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-43- ➳Aufbruch


In der Nacht konnte ich keine einzige Minute meine Augen zu machen. Ich lag auf der zu kleinen Chaiselongue, drehte mich immer nur von einer Seite auf die andere und zuckte bei jedem Geräusch zusammen. Lange Zeit starrte ich auf die simulierte New Yorker Skyline und fragte mich, ob dies wohl der letzte Ausblick aus solch einem Fenster sein würde.
Es war mein Ende, das war klar, aber dennoch blieben so viele Fragen offen.
Denn selbst wenn wir es rechtzeitig zu dem Wasserkraftwerk schaffen würden, was wäre, wenn es unmöglich wäre, es zu reparieren?
Es fühlte sich so an, als würde meine Kehle vor Trockenheit in Flammen stehen und mein Magen zog sich alle fünf Minuten verzweifelt vor Hunger zusammen. Immer noch tat mir jeder Knochen weh und nicht einmal die weichen Kissen gaben mir Linderung.
Mehrmals schweiften meine Gedanken zu Megs und Niall in den Zellen und ich fragte mich, ob ihnen auch bereits dieses Angebot gemacht wurde, ob sie auch schon über ihr Schicksal Bescheid wussten.

Aber dann wurde mein Kopf wieder von dem größten Gedanken eingenommen.

Du hattest versprochen, dass du für deine Geschwister sorgen wirst, Sophia.

Ich habe es versaut. Ich habe meinen kleinen Bruder nicht aus den Machenschaften von Niall heraushalten können und nun wusste Marcus und der gesamte hohe Rat über seine Verbrechen Bescheid. Und ich wusste immer noch nicht, ob dies hieß, dass auch er sein Ende bei uns finden sollte. Ich betete, dass Marcus zumindest so viel Herz besaß, um einen 14-jährigen Jungen zu verschonen...

Als ich jedoch das Klicken der Tür hörte und die grüne Lampe aufleuchtete, sprang ich von der Chaiselongue auf und sofort wurde ich von einer panischen Aufregung durchflutet.
Nun war es so weit. Ich konnte nicht länger wegrennen.

Marcus betrat zusammen mit den mir bereits zwei bekannten Wächtern den Raum und kam ein paar Meter vor mir zum Stehen.

„Sophia Smith?"

Ich wusste, was er damit fragte. Einmal holte ich tief Luft und fing dann an zu nicken. „Ja."

„Gut. Peterson wird dich zu den benötigten Sachen begleiten. Wir treffen uns unten."
Bevor ich mich versah, drehte er sich um und verschwand mit einem seiner Wächter, während der andere mich ohne ein Wort grob am Arm fasste und mich durch den Flur in die entgegengesetzte Richtung zerrte. Wütend wollte ich mich aus dem Griff reißen, da ich sehr wohl alleine laufen konnte, doch dafür umfasste er ihn nur noch stärker.

Wir durchliefen mehrere Gänge, die alle gleich aussahen, trafen keine Menschenseele und gelangten schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit zu einem winzigen Raum.
„Du hast zehn Minuten." Knurrte Peterson, drückte mich über die Türschwelle und schloss die Tür. Ein kleines rotes Lämpchen symbolisierte, dass sie abgeschlossen war.
Erst nach weiteren 30 Sekunden begann ich zu realisieren, dass es eine kleine Waschkammer war, ähnlich wie die im Apartment der Paynes, wo Leo und ich uns immer umgezogen und fertig gemacht hatten.
Bevor mich die Erinnerungen zu erdrücken schienen, schluckte ich sie herunter und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt.
In der Mitte stand eine längliche Bank, auf der ein Bündel Kleidung sorgfältig zusammengelegt worden war, daneben ein Teller mit einer Scheibe Brot. Bevor ich länger nachdachte, hatte ich dieses bereits in meiner Hand und stopfte es mir stückweise in den Mund. Ich wusste nicht, wie lange es genau her gewesen war, dass ich etwas gegessen hatte, doch es fühlte sich so an, als hätte ich bisher nichts Besseres als dieses trockene Brot gegessen.
Als ich alles aufgegessen hatte, beugte ich mich unter den Wasserhahn und trank in gierigen Schlucken, bis mein Hals nicht mehr wehtat. Danach spritzte ich mir Wasser ins Gesicht und rieb auch meine Arme und Beine damit ein, die mit blauen Flecken und Kratzern nur so übersäht waren. Den Blick in den Spiegel mied ich, da ich mir diesen Anblick ersparen wollte.
So stand ich schließlich etwas unsicher vor dem Kleiderhaufen und zog mir vorsichtig mein Kleid über den Kopf. Nur mit Mühe konnte ich es aus der Hand legen und in die bereitgelegte Hose schlüpfen. Als ich das einfarbige Langarmshirt über meinen Kopf zog, musste ich meine Zähne zusammenbeißen, damit die Schmerzen nicht die Überhand nehmen konnten.
Schwere, feste Schnürschuhe standen bereit, für die ich Ewigkeiten brauchte, bis ich sie richtig zusammen gebunden hatte und als ich dann in die leichte Jacke schlüpfte, starrte ich auf mein altes, zerschlissenes Kleid.

