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-24- ➳ Schulden


Ich wusste nicht, wie lange ich neben Harry sitzen blieb.
Ich wusste nur, dass es lange war und ich nichts anderes machen konnte, als auf seine Stoffarmbänder an meinem Handgelenk zu starren.
Sie wirkten so falsch bei mir.
So falsch.

Gemma hatte sie nicht für mich geschrieben.
Sie waren für Harry bestimmt, sollten ihn ermutigen und beschützen.
Und nun war er tot.
Tot.

Gestorben in meinem Schoß.

Harry war fort und würde nie wieder kommen.

Ich erinnerte mich an meine erste Begegnung mit ihm, nicht allzu lange her.
Es war der Tag, an dem ich zum ersten Mal den Sektor 20c zusammen mit Margarete betreten sollte, um die Einkäufe für die Abendveranstaltung zu erledigen.
Wegen ihm bekam ich schweißnasse Hände, da meine Akte manuell eingerichtet worden war.
Er hatte mich beinahe auffliegen lassen.

Meine zweite Begegnung mit Harry war in den Sicherheitstracks.
Ich habe in einer Zelle neben der von Megs gesessen und gebetet, dass Megs Notfallplan gelingen würde.
Dann tauchte er auf und wolle mich zuerst zurücklassen.
Aus Angst.
Nun konnte ich ihn verstehen.

War ich denn besser gewesen?
Denn ich war genauso daran schuld wie Megs, dass wir Harry in dem Gang mit dem Wächter zurückgelassen hatten, um uns selbst in die vorgetäuschte Sicherheit des geschlossenen Raumes flüchteten.
Niall hatte damals sein Leben gerettet und als er durch den Tunnel hinter dem Fenster fliehen wollte, hatte er es sich anders überlegt und sich gestellt.
Um uns zu helfen.
Um seine Schwester stolz zu machen.

Er hatte keine Ahnung gehabt, was auf uns zukommen würde. Es hätte genauso gut dazu kommen können, dass wir alle hingerichtet geworden wären.
Doch er hatte sich dennoch gestellt.
Was wäre, wenn er dies nicht getan hätte?

Hätte er eine Chance gehabt zu fliehen?
Würde er dann jetzt noch leben?

Harry hatte eine Woche in der Außenwelt überlebt.
Wir waren erst eine Woche außerhalb der Skyscraper und zwei von uns waren schon tot.

Wir mussten uns beeilen.
Wir mussten endlich das verdammte Wasserkraftwerk erreichen, damit nicht noch mehr starben.
Von unserer Gruppe und aber auch aus den Skyscrapern.

Wie im Trance rappelte ich mich auf.
Denn wie das Schicksal wollte, gab es eine aus schwerem Metall bestehende Notausgangtür.
Ein Ausgang, eine Lösung, aus dem Raum, der eigentlich unsere Fluchtmöglichkeit sein sollte, jedoch zu Harrys Todesstätte wurde.

Ohne mir groß Gedanken zu machen, was mich alles auf der anderen Seite erwarten könnte, drückte ich unter Anstrengung die Tür auf. Mir war regelrecht egal, ob dahinter schon die Wölfe lauern würden, denn all meine Gedanken hingen bei Harry und seinen letzten Atemzügen.

Ich drehte mich ein letztes Mal zu Harry um.
Er lag dort auf dem staubigen Boden und sah so anders aus als sonst.
So still.
So rot.
Meine Jacke war ihm immer noch ein Kopfkissen und seine Hände lagen schlaff auf seinem Bauch.

Seine Augen, die ich ihm geschlossen hatte, waren grün. Leuchtend grün. Ich durfte es nicht vergessen.

„Ruhe in Frieden, Harry", flüsterte ich, bevor ich die Türschwelle überschritt.
Und somit verließ ich alleine einen Raum, den ich zusammen mit Harry betreten hatte.

