Die Höhle
Es war finster und nass in der Höhle, sodass Regulus bei der Ankunft fast auf dem Boden weggerutscht wäre. Er hielt sich an der tropfnassen Felswand fest und lauschte der Brandung, die brechend gegen die Klippen schlug. Ein Geruch von Salz und etwas modrigem lag in der kühlen Luft. Nach und nach kroch ein ungutes Gefühl in ihm hoch und ließ ihm Schauer über den Rücken laufen. Schon bald spürte er eine unheilverkündende, dunkle Macht ganz in der Nähe, die ihn zugleich abzustoßen schien und zu sich zog.
Langsam griff er nach seinem Zauberstab, um die Höhle zu erleuchten und blickte sich dann verwundert um. Sie wirkte kleiner, als er sie sich vorgestellt hatte und er fand keine Anzeichen für den See, von dem Kreacher berichtet hatte. Als er gerade zu einer verwunderten Frage ansetzen wollte hallte die Stimme seines Hauselfen durch die Höhle.
„Wir müssen hier entlang, Herr Regulus."
Dieser folgte ihm, darauf bedacht nicht auf dem nassen, unebenen Felsboden auszurutschen. Vor einer Wand blieb Kreacher schließlich stehen und zückte ein kleines Messer aus seinem Stofflumpen, der ihm als Kleidung diente. Regulus sah ihn erschrocken an. „Was hast du vor?", fragte er mit etwas zu hoher Stimme. Die Anspannung war ihm deutlich anzumerken. „Es wird ein Blutopfer gefordert. Kreacher muss etwas von seinem Blut auf die Wand tropfen." Angst schwang in seiner Stimme mit. Regulus sah förmlich die Erinnerungen, die dem Elfen durch den Kopf schossen.
Eilig nahm er ihm das Messer ab und schnitt sich selbst in die Hand. Ein ersticktes Quietschen war von Kreacher zu vernehmen, doch er achtete nicht darauf, sondern ließ das Blut, welches aus der Wunde quoll, auf die Wand vor sich tropfen.
„Kreacher hätte das tun müssen", jammerte der Elf schon fast vorwurfsvoll. „Herrn Regulus Blut ist zu kostbar." Dieser schüttelte abtuend den Kopf und zog seine Hand wieder zurück. „Mein Blut ist nicht mehr Wert, als das deine." Er sah Kreacher nicht an und senkte den Blick. Der Dunkle Lord hatte Kreacher schon genug angetan. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, Kreacher würde sein eigenes Leben für nicht wertvoll halten. Für Regulus war es das nämlich. Er verdankte ihm sein Leben. Ohne ihn hätte er schon längst aufgegeben.
Als sie die eigentliche Höhle betreten hatten, erblickte Regulus den See, von dem ihm berichtet wurde. Dunkel und ruhig lag er vor ihnen. Er fragte sich ob wohl jemals jemand diesen Ort gefunden hätte, um den Dunklen Lord aufzuhalten. Es erschien ihm unwahrscheinlich, dass dieser Ort jemals wieder eine Menschen Seele zu Gesicht bekommen hätte. Kreacher machte eine ausführende Handbewegung und aus den Tiefen des schwarzen Sees schien sich etwas zu erheben.
Erste kleine Wellen auf dem sonst so toten, stillen Wasser waren die Vorboten. Regulus richtete die leuchtende Spitze seines Zauberstabes auf die kleinen Wellen vor sich. Er sah, wie sich ein leicht grünliches Boot aus der Schwärze erhob. Jedoch konnte er nicht sagen, ob die grünliche Färbung die eigentliche Farbe des kleinen Bootes war oder ob es über die Zeit hinweg diese Färbung angenommen hatte. Er betrachtete wie das Wasser aus dem Boot lief und es sich weiter in Richtung des Ufers in Bewegung setzte.
