Kapitel 20
Immer noch mit geschlossenen Augen lag ich da und hoffte, dass dieses Wesen hinter mir verschwindet, aber Es bewegte sich nicht von der Stelle. Es saß da und durchbohrte mich mit seinem durch dringlichen Blick. Mit der Zeit wurde mir der Blick unangenehm und ich versuchte ihn auszublenden, aber es funktionierte nicht. Es war so als würde der Blick förmlich nach meiner Aufmerksamkeit greifen und sie nie wieder loslassen, egal wie sehr ich daran zerrte, egal wie sehr ich versuchte sie zu verstecken, der Blick fand sie und ließ sie nie wieder los.
Ich gab auf, darauf zu hoffen, dass das Wesen hinter mir verschwindet. Nun wartete ich darauf, dass der Schmerz kommen wird, der mich mit sich in die Schwärze zieht, dort wo Gina auf mich wartet. Dort wo jede verstorbene Seele hinkommt, aber dieser Schmerz kam auch nicht. Es kam überhaupt nichts, dass einzige was ich spürte, neben den vielen Schmerzen in meinem Körper, war sein Blick. Sein Blick und die unerträgliche Stille zwischen uns, welche der Kälte verhalf meinen Körper Stück für Stück einzunehmen. Das Zittern meines Körpers wurde stärker und die Schmerzen unerträglicher, aber das Wesen stand immer noch hinter mir und starrte mich an. Ich wusste nicht, wie lange wir schon so da standen und lagen und ich weiß auch nicht, wie lange wir noch so in dieser Position bleiben, aber ich hoffte, es wird nicht lange so sein. Ich hoffte, dass Wesen verschwindet, aber es machte nichts dergleichen. Es machte etwas, was ich nicht für möglich gehalten hätte und was mich noch mehr zum Zittern brachte. Ich werde dies auch nie wieder vergessen. Wer würde schon etwas Unerwartetes vergessen? Und dass auch noch von einem Wesen von dem man sowas am wenigsten erwartet hatte? Wer würde schon erwarteten, dass Es sprechen kann und dann noch in der dritten Person von sich?
»Seed weiß, dass du lebst. Seed kann dich atem hören. «, sprach Es zu mir mit einer unmenschlichen Stimme, welche kratzig un kantig anhörte, aber das ist nicht das schlimmste daran, dass Seed sprechen kann, sondern, dass er nicht weggehen wird sondern mich umbringen wird. Er weiß, dass ich noch lebe und das ist nie ein gutes Zeichen, sowie das Knarren und Quietschen vom Metall auf Metall. Scheinbar stand er die ganze Zeit auf der Unterseite des Autos, welche zum Himmel zeigte. Nach kurzer Zeit hörte das Knarren und Quietschen auf und Stille trat wieder zwischen uns ein. In der Zeit fing meine Körper sich anzuspannen und sich bereit zu machen um entweder zu kämpfen oder wegzurennen, aber ich vermute, ich werde das letztere nehme, wenn es klappen würde. Wer weiß, was er alles schon geplant hatte.
Ich löste langsam meine zu Fäusten geballten Hände und legte sie flach auf den kalten Boden, welcher mit einer feinen Schicht von Schnee überdeckt war. Die kalten Eiskristalle bohrten sich sanft in meine Haut und kühlten etwas meine Wunden, aber dafür verstärkten sie mein Zittern. Ganz ruhig, Evelyn., machte ich mir selber Mut und konzertierte mich wieder auf die Umgebung. Ganz leise hörte ich den Schnee knirschen und realisierte kurz darauf, dass dieser Seed auf mich zu kam. Noch etwas blieb ich liegen, um wirklich sicher zu gehen, dass er auf mich zu kommt, und sprang schnell auf als es sich von selber bestätigte. Als ich auf meine Füße auf kam knickte ich leicht mit meinen rechten Fuß um und ein stechender Schmerz bahnte seinen Weg den ganzen Bein hoch. Vor Schmerzen verzehrte ich mein Gesicht und versuchte die Schmerzen verzweifelt zu verdrängen. Mir blieben dafür nur ein paar Sekunden, denn ich lief schon, so schnell ich mit meinen Schmerzen konnte, los, dicht gefolgt von Seed.
