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-12- ➳ Geheimnisse

Ich atmete einmal tief ein, bevor ich mit meiner Faust gegen das edle Holz von Liams Tür klopfte.

Ich stand wirklich hier, in einer Hand das silberne Teeservice und den Keksen mit den Schokoladenraspeln oben drauf und mit der anderen strich ich ein letztes Mal mein Kleid glatt, bevor ich auf nach Liams ‚Herein' die Tür öffnete.

„Ah, endlich, Sophia, Sophia Smith. 15 Minuten nach dem Bestellen bist du da. Nicht schlecht, aber auch nicht gut." Liam lehnte gegen seinem Schreibtisch und tippte mit dem Zeigefinger auf seine Armbanduhr, die er um sein rechtes Handgelenk trug.

„Ich stelle Ihnen den Tee wieder auf den Tisch." Versuchte ich so gefasst wie möglich zu sagen, als ich mit schnellen Schritten auf die Sitzecke zu hielt.

„Sophia, hast du Geschwister?"

Die Frage traf mich unvorbereitet und mir verrutschte beinahe die Teetasse.

„Wa-was, Mr. Payne?" Ich räusperte mich, richtete mich auf und blickte unsicher zu ihm hin. Er trug ein schwarzes Tshirt und eine Jeans, wie ich erstaunt feststellte.

„Das heißt erstens ‚wie bitte', zweitens fragt man dies nur, wenn man es akustisch nicht verstanden hat und drittens widerspricht man nicht. Dafür würde es zwei Minuspunkte geben. Aber da ich so gnädig bin und mir deswegen einrede, dass du es akustisch nicht verstanden hast, wiederhole ich mich: Hast du Geschwister, Sophia, Sophia Smith?" Er nahm einen Brieföffner von seinem Schreibtisch und drehte ihn in seiner Hand hin und her. Dabei wendete er aber nicht seinen Blick von mir ab und machte mich somit nervös.

Ich räusperte mich, straffte meine Schultern, verschränkte meine Hände vor meinem Körper und antwortete so ruhig und neutral wie es ging: „Ja, ich habe einen jüngeren Bruder und eine jüngere Schwester."

Liam lief einmal um seinen Schreibtisch herum und gelangte so zu einem hohen Schrank.
„Und deine erste Ausbildung hast du wo gemacht?"

„Sektor 3c, Mr. Payne."

Warum wollte er das alles wissen? Ich wurde daraus nicht schlau und ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Körper breit.

„Interessant..." meinte er nur leise und öffnete die Schranktür. Was war daran bitte interessant?

„Sophia, Sophia Smith." Setzte er an, als er eine Sporttasche aus einem Regal zog und sich wieder zu mir umdrehte. „Ich muss nun in die Sportetage 79.Wenn du bitte einmal so nett sein und dem Zimmerdienst sagen könntest, dass sie meine Tasche packen und schon einmal hochtragen sollen...?" Er wies auf die graue Tasche, bevor er an mir vorbei lief. Erst als er die Türklinke schon herunter gedrückt hatte, drehte er sich noch einmal zu mir um.
„Ach ja, du hast einen Fleck auf deinem Kleid." Mit diesen Worten verschwand er und ließ mich in seinem Zimmer alleine. Der Tee blieb unberührt auf dem Tisch stehen.

„Willst du heute mit zu Syra kommen? Sie wird sich sicherlich freuen, wenn sie mal etwas Abwechslung bekommt." Leo zwinkerte mir zu, als wir im Aufzug standen, doch ich schüttelte verneinend meinen Kopf.

„Tut mir Leid, Leo. Ich habe heute noch viel vor. Soll ich euch sonst morgen beim Kochen helfen?"

„Ich kann Syra ja mal fragen." Meinte Leo als sie mich umarmte und schließlich aus dem Fahrstuhl ausstieg, um ihre Schwester zu besuchen. Ich hingegen lehnte mich gegen die Wand, als sich der Schacht ruckelnd wieder in Bewegung setzte, mich und all die anderen Menschen um mich herum in die Tiefe brachte.
Dabei schloss ich meine Hände um den kleinen Beutel gefüllt mit Geldmünzen. Mein erster Gehalt.

