-29- ➳ Mittel zum Zweck
Es vergingen drei ganze Tage, bis ich wieder auf Liam traf.
Es waren drei Tage voller Ruhe und Verdrängen gewesen. Eine Zeit, in der sich weder Niall noch Liam auf sich aufmerksam gemacht hatten, Dad schweigend spät abends nach Hause kam und ich zusammen mit meinen Geschwistern etwas Zeit verbringen konnte. Wir erzählten uns Geschichten, ich half Mum dabei das Sockenpaar für Clovy fertig zu stricken und hatte etwas Zeit gefunden für meine Prüfung zu lernen, die bereits in knappen zwei Monaten anstand.
Auf der Arbeit half ich die ganze Zeit Flynn und versuchte mich dabei gut anzustellen, in der Hoffnung, dass er mich so an Avaria weiter empfehlen würde, damit ich auf die Abendveranstaltung zugelassen wurde. Denn ansonsten würde ich nichts haben, was ich Niall anbieten könnte...
Der Rosengarten wurde am zweiten Tag fertig und zusammen hatten Leo, Flynn und ich uns auf eine kleine Rasenfläche hingesetzt, unsere Sandwiches gegessen und die Sonnenstrahlen genossen. Und in diesem Moment war es auch völlig egal gewesen, dass sie simuliert waren, denn nichts fühlte sich in diesem Moment echter, schöner und wärmer an, als dieser Augenblick, den ich mir auch für meine Geschwister wünschte.
Am dritten Abend traf ich mich mit Eleanor im Park und zusammen redeten wir über ganz normale Sachen. Sie erzählte mir von Danielles neuer Kollektion, die morgen herauskommen würde und ich verschwieg ihr, dass sie nie solch ein Kleidungsstück kaufen könnte. Es war einfach zu schön, die beste Freundin so glücklich und ausgelassen zu erleben, nicht zuletzt wegen Louis.
Und dennoch nahmen diese etwas sorgloseren Stunden ein jähes Ende, als ich mit wunden Knien auf dem Fußboden hockte und die goldenen Bodenleisten schrubbte. Bellamy stand hinter mir putzte wieder einmal die Gemälde. Wenn ich ehrlich war, kam es mir so vor, als würde sie dies zum hundertsten Mal machen, nur um nicht genauso wie die Knie wund zu schürfen.
Doch bevor ich mir noch mehr Gedanken darum machen konnte, ertönten die näher kommenden Schritte von einer Person. Wieder einmal schaffte ich es nicht rechtzeitig mich aufzurappeln, um Liam gegenüber zu stehen.
Dieser hatte zum Glück aber nur Augen für Bellamy, die ihn fragend ansah und dabei das Staubtuch zur Seite legte.
„Mein Dad möchte den südlichen Flügel heute fertig haben, da er dort die nächsten Tage seine Arbeit erledigen wird." Meinte Liam und strich sich dabei über seinen Anzug.
Ich beobachtete wie Bellamy verwirrt die Stirn kraus zog und langsam den Mund öffnete: „Mr. Payne. Es tut mir Leid, Ihnen widersprechen zu müssen, aber Zena und Wellington sind für den genannten Flügel zuständig und wir..."
„Dann sollte es dir auch leidtun. Du wirst die südwestlichen Zimmer übernehmen und Sophia Smith-" Sein Blick wanderte kein einziges Mal zu mir, aber dennoch schlug mein Herz nervös schneller, als er meinen Namen nannte, „die südöstlichen Zimmer. Bis heute Abend muss alles fertig sein, schlimm genug, dass Avaria Redchild nicht die Nachricht überbringen konnte..."
Mit diesen Worten wandte er sich ab, nicht aber ohne Bellamy vorher noch ein kleines gespieltes Lächeln zu schenken.
Als er sich umdrehte, trafen seine Augen für einen winzigen Augenblick auf meine und automatisch hielt ich die Luft an, als er mir fast unmerklich zu zwinkerte und dann wieder den Flur entlang schritt.
Als Bellamy ein paar Sekunden später die Putzutensilien zusammen suchte, fragte ich vorsichtig nach: „Was machen wir jetzt, Bellamy?"
„Natürlich dem Befehl von Mr. Payne nachgehen, was denn sonst?" zischte sie genervt und drückte mir den Eimer mit dem Putzwasser in die Hand.
Dann folgte ich ihr in einen Abschnitt des Apartments, den ich bisher noch nicht betreten hatte und automatisch fühlte ich mich unwohl.
