Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

C Z T E R D Z I E Ś C I T R Z Y

So schnell, wie der Tag begonnen hat, hat er die Mitte erreicht. Irgendwie seltsam. Ich habe nach wie vor das Gefühl, dass es erst neun Uhr ist. Gerade habe ich einen Blick auf die Uhr geworfen - es ist halb eins. Zeit, in die Mittagspause zu gehen. Selbst Jim hat es bemerkt, und wir sind auf dem Weg zum Diner. Die gesamte Fahrt über haben wir kein Wort gewechselt, nur der Künstlerin zugehört, die ihren Sommerhit zum dritten Mal singt. Ich habe vorhin den Sender verstellt, in der Hoffnung, auf keine Wiederholung zu treffen. Es hat nichts genützt. Entweder laufen die Nachrichten durch, es wird auf irgendwelche Produkte aufmerksam gemacht oder es werden die Lieder abgespielt, die sich mit der Zeit der Toleranzgrenze nähern.

„Mensch, diesen Scheiß kann man sich nicht mehr antun." Ich zucke ein wenig zusammen, als mein Kollege das Radio ausschaltet. „Jedes Mal dieser gleiche Mist. Ich kann jetzt schon jedes Lied nachsingen, so oft, wie ich die bisher gehört habe." Lautlosigkeit im Innenraum des Wagens. Draußen dröhnt der Verkehr, und die heiße Mittagssonne verbrennt die Straßen. „Ich bringe es nicht übers Herz, dass du so bedrückt aussiehst." Er lässt das Fahrzeug nach vorne rollen, als das Haltesignal auf Grün gesprungen ist. Wir kommen mäßig voran. „Wie schaffe ich es, dass du auf andere Gedanken kommst?"

Schon diese Frage genügt, um mich zu einem kleinen Lächeln zu veranlassen. Ich sehe zu ihm und erwidere seinen erwartungsvollen Blick. Dann nehme ich Notiz von der Haarsträhne, welche vor dem linken Auge baumelt. Ich schiebe sie hinter das Ohr und überlege. Ich zweifele nicht daran, er würde es schon schaffen. Gut möglich, dass ein Gespräch mir helfen wird.

„Mir reicht es schon, wenn wir miteinander reden", antworte ich wahrheitsgemäß und setze mich gerade auf. „Das würde mir viel nützen." Ehe wir die Kreuzung passieren können, verändert sich die grüne Farbe. Jim seufzt resigniert und hält an. „Wenn es darum geht, gleichst du dich mit Vince. Er regt sich nämlich ebenfalls darüber auf." Ein leises Gelächter entfährt mir, als der Sechsunddreißigjährige mir einen empörten Blick zuwirft. „Was ist? Sieh mich nicht so an. Das stimmt. Bloß ist Vincent ein Ticken extremer."

„Inwiefern?" Jim holt sein Handy hervor. Fährt mit einem Finger über das Display, ehe er es anschaltet. Ich sehe zu ihm, beobachte ihn dann, wie er bedächtig eine Nachricht tippt. „Kennst du das, wenn du gerade keine Lust zum Schreiben hast, aber du irgendetwas schreiben musst, damit der andere nicht mehr stört?"

„Sagen wir mal so; er wäre schon längst ausgeflippt." Ich schmunzele leicht. „Diese Momente sind mir durchaus vertraut. Den habe ich des Öfteren mit meiner Schwester. Manchmal muss ich aufpassen, dass ich nichts Patziges schreibe." Ich wende den Blick zu dem Außenspiegel, sehe den roten Wagen, welcher hinter uns steht, prüfend an. „Hat dein Bruder dir geschrieben?"

Der Sechsunddreißigjährige verneint meine Frage mit einem raschen Kopfschütteln, schiebt das Handy zurück in die Hosentasche.