Immer wieder sprang ich über die tiefliegende oder am Boden liegende Äste und Wurzeln, ab und zu ungeschickt und ab und zu geschickt. Öfters mal fiel ich auf den Boden, meistens wenn ich ungeschickte eine Wurzel oder einen Ast auswich, dabei schürfte ich immer mehr meine Knie und Handflächen auf. Blut klebte schon überall an meiner Kleidung und durch den letzten Fall verlor ich sogar meine Winterjacke. Jetzt war ich nicht nur Seed ausgeliefert, welchen ich schon lange außer Augen verloren hatte, sondern auch der Kälte, welche mich immer mehr schwächte. Ich wusste nicht, ob es ein gutes Zeichen war, dass Seed nicht mehr hinter mir war oder ein schlechtes. Es könnte ja sein, dass er urplötzlich vor mir auftauchen würde und dann wäre ich wirklich dem Tod ausgeliefert.
Ich lief immer tiefer in den Wald und hatte schon längst die Orientierung verloren. Überall waren nur Bäume, welche Schneebedeckt da standen und warteten bis der Sommer wieder kam um wieder in voller Blüte zu erblühen, aber ob ich den Sommer noch mitbekommen werde ist fraglich, dass es gerade mal November war und ich mir sicher bin, dass ich bald sterben werde. Entweder durch die Kälte, durch Seed, durch Jeff oder durch mich selber, aber durch wen genau, weiß ich noch nicht und wie auch nicht. Aber will ich das überhaupt wissen? Will man überhaupt wissen, durch wen, wann und wie man stirbt? Ich glaube, niemand will das wissen.
Ich versank immer tiefer in meine Gedanken und passte nicht als sich ein Baum mir in den Weg stellte und ich direkt in ihn rein lief. Verwundert über die Tatsache, dass da ein Baum auf einmal auftauchte taumelte ich nach hinten und ruderte hilflos mit meinen Armen in der Luft umher, in der Hoffnung nach irgendwas zu greifen an dem ich mich fest halten konnte, aber zu meinem Pech gab es nichts also landete ich hart auf meinen Po. Ein erschrockenes Fiepen drang über meine Lippen in die kalte Freiheit und meine Augen waren weit aufgerissen. Als ich auf dem Boden ankam saß ich stocksteif da und versuchte kein weiteres Geräusch von mir zu geben, bevor ich mich etwas entspannte und zu dem Baum hoch blickte. Blöder Baum! Wieso stehst du überhaupt da? Und seit wann? Kannst du dir keinen anderen Platz aussuchen?, meckerte ich ihn in den Gedanken an und rappelte mich wieder auf. Erschöpft und schweratmend stand ich da und schaute in den leicht rosaschimmernden Himmel. Die Sonne geht auf., stellte ich erstaun fest. Bin ich etwa fast die ganze Nacht gerannt?
Immer noch schweramtend und hoffend, dass das Feuer in meiner Lunge endlich erlischt, ließ ich mich auf den Boden fallen mit dem Gesicht in den Himmel gerichtet. Langsam schloss ich meine Augen und lag still da und lauschte. Lauschte der Stille die durch ein Knacksen unterbrochen wurde. Das Knacks-Geräusch war gar nicht mal soweit von mir entfernt und als ich dies realisierte fing mein immer noch zitternder und erschöpfter Körper an sich anzuspannen. Ich lauschte weiter nach unbekannten un auffälligen Geräuschen, aber ich konnte nichts mehr ausfindig machen und mit der Zeit entspannte sich auf mein Körper, bis ich heißen Atem in meinem Gesicht spürte. Erschrocken schnappte ich nach Luft und spannte mich sofort an, nachdem ich zusammen gezuckt bin. Ein raues und krankes Lachen drang leise an mein Ohr und sofort wusste ich, wer es war, aber dies half mir auch nicht, dass mein Körper sich entspannte, es verschlimmerte dies eher. Die Tatsache, dass er über mir stand und mich einfach erstechen könnte ließ mein Herz sich verkrampfen und mein Atem verschnellern. Meine Augen drückte ich, genau wie meinen Mund, fester zusammen und hoffte ihn nicht anschauen zu müssen.
»Wieso hast du deine schönen Augen verschlossen? Willst du mein schönes Gesicht nicht betrachten? «, fragte er mich und ich konnte seinen gestörten Blick auf mir spüren. Seine eisblauen Augen, welche meine geschlossenen Augen nur so anstarrten und niemals zwinkerten. Langsam stieg neben der Angst ein Bild von ihm in mir auf. Seine schneeweiße Haut, seine eisblauen Augen, welche schwarz umrundet waren und niemals blinzelten, seine verstrubelten schwarze Haare, welche ich nur zu gerne mit meiner Hand durchfahren würde und sein eingeritztes Lächeln, welches sich nur so in die Psyche eines Menschen einbrannte.
