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-3- ➳ Sektor 20c

Am nächsten Morgen stand ich früh auf. Einerseits da ich noch einkaufen musste, bevor ich zu meiner neuen Arbeitsstelle musste, anderseits, aber auch da ich nicht mehr schlafen konnte.

Dad war schon weg, als ich leise in den Wohnraum tapste und dabei mein Flanellhemd zuknöpfte. Mum hingegen schlief noch auf der harten Bank. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass sie auch noch eine gute halbe Stunde hatte, bis sie aufstehen musste.

Selbst im Schlaf wirkte sie etwas angespannt und sanft strich ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sofort entspannten sich ihre Züge etwas.

„Guten Morgen, Mum." Flüsterte ich, bevor ich unseren Wandschrank öffnete und den kleinen Keramikbecher hervorholte, in dem wir unser Einkaufsgeld aufbewahrten. Bis auf fünf Münzen war dieser gähnend leer und langsam nahm ich drei Münzen in meine Hand. Dann schloss ich für einen kurzen Moment meine Augen, atmete einmal tief ein und aus und versuchte die Angst zu verdrängen.

Angst davor, dass wir uns bald nichts mehr leisten konnten.

Angst davor, dass wir in die unteren Sektoren ziehen mussten.

Ich redete mir ein, dass dies nie passieren könnte. Immerhin hatte ich jetzt eine neue Arbeitsstelle, bei der ich mehr als dreimal so viel verdiente wie vorher, wenn ich meine weitere Ausbildung schaffte.

Doch die Betonung lag auf wenn.

Denn ich hatte meine erste schon nicht geschafft, wie sollte ich dann so leicht meine zweite bestehen?

Denn bei dieser konnte ich mir nicht einfach eine gefälschte Bestätigung kaufen.

Mit einem Ruck stellte ich die Geldtasse zurück an ihren Platz, schlüpfte in meine Jacke sowie Schuhe und verließ unsere Wohnung.

Die Münzen hielt ich fest in meiner Hand, die in meiner Jackentasche steckte.

Ich war zwar im Sektor 2b groß geworden und kannte hier vieles, aber ich wusste auch, dass man auf seine Wertgegenstände ein waches Auge haben musste, um nicht von einer Sekunde auf die nächste ärmer zu sein.

Ich lief den Korridor entlang, an der Nische vorbei, in der ich erst vorletzte Nacht auf Eleanor gewartet hatte und schlug den Weg zu dem kleinen Markt- und Handelsplatz von Sektor 2b ein.

Er war nicht groß und er bot auch nicht die besten Sachen an. Die Qualität mal ganz weggelassen. Aber die Sachen waren günstiger als die auf dem Hauptmarktplatz von Sektor 2 in Etage 8, also 2c.

Jeder Sektor hatte seinen Haupthandelsplatz und gelegentlich ein Shoppingcenter in deren besten Etage, also jeweils der Sektor mit dem c.

Wir waren zwar ein b, doch selbst die Preise in 2c waren im Moment viel zu hoch.

Wie immer war der Marktplatz schon ziemlich voll, da die meisten ihre Einkäufe vorm Arbeitsbeginn erledigen wollten. Es war unangenehm laut und mehrmals hielten mich Händler an, um mir ihre Ware anzubieten.

Ich blieb kein einziges Mal stehen und kämpfte mich nur durch die Masse bis zu den Stand von Rina vor, die wie jeden Tag hinter ihren zerkratzten Klapptisch stand und wie eine Furie ihre Ware anpries: „Frische Äpfel aus Skyscraper 21 West! GANZ FRISCH! Apfelsinen aus Skyscraper Süd 46! NUR ZUM HALBEN PREIS!"

Ich wusste nicht, woher diese kleine Frau, mit der großen Zahnlücke dieses unglaubliche Stimmvolumen her hatte. Mir fielen beinahe die Ohren ab, aber als sie mich entdeckte, verzog sie ihre Lippen zu ihrem typischen Zahnlücken-Lächeln und stemmte die Arme in die Seite.

„Na na na, wenn das nicht die kleine Sophia ist. Lange nicht mehr blicken gelassen, hm?"

Ich lächelte nur als Antwort und zuckte mit den Schultern.