„Nicht mein Bruder", antwortet er und umfasst das Lenkrad, bringt etwas Tempo auf, nachdem die Ampel zu Grün gewechselt ist, „sondern meine Frau." Ein mildes Lächeln ziert seine Lippen, als meine Miene sich vor Überraschung verzogen hat. „Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hättest du das nicht erwartet, was?" Die Wangen fangen an zu glühen, und Jim lacht kurz auf. „Gut, woher auch? Ich habe den Ehering nicht um." Er beäugt den rechten Ringfinger. „Bevor der ein zweites Mal verloren geht, lasse ich ihn lieber zu Hause." Wir überqueren die breite Kreuzung.

„Also, ich bin ganz ehrlich; jetzt hast du mich ziemlich überrascht", sage ich und streiche über mein linkes Handgelenk. „Gibt's noch ein paar Sachen, die du gerne erwähnen willst? Hm, wie zum Beispiel eigene Kinder? Das wär's nämlich noch." Ich stocke, anschließend unterbreche ich mich, als ich Jims amüsierten Blick wahrgenommen habe. „Das ist nicht dein Ernst. Sag' mir jetzt nicht, dass du auch noch Kinder hast." Er schweigt belustigt. Ich greife diese Reaktion als Bestätigung auf. „Als ob. Das ... Quatsch, das kann doch nicht sein."

„Als würde ich mir so etwas ausdenken", spricht mein Kollege, und der leichte Ton schwingt nach wie vor in seiner warmen Stimme mit. „Natürlich ist das mein Ernst. Zwei Kinder habe ich, wenn du es genauer willst, zwei bezaubernde Mädchen."

„Bestimmt kleine, oder? Sieben, acht Jahre alt?" Ich lasse den Kopf an die Scheibe sinken. „Solche kleinen Giftzwerge bestimmt."

„Die Älteste ist tatsächlich neun und die Jüngste ist sechs", erklärt er unbefangen. „Ja, okay. Giftzwerg trifft zu. Aber nur teilweise. Sie fangen erst an, anstrengend zu werden." Er vollführt ein Überholmanöver. „Vor allem die ältere der beiden. Meint, ständig widersprechen zu müssen und ihren Dickkopf überall durchsetzen zu müssen." Ein Seufzer flieht aus ihm. „Noch weiß ich, entspannt damit umzugehen. Aber wenn diese Phase weiterhin anhält, weiß ich nicht mehr wohin mit den Nerven."

„Tja, dann warte mal ab, wenn beide zwölf werden. Das Beste wird noch kommen." Ich lache los, und Jim starrt mich entgeistert an. „Guck' nicht so, du hast dich eben für diesen Weg entschieden."

„Ich bin mir dem bewusst. Aber na ja, noch sind die beiden nicht so alt. Ich kann bis dahin durchatmen."

„Ich wollte sagen. Genieße es." Ich lasse ein amüsiertes Räuspern fallen. „Aber das ist dennoch gut zu wissen. Das hätte ich nicht einmal gedacht. Du ist bisher der Erste, den ich kenne, der Kinder hat. Und dann davon noch zwei. Ist das nicht eine gewisse Belastung? Ich meine, wenn man von der Arbeit spricht."

Ich habe es endlich eingesehen. Das Reden lenkt mich tatsächlich von den Gedanken ab. Ich fokussiere mich nicht mehr allzu sehr auf Cessy - dementsprechend hat der rasende Puls eine Rast eingelegt, und die Gefühle stoben nicht mehr umher. Hier und da kann ich ein kurzes Aufblitzen von Anzeichen erkennen, aber sie beeinflussen mich nicht.

Tja, dank Jim. Er lenkt mich ab, und dieses Gespräch lockert zwischen uns die Stimmung. Ich verziehe die Lippen zu einem sanftmütigen Lächeln. Es bietet mir sogar die Chance an, mehr Dinge über ihn zu erfahren. Ich hätte nicht erwartet, dass der Tag diesen angenehmen Weg einschlagen mit - nicht nach der Sache mit Vincent. Ich kneife etwas die Augen zusammen, habe mich auf eine Reaktion des Herzens eingestellt. Nichts. Kein Stich, kein vermeintliches Zusammenziehen. Es nützt mir, das ist der logische Grund.