Ich fand mich in einem weiteren Hinterhof wieder.
Auch hier stapelten sich die Trümmerberge zu beiden meiner Seiten hoch und blinzelnd hob ich meine Hand gegen meine Stirn, um besser sehen zu können.
Mit jedem weiteren Schritt den ich mich von Harry entfernte, fühlte ich mich schuldiger. Ich wollte ihn nicht so mutterselenallein zurücklassen.
Aber ich wusste auch, dass die oberste Priorität nun sein musste, die anderen wiederzufinden.
Harry und ich waren schon viel zu lange weggewesen und wenn die anderen uns nicht finden würden, werden sie höchstwahrscheinlich davon ausgehen, dass sie uns auch nie wieder sehen würden.

Sie durften mich nicht zurück lassen.
Sie mussten erfahren, was mit Harry passiert war.

Ich schluckte.
Doch der Kloß in meinem Hals verschwand nicht.

Orientierungslos drehte ich mich einmal im Kreis und versuchte auszumachen, von wo wir gekommen waren.
Und ob irgendwo mutierte Wölfe zu sehen waren.
Doch es gab nichts anderes als Trümmer zu sehen.
Und nichts anderes als meinen eigenen hastigen Atem zu hören.

Es schien beinahe so, als wären sie so schnell verschwunden, wie die Viecher aufgetaucht waren.

Schließlich wendete ich mich den Trümmerhaufen zu meiner linken zu und machte mich daran, ihn zu erklimmen.
Ich rutschte mehrmals ab, schlug mir meine Knie und Ellenbogen an, bohrte mir Steine in die Handflächen und knickte nicht nur einmal mit meinen Füßen um.
Doch ich spürte nichts von all den Schmerzen, die dies eigentlich auslösen müsste.
Es war alles nur dumpf und weit weg, so als würde ich mit meinen Kopf unter Wasser sein.

Ich war wieder unter Wasser, in der Badewanne. Doch diesmal konnte ich atmen. Wenn auch schwierig.

Nachdem ich zwei weitere Trümmerberge bewältigt hatte, konnte ich den umgestürzten Industrieschornstein erkennen, durch den Harry und ich geflüchtet waren.
Ich war wieder dort, wo die Jagderöffnung angefangen hatte.

Für einen kurzen Moment blieb ich stehen, hoch oben auf den Überresten einer längst toten Welt stehend und starrte auf den Weg, den wir noch zu neunt bestritten haben.

Mein Blick glitt weiter zu dem Tor, das sich geschlossen hatte, bevor Harry und ich es erreichten konnten. Es war verbeult, aber immer noch geschlossen.
Vielleicht waren sie noch dort.
Vielleicht warteten sie dort auf uns.
Uns.
Ich schluckte.
Ich würde alleine kommen.

Denn Harry lag noch dort in der Industrie.
Alleine.
Mit nichts als meiner Jacke, die genauso rot strahlte wie all sein Blut, das seinen Tod verkündet hatte.

Ich ballte meine Fäuste und bei dem Versuch zwanghaft an was anderes zu denken, stolperte ich beinahe.
Ich musste an Sam denken.
An meinen Bruder und daran, dass ich ihn weiterhin schützen musste. Ich habe Mum immer versprochen gehabt, auf meine jüngeren Geschwister aufzupassen. Ich durfte jetzt nicht versagen, ich musste ihn wieder finden.

Ich erreichte das Tor ohne weitere Hindernisse und als ich die Spuren sah, die der mutierte Wolf dort hinterlassen hatte, schluckte ich.
Das alte Metall war vollkommen verbogen wo das Vieh seine Pfoten gegen gedonnert hatte und die weißen Streifen zeigten, dass auch Krallen zum Einsatz gekommen waren.
Doch das Tor hatte standgehalten.

„Sam?", rief ich nun. Meine Stimme klang rau, doch sie war laut genug um ihren Nutzen zu erfüllen. „Megs?"