„Ach ja, ach ja. Jetzt auch noch zu frech um eine richtige Antwort zu geben, hm? PIETRO, PIETRO, schau mal welche kleine Dame uns hier nen Besuch abstattet, hm!"

Ihr Mann, der vorher am anderen Ende des Tisches die Leute bedient hatte, drehte sich stirnrunzelnd zu seiner Frau um.

Als er mich aber sah, fing er an zu strahlen und kam in zwei Schritten auf mich zu.

Ohne irgendwie reagieren zu können, hatte er seine riesigen Pranken schon auf meine Schultern gelegt und schüttelte den Kopf.

„Ach was, ja? Endlich wieder Hunger bekomm', du mageres Ding? Solltest mal mehr essen!"

Ich lachte und meinte dann: „Tut mir Leid, dass wir so lange nicht mehr da waren. Wir waren etwas knapp bei der Kasse."

Und waren es noch immer...

Pietro schüttelte seinen Kopf, zwinkerte mir dann zu und fing wieder an die Kunden zu bedienen.

Rina stütze sich derweilen auf ihre Ellenbogen ab und musterte mich von Kopf und Fuß. Unwohl tapste ich von einem Bein auf das andere.

„Biste' wirklich dünner geworden. Selbst die Speckbacken sind weg. Wie schnell das geht, hm?"

Ich zog die Schultern hoch und betrachtete die Ware um das Thema abzulenken.

„Habt ihr wirklich frische Äpfel und Apfelsinen?"

Rina brach in schallendes Gelächter aus, das von dem Lärm vollkommen verschluckt wurde.

„Schätzchen, Ich verrat dir doch nicht mein Geschäftsgeheimnis, hm. Aber denkste', dass frische Apfelsinen bei den Bonzen oben liegen bleiben würden, hm? Aber gelogen ist's nicht. Es ist nur Sektor 2b frisch. Willst'e welche haben, hm?"

Ich betrachtete die leicht verschrumpelten Apfelsinen und Äpfel. Die Apfelsinen waren bestimmt etwas teurer, aber wir hatten schon lange keine mehr gegessen und ein Apfelsineneintopf würde schnell und ohne großen Aufwand gehen.

Und er machte satt, das war die Hauptsache.

„Wie teuer?" fragte ich. Rina legte einen Finger an ihre Lippe und antwortete dann: „Normalerweise fünf Apfelsinen nen Pfennig, aber weil du's bist, bekommst'e für nen Pfennig fünf Apfelsinen und drei Äpfel. Das ist doch nen gutes Angebot, oder, hm?"

In meinem Kopf ratterte es. Einerseits würde ich allein für das Obst dann schon einen Pfennig von drei ausgeben, aber anderseits war das für fünf Apfelsinen und drei Äpfel ein unglaublich guter Preis.

„Okay, gut. Das nehme ich." Meinte ich.

„Sehr schön." Sie schenkte mir wieder ihr Zahnlücke-Lächeln und packte mit flinken Fingern das Obst in eine braune Tüte.

„Die Tüte ist geschenkt, hm." Sagte sie, als sie mir die Tüte reichte und ich ihr dafür einen Pfennig gab.

Dieser wanderte sofort in ihre Tasche, aber bevor ich mich verabschieden konnte, fragte sie: „Was ist eigentlich mit deiner Ausbildung, hm? Letztes Mal warst'e ja mitten im Vorbereitungsstress. Konntest ja nicht mal richtig reden mit uns. Pietro meinte schon, dass du nicht mit uns Südlern sprechen willst. Natürlich war's aus Spaß, aber seine Ohren hab' ich trotzdem langezogen, hm."

Ich musste lachen, besonders weil mich ihr Dialekt immer wieder aufs Neue zum Schmunzeln brachte.

„Nein, ihr beiden seid immer noch meine Lieblings-Südler. Keine Sorge. Ich habe meine Ausbildung bestanden und fang heute in Sektor 20c meine weitere Ausbildung an."

Diesmal kam mir die Lüge schon viel einfacher über die Lippen und Rina pfiff anerkennend auf.

„Pietro! Hast'e das gehört? Unsre' Sophia wird noch ne Lady. Die arbeitet bald im hohen Hause."

Pietro hob nur begeistert seinen Daumen in die Luft, musste sich dann aber weiter um die Kunden kümmern. Mir hingegen wurde es etwas zu unangenehm, deswegen fragte ich Rina: „Und wie geht es euch in eurem Skyscraper Süd 62?"