„Es geht", antwortet Jim, und ich sehe ihm an, dass er in seinen Gedanken herumwühlen muss. Erst tritt eine kurze Stille ein. Ich spiele währenddessen an dem Radio herum. Stelle einen anderen Sender ein. Einen lokalen. „Mittlerweile weiß ich, wie ich die Tage planen sollte, damit ich meine Frau nicht ständig mit den beiden allein lassen muss. Du musst nämlich wissen, dass auch sie eine Arbeit in Anspruch genommen hat - hm, und wenn beide Eltern arbeiten, ist das mit den eigenen Kindern eine spezielle Sache."

„Das kann ich mir gut vorstellen", meine ich und nehme die neue Straße mit meinen Augen auf. Wir sind in der angelangt, wo sich das Diner befindet. „Aber ihr schafft es dennoch?"

„Selbstverständlich. Warum auch nicht? Es ist alles eine Frage der Organisation. Okay, auch eine Frage der Arbeit, aber, nun ja. Du weißt, was ich damit sagen will."

Ich bejahe seine Aussage mit einem Nicken und bastele mir weitere Sätze zusammen. Für mich spielt es eine große Rolle, das Reden. Es befreit mich ein wenig, lockert mich etwas auf und schafft es, mich von den eigenen Gedanken und Vorstellungen wegzuleiten. Die innere Ruhe tastet sich nach und nach hervor und breitet sich mit Verzögerungen in mir aus.

„Darf ich erfahren, wie deine beiden Prinzessinnen heißen?" Ich drehe das schwarze Armband umher, welches sich eng um das Handgelenk liegt. Jim ist soeben dabei, nach einer freien Parklücke Ausschau zu halten. Verblüffung zeichnet meine Miene aus, als ich erkenne, dass er während der Suche entspannt bleibt. „Du überrascht mich schon wieder. Dass du bei der Suche locker bleibst. Vincent wäre schon längst hochgefahren."

Die vergangene Mittagspause mit dem Dreißigjährigen kommt mir wieder in den Sinn. Ich schnaube leise, belustigt wegen der Aufregung.

„Ich kann auf frühzeitige graue Haare verzichten. Daher versuche ich es so gut es geht, dem Stress aus dem Weg zu gehen", erläutert der Angesprochene und deutet ein Stückweit neben sich. „Siehst du? Einfach locker bleiben, und einem bleiben nicht einmal die kleinen Details erspart." Jim lenkt den Wagen zu der entdeckten Parklücke. Während der dieses Manöver vollbringt, teilt er seine Aufmerksamkeit mit der Straße. „Aber natürlich kannst du das." Er späht in den Außenspiegel, dann über die Schulter. „Meine jüngere Tochter heißt Jade, die ältere Amelie." Ein zufriedener Ton unterstreicht seine Stimme, nachdem er den Wagen in die Lücke gefahren hat. „Passt. Der Wagen steht, und niemand ist verletzt worden."

Ich lache kurz und werfe damit die letzten Anspannungen von mir.

„Was für eine Glanzleistung", gebe ich von mir, stimme einen aufgeheiterten Ton an. Mein Kollege bringt den Motor zum Verstummen, und wir beide steigen aus dem Fahrzeug. Anscheinend hat mein Körper sich zu sehr an die kühlen Temperaturen gewöhnt, die im Innenraum geherrscht haben. In der Stadt sieht es wieder einmal völlig anders aus. Die heiße Mittagsonne strahlt unachtsam herab, und ich habe das Gefühl, dass sie meine Haut versengt. Nur ein paar Sekunden verstreichen, und Schweißperlen haften auf der Stirn. Ich verenge die Augen und begebe mich zu dem breiten Bürgersteig. „Warum muss das denn wieder so dermaßen heiß sein? Es ist kein Wunder mehr, wenn ich binnen weniger Minuten bewusstlos umkippe." Mit dem Handrücken entferne ich die salzigen Wasserperlen.

„Bloß nicht. Ich werde darauf achten, dass dies nicht passieren wird." Jim schließt zu mir auf, und wir schlagen den Weg zu dem Diner ein. „Darauf kann ich gut und gerne verzichten." Er fährt sich mit der rechten Hand durch die dunklen Haare. „Aber du hast recht. Auf Dauer wird die Hitze unerträglich." Ein Seufzer rollt von seinen Lippen. „Ich hoffe doch sehr, dass es im Diner deutlich angenehmer ist."

„Ich ... muss mir aber keine Gedanken um deine Erkrankung machen, oder?" Ich schaue ihn an. „Entschuldige, falls ich zu plötzlich damit hereingebrochen bin, aber mir ist deine Erkrankung durch den Kopf gegangen."

Der Sechsunddreißigjährige erwidert meinen Blick flüchtig.

„Ach, schon gut", wehrt er ab und weicht einer älteren Dame aus, die viele Tüten mit sich schleppt. „Ich kann dich beruhigen. Ab und zu klopft das Herz schneller als gewohnt. Solange ich es nicht übertreibe, spielt sich alles im grünen Bereich ab."

Die Besorgnis wächst an. Seine Antwort hat mich nicht von ihr entfernt.

„So gut ist es auch wieder nicht", lege ich den Widerspruch ein und trete zu dem Eingang. Der süßliche Geruch nach Gebäck und Kuchen beflügelt meine Sinne. „Angenommen, wir kriegen die Meldung durchgefunkt, dass wir jemanden verfolgen sollen. Dann kann aus dem leichten Klopfen ganz schnell Herzrasen werden, und du würdest nach ein paar Minuten vor Erschöpfung umkippen." Ich betrete das Diner und muss zu meiner Enttäuschung feststellen, dass die aufgewühlte Luft deutlich dicker ist. Ich wage zu behaupten, dass man sie problemlos zerschneiden kann. Die Schweißtropfen vermehren sich rapide, als ich mich einem freien Tisch nähere. Gelegentlich ernte ich einen oberflächlichen Blick von den Gästen. Große Kinderaugen sehen mir nach. Überall klappert Geschirr, Gläser stoßen aneinander. Ein Geflecht aus Gesprächen hat sich ausgebildet, und vereinzelt dringt eine hohe Kinderstimme aus dem Gemurmel.

„Das ... wird nicht passieren." Der Sechsunddreißigjährige nimmt gegenüber von mir Platz. Ich lege das Handy auf den weißen Tisch und fahre mit der Fingerkuppe über eine Einkerbung. Schnipse nun einige Krümel weg.

„Sag' so etwas nicht. Gerade dann wird es geschehen." Ich stemme die Arme auf die Oberfläche und halte den Rücken durchgedrückt.

„Ach, Val. Mach' dir doch darum bitte keinen Kopf." Jim lächelt mich etwas an. Ich tue mich schwer, darauf einzugehen. „Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, wie ich mit der Krankheit umzugehen habe. Ich weiß, wie ich mich mit dem Herzrasen auseinanderzusetzen habe. Wie damals werde ich es nicht machen, also es immer wieder an die Grenzen treiben." Er lässt den Blick über den Tisch schweifen, betrachtet den Serviettenhalter und die Karten mit den abgewetzten Stellen.

„Das sagt sich leicht", gebe ich von mir und tippe auf mein Handy, um mir die Uhrzeit anzeigen zu lassen.

„Dem bin ich mir bewusst." Er zupft an seinem dunklen Shirt herum. „Wie sieht es eigentlich bei dir aus? Was gibt's da Interessantes zu berichten?"

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und sehe ihn an. Verständnislosigkeit überschattet das Gesicht.

„Wie? Was? Jetzt komme ich nicht nach." Ich lasse mich zurück in den Stuhl fallen. „Was soll ich schon Interessantes von mir geben? Da gibt's nichts Spannendes oder so."

„Das Gleiche hätte ich vorhin auch sagen können." Jim kreuzt die dünnen Arme vor der Brust. Ich verdrehe die Augen, und entlocke meinem Kollegen ein unscheinbares Grinsen. „Also? Ich höre?"

Ich lasse einen Laut erklingen, gebe mich nach wenigen Sekunden geschlagen. Ich rede mir immer wieder ein, dass eine Kommunikation mich ablenken wird. Die Auflockerung aufrechterhält. Das Durchatmen erleichtert.

