
▶Sternenkinder
Wir waren von Anfang an anders und wurden nicht respektiert. Als man uns damals als schreiende Säuglinge vor dem Rathaus vorgefunden hatte, hatte man uns kritisch angeschaut. Man sollte wissen, dass dieses Dorf der familiärste Ort auf der Erde war. Hier würde niemand, ja wirklich keiner, ein Kind aus der Familie ausstoßen. Wir heimatlosen Babys wurden also als Unheil und schlechte Botschaft betrachtet. Aber da die Dorfgemeinschaft ja so freundlich war, hatte man uns nicht sterben lassen, sondern adoptiert.
Unsere 'Eltern' hatten uns großgezogen und eigentlich war unsere Zeit bei ihnen sogar ganz schön. Man war sich nicht sicher, ob ich und der kleine Junge, der bei mir war, wirklich Geschwister waren, da wir einander gar nicht ähnlich sahen. Wir waren zwar in etwa gleich alt, er aber um einiges größer. Er hatte dunkelblonde Haare und grüne Augen. Ich wiederum war klein und hatte lange und sehr helle blonde Haare. Außerdem hatte ich strahlende, hellblaue Augen. Naja, so viel dazu, aber da wir gleichzeitig ausgesetzt wurden, waren wir halt nun Geschwister. Egal wie nett unsere Adoptiveltern auch waren, das Dorf verabscheute uns. Wenn irgendwas Seltsames passierte oder etwas kaputt ging, wurden wir beschuldigt und mussten dafür zahlen. Ach übrigens,unser Geld mussten wir uns hart erarbeiten, seit wir alt genug dafür waren. Aber nein, wir waren damit noch nicht genug gestraft. Anscheinend wurde uns wirklich nicht das kleinste bisschen Glück gegönnt. Es ereignete sich ein schrecklicher Autounfall, bei dem unsere Adoptiveltern ums Leben kamen. Sofort wurden im Dorf wieder Gerüchte verbreitet: "Die ausgesetzten Kinder haben dieses Unheil gebracht. Sie werden uns alle verfluchen." Wir lebten nun zu zweit in dem Haus unserer Adoptiveltern und wurden von den Dorfbewohnern noch mehr gehasst. Alle starrten uns feindselig an, wenn wir vorüber gingen. Keiner half uns, wenn wir etwas brauchten.
Was war los mit uns, dass wir so ausgeschlossen wurden? Was war der Grund? Ich wünschte ich könnte das beantworten, denn nur weil unsere echten Eltern uns nicht gewollt hatten, hieß das nicht, dass wir mit dem Teufel im Bunde waren. Ok, für die Leute aus diesem Dorf vielleicht, aber ich sah eindeutig nicht ein dass man uns so behandelte! Als die ganze Feindseligkeit zu viel wurde und ich es einfach nicht mehr aushielt in dieser schrecklichen Umgebung zu bleiben, kratzte ich alles Geld zusammen, das wir im Laufe der Jahre verdient hatten. Ich besprach mit meinem Bruder, dass wir nun gehen mussten, worauf er nichts entgegenzusetzen hatte. Er schien wohl auch unter der grausamen Behandlung zu leiden, auch wenn er seine Gefühle nie zeigte. Ich hoffte außerdem, dass ich auf der Reise eventuell mehr über meine Herkunft herausfinden würde. Ich packte mein wichtigstes Hab und Gut in eine Tasche und wartete auf ihn. Als er auch bereit war, nahm ich seine Hand und wir gingen gemeinsam die Straße hinunter, um dem Dorf zu entkommen und ein neues Leben anzufangen.
Meine Erleichterung war unbeschreiblich. Wahrscheinlich hätte ich diese Entscheidung schon viel früher treffen sollen, aber vor den Tod meiner 'Eltern', konnte ich durch sie die Lage im Dorf noch einigermaßen aushalten. Ich hoffte einen Ort zu finden, wo ich mit meinem Bruder in Ruhe leben konnte. Unser Paradies.
Wir verließen unsere alte Heimat, wobei - wer hätte es auch anders erwartet- keiner versuchte uns aufzuhalten. Es war etwas komisch, ganz auf sich selbst gestellt, wegzugehen, weil es das erste Mal war. Unsere Adoptiveltern hatten uns in gewisser Weise nicht erlaubt alleine umherzustreifen, ich hatte keine Ahnung warum. Es war jetzt sowieso zu spät darüber nachzudenken oder die beiden zu fragen.