Ich bückte mich, doch bekam das Tor kaum höher als einen halben Meter angehoben. Es war zu sehr verbogen.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als hinunter durch zu robben und dabei zu hoffen, dass es mir nicht in den Rücken fallen würde.

Ich fand mich in einer großen Lagerhalle wieder. Das obere Geschoss gab es nicht mehr und auch die Decke war nicht mehr intakt, sodass sich die Lichtstrahlen ihren Weg zu mir bahnen konnten.

Suchend sah ich mich um, versuchte mich darauf zu konzentrieren, meinen Bruder und die anderen wieder zu finden.

„Sam?", rief ich ein weiteres Mal in die beängstigende Stille.
Doch es blieb ruhig.
Es blieb nichts außer ich selbst in der verlassenen Lagerhalle.

Angst und Verzweiflung wollten mich wieder überrollen, trieben mir die Tränen in die Augenwinkel, doch energisch wischte ich sie mir weg. Ich durfte nicht noch mehr weinen, nicht jetzt.

Ich versuchte mich zusammen zu reißen und mich wieder auf meine Suche zu konzentrieren.
Vorsichtig stieg ich über zerbrochene Gegenstände hinweg und orientierte mich dabei auf die Fußabdrücke in dem Staub, die definitiv von den anderen stammen mussten.
Sie verliefen einmal quer durch den Raum und immer weiter folgte ich ihnen.
Sie kreuzten sich, machten eine Wendung, schienen unsicher, wo sie selbst hinlaufen sollten und irgendwann kam ich zu einem weiteren Tor an, das bereits halb offen stand.

Als ich mich schon wieder einem Hinterhof wiederfand, konnte ich nicht anders und musste anfangen zu lachen.
Ich stand inmitten von Staub und Asche und den toten Überresten einer toten Stadt einer genauso toten Welt und musste lachen.

Gleichzeitig schossen mir jedoch die Tränen in die Augen und das Zittern meine Beine zwang mich dazu in die Hocke zu gehen.
Haarsträhnen fielen vor mein Gesicht, doch ich strich sie nicht weg.

Das Lachen tat in meinem Hals weh und kurz darauf bekam ich Schluckauf, der meinen ganzen Körper erzittern ließ. Energisch wischte ich mir die Tränen aus den Augenwinkeln und stemmte dann meine Hände gegen den Boden.

Ich hörte erst auf zu lachen, als ich eine Stimme vermag.
Zuerst dachte ich an einen Wolf, aber dann bemerkte ich, wie lächerlich dies doch war.

Ich sah hoch und entdeckte Megs oben auf einem Trümmerhaufen stehen.

„Leute! Sophia ist hier, ich habe Sophia gefunden!"
Ich hockte immer noch zwischen den Trümmern in diesem Hinterhof von so vielen und sah lachend zu, wie sie in einem rasenden Tempo zu mir herunterkletterte.
Sie war schnell und unvorsichtig und insgeheim befürchtete ich, dass sie sich etwas brechen würde. Doch das tat sie nicht.
Unbehelligt kam sie auf dem Boden an und war mit wenigen Schritten bei mir.

„Sophia, oh Gott, du weißt gar nicht wie erleichtert ich bin, dass wir dich gefunden haben!"
Sie griff nach meinen Armen und zog mich wieder auf meine eigenen Beine.
Ich lachte noch immer leicht und schüttelte dabei den Kopf.
Megs Hände lagen schwer auf meinen Schultern und in ihrem Blick konnte ich wirklich so etwas wie Erleichterung lesen.

„Du weißt gar nicht, wie verrückt Sam sich gemacht hat."
Sam.
Sam. Er war also unbehelligt.
Ein Stein fiel mir vom Herzen.

Aber gleichzeitig spürte ich wieder den Druck auf meiner Brust. Ich bekam kaum Luft.
Nun schien auch Megs zu bemerken, dass etwas nicht stimmte.
Dass etwas passiert war.
Dass etwas anders war.

Und dann schien sie zu bemerken, was es war.
Ihr Griff um meine Schultern wurde etwas fester und die Erleichterung wich aus ihren Augen.

„Sophia", setzte sie langsam und ernst an, „wo ist Harry?"

Dies war der Moment, indem mein hysterisches Lachen verstummte. Unkontrolliert fingen meine Hände an zu zittern und ich konnte dem Druck nicht mehr standhalten.
„Sophia..."
Ich sah in ihrem Blick die Erkenntnis, gemischt mit der naiven Hoffnung, dass dies bitte nicht die Realität sein würde.

Doch dies war es.
Dies war die verdammte Realität.

Ich konnte ihr nicht mehr in die Augen sehen, mein Blick schweifte ab und blieben an den anderen hängen, die die Spitze des Trümmerhaufens erreicht hatten und sich den Weg zu Megs und mir herunterbahnten.
Sam war mit ganz vorne dabei.
Mit einem kurzen Blick wusste ich, dass sie vollständig waren.
Harry war der einzige, der die weitere Reise nicht mehr beschreiten würde.

Plötzlich spürte ich eine Berührung an meinem Handgelenk, dort wo die Stoffarmbänder ihr neues Zuhause gefunden hatten. Ich zuckte zusammen und sah wieder zu Megs, die jedoch nur auf meine Hände starrte.

„Sophia, warum sind deine Hände voller Blut?"

Meine Hände voller Blut?
Langsam hob ich sie an, bis ich sie vor meinen Augen sehen konnte.
Kratzer und Wunden überzogen meine Handfläche und sie waren komplett in dieser unheilverkündeten Farbe getaucht.
Rot.
Rot.
Tot.

„Sophia?" Ich hörte, dass Megs Stimme zitterte, genauso wie meine Hände. Langsam ließ ich sie sinken und mein Blick verhakte sich mit dem von Megs. „Was ist passiert, Sophia? Wo ist Harry?"

Ich öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch kein Ton kam heraus.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die anderen die Ebene erreichten und in wenigen Sekunden bei uns sein würden.
Mein Blick schweifte wieder zu Megs und das war ihr Antwort genug. Ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie es bereits wusste und auf irgendeiner verzwickten Art und Weise machte es dies mir einfacher, es noch einmal laut auszusprechen.

„Megs...", meine Stimme stockte und ich musste mich räuspern, um weitersprechen zu können, „Harry... hat gemeint, er würde dieser Hölle nun endgültig entkommen."

Kaum hatte ich meine Worte ausgesprochen, da zog mich Megs schon in eine Umarmung.
Ihre Arme schlangen sich um mich und gaben mir den Halt, den ich in genau dieser Sekunde brauchte.

Die Umarmung dauerte nicht einmal drei Sekunden an, doch es erschien mir, als hätte Megs mir ein Teil der Last von den Schultern genommen. Sie hielt mich wieder an den Schultern, als uns schließlich die anderen wieder erreichten.

„Soph!", rief Sam und im nächsten Moment spürte ich, wie sich mein Bruder in meine Arme warf. Für einen kurzen Moment erlaubte ich mir, mein Gesicht in seinen Nacken zu vergraben und die Augen zu schließen.
„Ich hatte so Angst, dass dir etwas passiert wäre. Es tut mir so leid, dass ich einfach vorgelaufen bin, ich hätte bei dir bleiben sollen, Sophia, ich hätte bei dir bleiben sollen!"
Ich drückte ihn etwas näher an mich, versuchte mir seine Präsenz einzuprägen und holte zitternd Luft, bevor ich den Kopf schüttelte und flüsterte: „Nein, ich bin die Ältere von uns beiden, ich möchte dich immer in Sicherheit wissen, okay?"

Wir lösten uns aus der Umarmung und ich konnte an Sams Blick erkennen, dass er etwas einzuwenden hatte, doch bevor er den Mund aufmachte, erreichten Niall und Christopher uns und mit der altbekannten neutralen Miene meinte Niall: „Du lebst ja doch noch, meine Hübsche. Ich habe schon gedacht, dass wir deine Körperteile irgendwo einzeln aus einem Wolfsnest fischen dürfen..."
Er zwinkerte mir zu, doch dann bemerkte er Megs Miene und sofort veränderte sich seine eigene. Es schien, als könnte er ihre Gedanken lesen.

