Kapitel 25
»D... Dave?«, fragte ich mit einer brüchigen Stimme ungläubig. Was macht er hier? Woher weiß er wo ich wohne? Soweit ich weiß, habe ich ihm nie meinen Wohnort verraten. Weiß er meine Adresse vielleicht von John oder von Gina? Ich bezweifle aber eher, dass Gina ihm irgendwann mal unsere Adresse mitgeteilt hatte. Immer tiefer versank ich in meinen Gedanken und zerbrach mir den Kopf um herauszufinden woher Dave meine Adresse wusste, dabei bekam ich am Rande mit, dass er unbehindert mit mir redete. Doch mit der Zeit und mit jedem weiterem Wort, das aus Daves Mund kam, stieg ein mulmiges und warnendes Gefühl in mir auf, welches ich nicht so richtig deuten konnte.
»Richtig erkannt.«, meinte er mit einem hinterlistigen Grinsen. »Ich kann dir die Fragen schon vom Gesicht ablesen. Hat sich wohl die ganzen Jahre, in denen wir uns nicht gesehen haben, nicht verändert, dass man dir alles vom Gesicht ablesen kann. Um ehrlich zu sein, finde ich das eigentlich gar nicht so schlimm. Ich finde es wirklich faszinierend wie man dich wie ein offenes Buch lesen kann. Sowas kommt nicht oft vor. Eigentlich bist du die einzige Person bei der das so offensichtlich ist, aber ich schweife hier vom eigentlichen Thema ab.« Mit langsamen und bedachten Schritten kam er immer näher, wie eine Katze die sich an eine Maus anschlich. Hätte ich jetzt keinen Gips am Körper, dann hätte ich mich kampfbereit gemacht, aber jetzt lag ich da wie ein verletztes Lamm, welches um sein Leben kämpft und hofft nicht vom hinterlistigen Fuchs getötet zu werden.
Irgendwie versuchte ich eine bessere Position zu bekommen, aber das einzige was ich schaffte war, dass ich auf den Boden landete und Dave direkt vor mir stehen blieb. Mit einem hungrigen Blick betrachtete er mich von oben bis unten und ich konnte nur auf meine Rettung hoffen. Doch wie ich das Schicksal kenne, werde ich mit größter Wahrscheinlichkeit keine Rettung bekommen, sondern eher den Tod.
Dave riss mich aus meinem erschaffenen Universum zurück in die Realität indem er sich vor mich kniete. Seine dunklen Augen durchbohrten mich förmlich und es war das erste und einzige Mal, dass ich mir wünschte Jeff oder Jane würden vor mir sitzen und mich gleich darauf umbringen. Doch es waren weder Jeff noch Jane, auch wenn Dave durch seine schwarzen Haare fast wie Jeff aussah, hatte er auch viele Abweichungen zu Jeff. Daves Haare waren nicht so lang wie Jeffs, sondern sie waren kurz geschnitten und standen wie Stacheln eines Igels von seinem Kopf ab. Seine Augen waren dunkel und unrein und nicht so strahlend Blau und anziehend wie Jeffs Augen und Daves Haut war gut gebräunt und nicht so bleich wie Jeffs. Wenn ich die Wahl zwischen den beiden hätte, würde ich Jeff nehmen auch wenn er das abstoßendere Gesicht von beiden hatte. Er war bestimmt um einiges besser als Dave. Dave ruinierte nur das Leben von anderen. Sei es durch Geld, Macht oder einfach nur durch die passenden Worte.
»Wie ich hörte, hattest du Gina getötet und ihre Eltern haben sie ohne deine Anwesenheit begraben. Muss bestimmt schlimm für dich sein dich nicht anständig von deiner besten Freundin zu verabschieden.«, meinte Dave mit einem gespielten traurigen Gesicht Ausdruck und mit einem spöttischen Unterton. »Aber ich glaube, ich würde auch nicht die Mörderin meiner Tochter auf die Beerdigung einladen.« Seine Worte versetzten mir einen Stich ins Herz und es fühlte sich an als würde es zerrissen werden und verbluten. Seine Worte trafen mich so hart, dass mein Selbstmittleid an meinen Gedanken nagte und mich fast wahnsinnig machte. Es ist ein Trick. Er will dich nur leiden sehen. Er will dich zerstören. Er will dich los werden, versuchte ich mich irgendwie wieder unter Kontrolle zu bekommen, aber es war vergebens.
