D W A N A Ś C I E
„Puh, endlich. Endlich Feierabend. Gott, wie sehr ich mich darauf gefreut habe." Vincent lenkt den Streifenwagen zu dem Parkplatz. Die Erleichterung sticht deutlich aus seinem Ton hervor. „Ich kann es kaum erwarten, zu dem Lokal zu fahren. Hmm, die Vorstellung, wie die Stripperinnen ihre Tänze hinlegen ... Das macht mich fast schon wild." Mein Kollege hat sich in die Parklücke gestellt, nestelt dann an den Schlüsseln herum, bevor er den Motor zum Verstummen bringt. „Okay, dann wäre das erledigt." Er wendet den Blick mir zu. Ich habe während der Fahrt kaum ein Wort zustande gebracht. Bin beinahe durchgehend in meiner eigenen Welt verlorengegangen. „Begeisterung sieht aber anders aus." Der Blonde stupst mich an, ich schenke ihm eine schwache Reaktion. „Also ehrlich, Valary. Was ist jetzt los? Und wenn du meinen musst, mich jetzt anzulügen, kannst du es vergessen, dass ich dir die Lüge abkaufe. Ich habe schon lange bemerkt, dass du dich mit etwas auseinandersetzt. Du warst nämlich ziemlich still, und das ist untypisch für dich."
Ich rühre mich kaum von der Stelle. Ein sehr leiser Laut entfährt mir. Ich habe nicht die Absicht, meinen Kollegen mit Lügen zu konfrontieren. Jetzt kann ich so oder so keinen Umweg mehr einschlagen. Ich muss mit offenen Karten spielen.
„Zu viel. Ich kann dir keinen konkreten Punkt nennen", meine ich und schaue aus dem Seitenfenster, dann in den Spiegel. Der Tag verliert an Stärke. Gleißende Sonnenstrahlen drängen zu uns vor und verfangen sich in dem Spiegel. Ein heller schmaler Streifen befindet sich auf einer Seite von meinem Gesicht, während ich das Spiegelbild ansehe. „Vince, mach' dir keinen Kopf um mich. Alles ist prima." Ich wende ein wenig den Kopf, der Streifen verschiebt seine Position. Zieht sich nun über meinen Mund hinweg. „Ich weiß selbst, dass Begeisterung anders aussieht. Ich verspüre eben stille Freude. Ich muss doch nicht wie eine Wahnsinnige durch die Straßen springen und laut rufen, dass ich mich auf einen Besuch im Red Roses freue. Wie sieht das denn aus? Die würden sonst was von mir halten."
„Das hat auch keiner von dir verlangt." Vincent legt eine Hand auf meinen Arm. Ich blinzele langsam und sehe auf meinen Arm. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich ausgeprägt Wärme sein kann. Hier im Streifenwagen steht eine noch angenehme, Vincents Hand verströmt eine sanfte Wärme, welche sich etwas in die Haut bahnt. „Hey, wenn etwas ist, kannst du es mir ruhig sagen. Ich mag es nicht, wenn du dich mit etwas herumschlagen musst. Reden kann viel ausmachen." Er entfernt sie von meinem Arm, die sanfte Wärme verschwindet abrupt. „Also, wollen wir oder wollen wir nicht?" Der Dreißigjährige öffnet die Tür und steigt aus. Ich löse den Gurt und tue es ihm gleich.
„Von mir aus können wir." Ich lasse den Blick durch die Umgebung schweifen. Die Straße gelangt nicht zur Ruhe, eine beständige Bewegung rauscht über die breite Straße. Abgase schweben durch die Luft, gelegentlich quietschen Reifen oder das Aufheulen eines Motors. Ich seufze für einen Moment und gehe meinem Kollegen nach, welcher den Weg zu der Station aufgesucht hat. „Sachen abholen und dann 'runter zum Red Roses?"
Ich habe mir die Route zu dem Lokal angesehen und so etwas verinnerlicht. Ich kann aber nicht den exakten Weg wiedergeben. Dementsprechend setze ich den Großteil meiner Hoffnung in Vincent.