Es sah hier genauso prunkvoll und luxuriös aus, wie in allen anderen Bereichen und es war ziemlich ernüchternd, dass ich hier mit zerschrammten Knien hinter Bellamy entlang schritt.
Wir kamen an einem Portrait von Marcus Payne vorbei.
Er lächelte nicht.
Allgemein habe ich ihn auch noch nie auf den Nachrichtenbildschirmen lächeln gesehen.
Denn so etwas tat ein Mitglied des hohen Rates und zugleich Abgeordneter des Skyscrapers Nord 44 nicht.
„Arbeite dich einfach von Zimmer zu Zimmer und pass auf, dass du ja nichts kaputt machst, in Ordnung?" Bellamy überreichte mir den kleinen Wägelchen mit den Putzutensilien und band sich ihre Haare zu einem strengen Zopf zusammen, als sie weitersprach: „Ich besorge mir gleich noch anderes Putzzeug, ich hoffe, du hast genug Routine, um ein einziges Mal es alleine hin zu bekommen?" Es klang nicht nach einer Frage, deswegen äußerte ich meine Unsicherheit erst gar nicht.
„Gut, denn wenn du einen Fehler machst, dann bleibt es an mir hängen, okay? Also, putzen und nichts anderes!" Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand Richtung Abstellkammer. Ich hingegen atmete einmal tief ein und aus.
Ich putzte jeden verdammten Tag. Wenn nicht zuhause, dann hier, also warum sollte es ein Problem sein, dies heute alleine zu machen?
Mit neuem selbst zugesprochenem Selbstbewusstsein öffnete ich die erste Tür auf der rechten Seite und schob den Wägelchen vor mir in den Raum, der sich als ein abgedunkeltes Gästezimmer entpuppte.
Als ich alles abgewischt und sauber gemacht hatte, ging ich zum nächsten Zimmer über. In der Hoffnung, noch Bellamy zu treffen und mit ihr wegen der Mittagpause zu sprechen, trödelte ich etwas auf dem Flur herum, faltete die Putztücher und schüttelte noch mehr Putzmittel in das Wasser. Doch als mein knurrender Magen schon zum dritten Mal auf sich aufmerksam machte, seufzte ich auf und öffnete die nächste Tür.
Bellamy würde hoffentlich schon von selbst wie gewohnt zur Mittagzeit die Arbeit unterbrechen und mich holen kommen...
Ich ließ den Putzwagen in der Mitte des Zimmers stehen. Es war eine Art Bibliothek und voller Staunen drehte ich mich einmal im Kreis. Zwei der vier Wände waren mit Regale belegt, dessen Bücher sich bis zur Decke stapelten. Ein kleiner Kamin simulierte Wärme in Form von falschen Flammen an der dritten und an der vierten Wand konnte man durch einen kleinen Spalt zwischen den Gardinen ein Fenster ausmachen.
Vorsichtig, noch einmal über meine Schulter lugend, dass mich keiner dabei beobachtete, ging ich auf ein Regal zu und strich über die Buchrücken.
Putzen und nichts anderes! Echote mir Bellamys Stimme im Kopf umher, doch in diesem Moment war es mir egal.
Ich hatte noch nie so viele Bücher auf einen Haufen gesehen, davon mal abgesehen, dass bereits eines sehr teuer war und die höheren Sektoren die digitale Form vom Lesen bevorzugte.
Langsames Schrittes ging ich das Regal entlang, meine Finger glitten von Buchrücken zu Buchrücken und jede schien ihre eigene Geschichte erzählen zu wollen. Manche sahen alt und zerfleddert, manche hingegen neuer und gepflegter aus.
Sofort fragte ich mich, ob manche vielleicht noch aus der Zeit vor den Skyscrapern stammen... Aber war das möglich? Immerhin waren zwei Jahrhunderte vergangen...
Als ich am Ende des Regals angekommen war, seufzte ich leise auf, wobei ich nicht einmal genau wusste, warum. Vielleicht, weil ich genau wusste, dass ich die Bücher niemals in meinen Händen halten dürfte...
„Ist das nicht auch ein Regelbruch, meine liebe Sophia, Sophia Smith?"
Erschrocken fuhr ich herum.
Liam stand leicht grinsend an dem Kamin angelehnt und legte seinen Kopf schief.
„Ich... ich..." stotterte ich und merkte selber, wie hochrot mein Kopf wurde. Nervös suchte ich nach einer Ausrede, ohne wieder in peinliche Fettnäpfchen zu treten. Seit wann stand er da? Ich hatte ihn noch nicht einmal herein kommen gehört...