„Und wo hast du Harry gelassen, Sophia? Versteckt er sich?" Christopher lachte einmal, um seinen Spaß deutlicher zu machen und stemmte seine Hände in die Seiten. Er schien nichts von all der angespannten und bedrückten Stimmung mitzubekommen, die auch langsam Sam zu verstehen schien.
Er rückte näher an mich heran und gab mit leiser Stimme von sich, so als könnte er die Worte nicht lauter aussprechen: „Sophia, Christopher hat Recht, wo hast du Harry gelassen?"

Der Kloß in meinem Hals wurde wieder größer und trieb mir bei all den Geschehnissen des heutigen Tages die Tränen in die Augen.

Wir alle blieben still im Kreis stehen, selbst Mason hielt sich im Hintergrund und beobachtete nur aufmerksam das Geschehen, während Christopher immer noch nicht zu verstehen schien, was passiert war.
Er erhob die Stimme und rief: „Harry, komm raus du alter Witzbold! Wir haben keine Zeit zu verlieren!"
Es blieb still und verwirrt sah Christopher um, bis er die Mienen von uns anderen bemerkte. Er blieb an meinem Gesicht hängen und ich konnte nur auf den Boden vor mir starren.
Der Staub war grau.
Nicht rot.

„Wo ist Harry?"

Es blieb still. Jemand scharrte mit den Füßen und als Christopher gerade erneut zum Reden ansetzen wollte, unterbrach Mason ihn mit lauter Stimme: „Scheiße nochmal, Christopher! Wann kapierst du es denn endlich? Harry ist tot. Harry wurde von diesen hässlichen Viechern zerfleischt, während Sophia davongekommen ist. Er versteckt sich nicht, er wird sich nie wieder verstecken und auch nie wieder gefunden werden!"

Ich wollte etwas einwenden, etwas sagen gegen Masons harsche Worte, doch als ich meinen Blick von dem staubigen Boden hob und auf Christophers geschockten Blick traf, versagte meine Stimme.
„Ist das wahr?" Christophers Stimme war leise, so als könnte er damit das unvermeidliche hinauszögern, doch schon wieder kam mir jemand zuvor, bevor ich antworten konnte.

Fluchend trat Niall gegen die Überreste eines Reifens, dreht sich um und entfernt sich ein paar Schritte, bevor er dort die Trümmer weiter mit Tritten bearbeitet.

„Harry ist nun auf einer anderen Reise als wir, Christopher. Auf seiner ganz persönliche und letzte Reise."

Für einen Moment konnte man nichts Weiteres hören als Nialls Fluche ein paar Meter weiter, doch dann ertönte Jenias Stimme: „Wie ist es passiert, Sophia? Hatte er zumindest die Möglichkeit Abschied zu nehmen?"

Ich wusste woran sie dachte.
Woran wir nun alle dachten.
An Jordan und daran, wie er nicht einmal in der Sekunde seines Todes wusste, was passierte.
Bei ihm war einfach so das Licht ausgeknipst worden.

Zitternd nickte ich und spürte im selben Moment die Hand meines Bruders auf meinen Arm. Ich nickte immer weiter und weiter, bis ich auch die Wörter herausbringen konnte: „Er ist noch in der Lagerhalle, er hatte seine Ruhe. Die Wölfe haben ihn nicht bekommen, sie werden ihn auch nicht bekommen, oder?" Die Tränen kamen wieder und zittrig holte ich Luft, während ich mich wiederholte: „Oder?"

Megs nickte mir bestätigend zu, berührte mich mit einer Sanftheit, die ich ihr niemals zugetraut hätte, am Arm und sprach: „Magst du uns zu Harry führen, damit wir von ihm Abschied nehmen können?"

Ich nickte.
Und dann begann der grausamste Weg, den ich jemals gegangen war.
Selbst der gerannte Weg bei der Flucht war nicht so schlimm wieder dieser.
Nicht so schlimm wie der Weg zurück zu Harry.
Zu Harrys Körper in dem Nebenraum des Industriegebäudes.

Sam lief den ganzen Weg neben mir, genauso wie Megs und Niall. Die anderen folgten uns, wobei ich bemerkte, dass Liam wieder das Schlusslicht bildete.

Die Wölfe waren wie vom Erdboden verschluckt und ich wusste nicht, ob ich dies beruhigend oder beängstigend finden sollte, aber kaum erreichten wir den Notausgang, der in den Raum führte, in dem Harry lag, zitterte ich wieder am ganzen Körper.

„Dort ist er", flüsterte ich und zeigte auf die Tür. Ich wollte nicht wieder hinein, ich hatte bereits Abschied genommen.

„Wo sind eure Rucksäcke?", fragte Niall und harrte inne, als er die Tür aufstoßen wollte.

Rucksäcke?
Dann verstand ich was er wollte und brachte hervor: „Vor der Industrie. Wir mussten sie dort lassen, um schneller zu sein. Ich hatte keine Möglichkeit ihn zu verarzten..."

„Es ist in Ordnung", flüsterte Megs mir von hinten ins Ohr und neben Sams Hand fühlte ich nun auch ihre auf meinem Rücken. Sofort war die Situation ein kleines bisschen einfacher. Es fühlte sich nicht mehr so sehr danach an, als wäre ich schuld an Harrys Tod.

„Jenia und Mason werden sie eben holen. Wir werden so lange dafür sorgen, dass Harry in Frieden ruhen kann", meinte Niall bestimmend und überraschenderweise murrte Mason nicht, sondern ging vor Jenia voran, während Christopher sich mit versteinerter Miene mit Niall leise redete.

Dann winkte er Sam mit einer Handbewegung zu sich und verwirrt sah ich den beiden zu, wie sie einen Trümmerhaufen durchsuchten.

Meine Gedanken schweiften dabei jedoch immer und immer wieder zu Harry und dem vielen Blut. Vielleicht hätte es etwas gegeben, das ich hätte tun können, um ihn zu retten. Vielleicht hätte ich schneller rennen, ihn zuerst in den Gang schubsen sollen...
Und nicht einmal seinen kommenden Tod akzeptieren und dann seine Stoffarmbänder von Gemma umbinden sollen.

„Du denkst wieder darüber nach, ob du es hättest verhindern können, oder Sophia?" Megs stand zwar neben mir, sah mich jedoch nicht an. Ich nickte.
Zusammen sahen wir Christopher und Sam zu, wie sie ein leicht abgerundetes Trümmerteil in die Erde rammten und nach und nach ein Loch aushoben.
Es sollte Harrys Schlafplatz für die Ewigkeit werden.

„Weißt du, warum Harry hier gewesen ist?", fragte Megs weiter und sofort dachte ich wieder daran, wie er sich gestellt hatte und nur deswegen hier draußen gelandet war.
Langsam nickte ich.
„Er hat sich gestellt, Megs, wusstest du das?"

Megs Blick war weiterhin auf das immer mehr an Gestalt annehmende Grab gerichtet, als sie entgegnete: „Ja, aber das ist nicht der entscheidende Punkt warum er in unser eigenes Desaster geschlittert ist. Er hat uns aus der Zelle geholfen, weil er Niall und mir etwas geschuldet hat. Weißt du, was er uns geschuldet hat?"

Diesmal schüttelte ich meinen Kopf.
Liam krempelte sich die Ärmel seiner Jacke hoch, als auch er sich eine Art Rohr schnappte und Christopher und Sam behilflich war.