Und dieses Geld würde unsere Zukunft sichern.
Damit könnte ich morgen wieder auf den Markt.
Und später, wenn wir sparen, die Behandlung von Clovys Beinen.
Dieses Geld war unsere Zukunft.
Diese Ausbildung war der Weg zum Ziel.

Mit einem Lächeln schloss ich meine Augen und lauschte den vielen Stimmen, die die Luft erfüllten. Und in diesem Moment, wo die kühlen Oberflächen der Münzen gegen meine Hand drückten, als ich sie in den Beutel steckte, wusste ich es.
Ich wusste, dass ich, dass wir es schaffen konnten.

Ich stieg in meiner Etage aus und wollte gerade über den kleinen Marktplatz in unseren Wohnkorridor laufen, als eine Stimme mich zurück rief: „Hey, Sophia!"

Erstaunt ihre Stimme hier zu hören, drehte ich mich zu Eleanor um, die im Schlepptau einer zweiten Person mit zügigen Schritten auf mich zukam.
Es war ihr Vater und sie beide hatten noch ihre Arbeitssachen an. Aber Eleanor roch nach frischgebackenen Brot und Zimt, als ich sie umarmte.

„Wollen wir dann jetzt in den Park?" fragte sie beinahe scheinheilig und hakte sich bei mir ein.

„Park?" Fragte ich leicht verwirrt, bemerkte dann aber ihren eindringlichen Blick und verstand. „Achso, na klar! Tschüss Mr. Calder!" spielte ich mit und winkte ihm zu, als wir schlendernd wieder in den Aufzug stiegen, um in den Park im Sektor 2c zu gelangen. Dennoch spürte ich Andrew Calders Blick, wie er sich brennend in meinen Rücken fraß.

Kaum als sich die Türen geschossen haben, seufzte Eleanor erleichtert auf und löste sich von mir. „Danke." Meinte sie, während sie sich einmal über ihren geflochtenen Zopf strich.

„Du schuldest mir dennoch eine Erklärung, warum ich vor deinem Vater so tun sollte, als ob wir in den Park gehen würden."

„Ja..." meinte meine beste Freundin gedehnt, als sie sich leicht lächelnd gegen die Wand lehnte. „Erstens wollte ich sowieso noch mit dir reden, ich sehe dir doch Meilen entfernt an, dass etwas nicht stimmt und zweitens wollte Louis mich besuchen kommen und du weißt ja, wie..."

„Wie dein Vater dazu steht..." Beendete ich ihren Satz und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, auch wenn ich wusste, dass ich ihren Rat unbedingt auf Bezug auf Sam brauchte.

„Ja, das ist so eine Sache..." seufzte sie und ließ ihren Blick über die wenigen Menschen schweifen, die auch noch mit uns hier im Aufzug waren.

„Wie meinst du das?" fragte ich sie leicht verwirrt und zusammen stiegen wir aus dem Aufzug aus, als dieser in der Etage acht, Sektor 2c anhielt. Bis zum Park war es nicht weit und wir saßen auf unserer altbekannten Bank, als Eleanor weiter redete: „Selbst wenn zwischen Louis und mir etwas wäre, würde Vater sich niemals auf seinen Stand einlassen..."

Leicht verwirrt runzelte ich die Stirn und verschränkte meine Arme, da ich schon spürte, wie die Kälte durch meine Kleidung kroch.

„Aber ich dachte er wäre Koch, dann müsste er doch ganz gut verdienen..." Als festangestellter Koch müsste er mindestens in einem Bereich des Sektors fünf wohnen und das wäre doch um Weiten besser, als den auserwählten Mann aus 2c, den ihr Vater ihr andrehen wollte.

„Genau das ist es ja, Soph..." fing Eleanor schließlich nach ein paar Sekunden Pause an. Ihr Blick schweifte von den künstlichen Blättern bis hin zu mir. Sie sah bedrückt aus, als sie weiter redete: „Er hat mehrere Geschwister und keine Eltern mehr. Um allen eine Ausbildung und Nahrung zu ermöglichen, muss er die Miete niedrig halten..."

„Und das bedeutet?" hakte ich nach, unsicher wie ich es auffassen sollte. Eleanor presste leicht ihre Lippen zusammen, bevor sie leise aufseufzte und sich nach vorne beugte.

„Das heißt, Sophia, dass er nur in Etage vier wohnt und das ist Sektor 1b..."
Erstaunt riss ich meine Augen auf. „Ist das dein Ernst?"

Eleanor nickte und überschlug ihre Beine. „Ja, mir ist es aber egal. Und solange mein Vater es nicht weiß, brauchen wir uns auch keine Sorgen machen..."

„Sorgen über was? Habe ich etwas Wichtiges verpasst?" fragte plötzlich jemand neben uns und als Eleanor erschrocken aufquitschte und in seine Arme fiel, wusste ich, dass dieser junger Mann Louis sein sollte.

„Nein, hast du nicht. Es ist so toll, dass du es geschafft hast zu kommen." Eleanor strahlte über das ganze Gesicht und ich konnte nicht aufhören verwirrt zwischen den beiden hin und her zu starren.

Anscheinend hatte ich nämlich etwas verpasst.

Auf Louis Gesicht erschien ein Lächeln und dann traf sein Blick auf meinen musternden.
„Hi, du musst Sophia sein. El hat schon viel von dir erzählt, ich bin Louis Tomlinson." Er lachte und hielt mir seine Hand hin, die ich mit einem unsicheren Blick zu Eleanor schüttelte.
Sie waren also schon bei einem Spitznamen angekommen?
Und was zur Hölle hatte Eleanor ihm von mir erzählt?

„Ja genau, Sophia Smith." Ich zwang mich zu einem Lächeln und musterte erneut Louis. Er war etwas größer als Eleanor und hatte braune Haare, die ihm verwuschelt im Gesicht hingen. Die hatten eindeutig ein Date mit einer Schere nötig, genauso wie sein leichter Stoppelbart. Dafür funkelten seine unglaublich blauen Augen wieder auf, als er mir ein erneutes Lächeln schenkte.
Warum hatte eigentlich jeder dieses eintausend Watt-Lächeln drauf, nur ich nicht?
Da wurde man ja beinahe geblendet und ich setzte mir sofort auf meine imaginäre To-Do-List, dass ich nach einer anderen Zahnpasta Ausschau halten müsste.

Wir rückten zusammen, sodass wir zu dritt auf der kleinen Bank Platz fanden, wobei ich mir Sorgen machte, dass sie, so instabil wie sie war, unter unserem Gewicht nachgeben würde.

„Was hat Ellie denn so erzählt?" fragte ich neugierig und blickte zu Louis, der mit seiner einen Hand mit Eleanors Fingern spielte.

„Sie hat mir erzählt, dass du auch Geschwister hast. Mich kannst du aber sicherlich nicht mit sechs übertreffen, oder?"

„Nein, ich habe nur zwei." Ich lächelte, fragte mich aber innerlich, wie so viele Personen in einer kleinen Wohnung im Sektor 1b Platz fanden.
„Tja, dann kann ich mich wohl glücklich schätzen, denn somit brauchen wir beim Schlafen keine Heizung." Er zwinkerte mir zu und erst als Eleanor verhalten lachte, verstand ich was er meinte.
Vielleicht meinte er es witzig, aber zum Lachen war mir bei dem Gedanken daran nicht zu mute. Louis bemerkte wohl meine Unsicherheit und machte eine Wegwerfende Handbewegung: „Ach, mach dir darüber jetzt keine Gedanken. Ich will keinen der Wirbelwinde missen, auch wenn das heißt, dass ich mindestens einen ungewaschenen Fuß irgendwann in der Nacht in meine Rippen getreten bekomme. So lange sie mir keine Hand ins Gesicht schlagen, teile ich gerne die Matratze."

Dieser Kommentar brachte mich schließlich doch zum Lächeln und als er dann noch hinzufügte, dass er ab und zu mit seinen Schwestern Brot backte und es verkaufte, schmolz gänzlich das Eis.

Die ganze Zeit über bemerkte ich, wie Louis und Eleanor sich immer wieder eindeutige Blicke zu warfen und nicht die Hände von einander lassen konnten.
Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich Eleanor so ausgeglichen und glücklich gesehen. Auf ihrem Gesicht lag ein träumerisches Lächeln und ihre Augen strahlten, als sie Louis zu hörte, wie er uns erzählte, dass seine älteste Schwester Lottie einmal den gesamten Wohnraum unter Wasser gesetzt hatte, weil sie Tee kochen wollte.

Louis hatte eine lustige, locker und fröhliche Art an sich, die es einen leicht machte alles andere zu vergessen und selbst über die eigentlich ernsten Themen zu lachen.

Auch wenn es am Anfang eine komische Situation für mich war, da ich Louis vollkommen unvorbereitet kennengelernt hatte, musste ich gestehen, dass ich ihn mir nach dieser kurzen Zeit perfekt in weißer Kochmontur singend den Kochlöffel schwingend in der Küche vorstellen konnte. Zusammen mit Eleanor.

„Es wird langsam spät und wie du weißt, bin ich der einzige in dem gesamten Haushalt der kochen kann. Ich glaube ja immer noch, dass ich auf der Fußmatte gefunden worden war, wie es mir Mama früher immer gesagt hatte." Louis stand lachend auf und klopfte sich den Staub von seiner sowieso schon dreckigen Hose.

„Kann ich dir helfen? Daisy wollte doch, dass ich ihr das Stricken beibringe, dann könnte ich auch gleichzeitig etwas von deinen Kochkünsten abschauen..." meinte Eleanor und lehnte sich gegen Louis Oberkörper.

„Ja klar, was sagt dein Vater denn dazu oder..."

„Nein, er denkt, dass ich mit Sophia unterwegs bin. Sophia du deckst mich doch weiterhin, oder?" antwortete sie schnell und warf mir einen fragenden Blick zu. Ich nickte sofort und ich erkannte die Dankbarkeit in ihrem Gesicht.

„Dann bis zum nächsten Mal, Sophia! Ich werde mal versuchen, dass Eleanor und ich nicht gleich von den Mädels gefressen werden."

Ein letztes Mal zwinkerte er mir zu, bevor er Eleanor in die Seite pikste und sie lachend vor ihm wegrannte.
Ich blickte den beiden lächelnd kopfschüttelnd hinterher. Es war so ungewohnt für mich. Vielleicht war ich immer taub gewesen oder ich hatte nie bemerkt, was für ein schönes Lachen Eleanor eigentlich hatte. Ihr Lachen schallte laut und klar bis zu mir herüber, als Louis sie erneut ärgerte und als sie sich ein letztes Mal zu mir umdrehte und winkte, erkannte ich das Lächeln auf ihren Lippen.

Sie war glücklich.
In diesem Moment war sie glücklich.
Und ich war die ganze letzte Zeit taub und blind gewesen.
Denn wie konnte ich nur glauben, dass dieses von Sorgen getriebene Mädchen, die mit einem Vater, der sie hoch einheiraten wollte, eine gefälschte Prüfbescheinigung brauchte, um genug Geld zu verdienen, nur glücklich sein konnte?
Wie konnte ich nur glauben, dass ihr Lächeln ihre Augen jemals erreichten?
Wie konnte ich nur glauben, dass ich sie einmal richtig glücklich gesehen habe? So wie jetzt?

Vielleicht konnte ich es auch einfach nicht, weil ich sie noch nie so wie jetzt gesehen hatte und es damals einfach normal war.

Gedanklich konnte ich somit meine Sorgenliste um einen weiteren Punkt ergänzen:

Eleanor und Louis.

Denn auch so sehr ich den beiden ein Stückchen Glück gönnen würde, wusste ich, dass ich nicht dauerhaft bei ihrem Vater als Ausrede gelten könnte.

Irgendwann wird er vor der Tür stehen und alles würde schief gehen. So war es immer.
Kopfschüttelnd, um die negativen Gedanken zu vertreiben, setzte ich mich in Bewegung, da noch Essen kochen und mit Sam reden musste.

