28. Kapitel - Ein wenig Smalltalk?
Phils Sicht:
Nach dem Ausruf meines Vaters kehrte Ruhe ein. Eine Ruhe, die mich zu erdrücken versuchte, denn sofort landeten die Blicke von Remus und Elizabeth auf mir.
»Dein Ernst?«, musste mich Elizabeth fragen, die ihren Zauberstab immer noch gegen meinen Vater richtete, der indessen grinste. Das Problem war nur, dass sie nichts gegen ihn ausrichten könnte, Remus ebenso wenig ohne seinen Stab.
Und ich?
Nun, vor Vollmond wäre ich zwar wütend genug, meinen Vater anzugreifen, doch zu schwach. Generell war ich zu schwach; mein Vater hatte die letzten Jahre das Zaubern ohne Stab perfektioniert, zusätzlich hatte er mehr Kampferfahrung als wir.
Drei junge Erwachsene werden Ethan J. Aquila nicht besiegen können, ging es mir durch den Kopf, denn das sagte auch das Grinsen meines Vaters aus.
Ich konnte es nicht länger ansehen; immer noch sah ich die letzte Begegnung mit meinem Vater vor meinen Augen. Wie er Alice verletzt hatte, Muggels umgebracht hatte. Jetzt stand er hier, tat so, als wäre solcherlei nie vorgefallen.
Wirklich, würde ich meinen Vater nicht kennen, würde ich glauben, er hätte zwei Persönlichkeiten. Ja, selbst jetzt war er überaus von sich selbst überzeugt, aber wie er lässig in meinem Wohnzimmer stand, wirkte er nicht wie ein gesuchter Verbrecher. Er wirkte wie der Vater, über den man sich einfach nicht freute, wenn er einen besuchte.
»Du solltest deiner Freundin antworten, Phil«, holte mich seine Stimme in die Gegenwart zurück. Mein Vater hatte sofort erkannt, dass ich in Gedanken versunken gewesen war. Leider.
Als ich ihm einen dunklen Blick schenkte, zuckte er langsam mit seinen Schultern. Sein Grinsen wurde ekelhafter Natur und er schien all das hier als ein blödsinniges Spiel zu betrachten. Er wusste, dass er uns in eine Ecke getrieben hatte, und obwohl ich nicht glaubte, dass er uns töten würde, fielen mir sofort zwei andere Handlungen ein, die nichts mit Tod zu tun hätten.
Würde mein Vater nicht das bekommen, wofür er hergekommen war, würde Elizabeth erfahren, was es bedeutete, ein Werwolf zu werden - so hatte ich seine vorherigen Worte verstanden, als er mit meiner besten Freundin gesprochen hatte. Die zweite Möglichkeit wäre, dass er mich entführte.
Da ich mich dafür hasste, den Kopf meines Vaters ein wenig zu verstehen, schüttelte ich meinen Kopf. Mein Blick wanderte über meine linke Schulter zu Elizabeth, die mich so ansah, als wäre ich irre.
»Was willst du sonst machen? Kämpfen?«, fragte ich müde, »Das kann ich nicht zulassen...«
»Warum?«
»Weil du, ihr, mir zu wichtig seid«, antwortete ich, »Er wird sowieso das bekommen, wofür er hergekommen ist. Die Frage ist nur, ob er auf dem Weg zum Ziel euch etwas antut. Zwar ist es nicht seine Intention, weil ich mich sonst weigern würde, mit ihm zu reden, aber wenn es nicht anders geht, dann...«
Ich konnte nicht weitersprechen, wollte nicht daran denken, wie sehr es mich zerstören würde, sollte Elizabeth und Remus etwas passieren.
Es wäre ein Verlust, von dem ich mich nicht erholen könnte...
»Ich habe immer noch einen Namen, Phil«, tadelte mein Vater ein wenig genervt, doch dann stimmte er mir zu: »Aber du hast recht. Deine Freunde sind nicht der Grund, warum ich hier bin. Auch mag ich sie irgendwie.«
Ich wandte mich wieder meinen Vater zu, der seufzte, anschließend an Elizabeth und Remus sagte: »Mein Wort bedeutet für euch zwar nichts-«
»Ja, es bedeutet nichts«, unterbrach Remus.
»Stimmt«, bestätigte auch Elizabeth.
