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P I Ę Ć D Z I E S I Ą T S Z E Ś Ć

Ich spiele mit dem Gedanken, den gesamten Tag Revue passieren zu lassen. Etwas Wichtiges ist nicht passiert, zumindest empfinde ich es nicht als relevant. Der Tag ist voller Ereignisse gewesen. Keine Langeweile hat mich umgeben, und die Zeit ist blitzschnell vergangen. Jim und ich sind zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Jugendlichen gerufen worden, danach haben wir eine Verhaftung durchführen müssen. Haben Schmierfinke, die die Wände mit ihren anrüchigen Graffitis beschmutzt haben, auf frischer Tat ertappt und sie ebenfalls abgeführt. Wir haben sogar einen kleinen Drogendealer in Gewahrsam genommen. Ich will daraus keine große Sache machen; bei der Auseinandersetzung habe ich blaue Flecke einbüßen müssen. Der junge Mann hat sich ordentlich zur Wehr gesetzt, das will ich nicht vergessen zu erwähnen. Kurz bevor wir beide in den Feierabend gegangen sind, hat uns die Zentrale kontaktiert. Bewaffneter Raubüberfall auf einen kleinen Supermarkt, unmittelbar vor dem Brennpunkt Liberty City. Wir haben nicht gezögert, sind im hohen Tempo zu dem Ort gefahren. Wachsam und fokussiert. Jim und ich sind eingetroffen, aus dem Streifenwagen gestiegen und zu dem Supermarkt geeilt. Keine Passanten weit und breit, nicht einmal Kunden - falls sie jemals diesen Laden aufgesucht haben.

Zumindest nicht außerhalb des Supermarktes.

Diese Stille ist ungewöhnlich gewesen, eine völlig andere. Sie hat mich nicht kaltgelassen, dennoch habe ich die gesamte Konzentration für diesen Fall zusammengekratzt. Wir haben den Laden betreten - die schrille Alarmanlage ist längst verklungen, nur die rote Lampe hat ihr Licht umher geworfen. Die Dienstwaffen im Anschlag, haben wir uns vorangetastet, permanent uns Rückendeckung gebend. Schritt für Schritt, leise und mit Zeichensprache.

Ich kann noch immer dieses Brummen der Fliegen vernehmen, die über die erschossene Person geschwebt sind. Mir ist beinahe das Mittagessen hochgekommen; der Anblick einer toten Person macht mir nicht mehr zu schaffen, aber es ist dieser Geruch, der mich jedes Mal aufs Neue förmlich umhaut. Ich habe nicht den Blick von dem Ladenbesitzer reißen können - starrer Blick, ein Arm hat auf seiner blutgetränkten Brust gelegen. Kopfschuss, direkt zwischen die Augen. Kurz und schmerzlos. Irgendwann hat Jim sich zu mir gesellt und mir mitgeteilt, dass von dem Täter jede Spur fehle. Es gebe eine Überwachsungskamera, direkt über der Ladentheke, die jegliche Bewegungsabläufe aufgezeichnet hat. Die Kollegen müssen diese nur auswerten. Ich habe ihm kaum Gehör geschenkt, lediglich genickt. Zwei tote Personen haben sich in diesem Laden befunden - der Ladenbesitzer und ein junger Schwarzer, höchstwahrscheinlich ein Kunde, der im falschen Moment den Supermarkt aufgesucht hat.

Nachdem ich die Zentrale über die aktuellen Gegebenheiten informiert habe - sie werden unverzüglich weitere Teams schicken -, sind Jim und ich in den hinteren Bereich des Ladens gegangen. Der verwesende Geruch und die drückende Hitze haben mir mächtig zu schaffen gemacht. Der Kopf hat sich angefühlt, als bestünde er aus Blei als aus Haut und Knochen. Nirgends hat ein Fenster offen gestanden, und wie es den Anschein gehabt hat, sind die Ventilatoren ausgefallen. Das schäbige und von dem Dreck überzogene Zimmer ist teilweise von den Schatten verschluckt worden. Eine nackte Glühbirne hat unruhig gezittert. Ich habe mich diskret dem Computer gewidmet, der auf einem Plastiktisch gestanden hat. Ein halbvoller Aschenbecher, aus dem Rauchfädchen emporgestiegen sind, eine leere Büchse, Taschentücher. Ein paar Zettel und Stifte. Jim hat sich den Stapel an Magazinen durchgesehen; sein Blick hat Bände gesprochen.

Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich über ausreichende Kenntnisse in Sachen Technik verfüge. Schnell habe ich das aktuelle Videoband aufspüren können, um mir die Szenerie anzuschauen. Mich überrascht es nicht; um den Täter handelt es sich um einen sehr jungen Mann mit mexikanischen Wurzeln. Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, sein Gesicht zu verdecken. Entweder hat er es vergessen oder bewusst darauf verzichtet. Die Waffe ist eine gewesen, die man an jeder Straßenecke für wenige Dollar kaufen kann. Mir ist nicht das Beben seiner Hand entgangen, mit welcher er die Waffe gehalten hat. Ein Anfänger, ganz klar.

Die Qualität des Videos hat zwar zu wünschen übrig gelassen, dennoch hat sie ausgereicht, um ein Profil zu erstellen. Höchstens Mitte zwanzig, schwarze Haare, die bis zum ersten Wirbel reichen. Geschätzt zwischen ein Meter fünfundsiebzig und höchstens eins achtzig. Ein weißes T - Shirt mit dem Aufdruck des Footballteams Miamis, eine schwarzweiß karierte Shorts. Den Ladenbesitzer völlig überrascht und ihm einen sauberen Schuss zwischen die Augen verpasst. Dem Kunden in den Rücken und anschließend in die Brust geschossen, als dieser die Flucht ergreifen wollte. Der junge Mann hat nicht einmal einen Blick in die Kamera geworfen - ich gehe stark davon aus, dass er diese nicht wahrgenommen hat, obwohl sie unübersehbar über der Theke befestigt worden ist-, und ist anschließend aus dem Laden gegangen. Mit einer Tüte voller Geld, einigen Tabakwaren und Nahrungsmitteln. Warum er das Letzte ebenfalls in Erwägung gezogen hat, weiß ich nicht. Ich kann mir keinen logischen Grund ausmalen, da ich so etwas noch nie erlebt habe. Ein Räuber, der sogar Nahrungsmittel mitgehen lässt. Ich habe darüber geschmunzelt.

Jim und ich haben dem Laden den Rücken zugekehrt, nachdem die weiteren Einsatzteams eingetroffen sind. Ich habe Sergeant Slaughter über die Feststellungen und Befunde und Gegebenheiten informiert. Der hat knapp genickt und mir einen flüchtigen Dank ausgesprochen. Weiteres habe ich nicht ausführen müssen. Das ist der letzte Fall vor dem Feierabend gewesen. Doch auch nach dem offiziellen Ende meiner Schicht habe ich den Funk eingeschaltet gehabt, um weitere Fälle aufnehmen zu können. Man muss allzeit bereit sein; wie hat Vincent es so schön gesagt? Ein Polizist hat niemals Feierabend.

Der Tag sitzt mir weiterhin im Nacken, während ich mich Richtung Overtown begebe. Mittlerweile hat die Sonne deutlich an Kraft verloren; der Abend wiegt die Stadt, und das goldene Licht streicht über die vielen Häuser. Die Palmen ähneln immer mehr schemenhaften Silhouetten. Ich fühle mich wach, konzentriert. In jeder Körperzelle steckt die Energie. Ich schätze, dass ich heute die Ruhe schlecht finden werde.

„Mann, das war vielleicht ein Tag", murmele ich und drehe die Musik auf, nachdem ich den High Way ansteuere. Ich ordne mich in die rechte Spur ein und bringe mehr Tempo auf. „Neue blaue Flecken, schon wieder Leichen, schon wieder diverse Auseinandersetzungen." Ich gestatte mir selbst ein Grinsen. „Besser kann die Arbeit nicht laufen." Die Schmerzen in den Armen und in dem Bauch haben nachgelassen. „Und nächste Woche wird es mit der Nachtschicht weitergehen." Das Grinsen wächst an. „Die kommenden Wochen werden mir definitiv Spaß bereiten." Das Sonnenlicht trifft mein Gesicht, und ich klappe den Sonnenschutz herunter. „Aber erst will ich zu meiner Cessy."