Eleanor hatte etwas Frieden und Glück verdient, da musste ich jetzt nicht noch mehr mit meinen Sorgen um Sam belasten. Vielleicht würde ich es ihr irgendwann erzählen, aber vorerst würde und müsste ich alleine damit zurechtkommen.

Mehr oder weniger optimistisch lief ich durch die Gänge und legte mir bereits ein paar Sätze zurecht, die ich zu Sam sagen könnte.

Doch sie waren alle umsonst.

Denn er war gar nicht da.

Mum saß alleine mit Clovy am Küchentisch und schmierte ein Brot mit Marmelade auf. Meine kleine Schwester strahlte über das ganze Gesicht und winkte mir mit ihren kleinen Händen zu als sie mich sah.

„Oh, da bist du ja endlich, Sophia. Warst du noch mit Eleanor unterwegs?" Mum blickte vom Teller auf und schenkte mir ein erschöpftes Lächeln. Ihre Haare hingen ihr dabei fast in der Marmelade.

„Ja, aber Mum, wo ist Sam?" Fragte ich und ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es auch schon viertel vor zehn war.

„Oh wie schön! Wie geht es ihr und Andrew Calder? Ich habe die beiden schon lange nicht mehr gesehen..."

Mum schnitt das Brot in vier Hälften und schob den Teller dann an Clovy weiter, die auch sofort freudestrahlend die kleinen Brothäppchen in den Mund schob.

„Mum, wo ist Sam habe ich gefragt." Wiederholte ich mich und zog meine Schuhe aus.
Hoffentlich war er eben nur schnell etwas einkaufen...

„Ach, der ist bei einem Freund. Sophia, willst du auch ein Brot mit Marmelade? Annes Tochter hat sie gekocht und Anne meinte, dass ihr Kinder ja auch einmal einen vernünftigen Aufstrich braucht. Du weißt doch wen ich meine, oder? Anne, meine Arbeitskollegin. Ihre Kinder waren auch bei dir auf der Schule, soweit ich mich erinnern kann..."

„Bei einem Freund?" unterbrach ich sie nur und schüttelte meinen Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein!

„Ach Schatz, was regst du dich darüber denn jetzt so auf? Du bist manchmal auch bis spät abends mit Eleanor unterwegs. Früher auch mit Elizabeth, als sie noch... gelebt hat... Setz dich doch einfach zu mir und Clovy, erzähle etwas von deinem Arbeitstag und iss etwas, bevor du noch von den Knochen fällst..."

Ich schüttelte nur meinen Kopf, da ich nicht wahrhaben konnte, wie Mum so naiv sein und nicht bemerken konnte, was wirklich bei Sam ablief.
Denn ganz sicher war er nicht bei einem ‚Freund'.
Und wie konnte sie es nur mit Eleanor oder mit Elizabeth vergleichen? Anscheinend kannte sie diesen ‚Freund' nicht einmal beim Namen...

„Nein, danke. Ich habe keinen Hunger." Murrte ich, als ich in das Schlafzimmer stürmte und frustriert meine Jacke auf die Matratze schmiss. Dabei fiel der Geldbeutel auf den Boden und die Münzen verteilten sich klirrend im gesamten Raum.

„Scheiße." fluchte ich, als ich mich schnell bückte, um alle wieder aufzusammeln. Als ich sie jedoch durchzählte, waren es nur neun statt zehn Münzen und beinahe panisch suchte ich den Boden weiterhin ab.

Als mein Blick über Sams Matratze schweifte, bemerkte ich etwas Glitzerndes, das ein paar Millimeter unter ihr hervorlugte. Erleichterung durchfuhr mich, als ich die Münze schnell hervorzog.

Doch es war nicht das Einzige, was wieder zum Vorscheinen kam.
Denn plötzlich hielt ich auch einen zerknitterten Papierstreifen in der Hand. Mit klopfenden Herzen betete ich, dass es nicht das war, was ich vermutete. Doch als ich ihn umdrehte und die krakelige Schrift entdeckte wurde meine naive Hoffnung brutal zerschlagen. Vielleicht war Sam wirklich bei jemanden, den er als ‚Freund' bezeichnete.

