26. Kapitel - Ich bin eine Lestrange
Elizabeths Sicht:
Das Geräusch von Papier, welches langsam zerrissen wurde, hallte in meinen Ohren wieder. Meine Finger hingegen spürten, wie Papier zerrissen wurde. Genauer gesagt, war es ein Brief, den ich nicht einmal gelesen hatte. Eine gewisse Person glaubte, mir einen Brief schreiben zu können, den ich lesen würde.
»Ha!«, stieß ich aus, warf den Brief in Spüle, dann richtete ich meinen Zauberstab auf ihn. Mit einem nonverbalen Zauber ging das Stück Pergament und der Umschlag in Flammen auf. Mein Gesicht wurde in Wärme gehüllt, bis nur mehr Asche übrig war; anschließend drehte ich den Wasserhahn auf.
Ich verzog mein Gesicht, da es nach verbranntem Papier stank, doch nachdem ich das Fenster geöffnet und einen weiteren Schlenker meines Zauberstabs vollführt hatte, roch die Luft wieder gut. Frei von Adrian Prince - die Person, die mir den Brief geschrieben hatte.
Langsam war es mir mehr als suspekt. Ich hatte die Befürchtung, dass mehr hinter allem steckte, als dass mein Ex nett zu mir war. Also bitte, in welcher Welt lebten wir? In einer, in der Todesser Regenbogen schissen?
Nein.
Klar, es war eine amüsante Vorstellung, doch nicht die Realität. In dieser musste ich mich damit abfinden, dass meine Familie etwas plante. Nichts Neues, aber es verunsicherte mich, dass Adrian Prince einem Plan meiner Eltern zugestimmt hätte, die Blutsverräterin zurück in die Familie zu holen, bescheuerte Ehre wiederherzustellen.
Ich glaubte also, dass nicht meine Eltern dahintersteckten. Neben meinen Eltern hatte ich zunächst Adrian persönlich ins Visier genommen, aber es war nicht einleuchtend, warum er nach zwei Jahren auf die Idee kommen sollte, seine Ex aufzusuchen, die zudem ihrer Familie den Rücken zugewandt hatte. Es waren also nur zwei Personen übriggeblieben: Rabastan oder Rodolphus. Meine Brüder.
Meine Eltern würden nicht zögern, mich umzubringen, würden sie mir in einem Kampf gegenüberstehen, doch meine Brüder waren eine andere Geschichte. Zu dritt waren wir aufgewachsen, hatten alle dieselbe Erziehung genossen. Zwar hatte es nie so etwas wie Liebe zwischen uns gegeben, da es ein Wettstreit gewesen war, die Anerkennung unserer Eltern zu bekommen, aber wir hatten uns nie gehasst.
Während Rabastan als kleines Kind sehr emotional gewesen war, ich ihn getröstet hatte, war ich schon immer die unperfekte Tochter gewesen. Ich war meinen Eltern zu ruhig gewesen, dann zu laut, hatte mich nicht wie eine Dame benommen, dann hatte ich wieder zu viel Make-up getragen. Rabastan war immer noch eine emotional instabile Persönlichkeit, die unsere Eltern als das Zentrum der Welt ansah, während ich nur mein Ding machen wollte.
Rodolphus hingegen war der perfekte Sohn. Zu seinen jüngeren Geschwistern war er immer nett, doch distanziert gewesen. Er hatte mir immer geholfen, besser im Zaubern zu werden, mir zusätzlich erklärt, wie ich mich als Lestrange verhalten müsste, um in dieser Welt zu überleben.
Durch meinen großen Bruder hatte ich früh begonnen, die dunklen Seiten unserer Welt zu sehen, mich vor ihnen in Acht zu nehmen. Anders als unsere Eltern hatte er mich nie kritisiert, dass ich in Hogwarts keine Freunde gehabt hatte, sondern mir Tipps gegeben, wie ich in Hogwarts als Einzelgängerin trotzdem Ansehen bewahren könnte.
Nie hatten wir Geschwister über das gesprochen, was uns belastete; Emotionen waren schließlich eine Schwäche, und ein Mitglied der Lestranges besaß keine Schwächen.
Dafür bin ich doch ganz gelungen, oder?
