Kapitel 29
Stille umhüllte mich und ich konnte die vertrockneten Tränen auf meiner Wange spüren. Angestrengt überlegte ich nach, wo Jeff sein könnte und wo er Lily hingebracht hatte, aber mir viel einfach nichts ein. Egal wie sehr ich mich anstrengte, egal wie lange ich auf die Landkarte vor mir starrte, mir fiel einfach nichts ein. Auch Liu, welcher mir gegenüber saß und ebenfalls auf die Karte starrte, fiel nichts ein.
Vor ein paar Stunden hatte er mir geholfen wieder aus der Wanne zu steigen und mich anzuziehen. Nun saß ich mit einer etwas weiteren Jogginghose und einem weiten gelben T-Shirt am Küchentisch und vor mir stand noch der Rest der Snacks, welche Liu schnell vorbereitet hatte. Die ganze Zeit sprachen wir nur das Nötigste, sonst hing die Stille wie ein Klotz Beton zwischen uns, welcher ab und zu durch das Kauen durchbrochen wurde. Ich hatte bis jetzt noch nichts von meinem Vorhaben erzählt und werde es auch nicht machen, egal was kommen mag.
Meine Hand wanderte zittern in die Richtung der hergerichteten Brötchen und schnappte sich eins von denen, bevor sie in Richtung meines Mundes wanderte, dabei wandte ich meinen Blick nicht von der Karte ab. Ich analysierte jeden Winkel, jedes eingezeichnete Gebäude, einfach alles. Zum Glück hatte Liu noch eine ältere Karte, sodass uns die Suche wahrscheinlich erleichtern würde, was ich auch nicht anzweifelte. Mein Blick blieb bei einem Gebäude hängen, was als eine Fabrik gekennzeichnet wurde. Während ich mir das Gebäude und seiner Umgebung genauer betrachtete, biss ich gedankenversunken etwas von meinem Brötchen ab, dabei bemerkte ich nicht, wie ich mich um meine Mundwinkel herum beschmierte bis ich Lius Blick auf mir spürte. Langsam hob ich meinen Blick und schaute direkt in die grünen Augen, welche etwas leicht Verträumtes ausstrahlten. Mir war bis jetzt noch nie so richtig aufgefallen, wie schön Lius Augen leuchteten, aber es fehlte irgendwas in seinen Augen. Irgendwas was in Jeffs Augen war und was mich auch stark im Bann zog. Jeff... Natürlich! Ich Trottel., dachte ich erfreut und blickte wieder auf das Gebäude vor mir. Wenn ich Jeff wäre und mich vor allen möglichen Leuten verstecken müsste, dann würde ich mich an einem Ort verstecken, welcher verlassen ist, aber da er ja nicht in der verlassenen Psychiatrie war, dann müsste er in dieser Fabrik sein. Klingt jedenfalls logisch.
»Und? Hast du was herausgefunden?«, fragte mich Liu neugierig, welcher meinen Blick bemerkt hatte. Eifrig nickte ich und wischte mir dabei über den Mund.
»Ja, ich glaube, vermute, das sich Jeff an einem Ort versteckt hält, der nicht gerade stark besucht ist oder eher überhaupt nicht besucht ist.«, meinte ich und tippte dabei auf das eingezeichnete Gebäude. »Soweit ich weiß, wurde diese Fabrik vor einigen Jahren still gelegt, da die Firma bankrottging. Wahrscheinlich, mit höchster Wahrscheinlichkeit, befindet sich Jeff dort und nutzt diesen Ort so wie diese... Wie heißt sie noch mal... Diese Mission, Mansion oder wie auch immer. Jedenfalls, als einen Zufluchtsort. So würde ich es jedenfalls machen.« Ich schnippte vor Lius Gesicht herum als ich nach dem Wort für die Slender Mansion suchte. Lius Gesicht bekam einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, bevor er zögerlich und unsicher mit dem Kopf nickte. Nach ein paar Sekunden wurde sein Nicken sicherer und mein Blick wanderte stolz auf das eingezeichnete Gebäude, bevor er einen entsetzten Ausdruck bekam.