„Aber natürlich. Ich will schließlich nicht länger warten. Ich könnte das auch nicht. Ich bin ungeduldig geworden." Er hält bei dem Eingang inne, ich nähere mich ihm. Vincent hält die Tür für mich offen. Ein kleines Lächeln zeichnet sich auf meinen Lippen ab, und ich betrete das Foyer. Irgendwie kommt es mir so vor, als hätte hier sich nichts verändert. Noch immer eilen viele Kollegen umher, Zivilisten haben Plätze in den hinteren Bereichen eingenommen und warten, bis sie ihr Wort erheben dürfen. „Los geht's."
Ich verlangsame meine Schritte, Vincent rauscht an mir vorbei und schlägt den Weg zu seinem Büro ein. Ich sehe ihm nach. Der Blonde biegt kurz vor der Glastür ab. Ein dumpfes Zuschlagen ertönt. Langsam schüttele ich den Kopf und mache mich auf dem Weg zu der nächsten Tür, die in das Treppenhaus führt. Ich halte den Blick auf den sauberen und blanken Boden gerichtet. Blende die Gespräche aus, die bei der Rezeption geführt werden. Irgendwo fällt etwas zu Boden. Ich gehe der Ursache nicht nach, konzentriere mich eher auf das Gehen.
So schlimm wird das schon nicht werden, unternehme ich den Versuch, mir ein wenig Zuversicht einzuflößen. Die Gespräche ebben ab. Dieses Mal hallen meine gleichmäßigen Schritte in dem schmalen Flur wider. Das wird eher lustig werden. Irgendwie. Lustig, herrlich und ... heiß. Ich schaue zu der Glastür. Eine schwarze Frau verlässt ein Büro. Ich setze einen Schritt zur Seite, um ihr den Weg freizugeben. Als Reaktion gibt sie mir ein flüchtiges Lächeln. Ich bin gespannt, was sie tragen wird. Bestimmt ein verdammt scharfes Dessous. Ein Schauder überkommt mich, selbst die Gefühle fangen an, verrückt zu werden. Ich drücke die Glastür auf und zögere nicht länger, sondern gehe die Treppe hoch. Hinter mir fällt die Tür in das Schloss. Hoffentlich ein schwarzes. Schwarz ist die Farbe, die mich um den Verstand bringt. Auf Mitte der zweiten Etage breche ich das Gehen ab und spähe aus dem halb geöffneten Fenster. Ein Dessous, das ihre perfekt geformten Brüste deutlich zur Geltung bringt. Der Stoff so dünn, sodass sich jegliche Formen abzeichnen. Ich beiße mir auf die untere Lippe. Die Gedanken malen ein Bild, und dieses Bild rückt nach und nach vor meinem geistigen Auge. Und dann ihre anmutigen Tänze. Die provokanten Bewegungen und ihr Blick. Sie wird mich um den Verstand bringen, das steht außer Frage. Ich werde starr. Bald, schon sehr bald werde ich ihren atemberaubenden Körper von jeglichen Klamotten befreien, sie an das Bett binden, sodass sie mir ausgeliefert ist. Ich werde sie kontrollieren. Ich einzig und allein.
Ein älterer Herr geht an mir vorbei, schaut mich kurz an. Ich begegne nicht seinem Blick, fokussiere einen willkürlichen Punkt. Ihre Gestalt tänzelt durch meinen Kopf – wieder in reizvollen Sachen. Elegante Schritte, ein leichtes Grinsen und funkelnde Augen; Dinge, welche mein Herz zum Rasen bringen. Ich reiße mich von der Stelle los und gehe langsam zu der Tür. Lasse somit die letzten Stufen hinter mir. Eine Hand schiebt sich um die Klinke, drückt sie herunter. Ich schlüpfe durch den schmalen Spalt und zögere nicht länger die Zeit hinaus. Suche direkt den Weg zu meinem Büro auf. Auf dieser Etage bewegen sich deutlich weniger Menschen. Und wenn, dann sind es oft meine Kollegen. Sie sehen mich nicht an, ich tue es ebenfalls nicht.