Das Herz, das ohnehin schon den ganzen Tag über schnell getrommelt hat, verdoppelt das Tempo. Es könnte mir aus der Brust springen. Ich empfinde ein Gefühl, das mich an Adrenalin erinnert; stehe förmlich unter Strom, wilde Energie rauscht durch mich. Keine Anzeichen der Erschöpfung oder Müdigkeit. Nichts.

Die Finger schließen sich fester um das Lenkrad, und ich lasse mich von der Musik einlullen. Kraftvolle Klänge, ein tief brummender Bass, der das Mächtige des Liedes unterstreicht. Bringt mich etwas zum Erschaudern. Ich genieße das ehrfürchtige Gefühl, das schwache Prickeln. Allgemein die Auswirkungen des Liedes.

Ich hätte beinahe die Ausfahrt verpasst, hätte das Lied nicht das Ende eingeleitet. Schnell habe ich mich zurück in die Realität geholt, mich aus dem Netz der Musik gestrampelt. Den Fuß von dem Gaspedal genommen und die Ausfahrt angesteuert. Bin hinter einem kleinen Wagen gefahren. Die kurze Stille macht mich ein wenig unruhig, doch ehe ich den Finger nach dem Knopf ausstrecken kann, hat der Spieler das nächste Lied begonnen. Ich sehe wieder auf die Straße, welche nun immer mehr an Breite verliert. Die Schatten haben sich auf Personen und Gegenstände geworfen. Nur die Straßenlaternen ermöglichen es mir, sie zu identifizieren. Ich schärfe ein zweites Mal die Sinne, während ich den Anfang des Viertels durchquere. Lasse den Blick durch die Umgebung schweifen. Gedrungene Häuser, viele von ihnen sind mit Blech bekleidet worden, Vorgärten, in denen sich Berge von Müll auftürmen. Vor einem Haus brennt sogar ein Feuer, inmitten einer typischen Tonne, die die Obdachlosen benutzen. Ich blinzele langsam und schaue von den Personen weg, die anscheinend eine Grillfete abhalten.

„Ein Glück muss ich hier nicht leben", spreche ich und biege in die nächste Straße ab. Irgendein Kauz hat sich den Scherz erlaubt, das Schild mit den Straßennamen abzumontieren. „Ein Idiot. Na ja, wenigstens ist es so ein Schild. Ein verschwundenes Vorfahrtsschild oder dergleichen wäre wesentlich schlimmer gewesen." Die neue Straße wird schmaler, und ich steuere eine freie Fläche an, als ein Fahrzeug, was mir entgegenkommt, aufgetaucht ist. Es kriecht an mir vorbei, ich warte geduldig. „Scheiße, was? Was ist das denn für ein Lied? Also das habe ich gewiss nicht auf die CD gespielt. Ein Scheiß. Schnell weg damit."

Den Wechsel vorgenommen, und schon geht die Fahrt weiter. Ich lenke den Wagen zurück auf die Straße und baue ein gemäßigtes Tempo auf. Nicht, dass mir wieder ein verrückter Kauz über die Straße läuft. Wie ein wachsames Tier behalte ich die Umgebung genau im Auge, während ich Meter für Meter zurücklege. Dieses Mal scheint die Gruppe nicht unterwegs zu sein; wahrscheinlich ist es noch viel zu früh.

„Ja, genau. Doch. Das muss hier gewesen sein. Zumindest kann ich mich noch an diesen Anhänger erinnern." Ich stoppe. Mitten auf der Straße. Glücklicherweise befindet sich niemand hinter mir. Auch vor mir nicht. „Ist er das?" Ich beuge mich mehr über das Steuerrad und begutachte den Anhänger, der von einer dicken Dreckschicht überzogen wird. Getrockneter Matsch haftet an den Reifen. „Ja, doch. Das ist er. Mann, bin ich gut. Ich habe die Adresse auf Anhieb gefunden, und das ohne, dass ich vorbeigefahren bin." Lehne mich zurück und nähere mich der Lücke hinter dem Anhänger. Dass ich damit eine Einfahrt blockiere, interessiert mich minder. „Gut, wäre das erledigt." Ein letzter Blick nach vorne. Die Scheinwerfer meines Fahrzeugs erhellen die Lettern. Connys Vermietung für verschiedene Fahrzeuge. Nur fünfundvierzig Dollar pro Tag. Telefonnummer und Adresse stehen dort ebenfalls. Die Augenbrauen gleiten etwas in die Höhe, ich löse den Blick von dem Anhänger, schalte das Gefährt ab und steige anschließend aus. Drücke einen Knopf, und der Wagen ist verriegelt.

„Gut. Das ist erledigt. Der Wagen ist zu, alle Sachen habe ich parat. Brauche ich das Handy?" Ich spähe zu dem Beifahrersitz, auf dem sich meine Tasche befindet. „Ach, nein. Das benötige ich nicht. Wer soll mich auch groß anrufen? Außerdem habe ich Wichtigeres zu tun." Ich stopfe die Schlüssel in die Hosentasche und begebe mich zu dem geschlossenen Tor. Ich blicke die Straße hinauf und hinab. Am Anfang des Gehweges sind Passanten. Sie sorgen aber nicht für vermeidbaren Lärm. Dieses Mal sind mehr Lichter eingeschaltet; jetzt habe ich das Gefühl, dass hier welche ihren Wohnsitz beziehungsweise ihr Apartment haben.

Ich stoße das weiße Tor auf und wische mir die Hand an der Hose ab, nachdem etwas Farbe abgeblättert ist. Leise quietscht es, als ich es weiter aufgeschoben habe. Setze die Schritte über den Hof. Diverse Lichtkegel fallen auf den Platz, und ich kann manchmal die Umrisse der Bewohner erkennen. Mal ist es eine ältere Frau, ein Kind oder ein Mann. Jemand scheint sich über seine Arbeit aufzuregen, ein anderer führt eine lebhafte Unterhaltung. Ein kleines Kind weint lauthals.

Die Treppe mit dem wackligen Geländer kommt in Sicht. Eine Brise fährt durch meine Haare, die ich nicht mit einem Zopfgummi fixiert habe. Eine Haarsträhne klebt mir auf der Stirn, und sogleich schiebe ich sie zurück hinter das linke Ohr. Die einzige Laterne, die bei dem geschlossenen Kreis mit den hüfthohen Gewächsen steht, sorgt für spärliches Licht. Das Meiste bleibt in den Schatten des Abends versteckt. Eine Stufe knackt unter dem rechten Fuß. Ein sehr leichter Schreck hat mich eingeholt, ich nehme zwei Stufen auf einmal.

„Das nächste Mal liege ich unten", brumme ich, nachdem ich mich relativ schnell gefasst habe. Ich starre die Stufe für einen Augenblick an. „Scheißteil." Langsam schüttele ich den Kopf. Schaue nun in die Richtung, wo sich Cessys Apartment befindet. Ich habe mich anfangs darüber gewundert, wer so ein unüberhörbares Gespräch abhält. Jetzt ist mir die Ursache vertraut.

Jemand steht vor Cessys Wohnungstür.

Und dieser Jemand ist Vincent.

Mein Herz setzt kurz aus, und eine plötzliche Starre hat mich gepackt. Ich kann den Blick nicht von ihm abwenden. Der Mund steht halb offen, während ich ihn bewegungslos ansehe. Ich bilde mir nichts ein, es handelt sich auch nicht um ein Hirngespinst. Dort steht Vincent. Unverkennbar. Selbst seine Stimme deutet auf ihn hin. Es ist Vincent, das kann ich nicht abstreiten, auch wenn ich es gerne will.

Was zum Teufel sucht er bei Cessy? Ich werfe schwerfällig die Starre von mir und balle die Hände zu Fäusten. Die Energie unterzieht sich einer Veränderung; Frustration macht sich in mir breit. Ich knirsche tonlos mit den Zähnen und setze einen Schritt in seine Richtung. Noch hat er nicht Notiz von mir genommen. Der Dreißigjährige ist in dem Gespräch mit der Tänzerin gefangen. Sie hat seine volle Aufmerksamkeit.

Allmögliche Szenen spielen sich in meinem Kopf ab, und ich bleibe schließlich unvermittelt neben ihm stehen. Ein stummer Blick. Zunächst geschieht nichts. Vincent redet und redet, er wagt es sogar, Cessy zu berühren. Die Blondine verkrampft sich jedes Mal ein wenig und schiebt seine Hand von sich. Vincent lässt sich nicht davon beeindrucken, er macht unbeirrt weiter. Ich verziehe die Augenbrauen und tippe ihn an. Kurz. Ich spüre Cessys Blick auf mir ruhen. Schere mich aber nicht darum. Die Blondine hat sich längst aus dem Gespräch zurückgezogen.

Wenn ich ehrlich bin, genügt mir das Gespräch. Diese ganzen Versuche, Cessy zum Reden zu bewegen, stoßen bei mir auf Widerwillen. Auch die Tatsache, dass er den Versuch in Angriff genommen hat, mit ihr zu flirten. Der Ärger, der sich wie eine dunkle Wolke um mein Herz gelegt hat, verdichtet sich.

„Zum Teufel, was machst du hier?", verlange ich zu erfahren und schiebe ihn beiseite. Der Ton in meiner Stimme hat die Fassungslosigkeit angenommen. „Verschwinde von hier." Ich sehe Cessy an. Der Ärger wallt in mir auf. Es fehlt nicht mehr viel, und er würde wie ein Vulkan ausbrechen. Dann wäre ich nicht mehr zu stoppen. „Hat er dich irgendwie belästigt?" Meine Schultern beben ein wenig.

Schweigen. Beide sind scheinbar von meiner unmittelbaren Ankunft überrumpelt worden. Vincent starrt mich überrascht an, Cessy hingegen sprachlos. Mein Blick wandert über ihren Körper. Wenigstens hat sie sich in Klamotten eingekleidet, die die Brüste nicht betonen und lose sitzen. Ihre Haare hat sie zu einem gelösten Zopf zusammengefasst.

„Valary." Vincent ist der Erste, der die Sprache wiedererlangt hat.

„Ja. Wer auch sonst?" Ich schaue ihn an, erwidere somit seinen Blick. „Verschwinde von hier. Du hast hier nichts zu suchen." Und wie er das nicht hat. Vincent hat keine Berechtigung, bei Cessy zu sein. Er führt sich wie ein Störfaktor auf. Das ist er auch. Ein gottverdammter Störfaktor. Die Fingernägel bohren sich in die Handinnenflächen. Der Vulkan beginnt zu qualmen. „Bist du schwerhörig, oder was? Geh'. Jetzt. Sofort." Warum bin ich dazu in der Lage, diese Stiche zu ignorieren, die mein Herz unter Beschuss gesetzt haben? Wieso verspüre ich nicht die Qualen, mit die sich das Herz herumschlagen muss?

Die schwarze Wolke hat mich eingehüllt. Erübrigt mir keine Sicht. Umgibt mich lückenlos. Wie ein blickundurchlässiges Stück Stoff, das ich nicht einmal zerfetzen kann.

Der Dreißigjährige kneift kurz die Augen zusammen, jetzt endlich begreifend, dass ich vor ihm stehe und ihn zur Rede stelle. Ich verlange nach Antworten, die er mir nicht vorenthält. Dennoch bemerke ich eine Sache auf Anhieb: Er ringt um Beherrschung. Es ist deutlich.

„Schön, dich auch zu sehen, Valary", meint er und räuspert sich herablassend. Ich drücke die Lippen fester aufeinander. Währenddessen hat Cessy einen Schritt nach hinten gesetzt, doch sie verfolgt die anfängliche verbale Auseinandersetzung zwischen mir und Vincent. „Warum sollte ich gehen, hm? Cessy und ich reden nur, nicht wahr, du Schönheit?" Er sieht von mir weg, direkt zu der Vierundzwanzigjährigen. Seine Lippen haben sich zu einem Lächeln verzogen. Ein sehr leises Knurren entfährt mir. Er wendet bewusst die charmante Ader an. Ich bin drauf und dran, ihm dieses Lächeln auf dem Gesicht zu wischen. Es ist wie ein Dorn in meinem Auge. „Hey, ist alles in Ordnung?" Er tritt zu der Tänzerin, und seine schlanken Finger streifen ihr Handgelenk. Cessy zeigt keine Reaktion. Ich schlage seine Hand weg.

„Fass' sie nicht an und nenn' sie nicht Schönheit, haben wir uns verstanden?", knurre ich und versetze ihm einen leichten Stoß nach hinten. „Ich habe es dir vorhin schon gesagt. Verschwinde endlich."