„Was soll schon groß los sein? Unsre Nachbarin hat's letzte Woche erwischt. Wir waren unterwegs auf den Märkten. Aber so ein scheiß Wolf war bei ihr, da hat sie wohl geschlafen. Die Wächter meinten, da gibt's nix zu beerdigen. Der Wolf hatte wohl Hunger."

Es drehte mir den Magen um und sofort bekam ich eine Gänsehaut. Ich umfasste meine Tüte fester und versuchte es mir nicht bildlich vorzustellen, wie der eingedrungene Wolf die Nachbarin von Rina und Pietro zerfleischte.

Da wurde mir mal wieder mehr als klar, dass auch wir in Sektor 2b nicht weit von der Gefahr entfernt waren. Rina und Pietro lebten in Sektor 1b in einem südlichen Skyscraper. Vielleicht war es genau deswegen so gut, dass sie mit ihrer Ware immer hin und her pendeln, da sie so nicht dauerhaft der Gefahr eines Angriffes ausgeliefert waren.

Rina bemerkte wohl, dass ich mich unwohl fühlte, deswegen griff sie nach einer Hand voll Brombeeren und reichte sie mir.

„Hier, für Clovy. Sie mag die doch so gerne, hm?"

Dankbar nickte ich und nahm sie entgegen.

„Dann sieh mal zu, dass du schnell nach Hause kommst. So kannste' nämlich nicht in nem hohen Sektor auftauchen, hm Schätzchen."

„Ja, das stimmt." Meinte ich, winkte den beiden noch schnell zu und bahnte mir dann einen Weg durch die lärmende Menschenmasse zu dem nächsten Stand, um mit etwas Glück ein trockenes Laib Brot zu ergattern.

Zwei Stunden später stand ich frisch gewaschen im Schlafzimmer und überlegte, was ich anziehen sollte.

Ich besaß kein Kleidungsstück, dass annähernd dem Standard von Sektor 20c entsprach. Mein Flanellhemd konnte ich auf keinen Fall anziehen, deswegen blieb mir nichts anderes übrig, als mich an Mums Sachen zu bedienen.

Wenig später stand ich in einer steifen weißen Bluse, die ich in meine alte Jeans gesteckt hatte vor dem kleinen gesprungenen Spiegel in unserem kleinen Waschraum und versuchte mich darin, mir einen ordentlichen Zopf zu flechten. Es gelang mir nicht und fluchend wurde mir bewusst, dass mir keine weitere Zeit blieb um mir wenigstens einen Dutt zu machen. Zumindest hatte ich es noch geschafft gehabt, meine Haare zu waschen...

Sam war mit Clovy unterwegs, deswegen musste ich mich bei keinem verabschieden, als ich mit meiner Mappe die Wohnungstür hinter mir schloss.

Mit jedem weiteren Schritt kam die Aufregung und auch die Angst wieder.

Was wenn sie mich doch als Betrügerin entlarven?

Dann würde ich ins Exil geschickt werden.

Nach draußen.

Und außerhalb der Skyscraper war meine Überlebenschance gleich null.

Als ich mit vielen anderen im Aufzug stand, bekam ich Schüttelfrost und ich zog meine Jacke noch enger um meinen Körper.

Es dauerte ewig lange, bis der Aufzug in der Etage 26, Sektor 8c hielt. Hier ging es nicht mehr weiter. Zumindest nicht mit diesen Aufzug. Denn hier endeten die ärmeren Sektoren und somit wurde gesichert, dass die ärmere Bevölkerung nicht ohne schriftliche Erlaubnis in die mittleren Sektoren, Sektor 9a bis 18c oder in die reichen Sektoren von 19a bis 22c gelangten. Zu hohes Risiko, war die Begründung.

Für mich war es eher eine Ausrede dafür, dass die Regierung nicht wollte, dass wir das schöne, reiche Stadtbild mit unserem dreckigen und ärmeren Erscheinen zerstörten...

Ich wurde von mehreren Wächtern überprüft, bis ich in den zweiten Aufzug steigen durfte. Mit jeder weiteren Etage, die wir zurücklegten, pochte mein Herz noch höher. Ich war noch nie so weit oben, kannte es nur aus Erzählungen.

