A kind of magic
Der riesige weiße Ozeankreuzer durchschnitt die glatte Wasseroberfläche als wäre sie Butter. Während der siebentägigen Reise, welche die junge Frau mit ihren beiden Kindern unternommen hatte, war das Wetter stets sonnig und der Himmel stets wolkenlos gewesen.
Hermione seufzte gequält auf und rieb sich den schmerzenden Rücken. Obwohl sie eine Hexe war, war es nicht einfach, ihre beiden Kinder zu beaufsichtigen. Besonders ihr Sohn, gerade vier Jahre alt geworden, war ein wahrer Wirbelwind. Er brannte nur darauf, alles auf dem Schiff zu entdecken und rannte flink von einem Ort zum nächsten. Zu allem Überfluss war ihre kleine, zweijährige Tochter gerade krank. Jedes Mal, wenn sie zahnte, sackte sie sich irgendeinen Infekt auf und brauchte ihre volle Aufmerksamkeit. Gerade lag sie auf ihrer Mutter, die es sich in einem Liegestuhl an dem großen Pool bequem gemacht hatte und schlief, während ihr großer Bruder munter mit einigen anderen Kindern des Kids-Club planschte.
„Frederick, kommst du bitte?", rief sie schließlich. Murrend verließ der kleine, schwarzhaarige Junge das Wasser und lief zu seiner Mutter.
„Mommy, ich habe Hunger!", krähte er, während sie ihm das Kapuzenhandtuch über den Kopf hängte und damit begann ihn abzutrocknen.
„Gleich gibt es Abendessen, mein Schatz. Du musst dich nur schnell anziehen und dann können wir in den Speisesaal gehen, ja?", fragte sie, während sie versuchte, sich so zu bewegen, dass ihre schlafende Tochter nicht aufwachte.
Rasch rubbelte Frederick sich trocken und zog sich seine Kleidung wieder an. Währenddessen packte Hermione die Badesachen in ihre große Basttasche und verlagerte das Gewicht ihrer Tochter so, dass sie aufstehen konnte. Als Hermione jedoch versuchte, sich nach der Tasche zu bücken, wachte die Kleine auf. Leise begann sie zu weinen.
Hermione seufzte erneut, schulterte die Tasche und griff dann nach Fredericks Hand, der schon wieder Anstalten gemacht hatte, sich an den Menschen an Deck vorbeizuschlängeln und vorzulaufen.
„Hiergeblieben Großer, du weißt doch, mit deiner Schwester auf dem Arm kann ich nicht mit dir mithalten!", mahnte sie ihn.
Einige Zeit später lagen Frederick und Rose beide friedlich schlafend in ihren Betten. Frederick, weil er vom vielen Spielen und Toben an der frischen Seeluft vollkommen erschöpft war und Rose, weil ihr der Infekt stark zusetzte. Hermione beobachtete die beiden liebevoll und strich gedankenverloren über ihren runden Bauch. In wenigen Monaten würden sie zu viert sein.
Eine Träne löste sich aus ihrem Auge und lief stumm ihre Wange hinunter. Wie sehr hatten sie sich auf ihr zweites, gemeinsames Kind gefreut. Das war gewesen, bevor ihr Mann Carl bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Eine weitere Träne lief durch ihr Gesicht, während sie daran dachte, wie vorbehaltlos Carl sie bei ihrer Ankunft in Amerika aufgenommen hatte. Damals war sie im siebten Monat schwanger gewesen und die Schrecken des magischen Krieges lagen noch nicht weit zurück. Hermione hatte ihre große Liebe im Endkampf an Voldemort und seine Anhänger verloren und es schließlich in Hogwarts nicht mehr ausgehalten. Sie hatte eine Schiffspassage gebucht und war nach Amerika übergesiedelt. Nie im Leben hätte sie sich träumen lassen, dass sie nur vier Jahre später zurückkehren würde, zum zweiten Mal in ihrem Leben komplett entwurzelt.