Wieder hauchte er mir warme Luft ins Gesicht und ein beißender Geruch stieg in meine Nase und ließ sie sich rümpfen. Hat er etwa Mundgeruch?, fragte ich mich und öffnete etwas meine Augen. Sofort schaute ich in ein eisblaues Paar Augen, welche mich in ihr Bann zogen und meine Augen weiter öffnen ließ. Als Jeff bemerkte, dass ich meine Augen öffnete wurde sein Blick mordlustiger und wahnsinniger und mir kam es so vor als würde sein Grinsen noch breiter. Ginge dies überhaupt?
»Sehe ich etwa heute so schön aus, dass du mich mit offenem Mund nur so anstarrst? «, fragte er mich mit einen leicht kranken Unterton und fing daraufhin an zu lachen. Schnell schloss ich meinen Mund und wollte ebenfalls meine Augen schließen, hielt sie aber offen und schaute direkt in seine. Je länger ich in sie schaute desto mehr versank ich in dieser eisblauen Kälte. Sie ließ mich alles um mich herum zu vergessen. Es gab nur sie und mich, mehr nicht. Herr im Himmel, ich bitte dich, helf mir dies hier sicher zu überstehen. Helf mir, mich nie wieder in dieser eisblauen Kälte zu verlieren. Hilf mir, ihn zur Strecke zu bringen., bette ich im Stillen und hörte Jeff überhaupt gar nicht zu. Ich bemerkte nicht mal, wie sich sein Mund auf und zu bewegte und Worte formte. Ich bemerkte nur diese durch dringliche Kälte, welche mich formlich einnahm.
»Ich weiß, dass du mir überhaupt nicht zugehört hast und ich weiß, dass du dies auch bereuen wirst, aber keine Sorge. Dies ist nicht unser letztes Treffen. «, meinte er und beugte sich für die letzten Wort dichter an mein Ohr. Leicht erschrocken, auch wenn ich so was schon gedacht hatte, schaute ich an Jeff vorbei in den Himmel.
»Schlaf und träum was Schönes. «, waren Jeffs letzte Worte bevor er aufsprang und davon rannte. Mich ließ er alleine in der Kälte zurück und ich spürte wie es mir noch kälter als davor wurde. Mir war nicht aufgefallen, dass er mich etwas gewärmt hatte als er auf mir lag und mit mir redete. Mir war auch nicht aufgefallen, dass er mir was in die Hosentasche steckte und mir waren die Schreie nicht aufgefallen, die nach einer Person riefen. Nach einer Person, die schwachatmend im Schnee lag und starr ins Nichts ausschaute. Nach einer Person, die so langsam keine Schmerzen mehr spürte und die umhüllt von der heimtückischen und tödlichen Kälte war. Nach einer Person, deren Blick immer leerer wurde je näher sie kamen. Nach einer Person, vor der wieder mal die ganzen schwarzen Punkte Walzer tanzten und er es so vorkam als würde dies nie enden bis zwei grüne Augen vor ihr auftauchten und sie erleichtert anschauten.
Die Person der diese Augen gehörten rief öfters meinen Namen, aber ich nahm seine Rufe nach mir nicht mehr so war. Ich lag halb taub da und schaute weiter in die Ferne. Alles um mich herum blendete ich aus. Ich blendete aus, wie Liu mich hoch hob und mich mit nahm. Ich blendete aus, wie er mich zurück zum Unfallort brachte und mich sanft auf eine Trage legte. Ich blendete aus, wie jemand mich in ein Krankenwagen schob und ich blendete aus, wie der Motor gestartet wurde und der Krankenwagen mit mir los fuhr. Mit Liu und mir.
Ich wusste wohin der Krankenwagen mich brachte, aber ich wollte es nicht wissen. Ich wollte nicht dahin, wohin er mich brachte. Ich wollte nirgends mehr hin. Das einzige was ich wollte, war den zwei eisblauen Augen zu entkommen. Der Person zu entkommen der diese Augen gehörten. Doch werde ich ihnen jemals entkommen? Werde ich sie jemals vergessen? Werde ich jemals dieses Lächeln vergessen? Werde ich jemals dieses Lächeln entkommen? Werde ich jemals sein Spiel vergessen? Werde ich jemals ihn vergessen? Werde ich jemals Jeff vergessen?
Wird er jemals mich vergessen?
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