War es wirklich so eindrucksvoll?

Hatten die reichen Sektoren wirklich an jeder Ecke einen Springbrunnen mit Trinkwasser, obwohl wir in den unteren Sektoren um jeden Tropfen klares Wasser kämpfen mussten?

Hatten sie wirklich Magnetbahnen, damit sie nicht laufen mussten?

Dies alles würde ich gleich herausfinden und als der Aufzug in Etage 56, der höchsten der mittleren Sektoren anhielt, platzte ich beinahe vor Aufregung.

Schon hier war alles viel nobler, als das ich es mir je vorstellen konnte. Zwischen all den feinen Arbeitsanzügen fühlte ich mich unwohl in der verwaschenen Jeans, den abgelatschten Schuhen und der etwas gelblich schimmernden Bluse. Als ich durch die Halle stolperte, wurde ich mit missbilligenden Blicken gemustert, deswegen blieb mir kaum Zeit, die hellen Fliesen, den simulierten Himmel, die frisch gefilterte Luft sowie die leise Musik, die von überall her schallte, zu beachten.

Als ich die weiteren Aufzüge erreichte, zeigte ich einem Wächter meine Bescheinigung.

„Mappe!" wies er mich an und so ungeschickt hielt ich ihm meine Mappe hin.

Er warf mir noch einen Blick durch seinen schwarzen Helm zu, bevor er mit seiner, in Lederhandschuhen steckenden Händen meine Mappe aufschlug.

Präzise las er sich meine Bescheinigung durch und je länger es dauerte, desto nervöser wurde ich.

Wusste er vielleicht schon, dass ich betrogen hatte?

Wurde ich nur noch hingehalten, bis ich von einer ganzen Truppe Wächter abgeschleppt wurde?

Meine Hände fingen an zu zittern und vergeblich versuchte ich es zu unterdrücken.

„Ausweis und die Hand auf den Scanner!" wies er mich knapp an.

Eingeschüchtert reichte ich ihm meinen Ausweis und legte dann meine Hand auf den Handscanner.

Als der Scanner meine Identität erfasste, nahm ich meine Hand wieder herunter und wartete ungeduldig, bis der Wächter alles überprüft hatte.

Nach ein paar weiteren Minuten gab er mir meinen Ausweis sowie Mappe wieder und meinte so knapp wie zuvor: „Ms. Redchild erwartet sie dort hinten. Die Dame mit dem roten Schal."

Suchend sah ich mich um, fand die genannte Frau mit dem roten Schal aber schnell neben dem Aufzug, nicht weit von hier entfernt.

Die Mappe an meine Brust gedrückt machte ich mich auf dem Weg zu ihr. Mit jedem Schritt fühlte es sich so an, als würde mein Herz höher schlagen, fliehen wollen.

Doch es war unsere Chance - Clovys Hoffnung.

Ms. Redchild sah ungeduldig aus. Immer wieder sah sie auf ihre Armbanduhr und trippelte mit ihren Füßen auf dem Boden umher. Auf einen Blick erkannte ich, dass sie aus den reicheren Sektoren stammen musste. Denn sie trug passend zu dem roten Schal einen weißen Hosenanzug und elegante Schuhe mit Absatz. Um dieses Outfit bezahlen zu können, müsste ich wohl mehrere Jahre durcharbeiten.

Ihre blonden Haare waren zu einem strengen Knoten nach oben gesteckt und an ihren Ohrläppchen glitzerten oval förmige Ohrringe.

Ich trat an sie heran und erlang somit ihre Aufmerksamkeit. Bevor ich mich vorstellen konnte, öffnete sie ihren Mund und meine: „2 Punkte Abzug wegen zu spät kommen." Ihre Augen fuhren an mir hoch und runter und missbilligend verzog sie ihr Gesicht. „Für das Outfit vergebe ich erstmals keine Punkte, aber man dürfte doch zumindest davon ausgehen, dass Sie in der Lage sind, einen richtigen Dutt zu machen. Zwei Punkte Abzug, da Sie aber die erste sind, bekommen sie zwei Punkte plus. Miss Sophia Smith nehme ich an?" Sofort senkte sie ihren Blick auf ihr kleines Touchpad und tippte fleißig darauf herum.