»-aber ich kann sagen, dass dieses Gespräch nicht lange dauern wird. Nur hier in diesem großen Beton-Käfig zu stehen, lässt mich schwer atmen. Wirklich, wie ihr Menschen in einer Wohnung in der Stadt leben könnt, will ich nicht verstehen«, mein Vater verzog angewidert sein Gesicht, musterte das Wohnzimmer, bis er wieder uns ansah, »Also? Ich sag's nur mehr einmal, geht in den Flur, oder es wird genau das passieren, was Phil sich gedacht hat. Zwei Alternativen, liebe Tochter, die mich trotzdem beide an mein Ziel führen werden.«
Ich verengte meine Augen zu Schlitzen. Natürlich konnte mein Vater keine Gedanken lesen - ich hatte nur seine Worte analysiert -, aber es erschreckte mich, dass er mir meine Gedanken vom Gesicht abgelesen hatte.
Als der Mann mit den roten Haaren meinen Blick bemerkte, grinste er wieder. Mein Vater hatte seine Finger hinter seinem Rücken verschränkt, während er rechts neben dem dunklen Esstisch bei meiner Zimmertür stand. Ethan J. Aquila war ein großer Mann, wenn er auch nicht aufgrund seiner Statur einschüchternd erschien; es war seine Ausstrahlung, wie seine Augen einen verfolgten, einem langsam die Haut vom Körper abzogen, um deine tiefsten Geheimnisse zu offenbaren.
Kurz tauchte in meinem Inneren das Verlangen auf, ähnliche Gefühle in meinem Vater auszulösen, die er in mir auslöste, um ihm zu zeigen, wie beschissen es sich anfühlte, doch dann erinnerte ich mich wieder, wen ich als meinen Vater hatte.
»Das Gespräch ist kurz?«, fragte ich nach, probierte, meine Stimme fest klingen zu lassen, doch meine Nervosität und Gereiztheit aufgrund Vollmond sickerte ein wenig hindurch.
»So gern ich dich habe, ja, Phil, dieser Besuch ist nur, weil ich etwas von dir will. Auch habe ich heute noch einen Termin. Du weißt schon, düstere Machenschaften und so.«
In diesem Moment musste ich mich davor bewahren, dramatisch mit meinen Augen zu rollen, denn wie mein Vater gerade vor mir stand, war lächerlich.
Wie eine zweite Persönlichkeit, ja...
Mein Blick wanderte zu meinen Freunden. Zuerst sah ich Elizabeth an, dann Remus und sagte: »Bitte, geht, oder ich muss mit ihm gehen. Meinetwegen soll euch nichts passieren.«
»Ich glaube, dass ich das allein entscheiden kann«, sprach Elizabeth eisig, stieß sich jedoch vom Türrahmen ab. Ihre giftgrünen Augen ließen meinen Vater nicht aus den Augen und bevor sie in den Flur schritt, sagte sie: »Ich werde selbst entscheiden, ab wann mir diese nette Unterhaltung zu lange wird.«
Als sie mich noch einmal ansah, kamen die Worte: 'Das werde ich dir eine lange Zeit übelnehmen, Phil', noch bei mir an, doch ebenso erkannte ich in ihren Augen das Eingeständnis der Niederlage. Selbst sie könnte nichts gegen meinen Vater ausrichten, und wenn, dann nicht ohne uns andere zu gefährden.
»Bitte...«, flüsterte ich an Remus gewandt, der wie eine Statue wirkte.
Seine Augen trafen meine und ich entdeckte Schmerz in ihnen. Genau das, wovor er mich beschützen hatte wollen, war eingetreten, und jetzt könnte Remus ebenfalls nichts gegen meinen Vater ausrichten. Sein Kiefer spannte sich an, während ein lauter Atemzug seine Nasenlöcher verließ.
Anders als Elizabeth sagte Remus nichts, als er nach Elizabeth in den Flur schritt. Die Eingangstüre öffnete sich, dann schloss sie sich und ich war mit meinem Vater allein.
In diesem Moment realisierte ich die Situation erst. In zwei Tagen war Vollmond, mein ganzer Körper und Kopf schmerzte, zusätzlich hatte mein Vater sich dazu entschlossen, mir einen Besuch in meiner verdammten Wohnung abzustatten. Etwas, womit ich nicht gerechnet hatte; ich hatte erwartet, draußen von ihm aufgesucht zu werden.
