D W A D Z I E Ś C I A
Was sich heute noch abgespielt hat? Ich würde aus meiner Sicht sagen, dass nichts weiter interessant gewesen ist. Es ist nichts abgelaufen, was dem Arbeitstag eine neue Wendung gegeben hätte. Ganz normal so wie die vergangenen Tage. Vincent und ich haben den Weg zur Station eingenommen, haben ab und zu ein kurzes Gespräch geführt. Ich habe, während ich mit ihm gesprochen habe, das Gefühl gehabt, dass uns erneut die Themen ausgegangen sind. Wir haben mit etwas Mühe die Stille zwischen uns ferngehalten. Dann haben wir die Station erreicht, haben unsere jeweiligen Büros aufgesucht, ein paar Sachen eingesammelt und sind im Anschluss durch das breite Viertel gefahren.
Einige Stunden sind an uns vorbeigestrichen, ehe Jenna die Meldung zu uns gefunkt hat, dass wir einen bestimmten Wagen im Auge behalten sollten. Vincent und ich sind augenblicklich skeptisch geworden und sind der Meldung nachgegangen. Es hat nicht lange gedauert. Höchstens eine halbe Stunde. Wir haben den unauffälligen weißen Wagen entdeckt und aus dem Verkehr gezogen. Ich habe von Anfang an gespürt, dass etwas mit dem Fahrer nicht stimmt. Er hat angespannte Gesichtszüge besessen. Meinem Kollegen ist dies ebenfalls aufgefallen und hat begonnen, dem jungen Mann viele Fragen zu stellen.
Währenddessen hat Vincent mich aufgefordert, den Kofferraum unter die Lupe zu nehmen. Ich habe es getan, und nebenbei ist dem Fahrer die Farbe aus dem Gesicht gewichen, selbst die Haltung hat sich auf einmal verhärtet. Das hat die entscheidende Bestätigung eingeholt. Er hat also etwas zu verbergen gehabt. Mein Kollege hat die Fragen vertieft, ich habe den Kofferraum geöffnet und einen Blick riskiert. Der Anblick hat mich nicht überrascht. Das liegt höchstwahrscheinlich daran, dass ich so etwas gewohnt bin. Es kommt oft vor, dass ich auf solche Funde stoße.
Der junge Mann hat eine kleine Sammlung verschiedener Waffen im Kofferraum gelagert. Zum Privatgebrauch, hat er es beteuert, als Vincent zu mir getreten ist, und ich auf die Waffen gedeutet habe. Ich habe nichts Verbotenes vor. Sie dienen lediglich meiner Sammlung. Selbstverständlich haben wir ihm diese Worte nicht abgekauft. Ich habe Jenna den Fund mitgeteilt ebenso den Namen der Straße, bei welcher wir auf diese Sammlung gestoßen sind. Es hat nicht lange gedauert, und Blake und Gary sind aufgetaucht, haben den jungen Mann abgeführt. Dieser hat lauten Protest erhoben, sich zum Teil gewehrt. Meine Kollegen haben sich nicht beirren lassen. Haben den jungen Mann in den Streifenwagen gesteckt, haben mit uns ein knappes Wort gewechselt, ehe sie losgefahren sind. Vincent und ich haben die Ansammlung sorgfältig zum Revier transportiert. Die nachfolgende Untersuchung würden sich Gary und Blake vornehmen.
Späterhin ist nichts mehr passiert. Lediglich ein paar Routineuntersuchungen, Rundfahrten, Kontrollzüge. Wir haben den Großteil des Viertels genauer unter die Lupe genommen, aber es hat sich nicht sonderlich ausgezahlt. Bis auf den verdächtigen Waffenfund haben wir nichts weiter enthüllen können. Die Fahrten haben sich über einen dreieinhalbstündigen Zeitraum gestreckt. So viel Zeit hat es in Angriff genommen, um den Arbeitstag zum Ende zu führen. Ich habe keinerlei Langeweile empfunden, sogar die Müdigkeit ist aus meinen Knochen gewichen. Vincent ist es gleichfalls ergangen. Man hat ihm unübersehbar angesehen, dass der heutige Arbeitstag ihm eine gewisse Freude beschert hat.