Vielleicht war es aber nicht die Art ‚Freund' die man sich für seinen kleinen Bruder wünschte.
Vielleicht

Auf dem kleinen Zettel standen in einer mir bekannten Schrift folgende Wörter, die zwar keinen richtigen Satz bildeten, aber dennoch mehr als aussagekräftig waren:

Nächste Nacht, N. möchte dich sehen. Sei pünktlich. –C.

Er kam nicht wieder.
Die ganze Nach war er weg und auch am Morgen als ich aufstand war er noch nicht wieder da.

Mein Kopf platze beinahe vor Sorgen, sodass ich nicht mehr zum Lernen gekommen war und die ganze Nacht kein Auge zu bekommen hatte.

Ich stellte mich schlafend, als Mum die schlafende Clovy zu mir ins Bett legte und dann noch in der Küche herum hantierte.

Mein Magen knurrte und beschwerte sich mit Bauchschmerzen darüber, dass ich das Marmeladenbrot abgelehnt hatte.

Ich hörte, wie Dad torkelnd durch den Raum lief, Sachen zu Boden riss und dann mit Mum diskutierte.

Ich hörte, wie beide schließlich einschliefen und wie Clovy im Schlaf vor sich hin brabbelte.

Ich hörte, wie Dad und etwas später Mum wieder aufstanden und zur Arbeit gingen und ich hörte, wie die Wasserleitung wieder anfing zu tropfen.

Aber ich hörte nicht, wie Sam nach Hause kam.

Schon als ich erschöpft aus meinem Bett krabbelte und mich frisch machte, tauchte das nächste Problem auf.

Wo lasse ich Clovy?

„Scheiße." Murmelte ich, als ich hektisch in meine Hose und in die Bluse schlüpfte und sie zuknöpfte. Dann flitzte ich zu meiner kleinen Schwester und weckte sie, indem ich sie sanft an der Schulter rüttelte.

„Hey Nelkchen. Du bist doch schon ein großes Mädchen, oder?"

Sie nickte schläfrig, während sie sich mit ihren Händen über die Augen rieb.

„Das wusste ich doch. Du kennst doch noch Rina und Petro, oder? Was hältst du davon, wenn du wieder wie damals den beiden beim Äpfel sortieren hilfst?"

Schon als Leo in den Aufzug zu mir stieß und den Mund öffnete, hob ich beide Hände und meinte abwehrend: „Bitte, ich weiß, dass ich scheiße aussehe."

„Eigentlich wollte ich dich nur fragen, warum du so müde aussiehst, aber du hast Recht: scheiße trifft es dann doch eher..." Sie zuckte mit den Schultern und lehnte sich neben mich gegen die Aufzugswand.

„Ich habe kein Auge zu gemacht." Murmelte ich und versuchte meine Augen offen zu lassen, da ich wusste, dass ich sonst einschlafen würde, falls ich mir nur ein paar Sekunden mit Augen zu gönnen würde.

„Warum das denn? Hat es irgendetwas mit..."

„Nein," unterbrach ich sie, bevor sie zu Ende sprechen konnte, „Mein Bruder bereitet mir nur Sorgen. Ach egal, ich will dich damit jetzt nicht nerven. Erzähl mir lieber von Syra. Wie geht es ihr?"

Leo musterte mich nur skeptisch. Ich wusste, dass der Themawechsel fiel zu plötzlich war, aber mit ihr über Sam reden wollte ich nicht.

„Es geht ihr gut..." fing sie langsam an, musterte mich aber weiterhin. „Aber ich habe von Justice mitbekommen, dass du wieder den Tee zu Payne Junior bringen musstest..."

Sie zwinkerte mir zu und ich konnte mir ein Stöhnen nicht verkneifen. „Erzählt sie das jedem?"

„Nein, eigentlich knurrt sie ihre Hasstiraden die ganze Zeit vor sich hin und benutzt dabei Wörter, die mich stark vermuten lassen, dass du bald ein Brotmesser im Rücken hast. Aber wusstest du schon, dass das Wort..."

„Nein! Bitte, ich will das gar nicht wissen!" unterbrach ich sie hektisch. Leo zuckte nur mit den Schultern und grinste mich an.