»Ich hätte deinem Freund gern erlaubt, zu bleiben, Phil, aber das ist etwas zwischen uns, besser gesagt, den Teil des Deals, den du einhalten musst«, mein Vater setzte sich in Bewegung, »Es wird aber wirklich nur ein kurzes Gespräch. Heute mag sich Tommy Riddle mit mir treffen. Wahrscheinlich ist er genervt von Fenrir, den ich immer als meine Vertretung sende, aber bitte, die Todesser sind anstrengend.«
So, als würden wir normal über das Wetter reden, ließ sich mein Vater auf der Couch nieder, die mit dem Rücken zum Esstisch stand. Er überkreuzte seine Füße an den Knöcheln übereinander, die in dreckige alte Lederschuhe gehüllt waren. Dazu trug mein Vater einen dunkelgrünen Mantel, eine schwarze Hose und ein Hemd.
Als er sich durch seinen gestutzten Bart mit seiner linken Hand fuhr, sah ich Dreck unter seinen Fingernägeln, die ein weiteres Indiz waren, dass der Mann vor mir wirklich irgendwo im Wald lebte.
Allzu schlecht konnte es ihm aber nicht gehen, warum ich glaubte, dass er sich vielleicht sogar ein kleines Dorf voller Werwölfe erschaffen hatte.
»Ich will, dass du aufhörst, meine Freunde zu würgen«, meinte ich knapp und ließ mich auf den schwarzen Lehnsessel meinem Vater gegenüber nieder.
»Kann ich nicht versprechen; es ist praktisch. Solltest du 'mal ausprobieren. Ich könnte dir auch zeigen, wie du dir Krallen im menschlichen Zustand machst?«
»Nein, danke.«
Im Sitzen spürte ich wieder, wie müde ich wirklich war. Ein weiterer Grund, warum ich meinen Vater verfluchte, da er natürlich vor Vollmond vorbeischauen musste. Erstens, weil ich weniger Energie hätte, um mich gegen ihn zu stellen; und zweitens, weil er mich wahrscheinlich provozieren wollte.
Allein sein ruhiges Verhalten provoziert mich genug, dachte ich, als ich den Mann vor mir musterte.
Seine Arme waren vor seiner Brust verschränkt und seine blauen Augen lagen auf mir. Ich hatte meine Knie an mich gezogen. Trotz meines langen Hemds, der Leggins und den hohen Socken war mir kalt. Ich hatte Kopfschmerzen, während selbst Sitzen meinem Körper schwerfiel.
Wie sollte ich mich jetzt bitte auf ein Gespräch konzentrieren?
Ich musste mir jedoch in Erinnerung rufen, dass Vollmond mich nicht dominieren dürfte; wenn ich in einen Kampf geraten würde, müsste ich kämpfen. Ich betrachtete diese Situation also wie einen Kampf, einer mit Worten.
»Du hast gesagt, dass es schnell geht. Fang an.«
»Willst du mir gar nichts als Erfrischung anbieten?«
»Nein.«
Wieder lachte mein Vater, was er heute schon die ganze Zeit tat. Es war das Geräusch gewesen, welches mich geweckt hatte. Mein Herz war stehengeblieben, als ich im Traum das Lachen meines Vaters gehört hatte. Im wachen Zustand hatte ich dann feststellen müssen, dass es kein Traum war, sondern mein Vater in meine Wohnung gekommen war, Remus überfallen hatte.
Zum Glück schien er ihm nichts angetan zu haben, doch Ethan J. Aquila hatte das Talent, schon mit seiner bloßen Erscheinung Schaden anzurichten. Seine Worte nicht einmal mitgezählt.
»Nun, vielleicht hätte ich doch nicht vor Vollmond kommen sollen; du bist sehr angespannt, Phil.«
»Du hast meine Freundin verletzt.«
»Und du hast dich falsch ausgedrückt.«
»Trotzdem.«
»Nein, Phil, wir werden jetzt kein Gespräch über die Moral führen, die du für richtig hältst. Natürlich würde ich mir wünschen, dass du mich verstehst, aber das tust du nicht, weil du gefangen in diesem Schwachsinn bist.«
Mein Vater schaffte es immer, mich in fast jedem seiner Sätze zu beleidigen, mich als unwissendes Wesen abzustempeln, das in den Furchen seiner Schuhsohlen hauste. Immer wieder stieg er auf mich.