Das Schiffshorn weckte sie am nächsten Morgen. Müde schlug die junge Frau die verquollenen Augen auf und bemerkte erstaunt, dass beide Kinder noch schliefen. Entschlossen, diesen Moment so gut es ging zu nutzen, verschwand sie im anliegenden Badezimmer, um ihre wilden Locken zu bezwingen und bei einer kurzen Dusche richtig wach zu werden. Anschließend räumte sie das lose Spielzeug und die herumfliegende Kleidung in die große Reisetasche und weckte Frederick und Rose.
Frederick sprang förmlich aus dem Bett, um sich anzuziehen, zu frühstücken und anschließend an Deck das Einlaufen in den Hafen zu beobachten. Rose war immer noch etwas matt und genoss es, auf dem runden Bauch ihrer Mutter zu sitzen und mit dieser zu kuscheln.
„Mommy, Mommy, dada", brabbelte sie aufgeregt vor sich hin.
„Ja, mein Schatz, das Baby tritt", erklärte Hermione geduldig, was ihr ein Lächeln des nebenstehenden Rentnerpaares einbrachte. Ihr Sohn beobachtete fasziniert die Präzision, mit der der Kapitän das Schiff in den Hafen steuerte.
„Sieh mal, Frederick, da unten am Kai steht Minerva, meine alte Professorin und eine gute Freundin!", rief Hermione erfreut aus, als sie die Ältere erblickte. Eilig griff sie nach der Hand ihres Sohnes, um das Gepäck aus der Kabine zu holen und den Ozeanriesen zu verlassen. Ein letztes Mal blickte sich die junge Frau um, dann atmete sie tief durch und widmete sich dem Leben, das vor ihr lag.
„Hermione, Liebes, wie schön, dich wiederzusehen!", rief Minerva erfreut und eilte schneller, als so mach einer es ihr zugetraut hätte, auf die Familie zu. Nachdem sie ihre junge Löwin in eine innige Umarmung geschlossen und Rose, die immer noch auf Hermiones Arm war, über den Arm gestreichelt hatte, beugte sie sich zu Frederick.
„Und du musst Frederick sein", sagte sie freundlich und reichte dem nickenden Jungen ihre Hand. „Komm, ich bringe euch nach Hogwarts, dem Ort, an dem ihr wohnen werdet."
Die beiden Frauen waren mit jeweils einem Kind aus einer ruhigen Hafenstraße nach Hogwarts appariert. Frederick kam aus dem Staunen nicht wieder heraus, während Rose erneut erschöpft eingeschlafen war.
„Liebes, ich zeige dir rasch eure Wohnung und dann gehen wir in die große Halle. Es gibt gleich Abendessen und ich möchte die Gelegenheit nutzen, dich den Schülern und dem Kollegium vorzustellen", erklärte Minerva. Sie führte Hermione und Frederick, der immer noch ihre Hand hielt und aus dem Staunen nicht mehr herauskam, zu einer unscheinbaren Tür im Erdgeschoss des Schlosses.
„Phönoxfeder", sagte sie und die Tür öffnete sich leise. Direkt hinter der Haustür öffnete sich eine geräumige Diele. Links führte eine Tür in das Gästebad und rechts befand sich die Treppe in den ersten Stock. Die Diele ging direkt in das große, helle Wohnzimmer über und führte unter der Treppe in die offene Küche, von der aus man das Wohnzimmer gut überblicken konnte.
„Oben befinden sich drei Kinder- und ein Schlafzimmer sowie ein großes Bad. Das Arbeitszimmer liegt links vom Wohnzimmer, ist aber durch eine Glastür vom Wohnzimmer getrennt, sodass du die beiden jederzeit im Blick hast", informierte sie Minerva.
„Danke", mehr brachte Hermione, zu Tränen gerührt, nicht heraus. Sie war ihrer alten Professorin unglaublich dankbar für das Angebot, in Hogwarts zu unterrichten. Minerva hatte ihr sofort angeboten, nach Hogwarts zu kommen, nachdem sie von Carls Tod erfahren hatte und nur zu gerne hatte Hermione angenommen.
„Sollen wir? Das Abendessen in der großen Halle beginnt gleich", fragte Minerva.
„Ja, gerne. Frederick, kommst du?", rief sie nach ihrem Sohn, der sofort nach dem Betreten der Wohnung die Treppe heraufgestürmt war, um alles zu erkunden.
Zu viert machten sie sich auf den Weg in die große Halle. Minerva hatte wirklich an alles gedacht. Links und rechts von ihrem Platz standen Kinderstühle für Frederick und Rose. Bis auf ihre drei Plätze blieb nur noch ein Stuhl, der neben dem Hochstuhl, welchen Frederick gleich in Beschlag genommen hatte, leer. Nachdem sie ihre alten Professoren begrüßt hatte, stellte Hermione erstaunt fest, dass es bis auf Neville, der Kräuterkunde unterrichtete, keine neuen Gesichter am Lehrertisch gab.
„Meine lieben Schülerinnen und Schüler, darf ich einen Moment um eure Aufmerksamkeit bitten? Wie ihr sicherlich mitbekommen habt, haben wir hier am Lehrertisch drei neue Gesichter. Das sind Professor Hermione Prince und ihre beiden Kinder Frederick und Rose. Sie wird nach der Geburt ihres dritten Kindes die Stelle als Professorin für Verwandlung übernehmen, damit ich etwas kürzer treten kann. Und nun wünsche ich uns allen einen guten Appetit!"
Hermione hatte gerade ihren beiden Kindern Essen auf ihre Teller gefüllt und war in Begriff, sich selbst etwas aufzufüllen, als das Tor zur großen Halle mit einem Krachen aufflog. Irritiert blickte sie auf und erstarrte.
In der Tür stand Professor Snape. Dieser rauschte nun den Gang entlang, den Blick starr auf den Slytherintisch geheftet. Erst nachdem er eindringlich auf einen Schüler eingeredet hatte, wandte er sich zum Lehrertisch und steuerte zielgerichtet seinen Platz an. Irritiert bemerkte er, dass auf dem Platz neben seinem ein kleiner, schwarzhaariger Junge mit dunklen Augen und heller Haut saß und eifrig Essen in sich hineinschaufelte. Fragend wollte er seinen Blick auf Minerva richten, blieb aber an der jungen Frau hängen, die neben dem Jungen saß und erstarrte.
Niemals im Leben hatte er gedacht, diese Frau wiederzusehen. Er hatte das Gefühl, jemand zöge ihm den Boden unter den Füßen weg. Dort am Lehrertisch, zwischen zwei Kindern, saß sie! Abrupt machte er auf dem Absatz kehrt und rauschte mit wehendem Umhang aus der großen Halle. Sollten die dummen Schüler doch denken was sie wollten.
Hermione wandte sich an Minerva, doch die schien schon zu wissen, worum die junge Frau sie bitten wollte.
„Geh nur, Liebes, ich passe solange auf Frederick und Rose auf!"
Eilig rannte Hermione ihrem ehemaligen Zaubertränkeprofessor hinterher, so gut es eben mit einem runden Babybauch ging. Sie erwischte ihn als er gerade im Begriff war, die Tür zu seiner Wohnung zuzuschlagen.
„Severus, warte!"
Einen Moment sah es so aus, als würde er ihr die Tür einfach vor der Nase zuschlagen wollen, aber dann trat er widerstrebend einen Schritt zur Seite und gewährte ihr Zutritt zu seiner Wohnung.
„Du lebst?!", hauchte sie atemlos.
„Du hast Kinder?", fragte er zurück.
Plötzlich fühlte sich Hermione alt. Erschöpft von der Reise, der Trauer und den Ereignissen stützte sie die Hand in den Rücken und versuchte, das aufkommende Schwindelgefühl zu unterdrücken.
Severus schien zu erkennen, was in ihr vorging, denn er griff nach ihrem Arm und führte sie zu einem weichen Sofa, bevor er ihr ein Glas Wasser brachte. Dankbar trank die junge Frau einige Schlucke.
„Ich schulde dir wohl eine Erklärung", begann er, während er sich müde die Schläfen rieb. „Nachdem Naghini mich gebissen hatte, hast du mir diesen Trank aus meinem Umhang eingeflößt und bist aus der Heulenden Hütte zu den anderen gelaufen, um Voldemort endgültig zu besiegen. Der Trank hat mich soweit stabilisiert, dass mich Narzissa, die ich vorher in meine Pläne eingeweiht hatte, ins Manor bringen konnte. Sie war es auch, die mich die folgenden Monate, in denen ich im tiefen Koma lag, gepflegt hat. Allerdings gab es ein Problem. Die Wunde wollte sich nicht vernünftig schließen. Alle möglichen Zauber, Tränke und Salben schlugen fehl. Ich wollte dir keine Hoffnung machen, solange nicht sicher war, dass ich durchkommen würde und Cissa musste mir versprechen, zu schweigen. Schließlich fand sich ein magischer Guru in Indien. Wir reisten zu ihm und in monatelanger Arbeit gelang es uns, das Gift aus meinem Körper zu bekommen und die Wunde zu schließen."
Gedankenverloren strich Severus sich mit einer Hand über die blassrosane Narbe an seinem Hals. „Als ich zurückkam, warst du schon fort."
Hermione, die während seiner Erzählungen angefangen hatte zu weinen, schluchzte laut auf. Die ganze angestaute Trauer brach sich Bahn und die junge Frau wurde von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt.
Sofort war er bei ihr, zog sie an seine Brust und strich ihr beruhigend über den Rücken. Es stand vieles zwischen ihnen, Geschehenes und Ungesagtes.
Langsam beruhigte sich Hermiones Atmung wieder. Stockend begann sie, zu erzählen: „Ich habe es damals nicht mehr ausgehalten. Jeder wollte mit mir feiern, mich feiern. Jeder strahlte vor Glück, die Opfer des Krieges schienen wie vergessen. Ich war so alleine mit meiner Trauer. Und irgendwann habe ich es hier nicht mehr ausgehalten. Hier, wo mich alles an dich, an uns erinnerte. Ich habe meine Tasche gepackt, eine Schiffpassage in die USA gebucht und Großbritannien mit all meinen Erinnerungen und meiner Vergangenheit hinter mir gelassen."
Sanft löste sie sich aus der Umarmung, um ihm ins Gesicht blicken zu können.
„Was ist dort passiert?"
„Ich habe meinen Mann Carl kennengelernt. Er hat mich nach meiner Ankunft bei sich aufgenommen und mit der Zeit, haben wir uns lieben gelernt", erzählte sie. „Er ist vor einigen Monaten bei einem Umfall ums Leben gekommen – dabei hatte er sich so auf die Ankunft seines zweiten Kindes gefreut", fuhr sie zitternd fort.
„Seines zweiten Kindes?", unterbrach Severus sie.
„Ja, ich war bereits mit Frederick schwanger, als ich Carl kennenlernte, aber er hat nie einen Unterschied zwischen Freddie und Rose ge -"
„Du warst schwanger?", fiel Severus ihr erneut in den Satz.
„Ja. Ich habe es einige Wochen nach dem Endkampf bemerkt. Mir war immer schlecht, aber ich hatte das auf den Stress und das Erlebte geschoben."
„Das heißt -"
„Das heißt, dass Frederick dein Sohn ist, ja", unterbrach ihn dieses Mal Hermione. Unsicher blickte sie ihm ins Gesicht, doch dort fand sich nur Überraschung und unverhohlene Freude.
„Ich bin Vater!", rief er aus, hob sie hoch und wirbelte sie durch die Luft.
Hermione, die mit jeder anderen Reaktion gerechnet hatte, erwiderte seine stürmische Umarmung. Schließlich atmete sie zischend aus.
Sofort ließ Severus sie los und setzte sie vorsichtig zurück auf die Couch. „Was ist los?", fragte er besorgt und kniete sich vor ihr auf den Fußboden.
„Das Baby, es hat mich getreten." Rasch griff sie nach seiner Hand und legte sie auf ihren Bauch. Ganz deutlich spürte er die Bewegungen im Inneren und ein breites Lächeln schlich sich auf seine Züge.
Als er nun den Kopf hob, um ihr in die Augen zu blicken, befanden sich ihre Gesichter auf einer Höhe. Vorsichtig überbrückte er die letzten Zentimeter zwischen ihnen und legte seine Lippen sanft auf ihre.
Dieser Kuss war ein Versprechen. Ein Versprechen für die Zukunft. Vieles war noch nicht gesagt, vieles stand noch im Raum, doch für den Moment gab es nur Hermione und Severus, ihre große Liebe.
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