Ich kann es nun nachvollziehen. Wir bekommen nicht oft die Möglichkeit, solche Tage zu erleben. Im Monat spielen sie sich elf- bis vierzehnmal ab. Für den einen oder anderen mag es sich viel anhören, aber im Vergleich zu dreißig oder einunddreißig Tagen, die die Monate uns zur Verfügung stellen, ist es recht wenig. Umso mehr erwarte ich solche Momente mit großer Vorfreude.
Der Arbeitstag hat das Ende eingeläutet. Pünktlich um siebzehn Uhr kann ich meine Sachen zusammensuchen und das Revier verlassen. Ich habe, bevor ich das Büro verlassen habe, noch einmal kontrolliert, ob sich alles am vorgesehenen Platz befindet. Die Bestätigung ist sicher, also habe ich es mit einem ruhigen Gewissen verlassen. Im Moment gehe ich mit einem entspannten Gefühl im Körper die leere Treppe herunter. Linse für einen Augenblick aus dem Fenster. Genieße kurz die Sonnenstrahlen, welche mein Gesicht kitzeln. Ich schließe ein wenig die Augen und setze ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Besser kann der Tag nicht enden, spreche ich in Gedanken und löse mich von dem Ausblick. Gehe weiter. Entspannt, ohne jeglichen Stress. Beschweren kann ich mich also nicht. Nicht, dass ich dies vorgehabt hätte.
Unten angekommen, öffne ich die Glastür und schlüpfe durch den schmalen Spalt, bevor die Tür in das Schloss fällt. Ich richte mich gerade auf, spiele flüchtig mit dem von Schweiß getränkten Shirt. Eines steht schon für mich fest; wenn ich mein Haus erreicht habe, werde ich, ohne groß Zeit zu verschwenden, die Sachen für den Aufenthalt im Gym heraussuchen und zusammenpacken. Ich habe keine Lust, dass meine Schwester anfängt, sich über mich und den Geruch zu beschweren.
Ich behalte das leichte Lächeln bei, auch dann, als ich das Foyer erreicht habe. Auch wenn es derweil nach fünf Uhr ist; hier kauern noch etliche Zivilisten. Entweder einzelne Personen, gelegentlich treffe ich Pärchen an. Sogar eine junge Familie hat einen Platz eingenommen. Ich wende den Blick zu Charly. Es befinden sich eine Handvoll Menschen bei ihm, alle scheinen ihn etwas fragen zu wollen. Der Mittvierziger bleibt entspannt und deutet immer wieder zu dem Gang hin, beantwortet somit die Fragen. Die meisten Fragensteller entfernen sich von ihm und gehen seinen Worten nach.
Ich hätte längst die Nerven verloren, denke ich, schreite zu dem Ausgang und trete nach draußen. Ein leises Zuschnappen der Tür, und ich stecke mitten in der abendlichen Wärme von Miamis Sommer. Dieses Mal weiß mein Körper mit den angenehmen Temperaturen umzugehen. Ich setze mich in Bewegung und suche den Weg zu dem Parkplatz auf. So viele Menschen auf einen Haufen; ich wäre überfordert. Selbst wenn zwei Zivilisten meinen müssen, mich mit schier tausenden Fragen überhäufen zu müssen; ich würde dicht machen. Ich kann mich immerhin nur auf eine Person konzentrieren.
Der Blick gleitet durch die Umgebung. Lauter Verkehr, fließende Bewegungen auf Gehweg und Asphalt. Und ich stecke mittendrin. Niemand gelangt zur Ruhe, niemand verbreitet Entspannung. Man wird förmlich mitgezogen. Ich weiß nicht, wie ich es schaffe, dennoch besonnen zu sein. Ich lasse mich nicht mitreißen. Ich bin ein bisschen von mir selbst überrascht.
Für eine kurze Weile hat mich jemand mit dem Ellenbogen angestoßen. Ich fahre etwas in mich zusammen und reiße den Blick über meine Schulter, um nachzusehen, wer mich angerempelt hat. Aber so schnell wie der plötzliche Stoß gekommen ist, ist der Verursacher in die Masse abgetaucht.