»Ich werde also schnell zum Punkt kommen«, hielt mein Vater seinen Vortrag, »Ich habe lang über vielerlei nachgedacht und will, dass du mir einige Fragen beantwortest. Keine Lügen, und wenn mir die Antworten zu kurz sind, werde ich misstrauisch.«
»Dann fangen wir an...«, murmelte ich, vermutete bereits, dass es über mich und mein Wesen als Werwolf gehen würde. Damals in Hogwarts hatten wir nicht ausführlich miteinander gesprochen, doch schon im Verbotenen Wald hatte sich mein Vater nur für mein Wesen interessiert.
Wahrscheinlich bin ich noch seltsamer als er, ging es mir durch den Kopf, er hat sich selbst erschaffen; ich bin seit Geburt so.
Welche Unterschiede gibt es in meiner veränderten Lykanthropie?
»Weißt du, wann deine Mutter gestorben ist? Wie alt warst du?«
Und so begann es. Schon die erste Frage hatte mit mir zu tun. Aus diesem Grund konnte ich mir den folgenden Kommentar nicht verkneifen: »Ach, jetzt interessierst du dich dafür? Bei unserem ersten Treffen war es noch anders...«
»Eine weitere Bedingung; achte auf deinen Ton, Phil.«
Ich biss mir auf meine Zunge, doch ich sah schnell ein, dass es nutzlos wäre, den Mann vor mir zu provozieren. Er würde erst gehen, wenn er die nötigen Informationen bekommen hätte.
»K-keine Ahnung, es war Sommer...?«, begann ich, »Ich kann mich nicht erinnern, wie alt ich gewesen bin, als du gegangen bist...«
»Du warst fast neun.«
Ich nickte langsam. Dass mein Vater die ersten neun Jahre meines Lebens mit mir verbracht hatte, war in der Dunkelheit meiner Erinnerungen untergegangen. Ich hatte jedoch schon vermutet, dass ich ein paar Jahre mit meiner Mutter und ihrem neuen Mann verbracht hatte.
»Weiß nicht, dann war ich wohl über zehn, als sie gestorben ist, vielleicht zwölf?«
»Deine Erzeugerin ist zwischen dem achtundzwanzigsten Juli und ersten August 1972 gestorben. Du warst also nicht ganz zwölf, noch elf. Auf ihrem Grabstein steht erster August, aber meine Quelle hat ein anderes Datum gesagt.«
Ich nickte abermals, wunderte mich nicht, wie mein Vater es herausgefunden hatte. Mir wurde nur bewusst, dass Mutter wirklich nicht vorgehabt hatte, mich nach Hogwarts zu schicken.
»Du hast also ungefähr zweieinhalb Jahre allein im Wald gelebt, Phil.«
Auch diese Erkenntnis traf mich. Irgendwie fühlte es sich zu lange, aber dann wieder zu kurz an. Hatte ich wirklich nur drei Winter im Wald verbracht, wobei ich im dritten die Jungs getroffen hatte? War es nicht viel länger gewesen?
»Deinem Gesicht entnehme ich, dass du kein Zeitgefühl für diese Zeitspanne hast?«
»Ja...«
»Gut, das passt mit meinen Theorien zusammen«, erwiderte mein Vater unbekümmert, als hätten wir über Belangloses gesprochen. Es war ihm egal, dass er gerade seiner Tochter Aufklärung über die schlimmste Zeit ihres Lebens gegeben hatte.
»Wo ist meine Mutter begraben?«, fragte ich plötzlich, obwohl ich mich nicht dafür interessieren wollte.
»Am Friedhof in Kirkwood. Wirklich, diesem Henry Wayne war echt alles egal.«
Bei der Erwähnung des Namens vom zweiten Mann meiner Mutter gefror das Blut in meinen Adern. Plötzlich blieb die Welt stehen, als ich den Atem anhielt. Meine eiskalten Finger verkrallten sich auf meinen angezogenen Knien, während ich meinem Vater starr entgegenblickte.