„Ja. Was willst du denn wissen? Aber fang' jetzt bitte nicht an, so zu reden, als säßen wir in einem Selbsthilfegruppenkreis." Ich lasse den Blick durch das Lokal schweifen. Keine der Kellnerinnen hat Notiz von uns genommen. „Von wegen so; stell' dich vor, Interessen, deine Probleme. Bei dem Scheiß mache ich nämlich nicht mit."

Jim blinzelt langsam, jetzt erst realisierend, was ich von mir gegeben habe. Er kneift kurz die Augen zusammen, bevor er erwidert: „Da du jetzt meinen Stand kennst, will ich gerne deinen erfahren." Ein Seufzer verlässt ihn, als er meinen verständnislosen Blick aufgefangen hat, er ergänzt: „Beziehungstechnisch. Das habe ich gemeint."

„Mensch, dann sage das doch gleich und fang' nicht an, in irgendwelchen Rätseln zu sprechen." Sogleich schalte ich einen Gang zurück. Werde mir einer Sache bewusst. Würde ich ihm meine aktuelle Lage verraten, würde ich gleichzeitig meine Orientierung preisgeben. Ich begebe mich auf ein Gelände, welches mit einigen Risiken bespickt ist. Ich muss mich also mit höchster Vorsicht vorantasten. Ich schöpfe eine Lüge, zögere außerdem nicht, diese anzuwenden. Mein Gewissen spielt dieses Mal mit mir. „Viel gibt's darüber nichts zu berichten. Ich habe keine Kinder und werde mir keine anschaffen. Wie auch, wenn der Partner fehlt?" Innerlich stoße ich auf Widerstand. „Seit ein paar Jährchen ziehe ich allein durch die Welt."

Nicht, dass er anfängt, nachzuhaken, rede ich stumm und mustere Jim, welcher an seinem Handy hängt und einige Nachrichten verschickt. Ich meine, wenn ich ihn mir so ansehe, würde ich nicht davon ausgehen, dass er irgendeine Art der Ablehnung pflegt. Aber gut, viele homophobe Menschen verbreiten nie diesen Anschein. Ich muss auf einem willkürlichen Weg herausfinden, wie seine Haltung ist. Und ich weiß auch schon, wie ich das anstellen werde.

„Ach, Kinder sind etwas Schönes", behauptet mein Kollege und lässt das Gerät sinken. „Wenn man weiß, wie man mit ihnen umzugehen hat und sich nicht alles gefallen lässt." Er lächelt los. „Meine beiden Prinzessinnen sind zwar ab und zu kleine Biester, aber dennoch sind sie wunderbar." Er gähnt leise. „Der passende Mann fehlt also, soso."

Eine Bemerkung, die mir einen unsanften Schauder beschert. Fast hätte ich eine Korrektur angesetzt, hätte ich mich nicht rechtzeitig zur Vernunft gerufen. Jim ist nicht Vincent, daher kann ich nicht meine wahre Gestalt offenbaren. Ich muss mir die Risiken vor Augen halten.

„Ja ...", gebe ich gedehnt zurück und stütze den Kopf an der linken Hand ab. „So kann man es sagen." Ich enthalte mich für einen Augenblick meiner Stimme, als eine junge, dunkelhäutige Kellnerin erschienen ist. Ihre schwarzen Rastalocken hat sie zu einem dicken Zopf zusammengeknotet. Auf der weißen Schürze prangen Kaffeeflecke. Sie schenkt uns ein freundliches Lächeln und holt ihren kleinen Block aus der Schürzentasche und zückt einen Kugelschreiber hervor, den sie sich hinter das rechte Ohr geklemmt hat.

Jim und ich geben unsere Bestellungen auf. Das Übliche für mich. Jim dieses Mal mit einem weiteren Gericht. Ich habe lachen müssen, als die Kellnerin ihn erstaunt angesehen hat. Der Sechsunddreißigjährige ist entspannt geblieben und hat als Grund seinen Hunger genannt. Die junge Frau hat langsam genickt, die ganzen Gerichte aufgeschrieben und sich von uns entfernt. Mir ist aufgefallen, dass sie sich ein wenig unsicher bewegt.