„Wir haben nur dafür gesorgt, dass er und seine Schwester den illegalen Postweg benutzen konnten. Ein paar Briefe und Stoffreste haben ihn somit das Leben gekostet, Sophia. Und nur, weil wir damals entschieden haben, wie viel diese Leistung wert ist. Als Gegenleistung haben wir seinen Einsatz gefordert und somit seinen Tod bestimmt. Und nun frag dich, Sophia, wer sich eher schuldig fühlen sollte. Du oder ich?"

Ich hatte mich ihr zugewendet, doch bevor ich etwas erwidern konnte, verließ sie ihren Platz neben meinen und verschwand hinter der Notausgangstür.
Selbst als sie schon lange weg war, starrte ich die rostige Oberfläche der Tür an und ließ ihre Worte sacken.
Ich wusste, was das alles zu bedeuten hatte und als mein Blick auf die Stoffarmbänder an meinem Handgelenk fielen, wurde mir klar, dass er einzige und allein Megs und Niall etwas geschuldet hatte, da er Stoffarmbänder von seiner Schwester zugeschickt bekam. Und genau diese waren es erst, die ihn dazu verleitet hatten, sich zu stellen.
Warum musste es alles so verdammt ironisch sein?

Nach einiger Zeit spürte ich, wie jemand neben mich trat und als ich aufblickte, sah ich, dass keiner mehr an dem Loch buddelte. Dafür gab es bereits eine breite Kuhle und als Jenia und Mason mit unseren Rucksäcken erschienen, musste ich schlucken.

Ich wollte mich abwenden, als sie schlussendlich Harry heraustrugen. Megs war dabei und wehrte alle Versuche Christophers ab, ihr und Niall zu helfen. Es schien ihre übliche ruppige Art zu sein, doch ich wusste es nun besser.
Es erschien ihr als eine Art Pflicht, als eine Art Wiedergutmachung, ihn zumindest auf dem letzten Weg zu begleiten.

Sie legten ihn in die ausgehobene Bucht und ich war nahezu erleichtert, dass sie ihm meine rote Jacke übergezogen haben, sodass wir zumindest nicht das viele Blut und die Wunde, die ihn in den Tod getrieben hatte, sehen konnten.

Seine Augen waren immer noch geschlossen und wieder einmal rief ich in meiner Erinnerung auf, dass sie grün waren, genauso wie seine Locken braun.
Megs kniete sich vor seinem Grab und verschränkte vorsichtig seine Arme und hob seinen Kopf etwas an, sodass es den Anschein erweckte, als würde er wirklich endlich seinen Frieden gefunden haben.
Megs blieb knien und keiner von uns rührte sich oder sagte etwas.
Es blieb einfach still.

Die Minuten verstrichen, bis Megs schließlich mit Jenias Hilfe ihre Wolldecke über Harry ausbreitete. Als auch sein Gesicht unter dem Stoff verschwand, schluckte ich.
Dies war das letzte Mal, dass ich es gesehen hatte.

Niall fing damit an die aufgeschüttete Erde auf Harrys Leichnam zu schütten und nach wenigen Minuten übernahm Christopher. Es ging einmal Reih um, bis auch ich ein paar Handvoll Erde auf das Grab schüttete.
„Bis irgendwann", flüsterte ich leise, als die Erde auf den bereits gewölbten Grabhügel rieselte.

Dann trat ich wieder zurück in die Reihe neben Liam.
Als Harry auch vom letzten bisschen Erde bedeckt wurde, wurde zum aller erstem Mal laut gesprochen.

„Harry, reservier uns einen Platz im Himmel, oder für mich eher in der Hölle. Ich hoffe, du kannst uns weiterhin von einer Wolke aus zu sehen und darüber lachen, wie dumm wir manchmal handeln werden."
Nach Niall, sprach überraschenderweise Jenia: „Grüß Jordan von mir bitte. Ruhe in Frieden, Harry."
Megs kniete immer noch vor dem Grab und strich langsam an den Erdrändern entlang, bevor sie ihre Stimme erhob: „All deine Schulden sind beglichen, Harry. Sie waren es schon immer und für deinen Dienst kann ich dir nicht genug danken. Wir sehen uns auf der anderen Seite."