Unser Marsch zum nächsten Dorf verlief ganz in Ordnung. An sich waren wir beide durch harte Arbeit gut durchtrainiert, weshalb wir schnell vorankamen. Am Ende des Tages ereichten wir das nächste Dorf. Auf dem Land waren die ganzen Siedlungen sehr weit voneinander entfernt.
Wir fanden in einer Herberge ein freies Zimmer für uns und aßen erst einmal zu Abend. Nach einer erholsamen Nacht erkundschafteten wir unsere neue Umgebung. Schon bald waren wir uns einig: dieses war nicht als unsere zukünftige Heimat geeignet. Erstens war es noch zu nah an unserem Heimatdorf, zweitens gab es keine freie Wohnung zum Verkauf. Und drittens waren uns die Menschen in diesem Dorf auch nicht sympathisch.
Am nächsten Tag zogen wir also weiter. Zum Glück konnte ich mit dem Besitzer der Herberge verhandeln, sodass wir zwei Pferde bekamen, damit wir schneller vorankamen. Auch im nächsten Dorf hatten wir wenig Glück, weshalb wir schon bald erneut weiterzogen. Nach paar Tagen, in denen wir durchritten, erreichten wir eine beeindruckende Siedlung. Als wir dort ankamen, war mein erster Gedanke: "Wow!". Es gab dort einen wundervollen Fluss und sie lag direkt am Wald. Vielleicht stimmte ja das Sprichwort 'Nach Regen kommt auch wieder Sonnenschein' und das Glück war endlich auf unserer Seite. Wir brachten unsere Pferde in einem Stall unter und schauten uns gleich um. Das Dorf hatte wunderschöne Häuser und es gefiel mir hier auf Anhieb. Mein Bruder schien auch begeistert zu sein, weshalb wir dem Rathaus in diesem Dorf einen Besuch abstatteten. Dort fragten wir, ob hier noch eine Wohnung frei wäre.
Nachdem man uns zugesagt hatte, wurde uns eine Wohnung im obersten Stockwerk eines dreistöckigen Hauses vorgeführt. Ich war überglücklich. Endlich klappte etwas in meinem Leben! Wir entschieden uns die Chance auf ein normales Leben zu ergreifen und zogen ein.
Unter uns wohnten mehrere Familien, die uns freundlich begrüßten und uns sogar Möbel schenkten, als sie sahen, dass wir nur das nötigste im Gepäck hatten. Ich war mir sicher, dies würde unser kleines Paradies werden. Das beste an der Wohnung war: sie hatte eine Dachterrasse! Wir nutzten sie jeden Abend bei lauen Temperaturen und träumten vor uns hin. Ich legte mich auf einen der Polster, die dort lagen. Er ließ sich neben mir nieder. Der Himmel war wolkenfrei und wir konnten sowohl den vollen Mond als auch tausende glitzernder Sterne sehen.
Gemeinsam schauten wir in den Himmel. Ich war so glücklich endlich ein friedliches Leben zu führen, weshalb ich breit lächelte. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass auch er glücklich wirkte und mein Herz machte einen Sprung. Endlich schien auch er zufrieden zu sein. Ich begann noch mehr zu strahlen, obwohl ich es selbst für unmöglich gehalten hatte, dass dies überhaupt noch möglich war. Ich spürte seinen Blick auf mir und drehte ich mich zu ihm. Mein Blick begegnete seinem und ich betrachtete ihn auf einmal auf ganz andere Weise als ich es bisher getan hatte. Sein ganzer Körper schien zu leuchten. Seinem Blick nach zu urteilen, sah ich ähnlich aus. Ob das wohl an unsere Freude lag? Ich schaute wieder sehnsuchtsvoll zum Himmel und fragte ihn schließlich:"Glaubst du, dass wir in Wirklichkeit Sterne sind? Sind wir deshalb so anders?" Ich dachte wirklich über die Möglichkeit nach, dass wir als Säuglinge vom Himmel gefallen waren. Er nickte leicht und küsste mich sanft auf meine strahlende Stirn.
[Erste Fassung der Geschichte: Februar 2019|Geschichte entstand durch den Song "Adonis" von Nightcore]
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