44. Die Ruhe vor dem Sturm
„Schachmatt!" rief ich begeistert und führte meinen kleinen Siegestanz auf. Ich hatte gerade zum zwölften Mal in folge gegen Draco in Zauberschach gewonnen. Seitdem er und ich dieses Spiel jeden Tag spielten war ich wirklich gut darin. Wir hatten schließlich auch den letzten Monat viel Zeit um zu spielen. Der April war sehr schnell vergangen und so war es schon Ende April und was soll man sagen? Es war alles perfekt. Draco und ich verbrachten fast jede Minute zusammen und selbst beim Einzelunterricht durfte er mitmachen. Zwar hatte ich das nur durch langes Anbetteln und Nerven erreicht, aber das war egal. Severus war am Anfang nicht begeistert, aber als er gesehen hat, wie viel Stärke mir Draco gibt und anders rum hat er es akzeptiert. In manchen Momenten konnte ich sogar ein Lächeln auf seinen Lippen sehen. Draco und ich waren dadurch natürlich auch weiter zusammen geschweißt worden und das machte mich am glücklichsten. Er machte mich glücklich.
„Das ist unfair! Es ist schon mitten in der Nacht und ich will schlafen!" er verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich beleidigt an. Wir hatten seit gestern Abend durchgespielt und nun war es halb eins Morgens. Ich setzte mich wieder ihm gegenüber auf das Bett und ließ das Schachbrett mi einem Zauber wieder in der Schublade verschwinden.
„Aber ich nicht und du bist ein verdammt schlechter Verlierer!" lachte ich und guckte Draco provozierend an. Er saß da wirklich wie ein kleines Kind. „Na gut, dann gehen wir jetzt halt schlafen." Ich stand auf und sprang in das andere Bett. Ich schlief jetzt jede Nacht bei Draco im Zimmer und Blaise bei Daphne. Es war zum Vorteil für alle Beteiligten.
„Komm rüber!" protestierte Draco nach einer Weile, in der ich schon versucht hatte einzuschlafen, aber es einfach nicht konnte. Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn von meinem Bett aus an. Sein weißblondes Haar leuchtete ihm Mondlicht, das durch das Fenster fiel und seine markanten Gesichtszüge beleuchtete. Er sah aus wie ein Engel in diesem Licht. Ein gefallener Engel.
Ich konnte diesem Anblick einfach nicht wiederstehen und schlüpfte schnell zu ihm unter die Decke. Sofort stieg mir sein unfassbar guter Geruch wieder in die Nase und ich schmiegte mich nur noch enger an ihn. Dracos Nähe gab mir immer halt.
„Schlaf schön" Er drückte mir einen federleichten Kuss auf die Stirn und ich schloss meine Augen. „Gute Nacht, Draco" Und so schlief ich wieder in seinen Armen ein. In den Armen des Jungen, den ich liebte. Es war wirklich alles perfekt.
Am nächsten Morgen trafen wir Daphne und Blaise beim Essen in der großen Halle. Die Decke der großen Halle hatte sich dem Wetter draußen angepasst. Grau, nass und mit vielen Wolken. Das Wetter draußen wirkte depressiv und gab kein gutes Ohmen. Zu mindestens nicht in meinen Augen. Da ich solange den Himmel beobachtet hatte, bekam ich gar nicht mit worüber meine Freunde sich gerade unterhielten. Ich versuchte es auch gar nicht herauszufinden, denn im nächsten Augenblick schwangen die Türen der großen Halle mit einem lauten Knall auf und alle Schüler drehten ihre Köpfe in diese Richtung. Severus kam mit wehendem Umhang und ausdrucksloser, aber kalter Miene in die Halle. Ohne die Blicke der neugierigen und verängstigten Schüler zu beachten schritt er hinter das Pult auf seinen Platz und setzte sich zu seinen Kollegen. Die Schüler drehten sich wieder weg, doch mein Blick blieb auf ihm liegen. Er tauschte einige Worte mit Amycus und Alecto aus, die dann nur nickten und aus der Halle gingen.
„Was machen wir heute?" riss mich Daphne von Severus los und ich guckte meine beste Freundin fragend an.
„Pärchen-Tag?" schlug Blaise vor und Daphne nickte aufgeregt. Wieder einer dieser Tage, an denen wir unsere Zeit mit Blaise und Daphne verbrachten. Wir versteckten uns dann meistens irgendwo im Schloss und redeten einfach nur oder spielten Zauberschach oder aßen Berti Botts Bohnen. Ich mochte diese Tage immer sehr gerne, da wir einfach alles vergessen konnten. Wir waren für einige Stunden in unserer eigenen Welt. In einer fast perfekten Welt.
„Was hältst du davon, Katherine?" fragte mich Draco und ich nickte und stimmte der ganzen Sache zu. Keine halbe Stunde später saßen wir im sechsten Stock in irgendeinem leeren Gang und spielten Zauberschach. Pärchen gegen Pärchen versteht sich. Es war wirklich schön etwas mit meinen besten Freunden zu unternehmen, auch wenn es so etwas Einfaches war, wie Zauberschach spielen. Es reichte, um glücklich zu sein.
„Ha! Gewonnen!" Ich setzte die letzte Schachfigur und somit besiegten Draco und ich die anderen beiden. Ich schlug bei Draco ein und lehnte mich danach an seine Schulter. Sofort schlag er einen Arm um mich und zog mich näher an sich heran. Daphne und Blaise zogen währenddessen ein ziemlich beleidigtes Gesicht und verschränkten die Arme vor der Brust.
„Ich will ne zweite Chance! Das ist doch hier nicht mit rechten Dingen abgegangen!" protestierte Daphne sauer und warf dabei ihre blonden Haare über die Schulter. Ich bestätigte ihr zwar, dass das hier alles mit rechten Dingen zugeht und dann spielten wir noch eine Runde. Und aus dieser einen wurden mehrere. Draco und ich gewannen zwar nicht immer, aber fast immer. Irgendwann spielten wir dann Jungs gegen Mädchen, was ziemlich lustig war. Blaise und Draco provozierten sich gegenseitig oder hauten sich irgendwelche dummen Sprüche an den Kopf und Daphne und ich lachten nur über unsere Freunde. Doch leider hielt diese Auszeit nicht ewig an, da ich mittags noch Einzelunterricht bei Severus hatte. Obwohl Einzelunterricht konnte man das ja jetzt auch nicht mehr nennen, da Draco dabei war.
„Wir müssen los" verabschiedete ich mich von meinen Freunden und zog Draco mit mir. Wir liefen immer noch lachend und glücklich durch die Korridore und kamen schließlich bei Severus im Büro an. Er machte auch sofort auf und bat uns herein. Wir setzten uns an seinen Schreibtisch und guckten ihn erwartungsvoll an. Er setzte sich uns gegenüber und betrachtete unsere immer noch verschränkten Hände und lächelte leicht. Insgeheim wusste ich, dass er es schön fand, dass ich glücklich bin. Er freute sich für mich. Aber dieses glückliche sollte nicht mehr lange andauern.
„Ich habe heute etwas ganz besonderes mit euch beiden vor" begann er seine Rede und wir hörten aufmerksam zu. Durch Severus war Draco ein besserer Zauberer geworden und beherrschte auch immer mehr Zauber, allerdings hatte er es nicht so mit dem auswendig lernen. „Ich werde euch einen äußert schwierigen Zauber beibringen, der euch alles abfordern wird. Er braucht dafür eure glücklichste Erinnerung." Wir nickten beide und ich überlegte, was meine glücklichste Erinnerung sein könnte. Es gab so viele Stellen. Einige Episoden meiner Kindheit und der Zeit auf Hogwarts spielten sich immer wieder vor meinem inneren Auge ab. Schließlich entschied ich mich für eine Erinnerung aus Hogwarts-Zeiten. Doch da gab es auch sehr viele. Und alle hingen mit dem grauäugigen Jungen mit den weißblonden Haaren zusammen. Draco. Er hatte mir einfach den Kopf verdreht.
„Stellt euch bitte in die Mitte des Raumes und zieht eure Zauberstäbe." Wir folgten den Anweisungen von Severus und stellten uns etwas getrennt voneinander in den Raum. Mit gezückten Zauberstäben guckten wir den schwarzhaarigen Mann mit der Hakennase vor uns erwartungsvoll an. Severus musterte uns kurz und nickte dann zufrieden, bevor er anfing durch den Raum zu laufen.
„Der Zauber, denn ich euch heute beibringen möchte, ist der Patronus-Zauber. Er kann die Form eines Tieres annehmen und vertreibt das schlechte und böse. Alles was ihr machen müsst, ist an eure glücklichste Erinnerung zudenken und folgende Worte zusagen: Expecto Patrono!"
Ich sollte zuerst anfangen und versuchte es auch gleich. Ich dachte einfach an die Momente mit Draco. Die erste Umarmung, den ersten Kuss, die erste Nacht und an die Zeit, wo er für mich da war. Er stand mir in meiner schwersten Zeit bei und hatte mich glücklich gemacht. Der Hauptgrund, warum ich ihn liebte.
„Expecto Patrono!" Es war jetzt schon der hundertste Versuch, aber es wollte einfach nicht klappen. Bis auf einige weiße Strahlen hatte meinen Zauberstab nichts verlassen. Severus erklärte mir noch einmal an meine glücklichste Erinnerung zudenken, doch das brachte auch nichts. Ich versuchte es immer weiter und war schon kurz vor dem aufgeben, als Draco meine Hand nahm und sie einfach hielt. Und da kam mir plötzlich die Erinnerung. Es war eine Erinnerung an die beste Zeit. An eine perfekte Zeit. Es war die Zeit, die wir im kleinen Haus der Malfoys verbracht hatten. Dort, wo Draco seine Kindheit verbracht hatte und wir meinen Geburtstag, sowie Weihnachten gefeirt hatten.
„Expecto Patrono!" Und plötzlich baute sich vor mir eine große weiße Wand aus und ein Hirsch stolzierte plötzlich durch den Raum. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte es wirklich geschafft. Der Hirsch sprang fröhlich durch den Raum und kreiste dabei einige Male um Draco und mich. Erst als er wieder vor mir stehen blieb und mir tief in die Augen sah, verschwand er genauso schnell, wie er gekommen war. Aber ich wusste, er würde immer da sein.
Mit einem breiten Lächeln guckte ich Severus und Draco an, welche mir beide zufrieden und stolz zunickten.
„Jetzt sind Sie dran, Mr. Malfoy!" Severus wandte sich an Draco, der aufgeregt seinen Zauberstab und meine Hand hielt. Ich schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln und er hob seinen Zauberstab. Ich hoffte nur, dass Draco eine glückliche Erinnerung hatte, um diesen Zauber zu bewirken.
„Expecto Patrono!" erklang es zum ersten Mal von ihm und sofort schossen einige Blitze aus seinem Zauberstab. Er versuchte es immer weiter und schon beim fünften Mal klappte es. Ein Adler flog stolz durch den Raum und hatte dabei seine Umgebung immer fest im Blick. Jederzeit bereit sich auf seine Beute zu stürzen. Der Adler landete direkt vor Draco und verschwand dann auch wieder. Mein Blick richtete sich auf den Jungen der neben mir stand und strahlte, als ob er noch nie etwas Schöneres gesehen hätte. Es war dieses Kindliche und Glückliche in seinen Augen, was in solchen Momenten den Weg zurück fand. Dieser Ausdruck in seinem ganzen Gesicht brachte mein Herz zum Schmelzen und erwärmte meinen Körper von innen.
„Das haben Sie wirklich sehr gut gemacht." Der Stolz aus Severus war klar und deutlich herauszuhören und er nickte zufrieden. „Sie dürfen jetzt gerne zurück in Ihrem Gemeinschaftsraum gehen. Ich denke, dass sollte für heute genug gewesen sein." Ich bedankte mich bei Severus und gemeinsam gingen wir zurück zum Gemeinschaftsraum. Es interessierte mich brennend, welche Erinnerung Draco gewählt hatte, doch ich traute mich nicht zu fragen.
Der Gemeinschaftsraum war in das düstere Licht des schwarzen Sees getaucht und hatte etwas Unheimliches an sich. Ich guckte mich kurz um und entdeckte Daphne und Blaise gemeinsam auf der Couch sitzen. Sie unterhielten sich gerade angeregt, aber verstummten sofort, als Draco und ich uns zu ihnen setzten.
„Warum geht's?" fragte ich interessiert nach und erntete dafür den glücklichsten Blick von meiner besten Freundin.
„Ach wir haben nur besprochen, was wir in den Sommerferien machen. So nach unserem Abschluss." Daphne wirkte noch nie glücklicher. Blaise machte sie offensichtlich genauso glücklich, wie Draco mich. Ich war froh, dass es doch nicht nur ein Spiel von Blaise war. Daphne hatte ihn geändert und darauf konnte sie verdammt stolz sein.
„Rück schon raus mit der Sprache! Was habt ihr vor?" fragte ich aufgeregt und Blaise nickte Daphne zu, um ihr zu zeigen, dass sie es sagen durfte.
„Halt.dich.fest! Wir... werden..."
„Spann mich nicht auf die Folter, Daphne!" Sie nickte und atmete einmal tief durch. „Wir werden nach Spanien fliegen!" Meine Kinnlade landete auf dem Boden und auch Draco war erstaunt. Nie hätte ich es gedacht, dass die beiden dahin gehen. Egal ob nur Urlaub oder zum Leben. Ich versicherte mich auch noch einmal bei Blaise, ob Daphne auch wirklich die Wahrheit gesagt hatte und er stimmte zu. Die beiden wollten drei Monate nach Spanien gehen und danach in London ihre Ausbildungen anfangen. Daphne wollte unbedingt Heilerin werden und anderen Leuten helfen. Und Blaise? Der hatte noch keine Ahnung, genau wie ich.
Wir redeten noch bis mitten in die Nacht, aber irgendwann verabschiedeten Draco und ich uns von den beiden anderen und gingen hoch auf sein Zimmer.
Als ich wieder in seinen Armen lag, machte ich mir zum ersten Mal wirklich Gedanken, um meine Zukunft. Was wollte ich später mal werden? Wie wollte ich mein Leben nach Hogwarts führen? Ich malte mir die perfekte Zukunft aus, doch wusste immer, dass eines im Weg stand: Der Krieg.
Wieder schwirrten mir die Ereignisse vom heutigen Tag durch den Kopf und ich schlug meine Augen auf, nur um in die grauen von Draco zu sehen. Er hatte mich die ganze Zeit beobachtet, während ich versucht hatte zu schlafen. Diese Tatsache brachte mich etwas zum Lächeln.
„Was war deine Erinnerung?" platze es so aus mir raus und ich schlug mir mit der flachen Hand gegen den Kopf. Doch Draco schien diese Frage nicht so peinlich zu sein, wie mir. Er nahm meine Hand von meinem Kopf und rückte noch ein Stück näher, auch wenn ich dachte, dass das nicht mehr gehen würde.
Er hauchte mir einen kurzen Kuss auf die Nasenspitze und sah mir dann tief in die Augen.
„Du"
Sofort stahl sich ein breites Lächeln auf mein Gesicht und ich küsste Draco kurz. Ich war wirklich vollkommen glücklich und versuchte, wie Draco auch, einzuschlafen. Aber etwas störte uns beide: Es war das Brennen unserer linken Unterarme. Ich wusste, dass jetzt die Ruhe vor dem Sturm vorbei war und der Sturm beginnen würde. Der Krieg würde beginnen und seine Opfer fordern.
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