Ich habe die letzte Tür erreicht. Betrete endlich das Büro. Die Tür fällt in das Schloss. Ich spiele nicht länger mit den Gedanken, sondern schlage den Weg zu meinen Habseligkeiten ein. Suche sie zusammen, hole die dünne Jacke zu mir, klemme sie mir unter den Arm. Habe ich alles bei mir? Ich blicke meine Tasche an, dann den Schreibtisch. Der Rechner ist ausgeschaltet, die Fenster geschlossen. Nirgends haben sich Blätter angesammelt. Der Schreibtisch weist eine zufriedenstellende Ordnung auf.
„Anscheinend schon", spreche ich bedingt leise und widme mich der Tür. „Die Tasche habe ich. Die Jacke auch. Das Handy liegt dieses Mal in der Jackentasche. Ja, also ... Es kann losgehen. Wie schön." Die Ironie hat sich deutlich bemerkbar in den Ton geschlichen. Aber davon nehme ich aus reinem Bewusstsein keine Notiz.
Es kann losgehen. Der ersehnte Abend kann den Startschuss abfeuern. Ich werde in das Red Roses fahren. Ein Nachtclub, wenngleich ein sehr bekannter. Trotzdem habe ich noch nie den Namen vernommen. Ein leichtes Prickeln breitet sich in meinem Körper aus. Bald werde ich die halbnackten Tänzerinnen erblicken. Sie werden mich verrücktmachen. Mich und Vincent.
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„Dass das in so einer Gegend ist, hätte ich mir auch irgendwie erdenken können", gebe ich von mir, als der Dreißigjährige die letzte Ampel hinter sich bringt. Nach und nach baut er Tempo auf und überholt ab und zu einen Wagen. „Schön in der Innenstadt. Dort, wo wirklich alles vorhanden ist. Sogar moderne Penner." Vincent stimmt kein Gelächter an. Ein schlechter Witz, wie es mir soeben bewusst wird. „Ach Gott, das kann etwas werden."
Meine Lage hat sich ein wenig verschlimmert. Ein Schweißfilm hat sich auf meiner Stirn gebildet. Aber nicht wegen der Hitze, sondern wegen des Abends. Die Geduld ist zu einem mickrigen Haufen geschrumpft. Sie zerrt mit den letzten Kräften an den Nerven, welche ohnehin schon vor dem Zerreißen stehen. Der Puls rast, das Herz trommelt beinahe unkontrolliert gegen den Brustkorb. Ich fühle mich, als stünde ich unter massiver Anspannung. Ich bin nicht mehr imstande, sie abzuwerfen. Kann nicht einmal mehr in einen normalen Zustand gelangen.
„Umso besser", erwidert der Blonde. Man hört, dass er der Aufregung gegenübersteht. „Fuck, freue ich mich schon. Ein paar heiße Frauen, so am Abend ... Besser kann ein Feierabend nicht sein. Hm, wer weiß, zu was die sich überreden lassen. Ich werde es ausprobieren." Er verlangsamt die Fahrt und lenkt den Audi von der Hauptstraße ab. Biegt in eine schmale und ruhigere Straße. „So, jetzt müssen wir nur noch einen freien Parkplatz finden, und schon kann der Abend losgehen."
„Wenn sie dich mit einer Latte sitzen lassen werden, dann werde ich dich auslachen", meine ich trocken und schaue aus dem Seitenfenster. Sehe einem jungen Pärchen nach. „Aber so richtig. Darauf kannst du dich verlassen."
„Hey, sei nicht so fies, ja?" Vincent seufzt. „Das werden die schon nicht ... hoffe ich zumindest." Ein verärgerter Laut verlässt seine Lippen. „Mensch, wollen die mich verarschen? Warum ist hier nichts frei? Das kann doch nicht wahr sein. Scheiß Innenstadt. Darum fahre ich selten hierher. Hier gibt es kaum freie Parkplätze."
„Du, die gibt es schon, nur ist dein Audi teilweise zu groß." Ich spiele an der Uhr, welche sich um mein rechtes Handgelenk schmiegt. Würde ich das Ziffernblatt mehr in das schummrige Licht halten, würde ich die momentane Uhrzeit erkennen. Ich vermute, dass es mittlerweile kurz vor acht Uhr ist. „Hättest du einen Smart, würdest du überall durchkommen."