„Dass diese Reaktion kommen muss ... Ich habe mich im Voraus darauf eingestellt", spricht Jim und grinst. „Drei Gerichte für mich. Mittag für eine ganze Familie." Er entlockt mir ein Schmunzeln. „Aber wer eine bescheiden schöne Krankheit hat, darf sich die gefühlt sechstausend Kalorien erlauben. Mal hoffen, dass ich morgen mehr Gewicht habe." Jim klopft sich auf den Bauch. „Der Spargel braucht 'ne ordentliche Zufuhr."

„Du bist wirklich unglaublich." Ich räuspere mich belustigt, fasse seinen letzten Satz erneut auf, ehe ich hinzufüge: „Du bist kein Spargel. Jedenfalls nicht allzu sehr." Ich breche in Gelächter aus, als Jim mich resigniert ansieht. „Okay, okay. Vergiss das. Du siehst aus, als seist du magersüchtig."

„Ich wollte gerade sagen. Diese Bezeichnung passt viel eher zu mir."

Ich schätze, jetzt ist der passende Moment eingetreten. Langsam wage ich mich an die Sache heran.

„Kann ich dich etwas von meiner Schwester fragen?" Ich verschränke meine Finger ineinander. Die Nägel bohren sich leicht in die Haut des Handrückens.

Der Sechsunddreißigjährige stimmt einen verwirrten Ton an: „Ähm, natürlich. Um was geht es denn? Und warum sollst du etwas von ihr ausrichten?"

Glücklicherweise habe ich solch eine Frage erwartet. Die nötige Antwort habe ich mir angefertigt.

„Zoë, so heißt sie, falls du es noch nicht weißt, soll für ihren Kurs eine Umfrage durchführen. Frag' mich bitte nicht, worum es in dieser Umfrage geht, ich habe ab diesem Punkt nicht mehr zugehört. Und sie hat die Aufgabe bekommen, eine Umfrage bezüglich gleichgeschlechtlicher Liebe durchzuführen. Das heißt im Klartext: Wie steht man zu diesem Thema? Welche Orientierung hat man selbst? So etwas eben." Ich schöpfe einen Atemzug, bevor ich fortfahre: „Da sie ihre Kursleute nicht befragen kann und ihr wenige Personen einfallen, hat sie mich gefragt, ob ich meine Kollegen fragen könnte. Ich habe bejaht, und deswegen stelle ich meinen Kollegen solche Fragen." Noch wirkt Jim neutral. „Darf ich sie dir auch stellen?"

Habe ich es mir gerade eingebildet oder hat er tatsächlich seine Miene verzogen?

Er übt ein Schulterzucken aus, aber ich höre, dass der Ton in der Stimme sich einer Veränderung unterzogen hat. Die Leichtigkeit ist aus ihr gewichen.

„Wenn es relevant für ihre Examen ist, dann gern. Also, was willst du von mir wissen?" Seine Haltung hat sich etwas angespannt. Ich schlucke kaum hörbar. Der Verdacht klart sich nach und nach.

„Wie stehst du dazu? Akzeptanz, Widerwillen oder vollkommene Ablehnung. Dann aber mit angeführter Begründung." Die Nervosität kriecht in mir empor, und ich habe Mühe, mich an die Ruhe zu klammern.

Der Sechsunddreißigjährige fällt in das Schweigen und senkt den Blick. Ich nehme es als eine ungute Reaktion auf.

„Wenn ich dir meine Antwort gebe, wirst du mich bestimmt für ein intolerantes Arschloch halten", spricht er die Behauptung aus. „Daher will ich dir ungerne antworten."

Der Verdacht hat sich in diesem Moment die Bestätigung eingeholt. Jim betrachtet dieses Thema mit Ablehnung. Es verletzt mich, das steht außer Frage. Aber was soll ich machen? Ihn anfahren, weil er intolerant ist? Das werde ich gewiss nicht tun. Es ist seine Entscheidung, ich will es niemandem rechtmachen. Das wäre albern und unvernünftig.