Ich wandte mein Blick von ihm ab und richtete ihn auf den Boden, so dass er meine angesammelten Tränen nicht sehen konnte und so dass ich sein erbärmliches Gesicht nicht mehr sehen musste. Mein ganzer Körper spannte sich an, dabei fingen meine Muskeln an zu protestieren indem sie anfingen zu schmerzen und sich zu verkrampfen. Ich schaffte es nicht mehr mich zu lockern, egal ob ich mich durch meine Gedanken oder durch tiefes Ein- und Ausatmen. Mein ganzer Körper gehörte nicht mehr mir, sondern Daves Worte, welche immer wieder unbehindert auf mich einstachen. Sie waren wie Gift für meine Seele und lösten ein unbekanntes Gefühl in mir aus, welches ich nicht an die Oberfläche bringen wollte. Verzweifelt unterdrücke ich dieses Gefühl und versuchte Dave nicht mehr zuzuhören, aber seine Stimme hatte mich in ihren Bann gezogen und half dem Gefühl sich in meinem ganzen Körper auszubreiten. Meine gesunde Hand, auf welche ich mich abgestützt hatte, fing an zu zittern und meine Augen fingen ruhelos an sich zu bewegen. Meine Sicht verschwamm kurz und bevor ich richtig reagieren konnte, hatte sich meine gesunde Hand eine meiner Krücken geschnappt und ich schlug auf Dave ein, welcher nicht wusste wie er reagieren sollte. Immer wiederschlug ich in die Richtung seines Kopfes, aber er konnte jeden Schlag mit seinen Armen abfangen.
»Sie haben recht. Du bist einfach nur Wahnsinnig. Kein Wunder hast du Gina getötet und den Autounfall als Tarnung benutzt um aus dem Schneider zu sein, aber nicht mit mir. Ich werde beweisen, dass du mit allen Morden zu tun hast, welche in den letzten Tagen begangen wurden. Ich werde dafür sorgen, dass sie dich wegsperren. Am besten in einer Zwangsjacke.«, brüllte Dave und ich verlor komplett meine Fassung.
»Ich bin nicht Wahnsinnig! Ich habe Gina nicht getötet! Halt dein Mund!«, schrie ich mit verletzter Stimme und schlug wild um mich. Ich hab sie nicht getötet. Ich habe niemanden getötet. Ich bin unschuldig! Die angesammelten Tränen nahmen sich ihre Chance und flohen in die Freiheit. Über meine Wange bis auf den Boden. Dabei nahmen sie mir fast meine ganze die Sicht und ich kniff mir verzweifelt meine Augen zu. Immer noch wild um mich schlagend hörte ich irgendwann einen halb erstickten Aufschrei und ein dumpfes Geräusch, so als ob jemand auf den Boden gefallen wäre. Ich traute mir danach nicht die Augen zu öffnen, aber ich hörte auf um mich zuschlagen und hielt die Krüge schützend vor mich bis ich zwei Hände auf meiner Wange spürte.
»Schatz... Evelyn, alles in Ordnung mit dir?«, drang die verzweifelte Stimme meiner Mutter an mein Ohr. Mom... Hilf mir. Rette mich. Rette mich vor dem was ich getan habe. Rette mich vor dem was ich noch machen werde.
»Mom...«, murmelte ich vor mich hin und die angesprochene Person zog mich in eine Umarmung. Hilf mir! Ich brauche jemanden, der mich beschützt, Mom. Hilf mir einfach.