Sie richtete sich auf und es schien niemand anderes mehr etwas laut sagen zu wollen. Stattdessen hockte sich Christopher direkt vor das Grab, während sich alle anderen abwendeten und langsam den nächsten Trümmerhaufen erklommen.
Niall trug neben seinen, auch Harrys Rucksack vor der Brust.

„Was war das?"
Liams Stimme war leise. Er stand immer noch neben mir und starrte auf das provisorische Grab.
„Was meinst du?", fragte ich ehrlich verwirrt nach.
„Was war das für eine Beerdigung? Ich kenne es anders, mit Reden über gemeinsame Erinnerungen, über Taten und... und... Es hörte sich alles so ins Lächerliche gezogen an, verstehst du was ich meine?"
Ich sah an Liams Gesichtsausdruck, wie er angestrengt versuchte zu verstehen, was er soeben miterlebt hatte. Mein Blick wanderte wieder zu Christopher an Harrys Grab, der langsam aufstand und den anderen folgte.
Dann antwortete ich Liam: „Wir kommen aus den unteren Sektoren, Liam. Wir gehen anders an die Sache heran. Wir brauchen keine langen, wuchtigen Reden, um uns an eine Person zu erinnern. Unser Leben in den unteren Sektoren ist kurz, im Sektor 2b um einiges kürzer als bei euch im Sektor 20c. Im Sektor eins sieht es auch nochmal anders aus... Und nun sind wir hier draußen. Mit jeder Sekunde wird unser Leben kürzer, unsere Zeit läuft ab, Liam."

Es blieb eine Zeit lang still und ich bemerkte, wie Liam die Lippen zu einer Linie presste, bevor er seinen Blick vom Grab zu mir schweifen ließ und er sich mit meinen verhakte.

Seine braunen Augen ließen mich nicht los, als er sprach: „Vielleicht ist das Leben kurz, Sophia, Sophia Smith, doch es ist das Längste was wir haben."

~

(01.02.2017)

Ihr Lieben,

Es ist schon sehr sehr spät und man kann nur noch für zwanzig Minuten sagen, dass es der erste Februar ist, aber dennoch ist es mir wichtig, genau heute zu updaten.

Einerseits weil heute Harrys Geburtstag ist und dies auch mit ein 'Harry-Kapitel' ist, aber größtenteils weil Skyland heute ein Jahr alt wird. Vor einem Jahr habe ich diesen zweiten Teil der Sky-Trilogie gestartet und wie ihr sicherlich wisst, bin ich ein Fan von Jubiläums-Updates ;)

Es ist so krass, dass es bereits wieder ein Jahr her ist, auch, weil der Höhepunkt von Skyland noch lange nicht erreicht ist. Aber umso mehr freue ich mich, es zusammen mit euch bis hier hin geschafft zu haben! Danke für all eure Unterstützung durch die gesamten Hoch und Tiefs von Sky! Skyland hat bisher 24 Kapitel, sogesehen habe ich im Durchschnitt also zweimal im Monat geupdatet, auch wenn es in der Realtität manchmal weit aus weniger war... xD 

Nun gut, zum Kapitel:

Ich denke, man merkt besonders am Anfang, dass es etwas anders ist. Ich bin selbst noch nicht so sicher, ob ich den Anfang des Kapitels mag, dafür mag ich umso mehr das Gespräch zwischen Megs und Sophia, als sie ihr erzählt, warum Harry ihnen etwas geschuldet hat... So langsam kommen die Fänden bei Harry als Nebencharakter zusammen... 

Wie immer würde ich mich sehr über eure Rückmeldung freuen!

Danke für alles und gute Nacht (oder guten Morgen, guten Mittag, je nachdem, wann ihr das gerade lest... ;)

Alles Liebe,

Merle


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