„Sieht so aus, als hättest du eine potentielle Mörderin als Feindin."

„Sieht wohl so aus..." Stöhnend schloss ich schließlich doch meine Augen. Es war ja nicht so, dass ich nicht genug Sorgen hätte...

Wie der Tag kommen musste, wurde ich wieder mit Justice zum Küchendienst verurteilt und etwas neidisch war ich schon auf Leo, die wieder mit Flynn in den Garten das neue Rosenbeet pflegen durfte. Besonders, da ich immer wieder nervös auf ihre Hand sah, die aggressiv mit einem Messer Brot schnitt.

Als mir der dickliche Koch mit dem bereits ergrauten Haar versuchte zu erklären, wie man ein Ciabatta Brot machte, musste ich automatisch an Louis denken.

Ob er womöglich gerade sang und somit Eleanor zum Lachen brachte?
Ich hoffte es.

Das Ciabatta Brot überlebte meine Kochkünste nicht.

Die Zeit verging schleichend. Mehrmals schnitt ich mir beinahe meine Finger ab, da mir meine Augen immer wieder zufielen. Auch Justices spitzen Bemerkungen über mein gesamtes Leben, das sie anscheinend zu kennen glaubt, hingen mir schon zu beiden Ohren raus.

Deswegen war ich auch einerseits erleichtert, als Margarete mir plötzlich ein Teeservice in die Hand drückte und mit einer grimmigen Miene kopfschüttelnd meinte, dass ich schon wieder dem lieben Mr. Liam Payne den Tee bringen sollte.

In diesem Moment genoss ich Justices entsetztes Gesicht und ihre Sprachlosigkeit, aber spätestens als ich wieder in Liams Zimmer trat, war meine Erleichterung verschwunden.

Er trug wieder einen Anzug, lehnte gegen dem Schreibtisch und sah mich ohne ein Wort an.
Sein intensiver Blick verunsicherte mich und stockend sagte ich: „Ich stelle Ihren Tee wieder auf den Tisch, Mr. Payne."

Er antwortete nicht, sondern musterte mich weiterhin und hob eine Hand zu seinem Kinn.

Die ganze Spannung im Raum ließ mich nervös werden und so schnell es ging, stellte ich den Tee ab und richtete mich gerade auf, bevor ich mich wieder zu ihm um wendete. „Wünschen Sie sonst noch etwas, Mr. Payne?"

Im Kopf ging ich alle Verhaltensregeln durch, doch mir fielen keine ein, gegen die ich eben hätte verstoßen können.

„Ja, da wäre etwas, Sophia, Sophia Smith, über das ich nachdenke..." Setzt Liam langsam an und seine Augen verließen nicht meine.

„Vielleicht über die Kekse? Die mit den Schokoladenraspeln waren leider leer, aber sicherlich backt Margarete neue, wenn Sie es wünschen..." versuchte ich meine Nervosität zu überdecken, wobei ich wusste, dass es sicherlich nichts mit den Keksen zu tun hatte.

„Nein, meine Liebe. Es sind nicht die Kekse. Ich denke viel mehr über dich nach..."

Er stieß sich vom Schreibtisch und kam mit großen Schritten auf mich zu. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich war nicht mehr in der Lage mich zu bewegen. Stocksteif und voller Panik beobachtete ich ihn dabei, wie er vor mir stehen blieb und sich erneut die Stille ausbreitete.

Einzig und allein konnte man unsere Atemgeräusche hören.
Und meine waren viel schneller als seine.

Ein Lächeln, das charmanter hätte nicht sein können, machte sich auf seinem Gesicht breit.
Er beugte sich zu mir vor und als sein Atem gegen mein Ohr schlug, starb ich beinahe vor Panik und Herzversagen.

Sein Lächeln war nicht echt.
Es war das typische Politiker-Lächeln.
Denn es passte rein gar nicht zu dem, was er mir ins Ohr flüsterte.
Es passte nicht zu meiner Panik, die wie eine Bombe in meinem Körper zu explodieren schien.

„Sophia, Sophia Smith. Weißt du was ich denke? Ich denke, dass du nicht mit offenen Karten spielst..."

-

(05.07.2015)


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