlagen. Also muss ich das Beste daraus machen und geduldig sein. Der Magieunterricht ist immerhin ein Anfang.
Plötzlich flammt ein Feuerball in Lunas Handfläche auf und sie schlägt überrascht die Augen auf.
»Ich habs geschafft!«, ruft sie aus und sieht stolz zu mir und Skye.
Bei ihrem begeisterten Gesichtsausdruck breitet sich Wärme in mir aus und ich muss grinsen. Ich wünschte, sie würde mich öfter anlächeln.
»Wurde aber auch langsam Zeit«, grummelt Skye und springt zu Luna, um misstrauisch an dem Feuer zu schnuppern. Auch ich trete zu ihr.
»Gut gemacht«, lobe ich. »Bedeutet das, du hast deine Magie gefunden?«
Meine Frage verunsichert Luna.
»Ich bin mir nicht sicher, es war irgendwie seltsam und ich weiß nicht, ob ich sie wiederfinden kann ...«
»Aber es ist ein Anfang«, meine ich ermutigend. Glücklich lächelt sie mich an und als der Blick aus ihren braunen Augen mich trifft, ist es, als würde meine Welt für einen Moment stehen bleiben.
Leider erinnert sie sich sofort an ihre übliche Reserviertheit, räuspert sich und sieht wieder Skye an, die angefangen hat in Katzenmanier nach dem Feuerball zu schlagen, als wäre er ein Wollknäuel.
»Er ist überhaupt nicht warm«, verkündet sie, als sie beim Versuch, ihre »Beute« zu erlegen, glatt hindurchpurzelt.
»Meinst du, du kannst das ändern?«, frage ich Luna. Nachdenklich schürzt sie die Lippen, dann kneift sie angestrengt die Augen zusammen.
Der Feuerball erlischt.
Enttäuscht starren wir drei auf Lunas leere Handfläche.
»Aber«, wiederhole ich betont optimistisch, »es ist ein Anfang.«
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