»W-woher kennst du di-diesen Namen...?«
»Was hast du geglaubt, wer meine Quelle in dieser Angelegenheit gewesen ist?«, mein Vater sah mich so an, als wäre ich dumm, »Als ich unserem alten Haus einen Besuch abgestattet habe, um einige Nachforschungen zu machen, bin ich schnell auf den Entschluss gekommen, dass deine Mutter einen anderen Mann im Haus gehabt hat. Das größte Indiz war, dass die Leiche deiner Mutter nicht mehr da war, sie beerdigt worden ist. Ich hab' schon lange von diesem Wayne gewusst; Cathrine hat ihn bereits gekannt, bevor sie mir mit dem Ministerium gedroht hat. Du musst wissen, Henry Wayne war der Leiter im Ministerium in der Abteilung für Gefahren, oder was weiß ich, wie die Zauberer ihre Abteilungen nennen.«
»Er war...?«
»Er ist tot. Denkst du wirklich, dass ich den Mann am Leben lasse, der gewollt hat, dass meine Tochter im Wald verreckt? Der liebe Henry hat mir unhübsche Dinge erzählt, grauenvolle Dinge. Vielleicht freut es dich zu hören, wenn ich dir sage, dass er sich vor Angst sogar eingenässt hat. Wie ein Welpe hat er gezittert. Deswegen besuche ich dich jetzt erst - ich hatte viel zu tun.«
Tot?
Einfach so?
Ich fühlte mich schlecht, dass ich zu wenig fühlte. Mein Vater hatte einen Menschen umgebracht, mit dem ich knapp drei Jahre meines Lebens zu tun gehabt hatte, und ich konnte keine Regung zeigen.
»Gut, du scheinst nicht traurig zu sein.«
»Warum all das?«
»Stimmt, ich bin noch nicht zu meiner eigentlichen Frage gekommen«, kurz kratzte sich mein Vater im Gesicht, wo seine lange Narbe war, die zu jucken schien, »An wie viel kannst du dich an deine Kindheit erinnern? Und an wie viel, als du ein Werwolf warst? Hast du dich oft zurückverwandelt?«
Vielleicht hätte ich in diesem Moment mehr geschockt sein sollen, dass ich eine halbwegs normale Unterhaltung mit meinem Vater führte, doch ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte, warum mein Körper nur reagierte. Weiter nichts.
»Ich hab' mich nur selten zurückverwandelt, am Anfang ein paar Mal. Mich haben die Wölfe gefunden.«
»Du meinst das Rudel, das ich mit dir als Kind zusammen abgerichtet habe? Du hast mir immer zugesehen?«
Ich zuckte mit meinen Schultern, meinte: »An diese Tage kann ich mich nicht erinnern, also in Detail, aber ja.«
»Beantworte meine Fragen weiter.«
»Ich h-hab' selbst gelernt, ein Werwolf ohne Vollmond zu werden...?«, mein Vater bestätigte diese Worte mit einem Nicken, denn ich hatte keine Erinnerungen, dass mein Vater mir beigebracht hatte, ein Werwolf auf Kommando zu werden, »Ich kann mich an Bruchstücke meiner Kindheit erinnern. Vielleicht drei Jahre zusammengerechnet..., keine Ahnung. Als ich ein Werwolf gewesen bin, war zuerst alles schwarz. Ich hab' nicht gewusst, wer ich bin, dann habe ich langsam mein Bewusstsein zurückbekommen. Danach hab' ich mich nur mehr selten in einen Menschen verwandelt.«
»Interessant.«
»Warum? Es ist krank...«
»Nein, eben nicht«, widersprach mein Vater sofort, dann verfiel er selbst in Nachdenken.
Warum will er das alles wissen?
Dachte ich, bis mich die Erkenntnis traf.
»Du kannst es nicht«, sagte ich flott.
»Du musst dich genauer ausdrücken, Phil. Das hab' ich dir beigebracht.«
»Daran kann ich mich nicht mehr erinnern«, sagte ich, »aber du kannst es nicht. Du selbst kannst nicht nach Belieben ein Werwolf bleiben.«
Als das Gesicht meines Vaters einen strengen Ausdruck annahm, sich sein Kiefer anspannte, wusste ich, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.
»Nein, kann ich nicht«, gab er erstaunlicherweise zu, »Besser gesagt, ich war nicht so dumm, und habe es ausprobiert. Nach einigen Tagen wird man zum Tier. Als Anführer konnte ich es mir nicht erlauben, zu experimentieren, ob ich mein Bewusstsein zurückbekomme. Und wer sagt, dass ich so wie du bin? Dein Wesen ist anders als meines, und ich müsste diese Unterschiede erforschen, bevor ich ein Risiko eingehe. Du warst schon immer etwas Besonderes.«
Ich konnte das letzte Wort nicht mehr hören, obwohl es in diesem Moment passend war; ich war nämlich besonders dumm gewesen, als Kind ein Werwolf zu bleiben, obwohl es mir mein Überleben gesichert hatte. Ich hätte für immer ein Tier bleiben können.
Zumindest wäre mir so viel Leid erspart geblieben, da ich als Mensch immer noch von den schlechten Erinnerungen heimgesucht wurde, auch wenn ich viel vergessen hatte. Wahrscheinlich hatte ich auch die schönen Momente mit meinem Vater vergessen, doch das störte mich nicht. Schon jetzt war es schwer genug, nur das Monster im Mann vor mir zu sehen.
»Das ist höchstwahrscheinlich der Grund, warum du so viel vergessen hast, Phil. Keine Frage, du hast einiges verdrängt, aber deine Zeit als Werwolf wird wohl einigen Schaden angerichtet haben. Hast du Flashbacks?«
Sofort erinnerte ich mich an den Tag, als ich meinem alten Zuhause einen Besuch abgestattet hatte, an wie viel ich mich plötzlich erinnern hatte können; oder als ich mich mitten in einem Gespräch mit Elizabeth an den Tag erinnern hatte können, an dem meine Mutter mir meine Narbe zugefügt hatte.
Abermals konnte mein Vater mein Schweigen deuten, denn er seufzte: »Dann wirst du dich wahrscheinlich an vieles wieder erinnern können. Eine Frage habe ich noch; wie reagierst du verwandelt auf Menschen?«
»Ich bin noch nie Menschen begegnet«, log ich sofort, denn ich wollte nicht daran denken, was mein Vater erreichen könnte, wenn er sich als Werwolf besser unter Kontrolle hätte.
»Was hab' ich über Lügen gesagt?«
»Ich lüge nicht.«
»Doch, das tust du.«
Der Ton meines Vaters klang gefährlich, warum ich sagte: »Gut, dann habe ich schon einmal einen Menschen getroffen. Es war aber nur Remus, und ich ihn hab' ich nicht angegriffen.«
Wieder hatte eine Lüge meinen Mund verlassen, doch es war keine ganze Lüge. Als die Jungs mich in der Vierten vor den Wölfen gerettet hatten, war Remus ein Mensch gewesen, wenn gleich ich mich auch sofort zurück in einen Menschen verwandelt hatte.
Ich war jedoch bereits Sirius, Peter und James als Werwolf begegnet, als sie nach Vollmond nach mir gesucht hatten. Nur Remus hatte mich davon abhalten können, die anderen anzugreifen.
»Hm«, machte mein Vater. Er musterte mich eingehend, dann seufzte er und löste seine verschränkten Arme auf.
Ethan J. Aquila richtete sich auf, dann griff er in seine innere Manteltasche und legte ein dunkelrotes Notizbuch auf den hölzernen Tisch zwischen uns. Der Einband des Buches wirkte abgenutzt, doch es schien gut erhalten zu sein.
»Was ist das?«
»Das Tagebuch deiner Mutter.«
Tagebuch...?
Meiner Mutter...?
»Ich hab' es dort gefunden, wo sie es immer hingelegt hat. In die Nachttisch-Schublade neben ihrem Bett.«
Ich nickte langsam, erinnerte mich, dass ich beim Besuch unseres Hauses nicht ins Schlafzimmer meiner Mutter gehen hatte können. Dort drinnen hatte ich sie umgebracht.