„Gott, bloß nicht. Als ob ich mir so ein ... Teil besorgen würde. Ich bin ja wohl die allerletzte Person, die sich so ein Ding anschaffen wird." Vincent beugt sich ein wenig über das Lenkrad und späht durch die Frontscheibe. „Ich verliere gleich die Nerven. Meine Fresse, was ist das denn für ein Scheiß?" Ein Knurren ertönt. Meine Mundwinkel üben eine leichte Bewegung aus. Ein Gelächter staut sich auf. „Valary, kannst du irgendwo einen freien Platz erkennen? Vielleicht bin ich auch einfach nur blind."
„Und blöd", füge ich schelmisch hinzu und stimme ein sehr kurz andauerndes Gelächter an, als mein Kollege mir auf den Arm schlägt. Ein dumpfer Schmerz pocht nun im Oberarm. „Sorry, der hat sich gut angeboten. Du hast mir eine gute Vorlage gemacht. Ich habe nicht widerstehen können."
Der Blonde scheint etwas zu sagen, jedoch kann ich seine Worte nicht identifizieren. Dennoch stelle ich die Vermutung an, dass er Beleidigungen vor sich aufsagt. Amüsiert von der Situation, schüttele ich den Kopf und werfe einen Blick aus der Frontscheibe. Es bedarf keinen großen Zeitraum. Ich deute auf die linke Straßenseite.
„Vince, fahr' dahin", weise ich ihn an und zeige auf die Parklücke. „Und nein, da ist keine Einfahrt oder so. Hinter dem silbernen Transporter. Stell' dich dort hin." Der Dreißigjährige stellt seinen undeutlichen Redefluss ein und schaut in die Richtung, in welche ich deute.
„Sag' ich doch. Du findest die schneller als ich. Ich wäre wieder vorbeigefahren." Der Blonde steuert die Parklücke. Ein überraschter Laut entfährt ihm. „Nicht schlecht. Die ist sogar für meinen Audi geeignet. Perfekt." Er beginnt, von der Seite aus die Lücke anzufahren.
„Weiß ich, darum habe ich dich auch darauf hingewiesen." Ich linse in den Rückspiegel. „Du bist sogar schneller gewesen. Da wollte sich nämlich auch jemand in die Parklücke stellen."
„Ich würde jetzt gerne einen Spruch ablassen, aber mir fällt keiner ein." Der Dreißigjährige vollbringt geschickte Manöver. „Pech gehabt, würde ich mal sagen." Die Lippen haben sich zu einem Grinsen verzogen. „Und ... erledigt. Wir stehen." Die Hände lösen sich von dem Lenkrad. „Perfekt. Jetzt stehen wir und das sogar in der Nähe von dem Red Roses. Knapp fünf, sechs Minuten gehen, das geht vollkommen klar."
Vincent entfernt die Schlüssel aus dem Schloss, behält sie in der rechten Hand und steigt schließlich aus. Ich sehe ihn wortlos an, ehe ich das Gleiche in Angriff nehme. Setze einen Fuß in den angenehmen Abend, der zweite folgt. Schließe die Tür, und der Dreißigjährige riegelt den schwarzen Audi ab. Ich linse zu meinem Kollegen. Sein Oberkörper wird von einem sehr lockeren schwarzen Shirt umhüllt. Die Hose reicht bis zu seinen Knien. Ich hebe ein wenig die Augenbrauen, als mir die teils deutlich hervorstehenden Muskeln ins Auge fallen. Die Tänzerinnen würden ihn gleich als erstes in ihren Bann holen. Vincent ist ein starker Mann. Körperlich, aber geistig nicht wirklich.
Sie werden seinen Willen in binnen weniger Minuten brechen. Er wird es im Folgenden nicht rechtzeitig realisieren. Vincent wird verloren sein.
Ich füge nichts hinzu, sonders geselle mich wortlos zu ihm. Vincent legt einen Arm auf meine Schultern. Ich schmiege mich etwas an ihn, und gemeinsam gehen wir zu dem Nachtlokal. Mit jedem Schritt, den ich setze, wächst die freudige Ungeduld. Der Hunger wird größer, die Sehnsucht stärker. Ich muss mich besinnen. Sehr sogar. Ohne, dass Vincent davon Notiz nimmt, nehme ich tiefe Atemzüge zu mir.