Ich bin nicht besser. Das dämmert in mir und erstrahlt nach und nach. Ich führe mich genauso wie Vincent auf. Langsam blinzele ich und öffne die Hände. Für einen Augenblick stehe ich wie paralysiert da. Auch ich werde von der Eifersucht gesteuert. Sie betätigt alle Hebel in meinem Kopf. Ich schlucke. Ich bin wie Vincent. Ich bin verdammt nochmal wie er. Vince ist eifersüchtig. Ich bin es auch. Und mittendrin steht Cessy, die sich in der unmittelbaren Nähe befindet. Die Erkenntnis trifft mich schlagartig.

Aber ich gehe nicht auf sie ein. Das dominante Gefühl blendet mich. Hält mich davon ab, mit Vernunft an die angespannte Situation heranzugehen. Drängt mich von dem Weg, mit Vincent ein sachliches Gespräch zu führen.

Und all das, weil ich ebenfalls für Cessy Gefühle entwickelt habe. Ja, ich gebe es zu. Ich habe mich in die Tänzerin verliebt. Inmitten all dem Feuer der Lust und dem warmen Glühen haben sich liebliche Gefühle entwickelt, die sich ungehindert entfaltet haben. Lust und Liebe. Hitze und Wärme. Begierde und Bescheidenheit. Wir sind füreinander geschaffen.

Cessy ist das Feuer, das mich entzündet. Meine Sehnsucht verzehrt sich nach ihr. Das Herz will ihre anmutige Gestalt in sich schließen. Der Kopf will sie nie mehr in die Fluten des Vergessens werfen.

Ich will sie an meiner Seite.

Aber Vincent auch.

Der Dreißigjährige sieht mich für den Bruchteil einer Sekunde erstaunt an. Fängt sich jedoch schnell. Er tritt so nahe zu mir, sodass wenige Zentimeter uns trennen. Ein Blatt Papier würde noch zwischen uns passen.

„Ich soll also verschwinden?" Er erwartet keine Antwort. Fährt zähneknirschend fort, sodass ich etwas mühselig die aufrechte Haltung beibehalte. Ich lasse mich nicht von ihm einschüchtern; das würde Vincent als Angriffsfläche nutzen. „Warum verschwindest du nicht?" Ein sachter Stoß von ihm. Ich taumele nach hinten, aber ich kann ihn geschickt fassen. „Du bist doch dazugekommen und somit der Störfaktor." Der Blonde wendet sich Cessy zu. „Was sagst du dazu, Herzblatt? Du findest doch auch, dass sie stört, nicht wahr?"

Erste Brocken spuckt der Vulkan, der in mir beständig brodelt und kocht. Ich presse die Lippen so fest aufeinander, sodass es schmerzt. Ich blende ihn aus. Trete wieder zu meinem ehemaligen Kollegen und schiebe ihn unsanft von Cessy weg.

„Verdammte Scheiße!" Ich rufe mich hastig zur Besinnung auf, als in Cessys grünen Augen Besorgnis glimmt. „Mensch, Vincent. Hau' endlich ab. Und verdammte Scheiße, nenn' sie nicht Herzblatt, Schätzchen oder sonst wie! Unterlass' es. Sofort!" Der Dreißigjährige klappt seinen Mund auf, bereit, einen Konter beizusteuern, doch ich schneide ihm das Wort ab. „Du störst uns."

Es ist albern. Eine völlig verrückte Situation. So bizarr, dass es fast schon absurd ist. Wir beide kämpfen um die eine und dieselbe Frau. Jeder von uns will Cessy an seiner Seite haben. Und dabei setzen wir unsere Freundschaft aufs Spiel. Die Liebe ähnelt dem verdammten Spiel Roulette. Man setzt etwas ein, riskiert eventuell eine Unmenge an Geld. Und dann dreht sich die Scheibe, und die verdammte Kugel sucht sich ihren Weg. Man hat seinen Einsatz abgegeben - hat die gesamte Hoffnung in diese einzige Kugel gesteckt - und verfolgt nervenzerreißend die Bewegungen der Kugel. Sie wird langsam. Langsamer. Sehr langsam. Und schon ruht sie. Ein Blick riskiert. Und das Gewissen schlägt Alarm. Der gesamte Einsatz ist futsch. Weg. Verschwunden. Verwettet. Nichts ist mehr übrig.