»Ja, da gebe ich dir recht, wir werden dahin gehen, aber ohne dich.«, meinte Liu mit einem ernsten Unterton und stand auf. Er war auf einmal wie ausgetauscht und seine leuchtend grünen Augen strahlten nur Kälte aus. Ohne ein weiteres Wort zusagen ging er aus der Küche. Doch ich ließ es nicht auf mir sitzen, da ich noch etwas mit Jeff zu klären hatte, also schnappte ich mir meine Krücken, welche neben meinem Platz standen, und humpelte Liu hinterher zur Tür.
»Nein, ich werde mitkommen und es ist mir scheißegal ob du dagegen bist oder nicht.«, meinte ich mit einer festen Stimme und schuckte Liu mit einer meiner Krücken aus den Weg. Doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass er sich die Krücke schnappte und sie mir aus der Hand riss, sodass ich auf den Boden landete. Gelassen trat er zur offenen Wohnungstür und blickte verachtend auf mich herab, dabei konnte ich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen erkennen.
»Das glaubst ja auch nur du. Sei doch froh, so kann er dich nicht so schnell töten.« Lius Stimme war frech, aber auch zugleich kalt, wie seine Augen und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verschwand er und ließ mich alleine vor der offenen Wohnungstür zurück. Mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck blickte ich auf die Stelle, wo Liu vor ein paar Minuten stand. Nein. Nein! Ich werde zu dieser beschissenen Fabrik fahren und mich rächen sowie Lily zurück holen, egal ob ich danach ins Gefängnis komme oder sonst noch was. Ich werde zu dieser Fabrik gelangen. Doch nur wie? Kaum schwirrte die Frage in meinem Kopf umher, als ich auch schon anfing den Kopf nach einer Lösung zu zerbrechen, aber ich fand einfach keine, da die Frage, wie es schien, den ganzen Platz einnahm. Irgendwie muss ich doch zu dieser Fabrik kommen, aber bloß wie?
Schweratmend setzte ich mich auf, während mein Blick immer noch die gleiche Stelle fixierte, welche nun im Schatten lag, was mich stutzig machte und mich aufblicken ließ. Vor mir stand eine junge, leicht verängstigte Frau, welche ungefähr in meinem Alter war, und schaute mich irritiert an. Ein paar Minuten schaute ich in ihre braunen Augen bevor mir eine Idee in den Sinn kam. Jung, ungefähr in meinem Alter... Sie müsste Autofahren können. Wahrscheinlich ist das Glück doch auf meiner Seite.
»M-Miss... Sind Sie ok? S-Soll ich v-vielleicht einen Krankenwagen rufen?«, fragte mich die Frau stotternd und mit einem leicht verängstlichten Unterton. Entweder sie hatte mich erkannt oder sie wusste einfach nicht, wie sie die Lange einschätzen sollte und deswegen hatte sie Angst. Oder sie hat Angst vor fremden Menschen., dachte ich mich als ich von ihr aus meinen Gedanken gerissen wurde. Leicht schüttelte ich meinen Kopf um ihr den Vorschlag aus den Kopf zuschlagen, was sie jedoch noch mehr verwirrte und sie noch mehr verängstlich dastand als sie es schon war. Ihre beiden Hände hatte sie vor ihrer Brust ineinander verschränkt und sie hatte sich leicht vorgebäugt. Zwischen den beiden Händen konnte ich etwas ausfindig machen, was wie ein Schlüsselanhänger aussah. Ein kleines siegessicheres Lächeln huschte über meinen Lippen, was jedoch nicht unbeobachtet blieb. Die Frau vor mir trat einen Schritt zurück und wollte, so schnell wie sie mit ihren hohen schwarzen High Heels laufen konnte, die Treppe raufrennen. Doch ich konnte sie im letzten Moment davon abhalten und packte das Ende ihrer engen Jeans.
»Halt, warten Sie! Ich brauche Ihre Hilfe, bitte.«, versuchte ich die Frau zu beruhigen, als sie mit ihren High Heels nach mir trat. Kurze Zeit verharrte sie in ihrer Position und blickte mich abschätzend an.
»Sie sind doch die Frau aus den Nachrichten, oder etwa nicht?«, meinte die Brünette als sie mich wieder erkannte. Kaum merklich nickte ich, was sie noch mehr aus der Fassung brachte. Niemals hätte ich gedacht, dass so ein Bericht so eine Auswirkung auf Menschen hatte. Nur weil ich ein paar Morde begangen hatte, aber ich hatte sie nie freiwillig begangen. Doch wer wusste das schon? Niemand. Und wer würde das mir glaube? Auch niemand.