Selbst Vincent scheinen die Worte vergangen zu sein. Schweigsam lassen wir die ruhige Seitenstraße hinter uns und biegen um die Ecke ab. Die Anzahl der Passanten hat sich sogleich verdoppelt. Vincent drückt mich näher an sich, während er sich einen Weg durch den Strom bahnt.
Oh Gott, was freue ich mich schon sehr auf dieses Lokal, schicke ich die Worte durch den Kopf und richte den Blick zu unseren Füßen hin. Ich kann es kaum noch erwarten. Und dann werde ich sie sehen. Diese verdammt scharfe Blondine. Der Blonde lockert den Griff und entfernt letztlich seinen Arm von meinen Schultern. Fuck, wir sind da.
Ich lasse den Blick über das Lokal schweifen. Die typischen leuchtenden Buchstaben, der typische Schriftzug und der typische Türsteher. Was für ein Klischee. Ich sehe zu Vincent, welcher ohne Weiteres zu ihm hingeht. Unwohlsein überflutet mich. Was ist, wenn er mich nicht passieren lässt? Es kommt vermutlich kaum vor, dass eine Frau ein Lokal aufsucht, was eigentlich für Männer bestimmt ist. Ich sollte es wagen.
Und wie ich das tun werde.
„Genieß' die Show, Bro. Glaub' mir, heute Abend sind unsere besten Tänzerinnen anwesend." Der dunkelhäutige Türsteher übt ein leichtes Klopfen auf Vincents Rücken aus, was er mit einem Lachen kommentiert. Er tritt einen Schritt beiseite, um dem Blonden den Eintritt zu gewähren. Von drinnen ertönt Musik, dann ein Pfiff.
„Wenn das so ist, dann werde ich das erst recht machen." Vincent grinst den Türsteher an und verschwindet in das Lokal. Er hat nicht ein einziges Mal zu mir gesehen, einfach so ist er gegangen. Ich raffe mich zu meiner vollen Größe auf, um das letzte Bisschen Selbstbewusstsein zu offenbaren. In einem langsamen Tempo nähere ich mich dem Türsteher.
Ich habe damit gerechnet. Sein skeptischer Blick und diese leichte Abwehrhaltung. Ein sehr leises Schlucken ertönt meinerseits. Hoffentlich habe ich die richtigen Worte parat.
„Wow, wow, wow. Ich glaube, du bist hier ganz falsch", empfängt er mich und baut sich vor mir auf. Ich lasse mir nicht das Selbstbewusstsein rauben. Ich sehe ihm in die dunklen Augen. „Das ist 'n Stripladen, und der ist für Männer."
Ich verdrehe die Augen und beherrsche mich, entspannt zu klingen. „Ich denke nicht", lege ich den Widerspruch ein. „Ich bin schon richtig." Ich schaue an ihm vorbei, direkt in das rötliche Licht, das aus dem Inneren des Lokals strömt. „Ach, komm'. Als ob der nur für Männer ist. Darf ich keine heißen Frauen sehen, oder was? Es spricht doch nichts dagegen."
Meine Worte scheinen nicht den Türsteher zu erreichen. Oder sie haben ihn erreicht, und er will sie nur nicht wahrhaben. Ich tippe auf diese Vermutung.
„Hmm, doch. Doch, ich finde schon." Der Ton in seiner tiefen Stimme schlägt eine Veränderung ein. „Hey, wenn du 'rein willst, kannst du morgen wiederkommen. Morgen Abend gibt's 'ne Show extra für euch Frauen." Er verschränkt die mächtigen Arme vor der Brust.
Ein scharfer Laut verlässt mich.
„Du, Männer sprechen mich nicht an, okay?", starte ich einen neuen Versuch. Wage es nicht, Anstalten zu machen. Irgendwie flößt er mir etwas Furcht ein. „Ich steh' auf Frauen. Hauptsache geilen Körper und gut ist." Ich blicke ihn unverwandt an. „Lässt du mich jetzt endlich 'rein? 'Ne Frau ist doch wohl genauso willkommen wie ein Mann."