»Es ist mir egal...«
»Mir ist es auch egal, Phil, aber du solltest es lesen. Es hat mich wütend gemacht, doch nur so wirst du verstehen, dass deine Mutter eine Wahnsinnige gewesen ist. Auch habe ich keine Verwendung mehr dafür.«
Nach diesen Worten stand mein Vater auf. Ich blinzelte ein paar Mal, dann fragte ich: »Das war's? Du kommst her und fragst mich Dinge, die du fast alle schon weißt?«
»Ich bin nur hier gewesen, um dich zu sehen, Phil. Ja, ich wollte Bestätigung, aber wenn ich auf das Wissen anderer Menschen angewiesen wäre, wäre ich nicht an diesem Punkt wie heute. Sieh meinen Besuch als eine Offenbarung der Wahrheit an. Für dich.«
Mein Mund öffnete sich, doch dann schloss ich ihn wieder. Ich hatte meinem Vater nichts zu sagen. Zuerst müsste ich verarbeiten, was alles passiert war. Er war nur hier gewesen, um mit mir über meine Kindheit zu reden? Mein Vater, der sich nur für sich selbst interessierte?
Ich kam auf den Entschluss, dass es wohl eine Art Manipulation gewesen war; mehr wollte ich nicht hineininterpretieren.
»Wir sehen uns, Phil.«
Mein Vater neigte seinen Kopf, dann schritt er den Flur entlang und verließ die Wohnung. Mein Blick wandte sich ab, dann fand er das Buch am Tisch. Das Tagebuch meiner Mutter.
Elizabeths Sicht:
»Greyback also?«
Meine Frage bekam die einzige Reaktion, die sie verdient hatte; ein gewisser Remus Lupin sah mich verwirrt an. Verwirrt, weil ich ihn in seiner Tätigkeit, vor der geschlossenen Haustür Kreise zu gehen, unterbrochen hatte.
Klar, mir gefiel es genauso wenig, dass Phil mit ihrem Psycho-Vater ein Gespräch führte, doch ich könnte nichts machen, ohne etwas ins Rollen zu bringen, das uns vielleicht alle unser Leben kosten könnte. Phil hatte einen bescheuerten Deal gemacht, jetzt müsste sie mit den Konsequenzen leben.
Noch mehr als hier draußen zu warten, hatte mich jedoch der Junge neben mir genervt. Ich war sowieso schon angespannt genug, da brauchte ich nicht noch eine Visualisierung von meinen Gefühlen.
»Ich will nur ein Gespräch beginnen«, ich hob einen kurzen Augenblick beide Hände - mein Stab immer noch in meiner rechten Hand -, als Remus' Blick tödlich wurde.
»Genau jetzt willst du reden?«
»Was sollen wir sonst machen? Wenn du gegen Aquila kämpfen willst, nur zu, aber lass mich vorher wetten, dass du stirbst.«
Sein Blick wurde noch tödlicher, aber irgendwie bewirkten meine Worte, dass sich Remus Lupin neben mich stellte. Er verschränkte seine Arme vor seiner Brust, die in einen Strickpullover gehüllt war, dann starrte er die Eingangstür an. Dass wir noch keine Schreie gehört hatten, war ein gutes Zeichen, denn selbst in meiner Familie war immer geschrien worden.
Als ich schon dachte, ich würde ignoriert werden, meinte Remus: »Ja, Greyback.«
Niemand von uns musste aussprechen, dass er ein Werwolf war, denn Phils Vater hatte es deutlich gemacht. Es war überraschend gekommen. Also nicht, dass Phils Freund ebenfalls ein Werwolf war, aber dass er vom bekannten Fenrir Greyback gebissen worden war.
»Mein Vater hat Greyback wütend gemacht, als er bei einer Verhandlung im Ministerium war. Das war noch bevor er ein bekannter Werwolf gewesen ist. Niemand hat ihn zu dieser Zeit mit Ethan Aquila in Verbindung gebracht. Mein Vater hat ihn beleidigt, gesagt, dass Greyback ein Unwesen, nichts wert ist. Dann hat er mich als Kind gebissen. Zufrieden?«
Ja, Remus, weil du gerade ein kleiner Engel bist.
Nein.
Ich ignorierte seinen Tonfall, dann zuckte ich mit meinen Schultern.
»Warum sollte ich zufrieden sein? Es ist mir egal, was Phil ist, also bist du es mir auch. Ich weiß es eh schon seit Hogwarts.«
Remus Lupin hob seine rechte Braue, starrte jedoch weiterhin die Tür an. Ich konnte es nur sehen, weil ich rechts neben ihm stand.
