Vier
Wenn Delilah nicht ihre Würde behalten hätte wollen, wäre sie am liebsten hoch gerannt und hätte Sin mit dem Verbandszeug erwürgt.
Ihre Wut entging auch Leilani nicht. Die alte Dame war bis jetzt die einzige Person auf diesem Schiff, die sie nicht am liebsten über Board werfen würde.
"Sich darüber zu ärgern ist auch keine Lösung. Sieh lieber zu, dass wir hier fertig werden. Denn umso schneller kannst du da wieder raufgehen und unseren Käpt'n mit bösen Blicken strafen."
Dieser Logik widersprach Delilah nicht und sie reichte der Schiffsärztin alles, was sie brauchte.
"Weißt du, ich verstehe es nur nicht. Noch nie hat mich ein Kerl im Nahkampf besiegt. Seit ich fünfzehn war! Und dann taucht dieser verdammte..."
Leilanis Lachen unterbrach sie.
"Glaub mir, so kommst du nicht weiter. Wenn du von Sinbad etwas willst, dann wickle ihn um den Finger."
"Soll ich mich jetzt an ihn ranmachen, oder was!?"
"Ach, Unsinn! Sin ist ein guter Kämpfer, aber eher der Typ für Geschäfte. Unser Käpt'n ist nicht auf den Kopf gefallen, merk dir das. Zeig ihm, dass du auch auf hoher See zu etwas gut bist. Arbeite dich von der Gefangenen zur Geschäftspartnerin hoch."
So sehr Delilah es hasste, dass die Schiffsärztin recht hatte, sie musste es versuchen. Bis St. Muerde würde es über einen Monat dauern und wenn sie nicht bis dahin völlig mittellos wie eine Sklavin schuften wollte, musste sie etwas unternehmen.
Wenn sie es schaffte, Sins Vertrauen zu gewinnen, würde sie vielleicht auch mehr auf der Silbertiefe herumschnüffeln und herausfinden können, wo sie Waffe und Vorräte lagerten.
Dann nur noch eins der Rettungsboote und sie wäre wieder frei. Mit Waffen würde ihr eine Flucht nicht schwer fallen.
"Danke, Doktor.", sagte sie grinsend und lief aus der schmalen Krankenkabine rauf auf Deck.
Dort war die übliche Seemannsarbeit in vollem Gange. Delilah sah sich um entdeckte Sin schließlich beim Steuermann.
Sie rannte das hölzerne Treppengeländer nach oben und verschränkte demonstrativ die Arme. Sin schien sie anfangs gar nicht wahr zu nehmen, oder tat einfach so, bis er dann doch seinen Blick zu ihr wandte.
"Was willst du hier?"
"Anständige Arbeit. Ich bin zu mehr gut, als nur Verbände anzulegen. Glaub ja nicht, mich zurückhalten zu müssen, weil ich eine Frau bin."
Er grinste leicht.
"Auf den Gedanken wäre ich gar nicht erst gekommen. Dann mach dich nützlich und geh mit uns die Vorräte auffrischen. In einer halben Stunde erreichen wir eine Insel mit Süßwasserquelle und einer Menge Obstbäumen."
Sie biss die Zähne zusammen bei seinem Befehlston und unterdrückte den Drang, ihm eine zu scheuern. Geduldig wartete sie, bis die kleine Insel in Sicht kam und sie mit Sin und drei anderen Männern in einem Beiboot saß.
Zwei ruderten von ihnen ruderten, während Sin sich leise mit einem unterhielt. Er war etwas älter und hatte bunte Perlen in die etwas zu langen Haare geflochten.
Delilah beugte sich leicht vor. Der Mann mit den Perlen sagte etwas von einem Zauber und einer Insel, aber mehr hörte sie nicht heraus.
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Abergläubischer Idiot.
Die Insel war nicht einmal besonders groß. Innerhalb einer Stunde konnte man sie umrunden anhand der wenigen Pflanzen bezweifelte Delilah, dass es hier Süßwasser gab. Und hatte Sin nicht eigentlich von vielen Obstbäumen gesprochen?
"Hast du dich vielleicht in der Himmelsrichtung geirrt?", fragte sie spöttisch.
Plötzlich fingen die Männer an zu lachen.
"Sie ist wirklich süß, Sin. Zumal sie mir ja vorhin im Boot nicht geglaubt hat, als sie uns belauscht hat."
Sie verkrampfte ihre Hände zu Fäusten. Listigkeit vor Gewalt! Sie zwang sich zu einem falschen Lächeln.
"Würden die Herren mir das erklären, bevor jemand auf dieser Insel sein Seemannsgrab findet!?", säuselte sie mit süßer Stimme.
Das Lachen des Alten und der beiden Matrosen verklang, nur Sin grinste weiter vor sich hin. Er ging zur ihr, stellte sich hinter sie und legte ihr beide Hände auf die Schultern. Ja, er wollte sie eindeutig provozieren.
"Sie mal hinter die wenigen Bäume.", raunte er viel zu dicht an ihrem Ohr, was ihr einen ungewollten Schauer über den Rücken jagte.
Sie widerstand dem Drang, ihm eine zu knallen und folgte seinen Worten.
"Und was soll da sein?", brummte sie.
"Konzentrier dich! Versuch, nicht immer nur an das Offensichtliche zu denken. Denk daran, was sein könnte... wie zum Beispiel... Obstbäume?"
Obwohl sie es für absolut lächerlich hielt, tat sie ihm den Gefallen. Sie blinzelte einige Male und stellte sich Kokos- und Bananenpalmen vor.
Sie wollte es nicht glauben, aber tatsächlich tauchten nach und nach die Bäume auf.
"Was zum..."
Sie taumelte einige Schritte zurück und Sin hielt sie lachend fest.
"Glaubst du uns jetzt?"
Sie machte sich los und schnappte sich einen Korb, um die Vorräte zu holen.
"Verdammt!", fluchte sie.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro