Kapitel 30
Mein Herz raste, während ich das kaputte Eisentor gespannt anschaute. Meine Finger zuckten nervös und mein Atem fing an langsam unregelmäßiger zu werden. Nervosität gemischt mit Angst machte sich in mir breit. Ich warf einen letzten Blick auf die Frau neben mir, bevor ich die Beifahrertür aufmachte und die eisige Nachtluft mich umhüllte. Kaum hatte sie mich umhüllt, bereute ich es, mir nichts Warmes angezogen zu haben, da ich kaum meine Krücken durch das Zittern meiner Fingern halten konnte. Die fremde Frau bemerkte, dass mir kalt war und stupste mich sanft an der Schulter an, was mich aufschrecken ließ, da ich immer noch gebannt auf das Eingangstor starrte.
»Hier. Damit du nicht allzu sehr frierst.«, meinte sie kleinlaut und übergab mir eine dunkle Winterjacke. Dankend nahm ich sie entgegen und zog sie mir etwas ungeschickt an, sodass mir die Frau helfen musste. Als ich mich dann ein gemulmt hatte, schloss ich kurz meine Augen und atmete tief ein und aus. Mit entschlossenem Blick stand ich endgültig aus den Wagen aus und stützte mich auf meine Krücken. Mit meiner Hüfte schloss ich nebenbei die Beifahrertür und hörte nur noch, wie der Motor anging und das Auto wegfuhr. Jetzt war ich auf mich alleine gestellt in der Kälte vor der verlassenen Fabrik. Langsam und mit steigender Wachsamkeit, sowie Nervosität, ging ich auf das kaputte Eisentor zu. Der Schnee knirschte unter meinen Krücken und meinen Füßen und je näher ich dem Tor kam, desto mehr Zweifel nagten an meinen Gedanken.
Kurz vor dem Tor blieb ich wieder stehen und blickte hinter mich auf die verlassene Straße, welche im Dunklen der Nacht lag, und überlegte mir, doch wieder umzudrehen und von diesem Ort zu verschwinden, aber der Gedanke, dass Lily in diesem Gebäude sein könnte machte mich wahnsinnig und zwang mich förmlich dazu in das Gebäude zu gehen. Du schaffst das. Alles wird wieder gut, wenn du mit Lily wieder aus dem Gebäude kommst., machte ich mir immer wieder selbst Mut, bevor ich abermals tief einatmete und das Tor mit meiner Krücke aufstieß. Ein Quietschton durchbrach die Stille der Nacht, welcher durch das Öffnen des Eisentores entstand. Mit der Zeit fühlte ich mich, als würde ich in einem Horrorfilm mitspielen und direkt in die Arme des Mörders laufen, was ich auch im Grunde genommen machte. Doch ich war mir nicht sicher, ob ich lieber wirklich in einem Horrorfilm mitspielen würde, wo ich wüsste, dass es Fake wäre, oder ob ich es in echt alles miterleben würde, wo ich wüsste, dass ich nur eine Chance hatte. Am liebsten würde ich einfach nur die Zeit zurück drehen und mich niemals für die Stelle als Assistentin bewerben, dann stände ich jetzt auch nicht hier mitten in der Nacht vor einer verlassenen Fabrik und mitten im Schnee, welcher knirschte wenn ich mich bewegte.
Mit langsamen Schritten näherte ich mich der Eingangstür, welche einst eine massive Eisentür war. Jetzt war sie, genau wie das Tor, nur noch ein Schrotthaufen, welcher durch den Türrahmen festgehalten wurde und somit nicht umfallen konnte. Im tiefsten Unterbewusstsein wusste ich, dass wenn ich durch diese Tür gehe mit größter Wahrscheinlichkeit nie wieder zurück kommen werde, oder komplett verändert, ob ins Gute oder ins Schlechte, wusste und wollte ich auch nicht wissen. Ich wollte nicht mal wissen, dass hinter dieser Tür mein schlimmster Albtraum lauern wird, jedenfalls kommt es mir so vor, als würde er hinter der Tür lauern. Als würde er in dieser Fabrik lauern.
So leise wie ich nur konnte, humpelte ich die Steintreppen, welche Schneebedeckt waren, hoch zur Tür und drückte sie am Türknopf auf. Doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Sie war wohl doch massiver als ich dachte, oder ich war einfach nur schwach. Schwach durch die ganzen Vorfälle, welche vor kurzem alle passiert sind. Warum traf es ausgerechnet mich? Warum konnte es nicht irgendein Fangirl von ihm das alles treffen? Hat er mich ausgesucht, weil ich kein Fangirl bin und somit nicht gleich alles mache was er sagt? Oder hat er mich ausgesucht, weil ich ihm gerade in die Finger gelaufen bin? Immer mehr Fragen stiegen in mir auf und mein Kopf zerbrach sich darüber. Irgendwann war es mir zu viel und ich versuchte sie aus meinem Kopf zu verbannen. Doch die Gedanken waren nachtragend und hatten sich tief in meinem Kopf verankert, sodass ich sie nicht mehr los wurde. Mir war es jedoch in diesem Moment egal, auch wenn ich so was hasste, jetzt hatte ich etwas Wichtigeres zu erledigen. Jedoch ich stand schon vor dem ersten Problem, denn ich bekam die Tür nicht auf und wie sollte ich sonst in die Fabrik rein gelangen? Schließlich war meine Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkter als sonst, aber ich musste darein. Egal was es auch kostete. Ich muss zu Lily und sie da herausholen.
Abermals versuchte ich die Tür aufzudrücken und abermals bewegte sie sich keinen Millimeter. Trübsal blasend ließ ich mich an der Tür herunter gleiten direkt in den Schnee, welcher meine Hose durchnässte und mir mit der Zeit kalt wurde, aber auch das schob ich in den Hintergrund und grübelte nach, wie ich durch die Türe komme, dabei fing ich an, an meinen Fingernägeln herum zu kauen. Manchmal half es mir auf den Fingernägeln herum zu kauen, aber dieses Mal brachte es mir überhaupt nichts, außer dass meine Fingernägel kürzer wurden und das ein paar Finger anfingen weh zu tun. Die Kälte um mich herum hatte mich vollständig eingehüllt, jedoch bemerkte ich dies nicht mehr, da ich den Schnee direkt vor mir fokussiert hatte und alles um mich herum ausblendete. Mein Blick wurde immer glasiger bis er sich wieder aufhellte und ich meine Augen weit aufriss. Versuchen schadet ja nichts und das wäre auch die einzige Möglichkeit, welche mir jetzt noch einfiel. Also stand ich durch die Hilfe des kalten Geländers auf und sammelte ungeschickt meine Krücken wieder ein, dabei verlor ich fast mein Gleichgewicht und wäre die Treppe heruntergefallen. Doch im letzten Moment konnte ich mich am Geländer festhalten und sackte nur mit meinen zitternden Beinen ein. Verdammte Scheiße!, dachte ich leicht entrüstet und zog mich abermals am Geländer hoch. Warum musste ich auch einen Autounfall haben und mit so vielen Bandagen herumlaufen? Energisch auf diesem Gedanken, riss ich meine Krücken vom Boden hoch und humpelte vorsichtig die Treppe herunter, darauf bedacht nicht auszurutschen.
Kaum hatte ich die letzte Stufe überwunden und stand wieder sicher auf dem festen, schneebedeckten Boden, schaute ich mir das Gebäude genauer an, soweit es in der Dunkelheit ging. Ich humpelte direkt an der Hauswand entlang und berührte mit den Fingerspitzen die poröse Wand. Angestrengt starrte ich in die Dunkelheit und suchte nach anderen Möglichkeiten in das Gebäude zu kommen und als ich ein Fenster erkennen konnte, welches um einer Ecke lag, blieb ich direkt davor stehen und versuchte einen Blick ins Gebäude zu erhaschen. Doch das Fenster war viel zu verdreckt, als um was dort zu erkennen also blickte ich mich um, bevor ich meine Krücke hob und immer wieder gegen das Fenster schlug. Der Aufwand verbrauchte viel Kraft und als das Fenster endlich zersprang lehnte ich mich schweratmend an die Wand, während ich den Glasscherben zuhörte, wie sie auf dem Boden aufkamen und nochmals zersprangen. Ich wusste, wenn ich jetzt durch das Fenster klettern werde, dann muss ich zum einen auf die Glasscherben aufpassen und zum anderen meine Umgebung vollkommen im Blick haben, denn wenn ich jetzt das Gebäude betrete, schlägt der Finalegonge von Jeffs Spiel und wer weiß, was sich alles im Gebäude aufhält.
Ein letztes Mal wanderte mein Blick hoch in dem Himmel, wo vereinzelt Sterne zu sehen waren, welche nicht von den Wolken bedeckt waren. Eins... Zwei... Drei..., dachte ich in meinen Gedanken und stieß mich von der Wand ab. Danach schmiss ich erst eine Krücke und dann die andere durch das Fenster, welches sich ein Stück über meinen Kopf befand. Ich brauchte ein paar Versuche um die Krücken ins Innere des Gebäudes zu befördern, bevor ich mich an dem Fenster festhielt und mich hochzog, dabei strampelte ich mit meinen Füßen oder versuchte mich an der Wand durch meine Füße hoch zu befördern. Etwas dauerte es, bis ich mit meinem Oberkörper im Inneren der Fabrik befand und meine Füße hilflos draußen herum baumelten. Sofort machte ich mir einen Überblick von meiner Umgebung und musste feststellen, dass alles genau wie draußen Dunkel war. Na toll! Habe ich zufälligerweise ein Handy oder eine Taschenlampe dabei? Mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, hatte ich mein Handy in der Hosentasche, aber wie ich mich kenne, liegt es auch zuhause bei Liu oder bei der Polizei in einer Plastiktüte.
Ich gab mir den letzten Ruck und landete direkt in den Glassplittern. Wie war das? Ich wollte aufpassen, nicht in die Glassplitter zugelangen? Ein Seufzer entkam mir, als ich das Gegenteil bewiesen hatte. Schwermütig rappelte ich mich wieder auf und sammelte meine Krücken ein, bevor ich mich in irgendeine Richtung aufmachte und meine Fingerspitzen wie ein Blinder an der Wand entlang streifen ließ. Ich wusste nicht wohin ich eigentlich gehen sollte, da ich keinerlei Anhaltspunkte hatte. Ich wusste nicht mal, ob ich überhaupt hier richtig war und ob sich die anderen auch hier befanden. Es war eine Fifty-fifty-Chance bei welcher ich, sowie ich mich kenne, auf jeden Fall danebengegriffen hatte. Doch Liu und Jane müssten auch hier sein, da ich ihnen genau den gleichen Anhaltspunkt gegeben hatte. Also, wieso habe ich sie bis jetzt noch nicht gesehen? Und wieso hatte ich keine Fußabdrücke in Schnee gesehen? So eher konnten sie auch nicht hier sein als ich, oder doch? Hatten sie vielleicht schon Jeff bekommen? Und Lily? War sie vielleicht auch bei ihnen? Immer mehr Fragen stiegen in mir auf und auch die Fragen, welche ich mir zuvor gestellt hatte, tauchten in meinem Kopf auf bis ich vor einer Tür zum stehen kam und sie ohne zu zögern aufmachte. Jedoch sah ich auch hinter dieser Tür nur Schwärze und auch wenn ich in den Gang oder Raum eintrat, tauchte kein Licht auf. Also tastete ich schon fast automatisch nach dem Lichtschalter und fand sogar einen. Jedenfalls dachte ich es und drückte ihn ohne groß nachzudenken runter.
Für einen kurzen Moment passierte nichts und ich dachte schon, dass es hier keinen Strom mehr floss. Doch ganz aufgeben wollte ich nicht und drückte immer wieder den Schalter hoch und runter bis Lichter anfingen zu flackern und leicht den Gang erleuchteten. Mein Herz machte einen leichten Freudensprung, welcher jedoch mittendrin versagte als mein Blick den Gang entlang schweifte bis zur Mitte. Mein Gesicht bekam einen panischen Ausdruck und ich wollte die Tür hinter mir wieder öffnen. Doch der Türgriff fehlte und soweit ich mich erinnern konnte, ging die Tür nach innen auf, also saß ich hier fest. Mit ihm. Ich hatte ihn total vergessen. Doch nun stand er in der Mitte des Ganges und durchbohrte mich mit seinen Augen. Ich konnte spüren, wie meine Beine unter mir anfingen zu zittern und nachgaben, so dass ich auf den Boden landete und meine Krücken rechts und links neben mir auf den Boden knallten. Sofort horchte er auf und machte einen Schritt auf mich zu.
Nein. Nein. Nein!
»Seed kann dich atmen hören. Seed weiß, dass du da bist. Seed hat Hunger.«
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