»Ich weiß schon länger, was Phil ist, und sie hat immer mitgenommen gewirkt. Logisch; wer will schon ein Werwolf sein, ha...«, ich dachte daran, wie viel Leid dieses Schicksal mit sich brachte, »Aber du hast schon immer mehr Anzeichen geliefert. Es war also offensichtlich. Der ausschlaggebende Punkt war jedoch, als du mit Phil zusammengekommen bist; Phil hat sich bei mir ausgelassen, dass sie mit ihren Gefühlen überfordert ist. Sie hat nicht einmal Bedenken geäußert, dass du sie aufgrund ihres Wesens nicht akzeptieren wirst. Und in den letzten Monaten war es mehr als öffentlich. Du siehst überaus beschissen aus.«
»Und du bist überaus nett.«
Auf diese sarkastische Aussage zuckte ich abermals mit meinen Schultern, dann lehnte ich mich gegen das kühle Gestein hinter mir. Das Treppenhaus roch nach Treppenhaus. Mehr fiel mir dazu nicht ein.
Ich wusste nicht, woran ich denken sollte, denn über Phil und ihren Vater wollte ich nicht nachdenken. Auch nicht daran, dass Ethan J. Aquila ganz gelassen in unserer Wohnung hockte. So, als wäre er ein normaler Mensch. Ebenfalls sah Phil genau wie ihr Vater aus, was mehr als gruselig war.
Sie unterschieden sich nur an ihrer Gesichtsform, und dass Phil einen weiblichen Körper hatte. Doch sonst sahen sie sich ungemein ähnlich.
Er ist ein Psycho.
Er war gefährlich - das hatte ich sogleich erkannt. Am gefährlichsten machten ihn aber nicht seine Taten, sondern wie er Phil, seine Tochter, behandelte. Manipulation schien für ihn normal zu sein, gleichzeitig schien er irgendetwas für Phil zu empfinden - nicht so wie meine Eltern bei mir. Ich wollte also nicht in Phils Haut stecken.
»Das dauert zu lange, oder?«
»Hm«, machte ich, »ein wenig, aber es ist ruhig.«
»Was ist, we-«, wollte Remus schon ansetzen, doch dann ging die Tür auf und Ethan J. Aquila trat ins Treppenhaus.
Mein Zauberstab richtete sich wieder auf den Mann, was er mit einem ekelhaften Grinsen kommentierte.
»Wir wollen ja jetzt nicht am Ende doch noch kämpfen, oder?«
Auf diese dumme Frage gab ich keine Antwort, denn Phils Vater war ein Mann, dem die Aufmerksamkeit gefiel. In seinem Spiel mitzuspielen, wäre das Dümmste, was einem in den Sinn kommen könnte. Zum Glück sagte auch Remus nichts.
»Gut, gut, ihr mögt mich nicht«, lachte unser Gegenüber, »Schade, ihr seid nett. Besser gesagt, ihr könnt froh sein, dass ich heute nur zum Reden hier gewesen bin. Elizabeth Lestrange, sollten wir uns noch einmal sehen, werde ich nicht freundlich sein.«
»Gleichfalls.«
»Gut«, kam als Antwort, dann fielen blaue Augen auf Remus, »Du, lieber Lupin, bleibst auf Weiteres verschont. Warum sollte ich meinen zukünftigen Schwiegersohn umbringen? Das wäre eine Schande, vor allem, weil sich Phil sogar jemanden Unseresgleichen ausgesucht hat. Nur deswegen lebst du noch, wirst es, solange du keinen Schaden in meinen Rängen anrichtest. Es gefällt mir, was aus dem kleinen Remus Lupin geworden ist.«
Wenn Remus Phils Vater seine Faust ins Gesicht gerammt hätte, hätte er mich nicht gewundert. Zum Glück ging er nur ein paar Schritte nach vorne, dann an Aquila vorbei in die Wohnung.
Ethan J. Aquila kommentierte diese Reaktion mit einem weiteren Lachen, dann machte er sich auf den Weg, schlenderte die Treppen nach unten. Ich folgte Remus.
In der Wohnung angekommen, sah ich, dass es Phil gut ging. Sie saß auf dem schwarzen Lehnsessel, hatte ihre Beine an sich gezogen, wobei Nougat auf ihrem rechten Knie saß. Sie wirkte unverletzt, was das Wichtigste war. Trotzdem fragte ich mich schon jetzt, wie ich eine solche Situation in Zukunft vermeiden könnte - Ethan J. Aquila würde nie wieder einen Fuß in diese Wohnung setzen.
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