„Nein, sag' mir bitte deine ehrliche Meinung", fordere ich ihn auf. „Ich akzeptiere persönlich jede Haltung. Auch die von einem extremen Homophoben. Ich bin kein Mensch, der dich deswegen verurteilt."

Mein Kollege schaut mich an.

„Tust du das wirklich?" Ich nicke. „Na gut, wenn das so ist, wirst du jetzt meine ehrliche Meinung hören." Der Widerwillen dominiert den Ton. „Ich toleriere es nicht. Wirklich nicht. Kein Stück. Für mich ist es ein Unding der Menschheit. Es ist nicht normal, und ich persönlich finde es katastrophal, dass man gleichgeschlechtliche Ehen gesetzlich erlaubt." Er spuckt die Worte förmlich aus. „Ekelhaft. Mehr kann ich dazu nicht sagen." Stille. „Mann und Frau sind füreinander geschaffen und nicht anders. So will es die Evolution, und so sieht sie es vor. Alles andere ist nicht normal." Jim mustert mich. „Ich will nicht mit Gott und die Bibel ankommen, das ist nun wirklich der größte Quatsch, wenn man hiervon spricht und seine Haltung mit willkürlichen Thesen belegen will. Die Begründung für meine totale Ablehnung ist, dass das nicht mit der menschlichen Evolution kompatibel ist. Es liegt nicht in der menschlichen Natur, homosexuell zu sein."

Es hat mir die Sprache verschlagen. Ich bin nicht in der Lage, darauf einzugehen. Laut Jims Worten bin ich also unnormal. Eine Abweichung der menschlichen Evolution. Ich drücke die Lippen fest aufeinander und bleibe weiterhin wortlos. Das Schweigen breitet sich zwischen uns aus. Selbst Jim scheinen die Worte ausgegangen zu sein.

Das bedeutet, dass ich mich ihm gegenüber enthalten werde, was meine Orientierung betrifft. Die dunkelhäutige Kellnerin ist zu uns gekommen. Auf ihren Armen balanciert sie die Bestellungen. Erst platziert die junge Frau die Bestellung von Jim auf den Tisch, dann meine. Sie sagt, dass sie die Getränke holen wird. Dann macht sie auf dem Absatz kehrt und entfernt sich von uns. Damit hätte ich nicht gerechnet. Vincent ist die toleranteste Person, die ich kenne und dann kommt Jim, der das krasse Gegenteil ist. Ich greife nach dem Besteck. Ich darf mir keineswegs etwas anmerken lassen. Nicht, dass Jim hinter meine Fassade sieht.

„Lass' es dir schmecken, Val", erhebt er seine Stimme und reißt mich aus den Gedanken. Ich fahre in mich zusammen. Jetzt spielt er sich auf, als sei nichts weiter vorgefallen. Als hätten seine Worte mich nicht angegriffen und verletzt.

Ich sehe ihn an, murmele mit einem forcierten Lächeln: „Du dir auch. Gönn' es dir." Dann segelt der Blick auf mein Tablett und ich beginne mit dem Mittagessen.

„Das werde ich. Die Gerichte sehen außerordentlich appetitlich aus." Er zieht den Teller mit den Nudeln zu sich.

Mir ist irgendwie der Appetit vergangen. Die Antwort hat mir das Hungergefühl genommen. Ich muss die Happen herunterwürgen. Ich darf daraus keine großen Sachen machen. Ich könnte es so oder so nicht ändern. Diese Haltung ist sicherlich fest in Jim verankert. Wie sollte ich diesen Anker anpacken? Ich wäre viel zu schwach und machtlos. Ich kaue bedächtig auf dem Stück Fleisch herum. Na ja, dann ist es eben so. Ich muss es leider akzeptieren.

Auch wenn ich von heute an Jim mit gemischten Gefühlen gegenüberstehe, wenn wir während der Arbeit etwas miteinander zu tun haben.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro