Fünf
Auf dem Weg zurück zur Silbertiefe bemerkte Sin, wie gierig Delilah die Obstkörbe ansah. Hin und wieder knurrte ihr Bauch laut hörbar. Sie musste großen Hunger haben.
Er wusste, dass sie sich sowieso früher oder später etwas geklaut hätte und da sie als einzige die Karte im Kopf hatte, konnte er sie schlecht verhungern lassen. Also hielt er ihr nach dem Verladen auf dem Schiff eine Banane hin.
"Du hast Hunger. Nimm ruhig."
Sie sah ihn misstrauisch an, als hätte er sie vergiftet.
"Nur eine? Das ist aber geizig.", sagte sie betont locker und nahm sie schließlich doch zögerlich entgegen.
Sin grinste. "Wohl eher nicht, wenn man bedenkt, dass du drei weitere in den Taschen stecken hast."
Er konnte kaum glauben, dass sie zurück grinste. "Was erwartest du von einer Diebin?"
"Was soll das!?", unterbrach sie eine aufgebrachte Stimme.
Jamaal stampfte wütend auf sie zu und ihm folgte fast die ganze Crew.
"Warum gibst du ihr etwas vor uns von unseren Vorräten!? Dieses dreckige Diebesmiststück hat weder unseren Schutz, noch unsere Hilfe verdient!"
Sin kniff die Augen zusammen.
"Sie hat mit uns einen Deal und solange ist sie ein Teil der Crew.", stellte er fest.
Jamaal wollte Delilah packen und auch wenn diese sich sicher zu wehren wusste, hielt er ihn fest.
"Auf wessen Seite stehst du eigentlich, Käpt'n!?", fauchte Jamaal.
Sin antwortete nicht. Seine Crew strafte ihn mit wütenden Blicken, die ihn schlimmer trafen als Messerstiche. Aber nur so konnte er seine Leute beschützen.
Er wollte sich zu Delilah umdrehen, aber sie drängte sich an ihm vorbei.
"Ich brauch niemanden, der meine Kämpfe für mich austrägt.", murmelte sie und in ihrer Stimme lag so viel Bitterkeit, dass es ihn beinahe so sehr wie die Laune seiner Crew traf.
°*°
Sin nahm sich fest vor, nur nach an seine Crew zu denken. Niemand, nicht mal diese Delilah, nein, vor allem nicht Delilah dürfte ihn weich werden lassen. Sein Ziel war einfach.
Seine Crew hatte jahrelang alles für ihn riskiert, nur um das Geld zu verdienen, dass sie zum Überleben brauchten. Wahrscheinlich waren er und sein Erster Steuermann Malik die einzigen von ihnen, die wirklich für eine Leidenschaft für das Piratenleben hatten.
Er sah zu dem Alten hinüber und dachte zurück. Malik war seit er denken konnte, Erster Steuermann auf der Silbertiefe gewesen. Er hatte Sin damals als ausgehungerten Jungen in den Straßen gefunden und ihn mit auf das Schiff genommen, damit die Crew einen neuen Matrosen und Sin ein Zuhause hatte.
Aber der damalige Käpt'n hatte sie nach einem Überfall auf die englische Marine verändert und wurde zur Gefahr für die ganze Crew. Sin war bereits ein junger Mann und tat das Einzige, was man auf der Silbertiefe akzeptierte, wenn es um einen neuen Käpt'n ging.
Man forderte den derzeitigen Käpt'n zum Duell heraus.
Sin gewann gerade so und hatte seitdem das Kommando. Er beklagte sich nicht, eher genoss er es. Und seine Männer hatten ihn bis jetzt auch immer respektiert. Er konnte Delilah nicht wie eine von ihnen behandeln.
Aber er konnte sie auch nicht wie Dreck behandeln. Er war zwar kein Pirat, aber Piraten waren nicht nur ungerechte Barbaren. Wenn man bestohlen wurde, musste man einfach von anderen stehlen, um zu überleben.
Nach dieser Philosophie lebte Sin seit über zwanzig Jahren und er stand auf den Beinen.
Verstohlen blickte er zu Delilah, die an der Reling lehnte und so tat, als würde sie die giftigen Sprüche der Crew nicht bemerken. Seufzend ging er zu ihr. So konnte das nicht weitergehen.
Als sie ihn sah, wollte sie ihn wohl mit ihrem Blick töten. Er blieb ruhig.
"Du wolltest dich doch nützlich machen. Warum stehst du hier so rum?"
"Weil deine Jungs mir der ersten Gelegenheit in einer dunklen Ecke einen Dolch in den Rücken rammen und über Board werfen würden!", fauchte sie.
Er grinste überlegen. "Gerade eben hast du noch behauptet, du würdest ganz gut auf dich selbst aufpassen können. Also los, schnapp dir einen Eimer und schrubb mit Nev und Cem das Deck. Und zwar jetzt!"
Er redete laut genug, damit die Crew ihn hören konnte. Auch Delilah entging das nicht.
"Willst du jetzt den Trottel auf dem hohen Ross raushängen lassen oder was?", zischte sie.
Sein Grinsen blieb. "Wir hatten eine Wette, schon vergessen? An die Arbeit, Matrose!", flüsterte er.
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