Rodolphus hatte als perfekter Sohn mit Bestnoten seinen Hogwartsabschluss gemacht und ein Reinblut zur Frau genommen. Es war eine arrangierte Hochzeit gewesen, die die Blacks und Lestranges verbunden hatte. Meine Schwägerin war nämlich niemand geringeres als Bellatrix Black, die Cousine von Sirius Black.
Es war jedoch kein Geheimnis, dass die beiden nicht aus Liebe geheiratet hatten. Rodolphus hatte eben schon immer das getan, was der perfekte Sohn tun würde. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass er gelungener als meine Eltern war, denn mein großer Bruder hatte nicht nur sein Leben perfekt unter Kontrolle; auch seine Emotionen.
Ich hatte ihn noch nie gesehen, wie er eine andere Emotion als Gleichgültigkeit und Strenge ausgestrahlt hatte, zumindest nicht in Gegenwart von anderen. Gelacht hatte er nur, als er mich - einem großen Bruder gerecht - immer genervt hatte, oder Rabastan und mich ausgelacht hatte, wenn wir uns gerauft hatten. Da Rabastan nur ein Jahr jünger als ich war, waren wir beinahe wie Zwillinge aufgewachsen, bevor ich nach Hogwarts gekommen war. Zwillinge, weil wir circa gleich alt waren, denn ich war schon immer gerne für mich gewesen.
Mein großer Bruder war acht Jahre älter als ich, warum ich zu ihm keine enge Beziehung gehabt hatte. Er hatte Rabastan und mich als kleine Rotznasen angesehen, und ich ihn als das Vorzeigekind unserer Eltern.
Leider war er so etwas wie mein Vorbild gewesen. Obwohl er emotional als Bruder nicht erreichbar gewesen war, hatte er mir immer gute Tipps gegeben. Einer seiner letzten Tipps war gewesen, dass ich Adrian Prince heiraten sollte, bevor meine Eltern mir jemand schlechteren aussuchen würden.
Steckt er hinter dem plötzlichen Auftauchen von Adrian?
Vielleicht hätte ich mehr im Brief erfahren, doch ich wollte damit nichts zu tun haben. Wahrscheinlich war in der Lestrange Familie vor kurzem das Thema Elizabeth Lestrange gefallen. Vielleicht hatten meine Eltern sogar vor, mich umbringen zu lassen, um den anderen Todessern zu zeigen, wie die Familie Lestrange mit Blutsverräter umging.
Ich könnte mir vorstellen, dass Rodolphus einen Plan ausgereift hatte, die Ehre unserer Familie wiederherzustellen, ohne seine kleine Schwester ermorden zu lassen. Gleichzeitig würde sich die Familie Lestrange mit der Familie Prince vereinen, und Rodolphus wäre ein Held und Genie.
Ja, ich musste zugeben, dass ich nichts über meinen großen Bruder wusste, was seine Träume, Wünsche waren, ob er überhaupt ein Todesser sein wollte, inwiefern er wie unsere Eltern war. Dafür kannten wir uns nicht.
Und genau dieser Fakt, dass wir uns nicht kannten, jagte mir einen kalten Schauer den Rücken hinab. Ich erschauderte, dann schloss ich das Fenster, welches frische Herbstluft in die Küche gelassen hatte.
Ich drehte noch einmal den Wasserhahn auf und kühlte mein Gesicht, Hals und Hände ab. Obwohl ich die Philosophien meiner Eltern hasste, redete ich mir in diesem Moment ein, dass ich Elizabeth Lestrange war. Jemand, der keine Schwäche zeigte.
Nein, mein großer Bruder kann mich nicht in den Wahnsinn treiben, sprach ich mir gut zu, ich bin stärker als so dumme Psychospielchen.
Das kalte Wasser brachte meine Nerven wieder dorthin, wo sie hingehörten; auf eine gerade Linie. Ich strich meine Haare glatt, sofern es mit Locken möglich war, dann trocknete ich meine Hände an meiner schwarzen Hose ab. Ich war bereits fertig für die Arbeit angezogen, denn ich müsste in drei Stunden aufbrechen.