Ich würde es nie mehr anziehen.
Ich würde weder an der Prüfung in drei Wochen teilnehmen oder mich frei in einem Skyscraper bewegen können.
Ich würde Leo nie wieder sehen.

Und ich hatte keine Ahnung, was ich gleich zu Mum, Clovy und Sam sagen sollte.
Ich hatte versagt. Ich hatte alles zerstört, was wir uns mit unserer restlichen Kraft aufgebaut hatten.

Ich ließ meine Familie im Stich.

Mit einem Klicken kam Peterson in den Raum. „Komm schon, das ist keine Modenschau." Als ich meinen Blick vom Kleid hob, blickte ich geradewegs in den Spiegel.
Und komischerweise schockte mich meine aufgeschürfte Wange und die aufgesprungene Lippe kein bisschen. Ich passte hier her.
Ich passte in die Situation.
Ich war wie ein Puzzlestück eines komplizierten Puzzles.
Ich sah genauso aus, wie eine Ausgestoßene aussehen sollte.
Mein Blick, der auf mein Spiegelbild gerichtet war, wanderte von meinen stumpf aussehenden, wirren Haaren zu dem Wächter, Peterson, der hinter mir stand.

„Ja, ich weiß." Dann drehte ich mich um und auf einmal fühlte sich das Laufen leichter an.
Vielleicht weil es etwas Endgültiges an sich hatte.
Um mich selbst brauchte ich mir keine Sorgen mehr zu machen und vielleicht war genau das, was es so befreiend machte.

Still schweigend folgte ich Peterson. Er hielt mich nicht mehr fest, wahrscheinlich weil ihm nun auch bewusst geworden war, dass ich nicht den Versuch starten würde zu fliehen.
Unser Weg führte zu einem winzigen Fahrstuhl, in dem wir beide gerade mal Platz fanden und anhand der Nummerierung der Etagen, wusste ich nun, dass wir uns in der 91. Etage befanden.
Eine Zentrale der Regierung...
Doch dieses Wissen nahm ich nun nur noch Gleichgültig hin.
Meine Augen folgten der kleinen Anzeige, die uns zeigte, welche Etage wir nun passierten.
Und viel zu schnell kamen wir an Etage 62., dem Sektor 20c vorbei.
Dann Etage 45, in der Syra wohnte. Ich hoffte, dass diese kleine Familie die schlimme Zeit durchstehen würden...
Etage 38. Es war morgens. Vielleicht war Leo noch zuhause. Hier. In unmittelbarer Nähe und würde sich wundern, warum ich nicht zur Arbeit erscheinen würde.
Was würde man ihnen erzählen?
Dass ich der Rebellion angehöre und ins Exil geschickt wurde?
Vielleicht.
Ich wusste es nicht und komischerweise war auch dies mir egal.
Solange Leo versuchen würde, mich nicht zu verurteilen und ich hatte das Gefühl, dass sie dies nicht tun würde.

Und dann waren wir schon in der siebten Etage.
Sektor 2b. Mein Zuhause. Meine Heimat. Meine Familie. Ich schluckte als die Zahl viel zu schnell verschwand und dafür die sechs erschien.
Ich versuchte mir die Zahl einzuprägen, in mein Gedächtnis immer wieder hervorzurufen, damit ich irgendwann ganz genau wusste, wann ich das letzte Mal hier gewesen war.

Mit einem Ruckeln passierten wir auch die dritte Etage und dann blieb die Anzeigetafel leer. Verwirrt runzelte ich meine Stirn, denn wir fuhren definitiv weiter nach unten.
Doch nun waren wir in der Todeszone.

Der Halt kam so plötzlich, dass ich mich an der Wand abstützen musste, aber als sich die Türen langsam zur Seite schoben und Peterson wieder nach meinem Arm griff, atmete ich zittrig ein.
Vor der Tür wartete ein langer, lichtdurchfluteter Korridor auf uns. Kameras waren an den Wänden befestigt und ein Wächter stand neben dem Fahrstuhl Wache. Ich bemerkte, wie er und Peterson sich leicht zu nickten, bevor dieser mich auf eine Tür an dem anderen Ende des Korridors führte.
Unsere Schritte dröhnten unnatürlich laut in meinen Ohren wieder. Ich versuchte eine neutrale Miene aufzusetzen, als Peterson mithilfe eines Zahlencodes die Tür öffnete und mich hindurchführte.
Doch der Anblick, der sich hier mir bot, raubte mir meinem Atem.
Ich wusste, dass es irgendwo einen Ausgang geben müsste, um die Verstoßenden ins Exil zu schicken, aber niemals hätte ich mir einen gesamten Stützpunkt vorgestellt.
Riesige Glasfronten trennte die Halle in mehrere Bereiche und hinter ihnen konnte ich Schreibtische erkennen, an denen Regierungsmitarbeiter saßen und arbeiteten. Mehrere Menschen in Anzüge und Kostümen eilten mit Ordnern und Ein großer Nachrichtenbildschirm hing an einer Wand. Ich erhaschte nur einen kurzen Blick darauf, bevor Peterson mich in einen Nebengang führte, doch dies reichte, um mir mein Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Es war ein Grundriss des Skyscrapers gewesen. Und die unteren Etagen waren rot markiert worden.
Ich wusste, was dies zu bedeuten hatte.

Wenn wir scheiterten würde dies Plan A werden.

Peterson hielt vor einer schwarzen Tür an, welche er mit seiner Chipkarte öffnete. Zusammen betraten wir den Lichtabgedunkelten Raum. Nur eine einzelne Lampe erleuchtete die karge Möblierung und die Personen.
Mein Blick glitt von Megs über Jenia, Niall und Christopher.
Und blieben dann bei einer etwas kleineren Person hängen.

Es fühlte sich so an, als würde mein Herz mehr als nur für ein paar Schläge aussetzen, mir die Luft zum Atmen rauben und dann im doppelten Tempo weiterschlagen, so als wollte es aus meiner Brust springen und der ganzen Situation entfliehen.

„Sam." Krächzte ich und als ich mich diesmal von Peterson losreißen wollte, ließ dieser es zu. Ich taumelte regelrecht zu meinen kleinen Bruder, fiel auf die Knie und zog ihn in meine Umarmung.

„Sophia." Murmelte er in meine Haare, als auch er seine Arme um meinen Oberkörper schlang.

Wie naiv war ich eigentlich noch gewesen, dass ich dachte, dass der hohe Rat irgendjemanden, der bei der Rebellion in irgendeiner gewissen Art und Weise eingebunden gewesen war, verschonen würde?
Wie hätte ich mir nur jemals einreden können, dass mein Bruder hier bleiben würde und ich allein diesem Schicksal gegenüber treten müsste.

„Es tut mir Leid, Sam. Es tut mir Leid." Ich spürte, wie mir die Tränen kamen und verzweifelt klammerte ich mich an ihm. Ich spürte, sein wie wildklopfendes Herz und sein Atmen, der warm und unregelmäßig gegen mein Ohr prallte.
Er lebte.
Doch er würde genauso wie ich dem Tod nicht auf Dauer entfliehen können.
Und dies war alles meine Schuld.
Ich hatte Mum damals, als ich mich zum ersten Mal ‚große Schwester' nennen konnte, versprochen, dass ich auf Sam aufpassen würde.
Auf meinen kleinen Bruder.
Ich hatte versprochen, dass ihm nichts passieren würde, so lange ich da wäre.
Genauso wie bei Clovy.

Und ich hatte meine Versprechen gebrochen.
Als mich diese Erkenntnis frontal traf, schloss ich meine Augen und versuchte so verzweifelt der Realität zu entfliehen.

„Es ist nicht deine Schuld, Sophia. Erinnerst du dich an meine Worte? Jeder sucht seinen eigenen Weg und nimmt dafür sein Schicksal in Kauf. Und die Entscheidung für diesen Weg lag ganz allein bei mir." Ich hörte aus seiner Stimme heraus, dass auch er mit seinen Gefühlen zu kämpfen hatte, doch bevor ich ihm antworten konnte, hörte ich das bereits bekannte Klicken der Tür. Sofort fuhr ich von meinem kleinen Bruder weg, wischte mir einmal über das Gesicht und setzte mich neben ihn.
Marcus betrat neben zwei weiteren Anzugmännern den Raum und wirkte so emotionslos wie eh und je.
Ich spürte sofort die Anspannung der anderen und rückte etwas näher an Sam. „Was ist mit Clovy und Mum?" fragte ich leise. „Werden wir sie noch sehen?"
Als Sam langsam den Kopf schüttelte, schien etwas in mir drin zu zerbrechen.
Und nun wusste ich, dass ein Abschied nicht besser wurde, wenn man sich richtig verabschiedete.

Ich dachte an den Moment, in dem ich lächelnd im Türrahmen gestanden und Sam dabei gelauscht habe, wie er Clovy eine Geschichte erzählte.
Wie Clovy alles neugierig hinterfragt und mich zum Abschied umarmt hatte.
Damals hatte ich mich extra so verabschiedet, für den Fall, dass genau dies hier passieren würde.

Doch mein Herz schien immer noch zu explodieren. Ich sah Clovy vor mir. Ihre braunen Locken und ihre großen Augen, mit denen sie schon seit einiger Zeit nicht mehr nach Pfannkuchen gebettelt hatte.
Vielleicht war dies das erste Anzeichen, dass sie langsam verstand.
Und ich hoffte, sie würde auch irgendwann das Verschwinden ihrer Geschwister verstehen.

„Warum nicht?" krächzte ich leise, während meine Augen jede Bewegung von Marcus und den anderen Männern verfolgte.

„Wir haben nicht das Recht dazu, Sophia. Die Gefahr wäre zu groß, dass wir reden würden..." antwortete Sam leise.
Ich blieb still und betete, dass Mum für Clovy stark bleiben und nicht zerbrechen würde, so wie ich es gerade am liebsten tun würde.

„Mum verurteilt dich nicht."

„Woher willst du das wissen?" fragte ich stockend, ohne ihn anzusehen.
Denn Mum hatte mich doch immer verurteilt. Sie hat ihre Augen verschlossen und dann wieder nicht. Ich wusste nicht, von was Mum wusste und von was nicht.
Doch nun würde ich es wahrscheinlich nie herausfinden.

„Weil sie dich liebt, Sophia. Genauso wie mich." Antwortete Sam mir leise und eindringlich, so als wollte er mich unbedingt davon überzeugen. Denn Mum hatte Dad nie verurteilt, aber auf diese Stufe würde ich bei ihr niemals gelangen. Ich wusste, dass sie mich liebte, aber ich wusste auch, dass sie mich hier für verantwortlich machen würde.
Sie wusste von den Dokumenten, sie hat sie eigenhändig verbrannt und sie hatte mich gewarnt.
Aber ich hatte nicht auf sie gehört, mein Versprechen meinen Geschwistern gegenüber gebrochen und nahm ihr somit auch noch ihren Sohn.

Marcus war nun vorne an einem kleinen Rednerpult angekommen und wurde von Peterson, sowie einem anderen Wächter flankiert. Für einen kurzen Moment war der Raum von einer unheimlichen Stille erfüllt, bevor er seinen Blick über alle Anwesenden gleiten ließ.
Megs, Jenia, Niall alleine in einer Ecke, Christopher, Sam. Für einen kurzen Moment verhakte sich mein Blick mit dem von Marcus, doch ohne mit der Wimper zu zucken ließ er ihn weiter zu Mason, der in einer anderen Ecke saß, Harry und einem anderen Jungen, den ich nicht zu ordnen konnte, gleiten. Und dann wieder, in der entgegengesetzten Reihenfolge zurück.

„Ihr wisst alle, warum ihr hier seid, habe ich nicht Recht?" Er erwartete keine Antwort, stattdessen sprach er sofort weiter: „Ich rede nicht lange um den heißen Brei umher. Wenn ihr es nicht innerhalb zwei Monate schafft, das Wasserkraftwerk wieder in den Gang zu setzten, werden hier andere Maßnahmen ergriffen..."

Wir alle wussten, was die anderen Maßnahmen waren. Ich erkannte es an den Gesichtern jedes einzelnen.

Marcus räusperte sich und drehte sich dann leicht zu den anderen Anzugsmännern um: „Johnson ist der Befehlshaber der Außenkommandos und hat auch eine Karte anfertigen lassen, auf dem eine Route markiert ist, die ihr strikt zu befolgen habt."

Ein Mann, mir schwarzen, kurz geschnittenem Haar und markanten Kinn trat vor und ergriff das Wort: „Meine Männer oder ich selbst waren nie so weit draußen, deswegen haben wir keine Ahnung, was euch da draußen genau erwarten wird, doch wenn die Aufzeichnungen und die Messwerte der letzten Auswertung von vor achtzig Jahren noch stimmen, ist der eingezeichnete Weg die einzige Verbindung mit den Wasserkraftwerken. Die Überfluteten und Verstrahlten Regionen sind markiert und auf Luftlinie beträgt die Laufzeit vier Tage. Die Karte?" Er hielt ein kleines Plastikrohr in der Hand, in der sich das aufgerollte Stück Papier befand. Ein paar Sekunden vergingen, bevor ich kapierte, dass er darauf wartete, dass sie jemand entgegennahm.
Auch die anderen schienen zu verstehen und langsam kam Unruhe auf.
Niall und Mason kamen gleichzeitig bei Johnson an und tauschten feindselige Blicke untereinander.
„Du hast dir dein Recht auf die Führerposition verspielt, Niall." Knurrte Mason und griff nach der Rolle. Doch Niall war schneller.
„Du hast dich geirrt, Mason." Niall kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und auch Mason stand kurz bevor auszurasten. Doch dann durchschnitt Megs Stimme die angespannte Situation: „Niall, gib die Karte ab."
Nialls Kopf schoss überrascht zu Megs und für einen kurzen Moment schien es, als würde Verletztheit in seinen Augen treten, bevor er seine altbekannte Maske wieder aufsetzte und den Kopf schief legte: „Ich soll ihm die Karte überlassen? Seit wann bist du auf Masons Seite, Megs?"

„Ich bin nicht auf seiner Seite, Niall. Du hast es genauso wenig verdient, die Karte zu behalten, wie Mason." Ihre Lippen waren zu einem Strich zusammengepresst und herausfordernd streckte sie das Kinn hervor, als sie den Blickkontakt zu Niall hielt.
Dieser knirschte einmal mit den Zähnen, ballte seine Hände zu Fäusten, deutete eine Verbeugung in Megs Richtung vor und warf ihr dann die Karte vor die Füße. „Nun, ist es das, was du schon immer wolltest? Das Zepter der Macht, Megs?" Die Rolle kam zum Stehen und die zierlichen Finger von Megs schlossen sich um diese. Dann hob sie wieder den Kopf und schüttelte ihn leicht.

„Nein, aber ich werde es nicht zulassen, dass du uns noch einmal in den Abgrund reißen wirst, Niall."

Nun war die Angespanntheit in der Luft zum Greifen spürbar und ich drückte Sams Hand ein wenig. Sofort drückte er meine zurück und beruhigte mich somit ein bisschen.

„Diese Tür hier," unterbrach Marcus die Feindseligkeiten und zeigte dabei auf eine schwere Eisentür, „führt in einen Gang mit Schleusen. Sobald ihr diese passiert habt, trennt eine erste Schleuse euch von dem eigentlichen Skyscraper ab, danach wird erst die zweite geöffnet. Und dann liegt euer Schicksal in euren eigenen Händen... Rucksäcke mit eurer Ausrüstung findet ihr im Gang. Gibt es noch weiteres zu besprechen?" Marcus drehte sich zu Johnson und dem anderen Mann um und als diese mit einem Kopfschütteln verneinten, kroch so langsam die Panik wieder in meinem Körper.

„Nun gut, ich hoffe, ihr seid euch eurer Chance, einen Teil eurer Verbrechen wieder gut zu machen, bewusst, genauso wie..." Weiter kam Marcus nicht, denn genau in dem Moment wurde die Tür aufgedrückt und ein junger Mann kam hineingestürmt. Peterson reagierte sofort, griff nach seinem Arm und wollte ihn gegen die Wand drängeln, als Marcus rief: „Peterson, lass ihn los, das ist mein Sohn!"

Erschrocken starrte ich auf das Szenario und musste mehrmals blinzeln, bevor ich Liam in der Jeans und einem einfachen Pullover und Jacke erkannte. Peterson wirkte überrascht, ließ aber sofort von Liam los und trat ein paar Schritte nach hinten.

„Liam, was machst du hier?" Seine Stimme klang schneidend, als Marcus das Rednerpult um schritt und auf seinen Sohn zu lief. Ich hielt den Atem an, als Liam sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und meinte: „Wonach sieht es denn aus, Vater? Ich werde die Mission begleiten."

Mir blieb der Atem weg und mehrmals musste ich blinzeln, um zu kapieren, dass ich mich nicht verhört hatte.

„Was will ein reicher Arsch wie du dort draußen? Streit mit Mami und Papi gehabt und nun etwas trotzig?" rief Mason dazwischen und bestätigte mir nur, dass ich mich nicht verhört hatte. Liam und Marcus ignorierten ihn beide und ich erkannte, dass Marcus angestrengt versuchte, seinen Sohn zu verstehen. „Das wirst du nicht. Ich werde es dir nicht erlauben."

„Leider hast du kein Recht darüber zu bestimmten." Entgegnete Liam und legte leicht den Kopf schief. „Ich habe mich dem hohen Rat gestellt, Vater und um die Erlaubnis gebeten, diese Mission zu begleiten, um meine Ehre wieder reinzuwaschen."

Für einen kurzen Moment fiel Marcus Maske und ich konnte Überraschung und Wut erkennen. „Das hast du nicht."

„Doch, Vater, und du kannst nichts daran ändern."

„Du bist so ein Idiot, das wird dein Todesmarsch werden, Liam!" Marcus schien vor Wut gleich zu explodieren und auch alle anderen im Raum wurden unruhig. Ich bemerkte, wie Johnson mit seinem Kollegen anfing zu tuscheln. Niall hingegen starrte seinen Halbbruder nur wütend an, als er jedoch meinen Blick zu spüren schien, trafen seine blauen Augen auf meine. Ein leichtes Grinsen erschien, als er mir zu zwinkerte und sich dann wieder abwendete. Er trug noch immer seine Lederjacke.

„Mr. Payne. Wir müssen uns an unseren Zeitplan halten." Sprach ein Wächter vorsichtig, erlangte damit aber nicht die Aufmerksamkeit von dem Angesprochenen. Denn Marcus lieferte sich mit Liam immer noch einen Schlagabtausch still und schweigend per Blicke und ich fragte mich, was genau Liam vor dem hohen Rat gesagt hatte.
Was hatte er getan, um seine Ehre wieder reinzuwaschen?
Warum machte er dies?
Es wurde mir nicht verständlich, doch es war nur ein kleiner Teil von einem riesigen Puzzle, das ich nun hinter mir lassen sollte.
Denn nun würden ganz andere Probleme auf mich, auf uns warten.

„Mr. Payne?" setzte der Wächter erneut vorsichtig an.

„Ja, ich weiß. Beginnen sie mit dem Zeitfenster, Stelson. Und tragen Sie ein, dass die Anzahl der Beteiligten von neun auf zehn gestiegen ist..."

Der Wächter Stelson nickte und verschwand aus meinem Blickfeld, während Marcus sich ohne ein weiteres Wort von Liam abwendete und an uns gerichtet sprach: „Vergisst nicht, ihr habt zwei Monate Zeit." Dann verschwand auch er gefolgt von Johnson und seinem Begleiter aus dem Raum und ließ uns mit den Wächtern alleine.