»Alles ist gut. Ich bin da. Alles wird wieder gut.«, flüsterte sie sanft in mein Ohr und küsste meine Stirn. Diese kleine Geste ließ mich beruhigen, aber meine Tränen bahnten sich weiterhin unbehindert einen Weg zum Boden. Ein paar Sekunden verharrten wir in der Umarmung bis die Arme mich ruckartig losließen und ein Schmerzensschrei das Wohnzimmer erfüllte. Schreiend riss ich meine Augen auf und sah wie Dave auf meine Mom einschlug. Regungslos beobachtete ich das Geschehnis bevor mich die Wut packte und das Adrenalin meinen Körper einen Schubs gab. Ich wusste nicht wie, aber irgendwie schaffte ich es zur Tür zu gelangen, wo sich Mom und Dave befanden. Keiner der beiden bemerkte mich bis ich mit einem gezielten Schlag mit meiner Krücke auf Daves Kopf traf und er in sich zusammen sank. Immer wieder schlug ich auf ihn ein bis sich eine rote Flüssigkeit, welche aus den vielen Kopfwunden trat, an meiner Krücke festklebte. Ich wusste ich hatte ihn getötet und ich wusste, dass ich aufhören konnte, aber ich schaffte es nicht. Ich wartete darauf, dass Mom mir half aufzuhören, aber von ihr kam kein Wort. Alles war still. Kein Atemzug, gar nichts drang an mein Ohr, so als hätte mir jemand schalldichte Kopfhörer aufgesetzt. Meine Augen sahen nur noch rot, da etwas Blut von Dave ein Weg in mein Gesicht fand und mir meine Sicht nahm.
Ich weiß nicht wie lange ich weiter auf Dave eingeschlagen hatte, aber als ich es schaffte aufzuhören und als ich mir mit zitternder Hand das Blut aus meinem Gesicht wischte, konnte ich sehen, dass ich nicht nur auf Dave eingeschlagen hatte. Daves Kopf konnte man nur schwer als Kopf wieder erkennen und überall klebte Blut an ihm, aber das schockte mich nicht. Das was mich am meisten schmerzte und schockte war Mom. Als ich sie ansah verkrampfte sich mein Herz und mir wurde die Luft abgeschnürt. Verzweifelt versuchte ich an die Luft zu kommen, aber bekam nur Würgegeräusche aus meinem Mund heraus. Nein. Nein. Nein! Was hab ich getan? Mom! Was habe ich nur getan?
Meine Krücke rutschte mir aus meiner Hand und mit einem dumpfen Aufschlag kam sie auf dem Boden an. Meine verletzte Hand schaffte es bis zu meinem Mund und der Brechreiz machte sich wie dermal bemerkbar. Ich schlug in der Zeit, in der ich dachte ich würde nur auf Dave einschlagen, auch auf Moms Kopf und hatte ihn genau wie Daves Kopf demoliert. Schwach und zitternd brach ich in mich zusammen, unfähig überhaupt was zu machen. Das einzige was ich schaffte war, meinen Mageninhalt vor mir zu entleeren. Ich konnte es einfach nicht glauben. Nicht nur Gina tötete ich, sondern auch Mom. Alle die mir wichtig waren sind weg. Nicht mehr erreichbar und alles nur wegen mir. Ich bin an allem Schuld.
Als nur noch Galle aus meinem Mund kam fing ich an zu Schreien und weitere Tränen verließen meine Augen, bis ich schluchzend vor den beiden Leichen lag. Meine Augen fest zusammen gekniffen und zusammen gerollt lag ich zitternd da. Ich konnte es einfach nicht fassen was aus mir geworden war. Hätte mir jemand, bevor das alles passierte, gesagt, dass ich zu einer Mörderin werde, dann hätte ich ihn nur dumm angesehen und wäre schnell weiter gelaufen, aber ich wurde zu einer Mörderin. Wenn auch unfreiwillig oder doch freiwillig? Tötete ich aus freien Stücken oder nur wegen Daves Provokationen? Tötete ich Gina wegen Jeff, dem Spiel und Seed oder weil ich einfach zu blöd zum Auto fahren war? Tötete ich Mom wegen Dave oder weil ich in Panik geraten war? Tötete ich mich selbst durch die ganzen Morde oder war ich schon seit meiner Geburt tot? Wieso töten wir Mensch? Wieso leben wir Menschen? Wieso zerstören wir uns Menschen? Wieso verlieben wir uns Menschen? Wieso sterben wir Menschen?
Es war der 9. Dezember an dem Dave Collins und Gabrielle Summer in Evelyn Summers Wohnung erschlagen wurden. Durch Schreie aus der Wohnung riefen die Nachbarn die Polizei, welche kurze Zeit später dort auftauchte und nur zwei Leichen in der zerstörten Wohnung fanden. Von Evelyn Summer fehlte jegliche Spur.
Lied: Hero von Skillet
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