Neben der schwarzen Hose trug ich eine dunkelgraue Bluse, die ich in meine Hose gestopft hatte, die Ärmel waren nach oben gekrempelt. Ich fühlte mich ein wenig wie Köter, der bedauerlicherweise etwas von Style verstand.
Nicht, dass es mich weiter jucken würde. Ich zuckte mit meinen Schultern, entschloss, einen Topf mit warmem Wasser zuzustellen. In fünf Tagen wäre der nächste Vollmond, warum ich eine wandelnde Leiche als Mitbewohnerin hatte. Leider nur eine halbe Leiche, denn eine echte würde nicht sprechen.
Phil war überaus anstrengend, wenn es gegen Vollmond ging. Zwar sagte sie immer, dass sie schwächer als normale Werwölfe reagierte, aber es stimmte nicht ganz. Eine Woche vor Vollmond war Phil müde und schlief so lange, dass ich sie immer nach Mittag aus ihrem Bett zog. Meistens schlief sie dann im Wohnzimmer weiter, doch ihr Körper bräuchte zumindest Flüssigkeit und Nahrung.
Wirklich schlimm wurde es bei Phil aber drei Tage vor Vollmond. Dann kamen neben Müdigkeit noch Gereiztheit und emotionale Instabilität hinzu. Phil glaubte, dass jeder sie hasste, wirkte so, als würde sie weinen müssen. Trotzdem hatte sie in dieser Zeit oft seltsame Energieschübe und kam auf die absurdesten Ideen, wie alle ihre Pflanzen zu gießen oder ihre Kräuter zu schlichten. Wenn man ihr dann sagte, dass es dumm von ihr war, sich nicht auszuruhen, schnauzte sie einen an.
Wirklich, es war so, als würde man um am Boden verstreut liegende Mausefallen balancieren müssen. Im Dunklen.
Phil hat Glück, dass sie es irgendwie geschafft hat, einen kleinen Fleck meines toten Herzens einzunehmen.
Ich hatte keine Ahnung, wie sie es geschafft hatte. Merlin wusste es auch nicht, da er mir diese Frage noch nicht beantwortet hatte.
Als ich endgültig beschloss, dass ich fertig mit Nachdenken war, schritt ich durchs Wohnzimmer. Alle vorherigen Gedanken waren vergessen, wieder in eine Buchse in meinem Kopf eingesperrt und in einen tiefen Brunnen geworfen worden.
Mein Weg führte mich in Phils Zimmer. Immer noch lag ein runder Ball unter einem Haufen von drei Decken auf ihrem Bett. Da es jedoch schon eins Nachmittags war, müsste Phil aufstehen. Zum einen, weil ich in den nächsten drei Stunden noch sehen wollte, dass sie zumindest einen halben Liter Wasser trinkt und etwas äße. Es waren eben noch fünf Tage bis Vollmond, nicht drei. Zwei Tage könnte sie also noch versuchen, sich wie ein normaler Mensch zu verhalten.
Gut, ich war nicht gerade nett. Nett war deswegen auch nicht meine nächste Tat, als ich meinen Zauberstab zückte und Phils drei Decken von ihrem Körper entfernte. Sofort ertönte Protest.
Das Mädchen im Bett wirkte wie von einem Dämon besessen, als es sich hin und her warf. Phil hielt sich ihre Hände vor Augen, zischte Beleidigungen, doch ich beförderte die Decken nur mit Magie ins Wohnzimmer.
»Du musst aufstehen. Ich bin grad dabei, etwas zu kochen. Auch solltest du einen Stärkungstrank mindestens dreimal am Tag einnehmen, was schwer ist, wenn du ihn verschläfst.«
»Oder du lässt mich in Frieden...?«
»Es gibt keinen Frieden auf unserer zuckersüßen Welt.«
»Dann lass mich in Ruhe...«
»Ruhen tut man erst, wenn man tot ist«, war meine knappe Antwort, die Phil dazu veranlasste, ihre Hände von ihrem Gesicht zu nehmen.
Blaue Augen funkelten mich an. Unter ihnen waren leichte Augenringe, die zu einem Gesicht gehörten, das von einem Haufen roter Haare eingerahmt wurde. Phil trug einen dicken Wollpullover, der ganz wie einer von ihrem Freund aussah.