Der Türsteher starrt mich an. Überraschung spiegelt sich in seinem Ausdruck wider. Meine Antwort scheint ihm die Worte verschlagen zu haben. Ich ergreife Sekunden, um die Geduld zu füttern. Gelegentlich verlagere ich mein Gewicht auf ein Bein.
Das ist auch jedes Mal das Gleiche, denke ich und verdrehe die Augen. Kaum kreuzt eine Frau auf, gibt es schon Probleme. Mein Gott, da ist doch nichts Verwerfliches bei, wenn ich als Frau in einen Stripclub gehe, der hauptsächlich Männer anspricht. Theoretisch müsste es genauso komisch sein, wenn ein schwuler Mann ein Tanzlokal aufsucht, das sich nach Frauen richtet. Verstehe einer diese Welt, ganz ehrlich.
„Also so ...", ergreift der Türsteher das Wort, verstummt aber jäh, als eine leicht melodische Stimme ertönt.
„Hm? Was ist denn hier los? Gibt's hier etwa Probleme?" Eine Tänzerin ist aus dem Lokal getreten und steht nun etwas hinter dem Mann. Sie hat sich eine dünne Bluse übergeworfen, um ihren schon halbnackten Körper ein wenig zu bedecken. „Ach, sieh mal einer an, wer da aufgetaucht ist. Willkommen zurück."
Diese Stimme. Diese Frau. Dieses verdammte Gesamtbild. Ich klappe den Mund zu, richte den Blick zu der Blondine hin. Meine Augen werden groß, und augenblicklich verspüre ich den rasenden Herzschlag in meinem Hals. Ich rühre mich nicht von der Stelle, übe keinerlei Bewegungen aus. Stehe stumm und sprachlos da.
„Natürlich nicht", antwortet der Türsteher und wendet sich halb zu der Tänzerin. Seine linke Hand ruht auf ihrem dünnen Arm. Ich presse die Lippen aufeinander. „Cessy, was machst du hier? Musst du nicht 'ne Show bieten?"
Cessy. Das ist also ihr Name. Ein schöner Name. Ich blinzele langsam und unternehme nach wie vor keine Reaktionen. Ihre anmutige Erscheinung hat mich aus der Fassung geworfen. Ein schlanker Körper, sanfte blonde Locken fallen auf ihren schmalen Schultern. Ihre vollen Lippen, stark hervorgebracht dank der roten Farbe von einem Lippenstift, stehen ein wenig offen. Katzenhafte Augen, welche einen wachsamen grünen Schimmer besitzen. Sie ist eine Frau, die einem den Atem raubt und aus der Fassung wirft.
Ein helles Gelächter erklingt. Es beschert mir einen Schauer. Cessy nähert sich mir, und ich räuspere mich laut. Der Türsteher wirft mir einen knappen Blick zu. Spricht mich dennoch nicht darauf an.
„Was ich hier mache? Na ja, für irgendwas muss ich meine kleine Pause nutzen." Sie stoppt vor mir. Wenige Zentimeter trennen aus. Mir fällt ihre Größe auf. Sie überragt mich um winzige Zentimeter. Mein Blick fällt auf ihre Füße. Sie steckt also in stilvollen high heels. Dünne Riemchen schmiegen sich an ihre Knöchel. „Ach, Rufus, lass' sie ruhig 'rein. Sie ist sozusagen mein Ehrengast." Ein undefinierbares Grinsen schmückt ihre verlockenden Lippen.
Ich bringe kein Ton zustande, auch dann nicht, als eine Hand mein Handgelenk umklammert und sie mich hinter sich her zieht. Ich gerate für einen winzigen Augenblick ins Straucheln, fange mich aber schnell.
Ihr Griff jagt ein wildes Prickeln durch mich. Meine Zähne bohren sich in die untere Lippe, als Cessy an Rufus vorbeigeht und das Lokal betritt. Die Luft hier ist deutlich angenehmer und kühler, auch wenn ein süßlicher Geruch meinen Geruchsinn reizt.
„Mein persönlicher Ehrengast." Cessy wirft mir einen grinsenden Blick zu. Ich wirke starr, ja beinahe paralysiert. „Und weil du nämlich mein Ehrengast bist, wirst du eine ganz besondere Überraschung von mir bekommen."
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