Als es an dem steinernen Rand andockte packte Regulus ein ungutes Gefühl. Was lauerte wohl alles am Grunde dieses Sees? Die Stille erinnerte ihn an die Ruhe vor dem Sturm. Nichts in dieser Höhle erschien sicher oder normal. Vorsichtig und darauf bedacht nicht das Wasser unter sich zu berühren kletterte er in das Boot. Es schien fast so als befürchte er, der See könnte ihn verätzen, wenn er ihn berührte. Wie ein tiefschwarzer Zaubertrank den er in seinem Schulkessel zusammenrührte. Kreacher folgte ihm in das Boot und ohne Vorwarnung setzte es sich in Bewegung. Mit klopfendem Herzen versuchte er seinen Blick nicht auf das tückische Wasser unter ihm zu richten, stattdessen tastete er mit seinen Augen die Umgebung ab. Nichts. Nichts außer alles verschluckender Schwärze.
Neben ihm saß Kreacher stock steif da und blickte auf seine dreckigen Füße. Schuldgefühle krochen in ihm hoch. Er hätte Kreacher nicht in diese Situation bringen dürfen. Es war seine Aufgabe für das Wohl seines Hauselfen zu sorgen und mit dieser Aktion brachte er ihn in sehr große Gefahr. Und wenn der Dunkle Lord erfahren sollte das Kreacher ihm geholfen hatte, würde er in noch größerer Lebensgefahr schweben. Noch immer mit einem Stein der Schuld in seinem Magen, der ihn in sich zusammen sacken ließ, schluckte er das Ungute Gefühl herunter und betrachtete wieder die Dunkelheit vor sich. Etwas hatte sich verändert. Vor ihm hatte sich ein grüner Schein zwischen die Schwärze gedrängt und dieser wurde mit jedem Meter den sie sich nährten heller. Schließlich erkannte er die schwachen Umrisse einer kleinen Felsinsel, auf die das Boot zusteuerte.
Kreacher wimmerte leise, als das rumpeln des andockenden Bootes die Stille zerriss. Auf wackeligen Füßen kletterten die beiden auf die Insel. Abermals wäre Regulus beinah auf dem nassen Untergrund ausgerutscht, hielt sich jedoch im letzten Augenblick an einem Felsstein neben sich fest. Ein Schauer durchlief ihn, bei dem Gedanken was wohl in dem Wasser auf ihn gelauert hätte, wäre er hineingefallen. Gut wäre es sicher nicht ausgegangen. Obwohl vielleicht würde er schon bald damit Bekanntschaft machen. Die Haare an seinen Armen stellten sich bei diesem Gedanken auf.
Beim Anblick des Steinbecken in der Mitte der Insel erfasste ihn wieder seine Neugier und er trat ein paar Schritte näher. Kreacher blieb mit hängenden Ohren und gesenktem Kopf hinter ihm. Ein zittern durchfuhr seinen dürren Körper und er legte schützend seine Arme vor seinen Oberkörper. Das grüne Schimmern ging von dem Trank in dem Becken aus. Mit zusammengekniffenen Augen beugte sich Regulus über die Flüssigkeit und sah etwas am Grunde des Beckens liegen. Das Medaillon! Er war so kurz davor. Sein Ziel war zum greifen nah und er spürte einen hauch von Euphorie in sich aufsteigen.
Kreacher räusperte sich. „Mann muss es trinken, um an das Medaillon zu kommen." Seine Stimme klang flach und brüchig.
„Gib mir das Duplikat", flüsterte Regulus, weil ihn die Lautstärke seines eigenen Echos überraschte und zugleich verunsicherte. Irgendwie fühlte er sich beobachtet. Als würden tausend Augenpaare auf ihn gerichtet sein. Er streckte seine Hand aus, während der Elf wieder in seine Stofflumpen griff und ihm das Duplikat des Medaillons reichte.
„Will Herr Regulus das wirklich tun?", presste der Elf hilflos hervor. Regulus drehte sich nun ganz zu ihm um und verdrängte für einige Sekunden seine eigene Angst. Er musste stark bleiben. Wenigstens für Kreacher.
„Ich muss das jetzt tun, Kreacher. Verstehst du? Ich möchte das du niemandem erzählst was hier passiert. Das ist wichtig! Wenn dich jemand nach mir fragt, sagst du, dass du keine Ahnung hast was mit mir geschehen ist. Hast du das Verstanden?" Kreacher sah ihn aus geweiteten Augen an.