Ja, zum Kotzen süß.
Dazu trug Phil eine dicke Leggings und mindestens zwei Paar Socken. Sie war also ausreichend angezogen, dass sie nicht erfrieren würde, auch wenn sie es selbst glaubte.
»Du solltest 'was essen und trinken. Deine Blase und Darm zu entleeren, wird deinem Körper auch nicht schaden. Duschen gehen wäre bestimmt keine schlechte Idee, vielleicht sogar eine warme Badewanne?«
Phil sah mich aus leeren Augen an. Sie schien sich eine beleidigende Erwiderung zu verkneifen, dann setzte sie sich langsam auf. Sie rieb sich durch ihr Gesicht, anschließend schüttelte Phil ihren Kopf.
»Ich hab' keine Zeit für Baden, weil-, wie spät ist es?«
»Ein Uhr.«
»Remus am Abend kommt.«
»Supi für dich, würde ich 'mal sagen«, sprach ich mit gekünsteltem Elan.
Nicht supi für mich, weil ich dann zwei gereizte Werwölfe in dieser Wohnung habe, dachte ich, und ließ Phil alleine. Sie würde schon herauskommen, um ihre Decken zu bekommen.
Remus Lupin war nämlich schlimmer als Phil, viel schlimmer. Zwar interagierte er so wenig wie nötig mit mir, blieb nur zusammen mit Phil in ihrem Zimmer, doch dieser Junge strahlte eine Energie aus, sodass alles Lebendige im Umkreis von einer Meile starb.
Wenn ich mir nicht schon Hogwarts sicher gewesen wäre, dass er ein Werwolf war, wäre es nun offensichtlich. Er passte einfach viel zu gut mit Phils Symptomen zusammen. Auch sah man ihn nie nach Vollmond. Er besuchte Phil frühestens drei Tage nach Vollmond. Seltsam für jemanden, der sonst immer bei Phil war, sich um sie kümmerte. Also nicht für mich seltsam, weil ich wusste, dass er ein Werwolf war.
Ich glaubte sogar, dass Remus es wusste, zumindest ahnte, doch er würde nicht von selbst zu sprechen beginnen. Und mich interessierte es auch nicht. Es war nicht der Teil des Geheimnisses, den ich lösen wollte; mich interessierte, welchen Part die anderen Idioten darin spielten. Wahrscheinlich wüsste ich es schon, wenn ich in letzter Zeit weniger über meine eigenen Probleme nachgedacht hätte, aber die Zeit würde schon kommen. Jetzt war sie es nicht, noch nicht.
Wie ich vorausgesagt hatte, stand Phil von alleine auf. Sie watschelte zuerst ins Bad, wo sie sich menschlich machte, dann zurück ins Wohnzimmer, wo sie von mir einen Tee bekam, also von Mama-Elizabeth. Ich hatte keine Ahnung, warum ich wollte, dass es Phil gutging, gut, ich hatte eine Ahnung; sie war die einzige Freundin, die ich hatte.
Bevor mir all das zu sentimental würde, konzentrierte ich mich, eine Suppe zu kochen. Gleichzeitig braute ich einen Trank und las in meinem neuen Buch. All das, während Phil auf der Couch lag und einfach existierte. Ich ließ sie machen, auch als es an der Tür klopfte.
Mein Kopf benötigte etwas Zeit, um zu realisieren, dass das Geräusch mehr als einfache Anerkennung verlangte, denn das Klopfen wiederholte sich. Es war aber viel zu schwach, dass es Remus Lupin sein konnte. Ich tippte also auf jemand anderes aus Phils zu großer Freundesgruppe.
»Erwartest du wen?«, fragte ich, als ich mich auf den Weg in den Flur machte. Im Augenwinkel sah ich noch, wie Phil ihren Kopf schüttelte, dann verschwand ich im Flur.
Ich machte mir nicht die Mühe, die magischen Lichter anzumachen, sondern spähte durch den Spion nach draußen ins helle Stiegenhaus. Stirnrunzelnd entfernte ich mich, folgend öffnete ich langsam die Tür. Zum Vorschein kam eine kleine Frau und ein Kind. Überaus seltsam.
Die Frau hatte kurze rote Haare, die ihr in losen Locken bis zu ihren Schultern reichten. Sie war einen knappen Kopf kleiner als ich und schien ein paar Jahre älter zu sein. Braune Augen sahen mir entgegen. Sie waren Teil eines rundlichen Gesichts, mit normaler Nase samt Mund und einigen Sommersprossen. Die Frau trug ein dunkelgelbes Kleid unter einem braunen Mantel und vielfarbigen selbstgestrickten Schal samt Haube. Mit ihrer linken Hand hielt sie am Träger ihrer großen Tasche fest.
Rechts neben ihr stand ein Kind, ein Junge. Er hatte ebenfalls rote Haare, doch blaue Augen. Seine Haare reichten ihm bis zu seinem Kinn, und er trug eine dunkelblaue gestrickte Haube. Seine Kleidung war dunkelgrün und braun. Ich schätzte ihn vielleicht neun oder zehn Jahre alt.
Seltsam, überaus seltsam.
Ich hatte meine linke Augenbraue erhoben, während ich die beiden musterte. Mit meiner linken Hand hielt an der Türklinke fest und die Tür war halb geöffnet. Mein Blick und meine Körperhaltung waren skeptisch - traue nie Fremden.
Doch nicht nur ich war überrascht, auch die kleine Frau sah mich überrascht an. Und als sie bemerkte, dass ich keine Intention hatte, meine Stimme zu heben und meine erhobene Augenbraue eine Aufforderung war, fragte sie: »Wer sind Sie?«
Sie hatte eine normale Stimme, die eine Tendenz zu schrill hätte, würde sie diese zum Schreien benutzen.
Langsam ließ ich die Türklinke los, verschränkte meine Arme vor meiner Brust.
»Nun, ich bin nicht diejenige, die an wildfremde Türen klopft. Warum sollte ich mich vorstellen?«, meine Stimme klang kühl, da ich keine Zeit für dumme Spiele hatte. Wir lebten in unsicheren Zeiten; da traute ich nicht einmal einer Mutter mit ihrem Kind.
Die Frau schien das zu bemerken, da sie mich eingehend musterte. Sie schien abzuschätzen, ob ich ihrem Sohn oder ihr Schaden zufügen würde. Braune Augen verengten sich ein wenig.
Ihr schien mein Ton zu missfallen, doch dann klärte die Frau ihre Kehle: »Mein Name lautet Molly Weasley und das ist mein Sohn Bill.«
Sie probierte, einen freundlichen Ton zu bewahren, schenkte mir sogar ein kleines Lächeln. Vielleicht dachte sie, an der falschen Tür zu sein, doch da sie eine Weasley war, bezweifelte ich das. Natürlich kannte ich die Familie Weasley. Sie hatte eine lange Geschichte, wenn auch mit vielen Muggels und Halbblüter vermischt.
Ich wollte die Frau schon abwimmeln, als sie mich fragte: »Und Sie sind?«
»Eine Anwohnerin dieses Hauses.«
Gut, diese Antwort hat ihr nicht gefallen, ha!
Da ich aber heute ein wenig nett war, seufzte ich, dann meinte ich unbekümmert: »Ich bin Elizabeth Lestrange. Was kann ich für Sie tun?«
Als nun ich mein freundliches Lächeln aufsetzte, schien es verstörend zu wirken und keinen positiven Effekt zu erzielen; mein Gegenüber reagierte genau so, wie ich es von einer Weasley mit ihrem Sohn erwartet hätte.
Der ganze Körper der Frau spannte sich an, während sie die Lage abschätzte. Wir befanden uns im Krieg und mein Familienname stand auf der Todesser-Seite. Hatte die Frau also aus Versehen an die Tür einer Todesserin geklopft?
Das schien sie sich zu fragen, während sie mich analysierte. Ich blieb unbeeindruckt, was ausschlaggebend dafür zu sein schien, dass Molly Weasley nur ein wenig behutsam antwortete: »Ich bin hier, um eine gewisse Phil zu besuchen. Wohnt sie hier?«
Innerlich seufzte ich, denn ich fragte mich bis zum heutigen Tag, wie ein antisozialer Waschlappen wie Phil es schaffte, so viele Bekanntschaften zu haben. Zusätzlich hatte die Frau nach Phil und nicht nach Philomela Aquila gefragt, was darauf hindeutete, dass sie Phil besser kannte. Dazu kam noch, dass sie Phils Adresse kannte.