„In zwei Minuten wird sich die erste Schleuse öffnen. Dann habt ihr weitere zwei Minuten, um euch die Rücksacke aufzusetzen und euch bereit zu machen. Nach einer Minute schließt sich die erste Schleuse, nach der zweiten wird sich die zweite öffnen. Noch eine Minute und fünfzehn Sekunden." Kündigte ein Wächter an und die Panik schien mich zu überrollen.

Sam zog mich schließlich auf die Beine.

„Noch eine Minute."

Auch die anderen standen auf und für einen kurzen Moment sah ich über meine Schulter zu Liam. Auf seinen Rücken trug er einen beigefarbenen Rucksack und er starrte verloren Löcher in die Luft. Was hatte ihn zu dieser Entscheidung getrieben?

„In einer halben Minute öffnet sich die erste Schleuse, geht durch die Tür!"

Liam ertappte mich dabei, wie ich ihn anstarrte und ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Dann wollen wir mal, nicht wahr Sophia, Sophia Smith?" sagte er, als er an mir vorbei schritt und verwirrt schüttelte ich den Kopf.

„Ich denke, auch er kennt die ‚Wissen ist nicht umsonst'-Regel." Ich zuckte bei Nialls Stimme zusammen, presste meine Lippen aber zu einem Strich zusammen und sah weg. „Sie hassen dich alle, Niall und nur deswegen." Sprach ich schließlich doch aus, wartete aber auf keine Antwort, sondern durchschritt direkt nach Sam die Türschwelle. Megs fing meinen Blick auf und nickte mir einmal zu, bevor sie sich wieder abwandte.
Liam stand ganz außen, genauso wie Niall.
Was für eine Ironie des Schicksals.

Und dann öffnete sich die erst Schleuse, gab den Blick auf einen kleinen Raum frei, an dessen Wände die Rucksäcke lehnten.

Es war der Beginn unseres Aufbruches.
Gerade, als ich mit zittrigen Händen Sam einen Rucksack reichte, schloss sich mit einem Zischen hinter uns die erste Schleuse.

„Wir haben noch eine Minute Zeit!" verkündete Liam und wollte sich gerade zu der Schleuse umdrehen, als Niall ihn gegen die Wand drückte. „Denk ja nicht, dass du hier das Kommando hast, nur weil du einen Arsch voll Geld hast. Hier draußen sind wir alle gleich!"
Dann ließ er seinen Halbbruder los, spuckte ihm vor die Füße und schnappte sich einen Rucksack. Alle anderen ließen das soeben Geschehende kommentarlos.
Wir waren alle gleich. Vielleicht würden die Worte wichtiger werden, als irgendetwas anderes dort draußen.

In meinem Kopf zählte ich die Sekunden herunter.
Dreißig Sekunden, bevor die Schleuse aufgehen würde und wir uns außerhalb des Skyscrapers befinden würden, schnallte ich mir meinen eigenen Rucksack um und wurde beinahe von dem Gewicht auf die Knie gezwungen. Krampfhaft ignorierte ich dies und meine schmerzenden Knochen und stellte mich zwischen Sam und Megs.

Noch zehn Sekunden.
Ich griff nach Sams Hand und schloss meine Augen.
Acht Sekunden.
Gleich würden wir den Skyscraper verlassen. Unsere Heimat und unser Schutz.
Sechs Sekunden.
Ich spürte, wie sich mein Atem und mein Herzschlag verschnellerte.
Vier Sekunden.
Sam drückte meine Hand.
Zwei Sekunden.
Ich drückte seine.
Eine Sekunde.

Ich öffnete meine Augen als sich die Schleuse öffnete und musste mehrmals blinzeln.

Ich habe gelogen, als ich gesagt hatte, dass ich keine Angst hätte.
Dass ich keine Angst habe, da es etwas Endgültiges an sich hätte.
Ich hatte gelogen, mir etwas eingeredet das nicht stimmte.
Denn es war nicht das Ende.
Es war erst der Anfang.

~

Ende des ersten Buches.

~

(01.01.2016)







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