„Du... du...?" hakte Liam nochmal nach und sein Grinsen wurde ein Stückchen breiter. Er wusste ganz genau, dass es mich nervös machte und er spielte gerne dieses Spiel. Man merkte es ihm an, dass ich ihn amüsierte.
„Ich..." setzte ich neu an und versuchte mich groß zu machen, um etwas selbstsicherer und überzeugender zu erscheinen, „Ich wollte nur nachschauen, ob die Bücher staubig sind... Denn ich putze..." Als Beweis schnappte ich mir schnell ein Staubtuch, riss die Gardinen auf und blinzelte leicht überrascht auf die simulierte Unterwasserlandschaft. Ein Fisch flitzte vorbei und hinter mir fing Liam an zu lachen.
„Willst du auch die Fische füttern? Margarete hat sicherlich etwas Brot übrig..."
Ich schluckte und schüttelte den Kopf. Dieses Mal wollte ich nicht auf den Arm genommen werden. „Mr. Payne, kann ich etwas für Sie tun?" Ich drehte mich zu ihm um und versuchte mit allen Mitteln den Blickkontakt zu halten. Seine braunen Augen bohrten sich in meine und das leichte Grinsen verließ nicht sein Gesicht, als er sich auf den Sessel neben den Kamin niederließ.
„Momentan nicht, Sophia, Sophia Smith, lasse dich nicht stören beim Herumschnüffeln..."
Innerlich stöhnte ich auf. Mittlerweile wusste ich zwar, dass er es sicherlich nicht ernst meinte, aber dass er jeder meiner Handlungen anders verstehen, jeder meiner Worte im Mund umdrehen musste, war auf Zeit mehr als anstrengend.
„Dann putze ich mal weiter, Mr. Payne. Es sei denn Sie wollen Ihre Ruhe, dann mache ich erst einmal in einem anderen Zimmer weiter..."
Ich ging auf den kleinen Tisch zu, der in der Nähe der Regale stand. Ein paar Papiere lagen auf der Tischfläche, sowie eine alte Teetasse. Als ich diese jedoch anhob, rechnete ich nicht damit, dass sie noch brennend heiß war. Vor Schreck ließ ich sie fallen.
Mit einem lauten Klirren zerbrach die Tasse inmitten der Papiere. Porzellanscherben sprangen mir entgegen und das blassgelbliche Gebräu ergoss sich zu allen Seiten. Kamillenduft breitete sich innerhalb weniger Millisekunden aus und aus Reflex riss ich die Dokumente vom Tisch.
„Sophia!" Ich hörte Liams Stimme, doch ich drückte bereits das Staubtuch auf die, nun am Teppich klebenden Blätter, in der Hoffnung sie so noch retten zu können.
„Es... es tut mir Leid! Wirklich , Mr. Payne." Quietschte ich und rubbelte erneut mit dem Staubtuch herum, wobei ich es dadurch nur noch schlimmer machte.
„Sophia, geh da weg." Liam kniete sich neben mich und versuchte mir die Blätter wegzunehmen, doch ich schüttelte den Kopf und japste: „Ich bringe das wieder in Ordnung, Mr. Payne, es tut mir Leid!"
Meine Gedanken rasten. Ich könnte wegen diesen dummen Fehlers meinen Ausbildungsplatz verlieren.
Ich könnte alles verlieren, genau jetzt, wo dies hier wichtiger als alles andere war.
wie sollte ich denn Nialls Aufgabe erfüllen, um meine Familie beschützen zu können, wenn ich heute Abend ohne Arbeit in den Sektor 2b zurückkehre?
Panisch sammelte ich die Scherben auf und ignorierte Liam, der versuchte die Blätter aufzusammeln.
Ich musste das doch machen, sonst bin ich schneller weg vom Fenster als ich durfte...
„Es tut mir Leid, Mr. Payne..." keuchte ich erneut und riss ihm beinahe die Zettel aus der Hand.
„Sophia..." Etwas in seiner Stimmlage hatte sich verändert, aber ich wusste nicht genau was. War er sauer?
Sophia, gib mir auf der Stelle..." weiter kam er nicht, denn ich spürte, wie brennend und warm zu gleich etwas meine Hand hinunter tropfte, mitten auf das oberste Papier. Beinahe magisch angezogen wanderte mein Blick von meinem Handgelenk, nachdem Liam gegriffen hatte, hinunter zu meiner verletzten Hand und schließlich auf das beschriebene Blatt.
Rot leuchtete mein Blut mir genau neben dem Zettel entgegen und ich bemerkte aus den Augenwinkeln, dass auch Liam genauso gebannt darauf blickte. Dann wanderte sein Blick langsam zu meinem Gesicht, während meiner Millimeter für Millimeter von dem Blutfleck zur Überschrift glitt. Und bevor ich lesen konnte, was dort stand, wusste ich schon, dass es ein Fehler war. Es war ein einziger großer Fehler, den ich hier begangen hatte.
Buchstabe für Buchstabe entzifferte ich den Titel, bevor mein Blick langsam zu dem von Liam schweifte.
Störquelle, Wasserkraftanlage Nord 44. Wir wussten beide was es bedeutete. Und als Liams Blick sich mit meinen verhakte, wusste auch er, dass ich kapierte. Ich war für ihn ein offenes Buch. Mein Atem ging zu schnell, mein Herz kam kaum mit dem Pumpen nach und es war so leise, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Nach einiger Zeit öffnete Liam den Mund, ohne den Blickkontakt zu beenden. „Du blutest... Sophia, Sophia Smith..."
Mein Blick wanderte langsam zu meiner Handfläche und erst jetzt nahm ich den pochenden Schmerz, er von dort losgesandt wurde, wahr.
„Oh." Konnte ich nur krächzten. Ich wusste nicht, was ich in diesem Moment denken oder fühlen sollte, ich wusste rein gar nichts. Komplette Überforderung herrschte in meinem Kopf und als Liam mich am Ellbogen hochzog, leise „Das muss verbunden werden, in der Schublade gibt es etwas..." murmelte, stolperte ich ihm einfach wie im Trance hinterher.
Blinzelnd beobachtete ich ihm dabei, wie er eine Schublade aufzog, einen kleinen Notfallkoffer zum Vorscheinen brachte und ein Wattepad heraussuchte.
„Gib mir deine Hand." Forderte er mich auf und zögernd streckte ich sie ihm entgegen. Leicht lehnte ich mich gegen das Bücherregal, während meine Gedanken wieder ihren Bewegungsdrang wiederfanden und im Schnelldurchgang durch meinen Kopf rasten.
Es musste eine Lösung für all meine Probleme geben. Es gab immer eine und nun hieß es einfach nur noch eine zu finden...
Ich konnte es nicht leugnen, er hatte es eindeutig in meinem Gesicht lesen können, das ich zumindest eine Ahnung hatte, worum es ging... und dann auch wieder nicht... Denn was genau bedeutete es eigentlich?
Ein brennender Schmerz unterbrach meinen Gedankengang und überrascht zuckte ich zusammen. Liam sah jedoch nicht einmal auf, als er ein weiteres Mal das Wollteilchen auf die Schnittwunde, durch eine Porzellanscherbe verursacht, drückte.
Sein Kopf hielt er gesenkt, eine Haarsträhne seiner sonst einwandfreien Frisur fiel ihm in die Stirn und vorsichtig tasteten sich seine Finger meine Schnittwunde entlang.
„Hören Sie..." krächzte ich leise, als ich mich schließlich auf einen möglichen Ausweg aus diesem ganzen Schlamassel geeinigt hatte. „Ich... ich werde nichts verraten, ich kann schweigen wie ein Grab, Mr. Payne..."
Seine Augen trafen auf meine, als er den Kopf für ein paar Sekunden hob. Doch ich konnte den Ausdruck in diesen nicht deuten. Schließlich wandte er sich wieder meiner Wunde ab und die Nervosität übernahm wieder die Überhand über meinen Körper.
Augenblicklich spannte ich mich an, als Liam das Wattepad weglegte, aber dennoch nicht meine Hand losließ.
„Sophia, Sophia Smith... Was machst du nur für Sachen?" Mit der einen Hand immer noch sanft meine eigene berührend, hob er die andere an und sofort spannte ich mich an. Das Grinsen, das mir vertrauter war, als mir lieb war, schlich sich auf seine Lippen, als er sanft eine Haarsträhne hinter mein Ohr strich, die sich wieder einmal aus meinen unordentlichen Dutt gelöst hatte.
„Soll ich dir glauben, dass ich dir vertrauen kann?" Seine Stimme wurde leiser und leicht legte er den Kopf schief. Mein Herzschlag beschleunigte sich auf 180 und vorsichtig nickte ich.
„Ja?" flüsterte Liam und kam noch etwas näher. Nun war er mir so nahe, dass ich die verschiedenen Brauntöne in seinen Augen ausmachen konnte, die von weitem zu einem verflossen. Ich roch sein schweres Parfüm und bekam einen halben Atemkollaps. „Beweis es mir." Hauchte er noch ein letztes Mal, bevor er einen letzten Schritt auf mich zu ging und seine Lippen auf meine drückte.
Im ersten Moment war ich vollkommen überrumpelt. Ich nahm nichts anderes war, als den Geschmack von Kamillentee auf seinen Lippen, die Wärme und einen Hauch von Zimt.
Vor Schreck hatte ich meine Augen weit aufgerissen, stand wie erstarrt da, spürte die Wärme seines Körpers und die Hitze seiner Lippen.
Und in diesem Moment gab es einen kompletten Stromausfall in meinem Kopf. Keine Alarmglocken schrillten mehr, keine Gedanken jagten mehr in Sekundenschnelle umher, alles war schwarz und ich fiel.
Alles um mich herum wurde ausgeblendet, selbst das es Liam war, der hier vor mir stand. Kamille.
Zimt.
Wärme.
Alles wurde nur noch intensiver als ich den Kuss erwiderte. Ich wollte das Gefühl von Sicherheit in mich aufnehmen und nie wieder loslassen.
Ich hörte, wie Liam überrascht die Luft einzog, sich für einen kurzen Moment unsere Lippen trennten und kühle Luft über meine strichen. Doch bevor noch eine weitere Sekunde der Kälte geschenkt wurde, traf sein Mund wieder auf meinen.
Kamille, Zimt und Wärme verwandelten sich stürmisch in Hitze.
Nur nebenbei spürte ich, wie die Regalbretter in meinen Rücken drückten, denn alles war egal. Alles außer dieser Kuss und den Fall des Verdrängens, den dieser auslöste.
Meine Hände fanden ihren Weg in seine Haare und keine Sekunde lang scherte ich mich um die perfekt sitzende Frisur. Er schien den gleichen Gedanken zu haben, denn während er mich noch weiter gegen das Regal drängte, wanderten seine Hände über meine Seite bis hin zu meinen Dutt.
Mehrere Haarsträhnen lösten sich, fielen auf meine Schulter, spürte alles viel zu intensiv, während vor meinen Augen eine allumfassende Dunkelheit herrschte.
Es könnten Stunden gewesen sein, oder vielleicht auch nur Minuten, aber ich dachte nicht. Ich wollte nicht denken.
Hier und jetzt.
Liams linke Hand wanderte meinen Rücken herunter, jagten tausende kleine Stromschläge durch meinen Körper und stoppten schließlich an den Knöpfen meines Kleides.
Und dann wurde von jetzt auf gleich ein Hebel umgelegt.
Liam stieß sich von mir ab, taumelte zwei Schritte nach hinten und sah mich vollkommen verwirrt an. Keuchend standen wir uns gegenüber und ich hatte keine Ahnung von gar nichts. Er blinzelte und zeitgleich fuhren wir uns durch die Haare.
Zum ersten Mal schien es, als hätte er nicht seine charmante Maske auf.
Doch gerade als ich unwohl an meinem Kleid herum zipfelte und meinen Mund zum Sprechen öffnete, wobei ich gar nicht wusste, was ich sagen sollte, veränderte sich sein Gesicht wieder.
Und ließ mich noch unwohler werden.
„Nun, Sophia, Sophia Smith..." fing er an, aber selbst das leichtfällige Grinsen, das er nun wieder auf den Lippen trug, täuschte nicht darüber hinweg, dass sein Atem noch stoßweise ging.
„Ein Versprechen reicht mir nicht. Ich habe lieber etwas Handfestes in der Hand..." Während mein Kopf noch ratternd nach dem Verstehen seiner Worte suchte, strich er sich noch einmal durch die Haare, zwinkerte mir zu und drehte sich zur Tür. Kurz bevor er auf den Flur trat, wendete er sich noch einmal kurz zu mir um.
„Du kennst die Regeln. Keinerlei Beziehungen zu den Familienmitgliedern, also was würde bloß passieren, wenn jemand erfährt, dass du mich geküsst hast...? Wenn du mich entschuldigen würdest, in vier Stunden fängt Danielles Modenschau in Skyscraper Nord 11 an und ich habe einen Platz in der ersten Reihe..."
Gleichzeitig als Liam verschwand und die Tür wieder sanft ins schloss klickte, fiel bei mir der Groschen. Der Kuss war ein Mittel zum Zweck. Und ich war in Liams Falle getappt...
~
(17.10.2015)
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