Ein Idiot, erhebe ich meine innere Stimme und merke, wie dieses Ereignis an der Laune kratzt. Anstelle ein bisschen aufzupassen, aber nein. Allem Anschein nach ist dies zu viel verlangt. Ich schüttele den Kopf und nehme den Weg erneut auf. Na ja, das spielt auch keine Rolle. Ich sollte mich nicht auf so etwas konzentrieren. Das stellt sich so oder so als Verschwendung heraus. Nur noch wenige Meter, und ich habe den Parkplatz erreicht. Ob Vincent schon bei seinem Wagen wartet? Bestimmt. Er hat schließlich nicht vor meinem Büro gewartet oder unten im Foyer. Er ist bestimmt nach draußen gegangen. Ich befördere eine Plastikflasche aus dem Weg, welche dank weiteren Passanten über dem Gehweg hüpft.
Ich presse die Tasche mehr an mich, nachdem ich um die Straßenecke gebogen bin und sich vor mir eine ruhigere und schmalere Straße erstreckt. Ein paar Laternen flackern unruhig umher oder haben ihren Dienst komplett aufgegeben. Ich schaue nach vorne und gleite Schritt für Schritt in die halbdunkle Straße. Wieder einmal bellt ein Hund, ein zweites Tier antwortet mit einem aggressiven Kläffen. Ich sehe mich um, schaffe es dennoch, das sichere Gefühl zu bewahren. Ich lasse mich nicht einschüchtern. An sich kann ich mich glücklich schätzen. Der Job hat mich über die Jahre hinweg abgehärtet. Ich bin mit meinen siebenundzwanzig Jahren gut am Start.
Sieben Jahre lang übe ich meinen Job aus. Während dieser Zeit habe ich eine Menge Veränderungen durchlebt. Gute, aber auch schlechte. Ich habe Ängste verloren und Erfahrungen gewonnen. Das Selbstbewusstsein ist stärker, die Schüchternheit schwächer. Das leichte Lächeln weicht zu einem schwachen Grinsen hinüber. Ich bin definitiv froh darüber, dass nach der schulischen Zeit diesen Weg eingeschlagen habe. Bisher habe ich ihn kein einziges Mal bereut.
Ich schaue in die Richtung, bei der ich meine, mein Fahrzeug geparkt zu haben. Wenn ich eine Sache nicht vergessen habe, dann ist es diese Straßenlampe gewesen, welche einen kleinen Knick aufgewiesen hat. Meine Beine tragen mich zu der dritten Parkreihe, genau die, bei welcher die Laternen stehen. Von den vier, die man hier errichtet hat, zittern zwei, und eine ist vollständig erloschen. Von meiner rechten Seite aus zerschneidet ein brummender Motor die Stille. Ich eile zu dem ersten Wagen, um nicht von dem Fahrzeug erfasst zu werden, was soeben den Parkplatz verlassen hat.
Nicht mehr lange, und ich kann endlich meinen ersehnten Ausgleich angehen. Ich gehe die Reihe entlang und achte darauf, kein Wagen zu streifen. Für zwei oder zweieinhalb Stunden. Hauptsache mehr Sport. Sport wird bei mir großgeschrieben. Eine schwache Brise tänzelt um mich herum. Ich koste sofort die Wirkung aus. Okay, jetzt muss ich schnell meinen Wagen suchen. Ach. Da. Wusste ich es doch. Die Lampe mit dem Knick. Ich habe sie gefunden. Ohne weitere Minuten zu verschwenden, steuere ich das Fahrzeug an.
„Ah, wie schön, dass du es auch pünktlich nach draußen geschafft hast", begrüßt Vincent mich, als ich mich zu der Fahrerseite bewegt habe. „Ich wollte gerade losfahren." Ich blinzele langsam und fokussiere meinen Kollegen, welcher sich an die Motorhaube des Audis gelehnt und eine Zigarette zwischen den Fingern hat. „Was hat denn noch so lange gedauert?" Er führt die Zigarette zu seinen Lippen und erlaubt sich einen kurzen Zug.
„Pünktlich, das bin ich in sehr seltenen Fällen", gebe ich ungerührt zurück und krame die Autoschlüssel aus der Tasche. „Ja, sorry dafür. Ich habe ein letztes Mal die Dokumente durchgesehen. Wollte mich vergewissern, dass ich auch alles für heute erledigt habe." Die Finger schließen sich um die Schlüssel. „Ich hab's auch. Morgen kann ich also in aller Ruhe die nächsten Dokumente annehmen und ausarbeiten." Ich spähe zu ihm. „Ich dachte, du rauchst nicht mehr? Wolltest du dieses Jahr nicht damit aufhören?"