»Ja, ja ich bin diese Frau aus den Nachrichten, aber bitte! Ich tue Ihnen nichts.«, versuchte ich die Frau zu beruhigen und schob mich aus der Tür heraus in den Flur. Die Frau wich daraufhin zurück an die Wand und hielt sich schützend die Arme vor ihr Gesicht.
»Und woher weiß ich, dass Sie mir nichts tun?«, fragte die Frau verängstlicht und es kam mir so vor, als würde ich aus allen Wolken fallen. Das war doch nicht ihr ernst oder? Glaubt sie etwa, dass ich diese ganzen Verbände aus Spaß trage? Aber zum einen hatte sie schon recht. Es könnte ja sein, dass ich die Verbände aus Tarnung trage um sie, genau wie die anderen, umzubringen. Ich kann ihr nicht verübel so skeptisch zu sein. Ich wäre das wahrscheinlich auch.
»Schauen Sie mich an. Schauen Sie mich an.«, wiederholte ich mich mit einer etwas festeren Stimme. »Sehe ich gerade so aus, als könnte ich hier irgendjemanden umbringen?! Ich kann doch nicht mal selbst richtig stehen! Also... Bitte. Bitte, helfen Sie mir! Wenn Sie mich aus den Nachrichten kennen, dann müssten Sie doch auch mitbekommen haben, das Lily verschwunden ist und... Ich will sie finden. Doch alleine schaffe ich das nicht, also bitte... Bitte, könnten Sie mich zu dieser verlassenen Fabrik fahren, welche sich am Stadtrand befindet? Ich muss so schnell wie möglichst dahin.« Mit einem flehenden Blick schaute ich sie an und mir stiegen schön die Tränen in meine Augen, da ich mich so sehr daran festhielt, dass die Frau mir gegenüber helfen würde. Doch von ihr kam gar nichts. Verzweifelt hielt sie eine Hand vor ihrem Mund und auch sie war den Tränen nahe. Doch dann machte sie etwas unerwartendes, was mein Herz für einen kurzen Moment zum stehen brachte.
Sie nickte. Sie nickte und rang dabei um Fassung. Als sie diese wieder bekam, kam sie auf mich zu und stellte sich vor mich hin.
»Ich werde Sie zu dieser Fabrik fahren, aber nur unter einer Bedingung! Sie werden mich nicht töten.«, meinte die Frau selbstsicher und eifrig nickte ich. Ich war kurz davor zu weinen, da ich wusste, dass ich nur noch ein Stückchen vor mir hatte um mich an Jeff rechen zu können. Ich konnte schon vor meinem inneren Auge sehen, wie ich Lily wieder in meinen Armen hatte. Ich war in dem Moment einer der glücklichsten Menschen auf der Welt und bedankte mich vielmals bei der Frau, welche mich leicht warm anlächelte und mir aufhalf. Sie schnappte sich eine der Krücken und stützte mich, während ich mit der anderen Krücke lief, so schleppten wir uns zu ihrem Auto, mit welchem sie mich zu der Fabrik fahren würde.
Als wir durch die Haustür traten, musste ich feststellen, dass es schon dunkel war und es wieder geschneit hatte. Was mir auch auffiel war, dass ich nichts Warmes anhatte. Doch das war mir in diesem Moment egal. Ich wollte einfach nur zu dieser Fabrik, also schleppte mich die Frau zu einem schwarzen Auto und half mir einzusteigen, bevor sie selber einstieg und los fuhr. Mein Herz fing an schneller zu schlagen und ich wurde immer aufgeregter je näher wir der Fabrik kamen. Die ganze Fahrt über schwiegen wir und die Frau schaute konzentriert auf die Straße bevor sie schließlich, nach einer langen Fahrt, vor dem kaputten Tor der Fabrik stehen blieb. Wir beide saßen im dunklen Wagen und starrten auf die Eingangstür bevor ich den Blick von der Frau auf mir spürte. Jetzt ist es so weit. Jetzt werde ich mich rächen, egal ob Jane oder Liu mich aufhalten werden, egal ob ich selber sterben könnte. Ich werde es machen, koste es was es wolle.
Jeff, mach dich bereit auf das Finale deines Spiels.
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