Vincent und ich empfinden Gefühle für Cessy. Wir setzen unsere innige Freundschaft als sinnlosen Preis ein. Und dabei merken wir nicht einmal, dass wir das Band auseinanderreißen.

„Val, Vince. Ich bitte euch. Könnt ihr nicht ..." Die Tänzerin kommt nicht dazu, ihren Satz zu beenden. Vincent ist ihr zuvorgekommen. Ein scharfer Blick von ihm genügt, und die Blondine ist leise geworden.

„Du stehst auf sie", bricht er urplötzlich mit der Wahrheit heraus und stiert mich an. Dass Blau für Kälte steht, wird in diesem Augenblick mehr als verdeutlicht. „Nicht wahr?" Ich gebe ihm keine Antwort. Sekunden verstreichen. Langsam. Ich habe das Gefühl, dass die Zeit rückwärts anstelle vorwärts läuft. „Antworte mir." Kein Wort meinerseits. Ich sehe den Boden an. Ein kleiner Käfer krabbelt emsig zur Wohnungstür.

Ohne jegliche Vorankündigung hat Vincent mich an den Schultern gepackt. Ein tiefer Schrecken rennt durch mich, und ich spanne mich an. „Valary, verdammt nochmal! Jetzt sag' mir endlich, ob du auf Cessy stehst oder nicht!" Er kommt meinem Gesicht gefährlich nahe. Ich sacke ein wenig in mich zusammen.

Ich schließe die Augen. Auch wenn ich nichts sagen will, verlässt die Antwort meine Lippen.

„Ja", hauche ich kaum hörbar. Ich spüre, wie Vincent seine Hände von meinen Schultern nimmt und einige Schritte nach hinten geht. „Ich stehe auf Cessy." Ich öffne die Augen und blicke ihm in die Augen. Unverwandt - ich lasse mich nicht von ihm einschüchtern. Jetzt erst recht nicht. „Nein, was heißt das schon? Ich bin in sie verliebt." Ein tiefer Atemzug. „Und wie es den Anschein hat, empfindest du das Gleiche für sie."

Ich hätte es nicht sagen sollen, doch dafür ist es zu spät.

In den Augenwinkeln erkenne ich eine zarte Bewegung von der Vierundzwanzigjährigen. Ich wende den Kopf zu ihr. Die linke Hand liegt auf ihrem Mund, und ihre Augen sind etwas groß geworden. Sprachlosigkeit spiegelt sich in ihrem makellosen Gesicht wider. Sie weiß nicht, wie sie die Lage handhaben soll. Ich kann es ihr nicht verübeln. Da hat sie zwei Personen vor sich, bei denen die Gefühle einzig und allein für diese Person verrücktspielen. In Cessys Haut will ich ungern stecken.

Der Dreißigjährige rauscht wortlos an mir vorbei. Ich lasse den Kopf hängen und schließe die Augen. Höre, wie Vincent die Treppe herunter jagt und den Hof überquert.

Ich habe das Band zwischen uns zerrissen. Unsere Freundschaft als nutzlosen Einsatz verwettet. Ich habe eine Niederlage einbüßen müssen. Eine fatale Niederlage. Zu viel riskiert und nichts gewonnen. Ich könnte Tränen fließen lassen, aber sie scheinen versiegt zu sein.

Ein Motor heult auf. Vincent brettert über den Asphalt davon. Die Reifen quietschen kurz. Dann ist der schwarze Audi um die nächste Straßenecke verschwunden. Stille legt sich auf uns. Am liebsten will ich ebenfalls losgehen. Nach Hause fahren. Mich unter die Decke verkriechen und reglos im Bett liegen bleiben. Aber ich bin nicht in der Lage, mich von der Stelle zu rühren. Stehe wie angewurzelt da.

Wortlos nähert Cessy sich mir. Ich nehme es kaum wahr. Sie legt ihre Arme um mich und drückt mich sanft an sich. Ich wehre mich nicht dagegen, lasse es schweigend zu. Vergrabe halb das Gesicht in ihrem T - Shirt. Behalte die Augen weiterhin geschlossen.

Keiner von uns sagt etwas. Niemand von uns bewegt sich von der Stelle.

Die gesamte Szene bedarf einer notwenigen Verarbeitung.

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