Meine Vermutung war, dass sie ein Mitglied aus diesem Widerstand war, dem sich jeder - mich ausgeschlossen - angeschlossen hatten. Klar, ich sollte nichts über diesen Widerstand wissen, und ich hatte auch nicht viel aus Phil herausbekommen. Sie hielt wirklich dicht, obwohl Phil keine Geheimnisse für sich behalten konnte, zumindest wenn man sie direkt anspräche.
Ich wusste nur, dass es einen Widerstand gab, der gut strukturiert war und der alte Dumbledore etwas damit zu tun hatte, weil Nougat Phil zweimal Briefe von ihm gebracht hatte. Und jetzt stand eine gewisse Molly Weasley vor meiner Nase.
Ich beäugte die Frau noch einmal, dann seufzte ich und rief nach hinten ins Wohnzimmer: »Phil!«, als ich keine Antwort bekam, ging ich die Hälfte des Flurs zurück. Ich ließ die Tür offen, da ich keine Gefahr befürchtete.
»Phil!«, dieses Mal zuckte das Mädchen zusammen und fuhr hoch, »Eine gewisse Molly Weasley steht vor unserer Haustür und will dich sehen.«
Phils folgend runde Augen waren das nächste Indiz, dass es sich tatsächlich um jemanden aus dem Widerstand handelte. Flott stand Phil auf, wobei es kurz so wirkte, als würde ihr schwarz vor Augen werden, dann tappte sie in den Flur an mir vorbei.
Ich ging zurück in die Küche, hörte aber, was gesprochen wurde.
»Molly...?«
»Oh, Phil!«, hörte ich eine Begrüßung. Dieses Mal klang die Frau unglaublich freundlich.
Ob es wohl an mir gelegen hat?
Die beiden sprachen kurz, dann meinte Phil, dass diese Molly kurz hereinkommen sollte, was mich zum Seufzten brachte. Ich war begeistert, neue Personen kennenzulernen.
Nein.
Während ich weiter an meinem Trank arbeitete, kam diese Molly mit ihrem Sohn Bill durch den Flur ins Wohnzimmer. Der kleine Junge blickte sich begeistert um, hielt sogar meinem Blick stand. Normalerweise hassten mich Kinder. Es war ein beidseitiger Hass.
Nachdem Molly Weasley Phil gesagt hatte, dass sie eine hübsche Wohnung hatte, sagte sie, ein wenig vorwurfsvoll: »Du hast mir gar nicht erzählt, dass du eine Mitbewohnerin hast.«
Mir entging der prüfende Blick nicht, doch ich tat so, als wäre das Aalauge vor mir interessanter. War es leider nicht, da ich Geheimnisse mochte. Auch jegliches Drama, denn nicht umsonst hatte ich in Hogwarts immer alles gewusst.
»Eine Lestrange als Mitbewohnerin«, verbesserte ich, weiter mit dem Blick aufs Auge.
»Elizabeth...«, ich spürte Phils mahnenden Blick.
»Ich hab' nur die Wahrheit verdeutlicht, weil darauf hat Mrs. Weasley angespielt.«
Gut, ich zeigte mich nicht von meiner besten Seite, aber ich hatte keine. Es war also nicht mein Problem, dass Phil mich streng musterte, während diese Molly einen seltsamen Blick bekam. Ich hatte inzwischen aufgeblickt.
Die zwei rothaarigen Frauen - ja, lustig - standen im Wohnzimmer, während der Junge sich eine Pflanze von Phil ansah, die auf der Kommode neben ihrer offenen Zimmertür stand. Es handelte sich um eine Art Fleischfressende-Pflanze, nur größer und auf Pilze spezialisiert. Das hatte ich mir nur gemerkt, da mich Phil der Pflanze ein Champignon füttern hatte lassen.
