Kapitel 3
Molly Weasley jr. P. o. V.
Konzentriert und mit der Zunge zwischen den Lippen unterstrich ich sorgfältig die Überschrift für meinen Aufsatz. Ich war jetzt seit einer Woche wieder zurück in Hogwarts und wir hatten bereits einen Berg an Hausaufgaben auf. Es fühlte sich an, als wäre ich nie weggewesen. Doch scheinbar war ich die einzige Siebtklässlerin, die es zu interessieren schien, dass das unser vorletztes Jahr hier war. Schon im nächsten Sommer würden wir unsere UTZ-Prüfungen schreiben. Aber nein, meine Cousins James Sirius Potter und Fred Weasley jr. hatten nichts Besseres zu tun, als Stinkbomben im Besenschrank des Quidditchteams von Slytherin zu verstecken. Ich unterbrach meine Arbeit für einen Moment und stütze mein Gesicht auf meine Hand. James Sirius Potter. Ein Kribbeln durchfuhr mich für einen Moment und ohne es zu wollen musste ich breit grinsen. Früher hatte ich immer gedacht, dass ich James als großen Bruder wollte, da ich selber nie einen gehabt hatte. Jahrelang hatte ich meine Bewunderung und Zuneigung ihm gegenüber auf eine ausgeprägte Freundschaft zwischen Cousin und Cousine geschoben. Eine zugegeben recht einseitige Freundschaft . . . Ich seufzte und spiele mit der Feder in meiner Hand. Für James war ich nur die streberhafte Cousine aus Ravenclaw. Beschämt richtete ich den Blick wieder auf das Blatt Pergament vor mir. Merlin, ich wurde ja schon bei dem Gedanken, dass jemand etwas von meinen Gefühlen erfahren könnte, ganz rot im Gesicht. Es war ja wieder ganz klar, dass so etwas mir passierte. Verliebt in den eigenen Cousin! Ich rief mich innerlich zu Ordnung und versuchte, mich auf Zauberkunst zu konzentrieren, doch es gelang mir nicht. Genervt stand ich auf. Es war Samstag zur Mittagszeit und nur wenige Schüler saßen wie ich in der Bibliothek und lernten. Um mich abzulenken trat ich ans Fenster und wurde prompt von der Sonne geblendet. Wie ich erwartet hatte tummelten sich etliche Jungen und Mädchen am See herum, genossen das schöne Wetter und badeten, jagten einander über die Wiese . . . Missbilligend schüttelte ich den Kopf, als ich meine zwei Jahre jüngere Schwester Lucy erblickte. Es war ja nicht so, als ob gerade ihr ZAG-Jahr begonnen hätte! Innerlich wusste ich jedoch, dass mein Groll auf sie nicht nur durch ihre mangelnde Lernbereitschaft ausgelöst wurde. Ich schluckte schwer und schloss für einen Moment die Augen. Es lag an ihrer gesamten Art, mit mir umzugehen: Als wäre ich die kleine Schwester und als wüsste sie alles besser. Manchmal hatte ich auch das Gefühl, dass es tatsächlich so war. Mir schossen Tränen in die Augen. Verdammt. Lucy war beliebt, hübsch und selbstbewusst. Bei allem was ich machte, hörte ich ihre spöttische Stimme in meinem Kopf. Wenn sie wüsste, dass ich mich unsterblich in unseren Cousin James verliebt hatte . . . Ich könnte ihr ungläubiges Lachen und ihre sarkastischen Kommentare nicht ertragen! Auch an die Blicke und das Getuschel unserer Familie wollte ich gar nicht denken. Manchmal, wenn ich abends in meinem Bett lag, stellte ich mir unwillkürlich vor, wie sie alle reagieren könnten. Was Mum und Dad wohl tun würden . . . Wahrscheinlich wären sie zu blind, um es zu erkennen. Sie würden mir über den Kopf streicheln und so tun, als ob ich da etwas verwechselte. "Es wird schon vorbeigehen, Molly!", hörte ich sie sagen. Nein, verdammt! Es würde nicht einfach weggehen! Es ging seit sieben Jahren nicht weg. Energisch wischte ich mir die Tränen vom Gesicht und schniefte leise in ein Taschentuch. Man kann sich eben nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. So lief das mit der Liebe nicht, das wusste ich mittlerweile. Sollte Liebe nicht eigentlich etwas Schönes sein? Ich hatte eher das Gefühl, sie würde mich von innen auffressen und mich kaputt machen. Nachdenklich sah ich wieder aus dem Fenster. Lucy lief jetzt barfuß hinter Alice hinter her und schlang lachend die Arme um sie, als zu meinem Erstaunen James die beiden einholte und sie alle drei übereinander fielen. Die Eifersucht durchbohrte mich unerwartet wie ein scharfes Messer und meine Kehle zog sich zusammen. In diesem Moment beneidete ich meine Schwester so sehr . . . Nicht nur wegen James, sondern wegen ihrer gesamten Unbeschwertheit, die mir bereits vor Jahren verloren gegangen war. Vor zwei Wochen hatte ich mich noch so gefreut, weil Professor McGonagall mich zur Schulsprecherin ernannt hatte. Insgeheim hatte ich wahrscheinlich gehofft, dass James mein Partner sein würde, doch stattdessen war es Teddy Lupin geworden. Er war mit meiner Cousine Victoire zusammen. Verbittert knirschte ich mit den Zähnen. Wieso bei Merlins Bart konnte ich mich nicht auch ganz normal in einen anderen Jungen verlieben? Wieso musste es so kompliziert sein? James war in der fünften Klasse zusammen mit mir Vertrauensschüler geworden . . . Als ich mich schließlich wieder an die Hausaufgaben setzte, fiel mein Blick auf Lorcan Lysander. Er war ein Klassenkamerad von mir, seit der ersten Klasse gingen wir in ein Haus. Er beobachtete mich über den Rand seines Verwandlungsbuches und daraufhin schenkte ich ihm ein gepresstes Lächeln. Peinlich berührt senkte er den Blick. Lorcan war ganz in Ordnung, glaube ich. Er hatte keine Freunde, aber das konnte ich von mir auch nicht wirklich behaupten. Obwohl ich natürlich oft mit Teddy, Vicky, James, Fred und Frank abhing . . . Viele sahen in Lorcan nur den merkwürdigen Außenseiter, der sich für Tiere interessierte und behandelten ihn auch dementsprechend herablassend, aber ich war eigentlich immer freundlich zu ihm gewesen. Ich schüttelte den Kopf und vertiefte mich wieder in meinen Aufsatz. Der musste heute unbedingt noch fertig werden, danach warteten noch jede Menge andere Aufgaben auf mich. Klang doch nach einem netten Wochenende. Aber ich wollte mich nicht beschweren! Seit der ersten Klasse war ich die Jahrgangsbeste, übrigens dicht gefolgt von Lorcan und Teddy. Später am Nachmittag legte ich seufzend die Schulsachen beiseite und ging nach kurzem Zögern nach draußen zum Schwarzen See. Ich entdeckte gleich auf den ersten Blick alle meine Cousins und Cousinen nahe beieinander und mir versetzte es einen merkwürdigen Stich, dass sie ohne mich einen schönen Tag verbracht hatten. Peinlich berührt gesellte ich mich zu ihnen und James, der mich als erstes bemerkte, rief erfreut: "Hey, Molly, hast du auch endlich den Weg zu uns gefunden? Pass bloß auf, dass du in deiner Bibliothek nicht irgendwan verstaubst!" Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich nickte nur halbherzig, den Mund zu einem schmalen Strich verzogen. James strubbelte mir im Vorbeigehen freundschaftlich durch die roten Haare und ich versteifte mich unmerklich. Ich wünschte, ich könnte sagen, die Anwesenheit meiner Familie hätte mich entspannt, aber so war es nicht. Die ganze Zeit war mir schlecht bei dem Gedanken, was sie alle von mir denken würden, wenn sie von meiner Zuneigung für James wissen würden. Schmutzig. Mein Atem beschleunigte sich und ich versuchte verzweifelt, mich zu beruhigen. Unnatürlich. "Bist du sicher, dass es dir gut geht, Molly?", wollte Dominique besorgt wissen. Widerlich. Ich nickte verkrampft. Unrein. Dominique mochte ich von all meinen Cousins und Cousinen mit am liebsten. Sie hörte einem aufmerksam zu und mochte Bücher genauso gern wie ich, auch wenn sie Romane und ich Lehrbücher bevorzugte. Ich zwang mich zu einem gequälten Lächeln und sie runzelte die Stirn. Rose gesellte sich zu uns. Sie war wirklich in Ordnung und die Jahrgangsbeste der 5. Klassen. Ich gratulierte ihr aufrichtig zur Wahl zur Vertrauensschülerin. "Danke", erwiderte sie und errötete leicht. Rose erinnerte mich ehrlich gesagt etwas an eine jüngere Version von mir, sie hätte ich gern als kleine Schwester gehabt. Unwillkürlich huschte mein Blick zu Lucy, die mich die ganze Zeit nicht beachtete und Alice stattdessen kichernd einen Schokofrosch in den Mund schob. "Sag mal", wandte Rose sich an mich. Sie wirkte etwa nervös. "Musstest du während deiner Zeit als Vertrauensschülerin auch mal mit Leiten zusammen arbeiten, die du nicht leiden konntest? Wie bist du damit umgegangen?" Ich räusperte mich kurz. Ehrlich gesagt musste ich eher mit jemandem zusammen arbeiten, den ich zu sehr mochte. Es war damals die reinste Folter gewesen, so nah bei James zu sein und sich trotzdem nur wie eine normale Cousine verhalten zu dürfen. "Es gibt da nämlich einen Slytherin, den ich nicht mag. Malfoy. Kannst du dir vorstellen, dass McGonagall ihn zum Vertrauensschüler ernannt hat?", sie schüttelte zornig den Kopf. "Mach dir keine Gedanken", sagte ich so aufmunternd wie ich konnte. "Am besten ist es, wenn du bei euren Gesprächen die anderen mit ihm kommunizieren lässt, du musst ja nicht alle Leute mögen." Sie grinste mir dankbar zu. Wow. Es war irgendwie ein schönes Gefühl, jemandem geholfen zu haben . . . Zufrieden lehnte ich mich zurück und versuchte, die letzten Sonnenstrahlen zu genießen. Es war entspannend, das musste ich zugeben, aber ich konnte die ganze Zeit nicht James' Anwesenheit vergessen . . . Sie schwebte wie ein Damoklesschwert über mir, in jeder Sekunde konnte er etwas tun, was mich aus dem Konzept brachre . . . Aber genau deshalb empfand ich ja so viel für James Sirius Potter. Weil er unberechenbar war und wie ein Wirbelsturm mein Herz zerwüstete. Er war etwas, das ich nicht so leicht mit einer Formel berechnen konnte, eine unerwartete Variable, die sich einfach nicht in die Gleichung fügen ließ . . .
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