Vollkommen verwirrt war ich nicht in der Lage zu antworten. Was meinte sie mit den Punkten? Wurden wir so bewertet?

Ich hatte nicht die Chance nachzufragen, da in diesem Moment ein Mädchen in meinem Alter neben mir auftauchte.

„Zwei Punkte Abzug wegen zu spät kommen, Ms. Delin. Aber zwei Punkte plus, da Sie zumindest einigermaßen annehmbar aussehen." Rasselte Ms. Redchild mit einem Blick auf das Mädchen herunter.

Diese beachtete die nervende Frau mit dem roten Schal kaum, sondern zwinkerte mir nur zu und sah dann nach hinten. Leicht verwirrt betrachtete ich sie.

Besser als ich war sie auf jeden Fall gekleidet. Das mitternachtsblaue Kleid deutete auf jeden Fall auf einen mittleren Sektor hin. Ihre dunkelbraunen Haare waren zu genau so einem Zopf geflochten, den ich vorhin nicht hinbekommen hatte. Leicht neidisch musste ich zugeben, dass sie eine echte Schönheit war.

Sie war nicht so mager wie ich.

Sie hatte schöne rosige Wangen und strahlend grün-braune Augen.

„Wird Ms. Pinston uns nicht mehr beehren? Sie hat schon zehn Minuten Verspätung, das ist nicht mehr akzeptabel. Wir haben keine Zeit mehr zum Warten. Dann wird Ms. Pinston wohl den Weg alleine finden müssen und die zehn Minuspunkte akzeptieren müssen..." Kopfschüttelnd tippte Ms. Redchild auf ihrem Pad herum. Ich konnte nur meine Augen über ihr Verhalten verdrehen. Hoffentlich waren nicht alle so wie sie. Sonst könnte ich keine Sekunde bei meiner neuen Arbeit aushalten...

Ein paar Minuten später scheuchte sie uns in den Aufzug und während der relativ kurzen Fahrt redete sie auf uns ein:

„So, ich werde eure Ausbildnerin sein. Eure Unterrichtszeiten werden jeden zweiten Tag eine Stunde nach eurem Feierabend sein. Eure Arbeitsstunden werden manuell geregelt. Ich werde jeden eurer Arbeitsschritte mit Punkten bewerten. Entweder bekommt ihr Plus- oder Minuspunkte. Dazu gehört auch ein vernünftiges Auftreten sowie angemessene Sprache. Mit einem Slum-Dialekt kommt ihr hier nicht weit, verstanden?"

Das Mädchen, deren Vornamen ich immer noch nicht kannte und ich nickten.

„Mit der Familie Payne wird nur gesprochen, wenn sie es verlangen. Ansonsten seid ihr unsichtbar, verstanden? Geht eurer Arbeit schnell und fleißig nach und erledigt die Aufgaben, die die Vorsitzende des Haushaltes euch aufgibt. Momentan befindet ihr euch in der Ausbildung, ihr habt also weder einen festen Platz in der Küche, als Wäscherin oder als Putzkraft. Auch habt ihr keinen Anspruch auf einen Schlafplatz. Wenn ihr die Ausbildung erfolgreich besteht, kann es in Erwägung gezogen werden, dass ihr eine Festanstellung bekommen könnt. Das liegt aber allein bei Mr. Payne. Also präsentiert euch von eurer besten Seite. Beste Seite, habe ich gesagt Sophia! Zwei Punkte Abzug, steh gefälligst gerade und nicht so wie ein räudiger Köter!"

Erschrocken drückte ich meinen Rücken durch und ich merkte, wie es das Mädchen neben mir gleich tat.

„Gute Haltung ist das A und O. Wenn ich es noch einmal sehe, gibt es mehr Punkte Abzüge."

„Aber..."

„Kein Aber. Weitere zwei Punkte Abzug wegen Widerspruch, Sophia!"

Ich biss mir auf die Lippe, um nicht noch etwas Weiteres zu erwidern.

Zum Beispiel, dass sie einen gottverdammt nervte. Aber das würde mich wahrscheinlich sofort in das Aus katapultieren. Deswegen ignorierte ich das und die Tatsache, dass sie mich jetzt schon duzte. Ich hatte in den letzten Minuten schon genug Minuspunkte gesammelt.

Als der Aufzug mit einem Piepsen verkündete, dass wir im Sektor 20c, Etage 62, angekommen waren, drehte sich Ms. Redchild noch einmal zu uns um, klatschte in die Hände und meinte: „Und wehe, ihr folgt mir nicht zügig. Ohne mich als Begleitperson werdet ihr sofort wieder nach unten geschickt. Gafft nicht, redet nicht. Wir gehen auf einem kleinen Umweg durch die Angestelltenkorridore zu dem Apartment von Mr. Payne."

Und tatsächlich sah ich keine langen Alleen, geschweige denn mit Gold verzierte Springbrunnen, wie die in den Nachrichten, die ein paar Mal in der Woche auf dem Marktplatz ausgestrahlt wurden. Vor uns erstreckte sich nur ein langer, grauer Korridor, der aber dennoch um tausendmal besser aussah, als der in Sektor 2b. Dennoch regte hier ein reger Betrieb. Ms. Redchild führte uns durch Gruppen von Köchen, Putzfrauen und Frauen mit Wäschekörben, die redend ihre Pause auf dem Korridor verbrachten.

Und mir war sofort klar, warum wir nicht durch die Halle und den Alleen zu dem Apartment gingen.

Denn wir waren keine reichen, schönen Einwohner der oberen Sektoren.

Wir waren nicht gut genug gekleidet.

Wir sprachen nicht gut genug.

Wir waren allgemein niedriger gestellt.

Wir waren nur die Angestellten, die niemand auf den eigentlichen Straßen sehen wollte.

Und ich, einem Mädchen aus 2b, war noch niedriger gestellt als alle anderen.

Nach weiteren fünf Minuten Fußmarsch gelangten wir zu einer weiß gestrichen Tür, auf der in goldenen Lettern Payne stand.

Mit Hilfe eines Handscanners öffnete meine neue Ausbildnerin die Tür und scheuchte uns in den kleinen Flur, der hinter der Tür auftauchte.

„So, meine Lieben." 'Sie klatschte einmal in die Hände und erschrocken zuckte ich zusammen. So begeistert hatte ich sie bis jetzt nicht gesehen. „Willkommen im Hause Payne. Dies hier ist der Angestelltenflügel. Kommt mit, ich zeige euch, wo ihr eure neuen Arbeitsanziehsachen anziehen könnt und..." Mit einem Blick auf mich fügte sie hinzu: „... eure alten Sachen entsorgen könnt. Das ist ja schrecklich wie ihr herumläuft."

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie indirekt nur mich meinte.

„Mach dir nichts draus. Avaria ist ziemlich... gewöhnungsbedürftig..." flüsterte mir das Mädchen mit dem Kleid und den perfekt frisierten Haaren zu.

„Avaria?" fragte ich genauso leise und das Mädchen nickte in die Richtung von Ms. Redchild. Also hieß diese wohl mit Vornamen Avaria.

„Kennst du sie schon länger?" Ich wusste, dass ich neugierig war. Doch das Mädchen schien es mir nicht übel zu nehmen, denn sie antwortete mir: „Ja, sie war schon davor meine Ausbildnerin. Ihr Punktesystem ist hart, aber man gewöhnt sich dran. Ich bin übrigens Leo. Und nein, es ist kein Jungenname und nein, komme bloß nicht auf die Idee nach meinen vollen Namen zu fragen." Sie grinste mir leicht zu und deswegen blieb mir nichts anderes übrig, als mich ebenfalls mit einem Lächeln vorzustellen: „Sophia. Sophia Smith."

„Und Sophia, Sophia Smith, sowie Leo bekommen weitere zwei Punkte Abzug, da ihr wohl lieber miteinander quasselt, anstatt aufzupassen, was ich euch erkläre. Anstand ist wohl zu viel verlang von niedrigeren Sektoren."

Kopfschüttelnd tippte Avaria Redchild unsere neuen Minuspunkte ein. Aber vorerst waren mir diese egal, denn sie bedeuteten, dass ich eine Person kennengelernt habe.

Und vielleicht würde ich hier eine Freundin brauchen, um diese Ausbildung zu überstehen.

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(13.05.2015 - Widmung geht an @harrysbutterflyxx , da sie mein Sarry-Schatz ist und ich sie nicht mehr verlieren möchte.)

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