„Was soll mit Herrn Regulus geschehen?" Er wandte den Kopf ab, unfähig in die traurigen und geschockten Augen seines treuen Hauselfen zu sehen. „Ich werde diesen Trank zu mir nehmen. Du musst dafür sorgen, dass ich alles austrinke." Er griff in seine Umhangs Tasche und zog das Stück Pergament hervor, welches er zuvor beschrieben hatte. Zusammengefaltet steckte er es in das Medaillon und gab dieses in Kreachers zitternde Hände zurück.
„Wenn ich alles ausgetrunken habe wirst du dieses hier mit dem echten Medaillon austauschen und dann ohne mich wieder verschwinden." Regulus hatte nicht erwartet das die Augen des Elfen noch größer werden konnten. Die blanke Panik schimmerte ihn ihnen. „Nein", jammerte dieser.
„Versprich es mir! Ich kann nicht zurück nachhause, das Einzige was ich noch tun kann ist dich hier sicher rausbringen und dich damit zu beauftragen das Medaillon zu zerstören. Hörst du? Es ist wichtig das du alles versuchst, um es zu vernichten!" Er sah Unglauben in Kreachers Augen, aber schließlich beugte er sich dem Willen seines Herrn und versprach ihm Folge zu leisten.
Regulus griff nach dem Kristallkelch neben dem Becken und füllte es mit dem grünen Trank. Ein letztes Mal sah er zu Kreacher hinüber, bis er den Kelch an seine Lippen setzte und trank.
Zunächst geschah nichts. Regulus starte auf den leeren Kelch vor sich. Ob es doch einfacher werden würde, als er erwartet hatte? Doch gerade als er dazu ansetzten wollte, den Kelch erneut zu füllen überkam ihn ein brennender Schmerz. Er fiel zu Boden, unfähig seinen Körper zu kontrollieren. Der Kelch rollte unbeachtete von ihm fort. Alles worauf er sich konzentrieren konnte war der Schmerz und die Hitze. Das Feuer fraß sich durch seine Knochen und tobte züngelnd zu seinen Organen. Regulus wand sich und vergaß wo er sich befand. Er bemerkte nicht wie seine Haut von den Felsen aufgerissen wurde. Auch nicht wie sein Blut sich in einer kleinen Lache im Felsen sammelte. Er merkte nicht wie Kreacher ihm panisch versuchte zu helfen. Die kleinen Hände die auf seine blutenden Wunden drückten.
Das nächste was er bewusst wahrnahm war etwas an seinen trockenen Lippen. „Herr Regulus muss weiter trinken", jammerte Kreachers untröstliche Stimme. „Es tut Kreacher so leid, aber Herr Regulus hat gesagt er muss weiter trinken." In einem kurzen Anflug von Klarheit ließ er sich einen weiteren Kelch, gefüllt mit diesem schrecklichen Trank, einflößen. Die Schmerzen waren noch da, jedoch wurden sie nicht schlimmer. Er konnte seine Gedanken wieder hören und sich auf seine Umgebung konzentrieren. Mühsam drehte er seinen Kopf zu Kreacher und lächelte ihn kurz an, dann verwandelte sich Kreachers Gesicht plötzlich in das seines Vaters. Dieser richtete seinen Zauberstab auf ihn und brüllte Crucio. Der Schmerz war so unmittelbar, dass er sich sicher war, sein Vater stand wirklich leibhaftig vor ihm.
Regulus hörte seine eigenen Schreie und wusste nicht ob sie aus diesem Augenblick stammten oder der Erinnerung. „Wage es ja nie wieder deinen Bruder in diesem Haus zu erwähnen!" Orion Blacks Stimme halte in seinem Kopf und der Schmerz mischte sich mit unbeschreiblicher Trauer. „Ja Sir", keuchte er in seiner Erinnerung, um dem Schmerz zu entkommen. Sein jüngeres ich würde alles sagen, um diesem Grauen ein Ende zu bereiten. Sein wirkliches ich schrie ihn an nein zu antworten.
„Steh verdammt nochmals zu deinem Bruder du Feigling!", brüllte er sich selber an.
Wieder spürte er Flüssigkeit in seinem Mund und mit all seiner übriggebliebenen Willenskraft schluckte er. Der Trank bahnte sich einen Weg in sein Inneres. In seine Seele. Eine andere Erinnerung nahm von ihm Besitz. Diesmal war es nicht er der gefoltert wurde, sondern sein Bruder. Er sah wie Sirius mit zusammen gebissenen Zähnen am Boden lag und sich weigerte seinem Vater die Genugtuung zu geben vor Schmerzen zu schreien.
„Hilf ihm du Feigling! Er hat die Schuld auf sich genommen! Du hast es verbockt!" Der junge Regulus drehte sich zu dem schreienden um und schüttelte lächelnd den Kopf.
Die Szene verschwand wieder und das Brennen in seinem Körper übernahm abermals die Oberhand. Kreacher setzte einen weiteren Kelch mit dem Trank an seine Lippen und Regulus schüttelte heftig den Kopf. „Zwing mich nicht", schluchzte er und eine Träne rann über sein Gesicht. Kreacher hatte schon lange aufgegeben seine Tränen zurück zu halten. „Zwing mich nicht", er hatte kaum Kraft, um die Wort über seine Lippen zu bringen.
„Bitte", krächzte Kreacher zurück, seine Worte klangen wenig überzeugend. Regulus schüttelte heftig den Kopf, wie ein Kleinkind, das seinen Willen durchsetzten wollte. Doch als sein Blick auf die Tränenverschleierten Augen des Elfen fielen nahm er einen weiteren Schluck.
Nun trafen ihn gleich mehrere Erinnerungen auf einmal. Er hatte das Gefühl sein Kopf wäre erfüllt von Bombada Flüchen und die Schuld lastete immer mehr auf seinen Schultern. Beinah hätte er geglaubt er wäre unter ihrem Gewicht begraben. „Sirius", wimmerte er nach einer Reihe von Erinnerungen an seinen Bruder. Er hatte ihn im Stich gelassen. Er war ein schlechter Mensch. Nein, ein grausamer Mensch! Ein Monster. Sein Bruder hasste ihn und er konnte es nie wieder gutmachen. Sirius würde ihn bis in alle Ewigkeit verachten und er hatte es nicht besser verdient. Er wollte nichts, als einfach nur sterben, um die Schuld von seinen Schultern fallenlassen zu können.
„Bitte! Töte mich!", brüllte er durch die Stille der Höhle und sein Echo halte von den Wänden, als würde es ihn verhöhnen. „Bitte", schluchzte er nun und griff nach Kreachers, knochigem Arm. Dieser wich zurück und fiel zu Boden, unfähig seinen Herren anzusehen. „Nur noch ein Schluck Herr Regulus. Ein Schluck dann hört Kreacher auf", beschwor er ihn und hielt ein letztes Mal den gefüllten Kristall Kelch zwischen den zitternden Fingern.
„Es ist meine Schuld." Regulus sah seinen Elfen mit flehenden Augen an. „Du musst mich töten!" Kreacher schüttelte panisch den Kopf, sodass seine großen Ohren umher flatterten. Aus großen flehenden Augen sah er seinen Herren an.
Mit letzter Kraft schaffte er es, die restliche Flüssigkeit seine Kehle runterfließen zu lassen. Er wollte nicht auch noch seinen letzten Freund im Stich lassen. Wenigstens dieses Mal wollte er das richtige tun. Dann für einen kurzen Augenblick war alles schwarz um ihn herum und das einzige Gefühl was er noch spürte war Durst. Unbändiger Durst.
Er hatte das Gefühl sein Inneres würde ohne eine kühlende Flüssigkeit zerreißen. Die Überreste des Feuers würden ihn vernichten. Mit brennenden Augen sah er sich suchend nach Wasser um, damit er die verbrannten Stellen in seinem Körper beschwichtigen konnte.
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