Kapitel 3
Snart rührte seelenruhig in seinem Kaffee und ignorierte die brünette Frau ihm gegenüber, die ihn wenig freundlich zu einem Treffen im Jitters eingeladen hatte.
„Leonard!", zischte Caitlin. „Hast du jemanden auf mich angesetzt? Ja oder nein?"
Ihr Gegenüber schenkte ihr ein undurchsichtiges Lächeln, ehe er in vorwurfsvollem Ton fragte: „Was denkst du? Hast du so eine schlechte Meinung von mir?"
„Spiel nicht mit mir!" Sie war laut geworden, dabei war sie nicht einmal wütend. Gespräche mit dem berüchtigten Captain Cold zogen sich immer, das war sie gewohnt. Aber sie hatte für heute noch etwas anderes vor. Warum konnte er nicht einfach gestehen, dass er die Schuld für den Typen trug, der ihr immer wieder über den Weg lief – heute Morgen gleich zweimal? Sie würde Leonard schon nicht umbringen, wenn er gestand... vermutete sie.
Er schien kein bisschen eingeschüchtert.
Sie streckte die Hand aus und tippte seinen kochend heißen Kaffee an. Es knisterte und krachte kurz, und schon war seine Tasse mit einer Eisschicht überzogen, der Inhalt gefroren. Einen Sprung hatte sie auch am oberen Rand. „Sieht ganz so aus."
Leonard betastete wenig erfreut seine Tasse, zog die Hand jedoch schnell wieder zurück.
„Zu kalt für Captain Cold?", spottete der Eismeta mit unterschwellig klirrender Stimme, die Augen für den Bruchteil einer Sekunde leuchtend blau. Dann nahmen sie wieder das gewohnte Haselnussbraun an. „Also, spuck's aus. Jetzt. Ich habe nicht ewig Zeit. Es gibt Menschen, die müssen arbeiten."
Sein zynisches Grinsen wurde breiter. „Ach, musst du das?"
Ihr Gesicht verlor an Ausdruck. „Ja, muss ich."
„Na dann..." Er musterte sie abschätzig. „Und um deine vertrauensvolle Frage zu beantworten: Ich habe dir niemanden auf den Hals gehetzt. Jedenfalls nicht direkt."
Caitlin zog die Brauen zusammen. Sie glaubte ihm kein Wort. „Und wer ist dieser Typ, der überall auftaucht, wo ich auch bin? Ich werde ihn dir beschreiben. Verdammt dünn, helle Haut, braune Haare – nicht viel dunkler als meine."
Sie gestikulierte viel, es war fast übertrieben. Snart hatte dafür nur ein müdes Heben des Mundwinkels übrig. Man konnte es nicht einmal ein Lächeln nennen.
Ungerührt fuhr sie fort: „... hat eine leicht bescheuerte Frisur, ist irgendwie die von einem kleinen Jungen, außerdem bisschen dämliches Lächeln... Bis auf die letzten zwei Punkte ziemlich gutaussehend. Sagt dir das was?"
Entgegen ihrer Erwartungen gab er ihr endlich Auskunft. „Sein Name ist Barry Allen." Er nahm sein Handy hervor, tippte kurz darauf herum, ehe er es über den Tisch zu ihr herüberschob.
Vom grell erleuchteten Bildschirm strahlte ihr ein mittlerweile bekanntes Gesicht entgegen. Das Bild sah professionell aus, wie von einem Business-Profil.
„Das ist er." Sie schob das Telefon wieder zurück. „Weshalb hast du ihn zu mir geschickt?"
Er beäugte seine schockgefrostete Kaffeetasse misstrauisch, als wäre diese kurz vorm Explodieren, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder ihr zuwandte. „Nicht direkt zu dir. Nur zu deinem Arbeitsplatz." Er bemerkte ihren fragenden Blick und schüttelte langsam den Kopf.
Caitlin gewann mehr und mehr den Eindruck, sie säße einer Galapagos-Schildkröte gegenüber.
„Nein, warum verrate ich dir nicht." Er wirkte fast schadenfroh. „Das wird er dir noch bald genug sagen."
Und erneut fand sie sich in einem seiner absurden Spielchen wieder. Wer von ihnen war noch gleich der Psychopath?
~*~
Barry sah sich noch einmal die aktuelle Fallakte an. Die Bilder darin waren nicht schön, doch er schenkte ihnen kaum Beachtung. Interessanter war der Autopsiebericht. Am Tatort hatte er, wie nicht anders zu erwarten, Spuren dunkler Materie gefunden. Damit hatte sich die Metawesen-Theorie bestätigt. Darüber hinaus waren die Zellen der geplatzten Leiche bis zu einem gewissen Grad zerstört, was auf schnelles Gefrieren hinwies. Das alles brachte die Vermutung nahe, dass es sich um einen Eismeta handeln könnte. Er würde Cisco einen Algorithmus schreiben lassen, der nach ungewöhnlich tiefen Kältesignaturen fahndete. Eine andere Möglichkeit gab es nicht, den Täter zu finden, denn aus unerklärlichen Gründen waren die Überwachungsvideos allesamt spurlos verschwunden. Das Einzige, was sie über den Täter wussten, war, dass er brutal war und keine Angst vor unschönen Anblicken hatte. Das war nicht viel. Genau genommen war das gar nichts.
„Irgendwelche plötzlichen Einsichten?", fragte Julian Albert sarkastisch.
„Hätte ich vielleicht, würden sie mir nicht ständig über die Schulter sehen", konterte Barry giftig.
Julian nahm ihm als Antwort die Akte ab.
„Danke", sagte Barry genervt. „Falls ich etwas Neues herausfinde, rufe ich an. Ansonsten, wenn meine Anwesenheit nicht weiter vonnöten ist, verziehe ich mich lieber." Er merkte selbst, dass das eben Gesagte einen beleidigten Unterton hatte, doch es ließ sich nicht zurücknehmen. Das konnte selbst der schnellste Mensch der Welt nicht.
„Tun Sie das, Allen", erwiderte Julian. „Einen schönen Tag noch. Und was halten Sie davon, sich eine Kopie von der Akte anzufertigen, anstatt hier jeden Tag aufzutauchen?"
„Nichts", murmelte Barry und verließ die Forensik mit großen Schritten. Das Central City Police Department ließ er innerhalb eines Wimpernschlags hinter sich, sobald die Tür hinter ihm zuschlug.
Gerne wäre er direkt nach Hause gelaufen, aber er hatte noch ein Meeting mit den Angestellten seiner Firma, Allen Research Laboratories.
Er kam zu spät. Es waren nur zwei Minuten und vierundfünfzig Sekunden, außerdem war er der Chef, konnte es sich also erlauben, trotzdem ärgerte es ihn. Sollte er nicht immer überpünktlich sein? Er brauchte dringend ein Update, wie auch immer geartet. Cisco war momentan damit beauftragt, hatte aber noch keine Fortschritte gemacht.
„Morgen, Chef", wurde er schlecht gelaunt von Mick Rory gegrüßt, der gerade erst die Tür zum Konferenzraum öffnete. Und Barry konnte ihn nicht einmal dafür rügen, immerhin war er selbst kaum besser.
„Einen guten Morgen, Rory", erwiderte er daher zähneknirschend. Der Mann war so ziemlich der unzuverlässigste Angestellte dieser Firma. Barry hätte ihn nur zu gerne gefeuert, aber leider war Mick der beste Freund seines Vaters. Wie diese Freundschaft zustande gekommen war, war ihm ehrlich gesagt ein Rätsel. Er kannte keine gegensätzlicheren Menschen.
Der Konferenzraum war bis auf zwei Plätze besetzt, und das waren Rorys und sein eigener am Ende des langen Tisches, der sich durch den Raum streckte. Barry kam der Weg bis dahin ewig vor. Nichts war ihm so peinlich wie sein ständiges Zuspätkommen.
„Entschuldigung, dass sie kurz warten mussten", sagte er laut, während er Platz nahm, sah dabei aber niemandem in die Augen.
„Alles gut, Chef", kam es von allen Seiten gerufen.
Er musste lächeln. Man mochte ihn hier, er mochte zwar nie pünktlich sein, doch seine warmherzige Art, die er oftmals an den Tag legte, hatte ihn schnell beliebt gemacht. Nicht, dass es ihn wirklich interessierte, er genoss nur das Gefühl nicht gegen eine Wand reden zu müssen, wie er sich meist bei Julian Albert gefühlt hatte. Eine erfrischende Abwechslung.
Er ließ sich briefen; ein Transport von Mikroskopen war ein wenig heikel gewesen, man musste sie besser verpacken, Abteilung Neun hatte einen Test mit fünfhundert Probanden angesetzt, der noch seiner Zustimmung bedurfte, Experiment Gamma war fehlgeschlagen. Während er zuhörte, kommentierte, anordnete und sich Notizen in seinem Terminplaner machte, musste er immer noch an den Eismeta von gestern denken.
Auf einmal surrte sein Handy, der Bildschirm war an. Die Metawesen-App meldete sich. Dabei war eine Notiz von Thea: Zieh dich warm an, es wird frostig.
„Entschuldigen Sie mich, es gibt einen Notfall zuhause", verkündete er, nickte freundlich in die Runde und verließ gehetzt den Raum. Der Geräuschpegel hinter ihm stieg fast sofortig an. Er wusste selbst, dass es in letzter Zeit ziemlich viele Notfälle und Termine waren, die ihm in die Quere kamen.
Die Verbrechensrate war seit einem halben Monat auf unerklärliche Weise gestiegen.
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