Das sind zumindest seine Worte gewesen. Als einen Vorsatz hat Vincent das Rauchen eindämmen wollen. Eigentlich. Für mehr als vier Monate hat es ohne Probleme funktioniert, aber seit den letzten zwei Monaten ist sein Vorsatz ins Schwanken geraten. Es ist danach eine Frage der Zeit gewesen, wann der Blonde nach den Zigaretten zurückgreifen würde.
Der Dreißigjährige zuckt mit den Schultern und lässt den Zigarettenrauch vor sich durch die Luft segeln. Er lässt die Asche zu Boden rieseln und richtet den Blick zu mir.
„Tja, ich hab's wieder nicht vollständig durchziehen können", antwortet er resigniert und genehmigt sich den nächsten Zug. „Es war so oder so eine Frage der Zeit gewesen, wann ich das wieder tun würde. Und da ich zurzeit etwas ... Stress um die Ohren habe, bleibt mir nichts anderes übrig, als zu rauchen. Als kleiner Ausgleich."
Ich stoße einen kurzen Seufze aus und sperre meinen Wagen auf. Öffne die Tür und werfe die Tasche auf den Beifahrersitz. Steige ein und lasse mich im Anschluss auf den Sitz fallen. Ich schiebe den Schlüssel in das Schloss und sehe erneut zu Vincent. Er hat sich von der Motorhaube abgestoßen und die Zigarette zu Boden gefallen gelassen und sie ausgetreten.
„Ach, komm'. Ich habe es auch geschafft", meine ich und drehe den Schlüssel um. Mein Wagen erwacht zum Leben. „Ein Jahr rauchfrei macht sich bemerkbar." Ich erwidere Vincents Blick. Ruhig. „Probiere es einfach weiter."
Der Blonde sieht danach an mir vorbei, ehe er antwortet: „Das nächste Mal. Ich kann aber nichts versprechen." Schweigen. Ich fahre mit der Fingerspitze über das Lenkrad. An einigen Stellen ertaste ich abgenutzte Stellen. „Ich werde nachher zu dir kommen, wenn du damit einverstanden bist."
Ich nicke langsam.
„Das geht in Ordnung." Ich schiebe mich vollständig auf den Sitz und schließe die Tür. „Ich werde warten." Ein kleines Lächeln wagt sich auf die Lippen. „Bis nachher." Ich lege die Hände um das Steuerrad.
„Japp, bis später." Der Blonde sieht mir nach, als ich langsam aus der Parklücke fahre und die Straße ansteuere. Ich schaue ein letztes Mal in den Rückspiegel, bevor ich den halbdunklen Parkplatz verlasse. Vincent hat sich nicht von der Stelle gerührt. Ich richte den Fokus auf die Straße. „So, jetzt geht's erst einmal nach Hause und dann geht's los zum Gym. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich den halben Tag über darauf gefreut."
Ich schließe mich der stockenden Bewegung an, welche über die Hauptstraße donnert. Automatisch baue ich mehr Tempo auf und schalte das Radio an. Die Stille wird sekundenspäter aus dem Wagen katapultiert, und ich versinke in dem entspannten Track, welcher aus dem Radio schallt. Der recht langsam voranschreitende Verkehr schafft es nicht, meine Nerven zu strapazieren. Die Musik und die Vorfreude verhindern es.
Ich lehne mich zurück und stoppe hinter einem schwarzen Van, nachdem ich die Ampel erreicht habe. „Na ja, ich hoffe, dass ich in einer halben Stunde zu Hause bin", murmele ich und streiche über die rechte Hand. „Ein bisschen Pünktlichkeit würde mir nicht schaden."
Selbst wenn etwas länger dauert; ich weiß mich damit zu arrangieren. Außerdem kann ich zur Not Zoë kontaktieren, damit sie die Sportsachen für mich heraussucht. Aber jetzt muss ich nicht daran denken. Ich kann mich erst einmal in völliger Ruhe auf den stockenden Verkehr konzentrieren.
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Im nächsten Kapitel wird Schluss mit den "langweiligen" Kapiteln sein. Das ist versprochen. ^^
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