Phil blickte zurück zu Molly Weasley, dann erklärte sie: »Das ist Elizabeth, meine beste Freundin und Mitbewohnerin. Wir sind seit Hogwarts Freunde.«
Jetzt lag es an mir, Phil seltsam anzusehen. Ich hatte gewusst, dass wir Freunde waren, aber dass ich Phils beste Freundin war, löste ein komisches Gefühl in mir aus. Ja, Phil war meine einzige Freundin, weshalb sie logischerweise meine beste Freundin war, aber Phil hatte eine Unmenge an Freunden.
Warum will man mich als beste Freundin?
Klar, ich bin perfekt, aber trotzdem seltsam.
Diese Molly Weasley verlor ein wenig von ihrer Skepsis, dann bemerkte sie, dass ihr Sohn Phils Pflanze mit seinem Finger pikste.
»Bill!«
Der kleine Junge machte einen Sprung im Stand. Die Stimme seiner Mutter war in der Tat schrill, wenn sie schrie.
»Das gehört sich nicht! Lass das!«, tadelte Molly weiter, dann entschuldigte sich ihr Sohn.
»Schon gut, die Pflanze isst nur Pilze, keine Menschenfinger«, musste Phil natürlich in der Gegenwart eines Kindes sagen.
Ich glaubte schon, dass sie den Jungen traumatisiert hatte, doch dann sagte dieser nur: »Krass...«
Molly überspielte die Situation mit einem Lachen, dann sagte sie: »Ich hoffe, ich störe nicht? Ich war gerade mit Bill Einkäufe erledigen. Arthur ist schon von der Arbeit, warum Bill alleine Zeit mit mir verbringen darf. Wir waren in der Nähe und ich hab' dir Essen mitgenommen, Phil. Ich hab' dir ja von meinem guten Gemüsestrudel erzählt, oder?«
Und jetzt wurde es immer seltsamer, warum ich mich lieber auf das nächste Aalauge konzentrierte. Mit der flachen Seite eines Messers hielt ich es gegen das Schneidebrett, dann lehnte ich mich darauf und zerquetschte es. Es knackte ekelhaft, anschließend landete es im Trank. Das machte ich zwei weitere Male, während Molly Weasley Phil sieben Plastikdosen in die Hände drückte, die Phil auf dem kleinen Holztisch abstellte.
»Das ist zu viel, Molly...«
»Nichts da, du bist sowieso zu dünn, Phil. Auch koche ich immer viel, bei fünf Kindern und einem verfressenen Ehemann.«
Fünf?!
Diese Frau hat fünf von diesen kleinen Rotznasen?
Dachte ich, als Bill Weasley auf weitere Pflanzensuche ging, was bei Phil nicht schwer war. Molly hatte ihn schon zu sich rufen wollen, aber Phil hatte gesagt, dass er sich alle Pflanzen ansehen dürfte. Das hatte das Kind gerne gehört.
»So betrachtet, hab' ich wohl doch zu viel eingepackt, aber du kannst es ja mit deiner Freundin teilen.«
»Danke, ich kann selbst kochen...«, ich rührte den Trank um, und nach einem weiteren Blick von Phil fügte ich hinzu: »Aber danke.«
Gut, langsam verstand ich, warum Phil so viele Bekannte hatte. Sie schien sozial-fähiger als ich zu sein. Nicht, dass ich jemals behauptet hätte, meine Stärke läge im Umgang mit Menschen, trotzdem.
Natürlich fragte ich mich, ob es einen Zusammenhang gab, dass Phil von dieser Molly genau vor Vollmond Essen bekam, doch mit einem weiteren Blick auf die Frau, die gerade Phil lächelnd von ihrem Rezept erzählte, wurde es unwichtig. Diese Frau schien sich wohl dazu entschlossen zu haben, Phil zu bemuttern. Ja, arme Phil.
Ich machte mir keine weiteren Gedanken, sondern braute meinen Trank. Als Phil Molly anbot, auf einen Tee zu bleiben, lehnte diese ab. Ich sah Phil an, dass sie erleichtert war, weil sie müde war, trotzdem sprach sie mit Molly noch ein wenig, dann erklärte sie dem Kind ein paar Dinge, die er wissen wollte. Als sich Molly verabschiedete, schenkte sie mir sogar ein Lächeln.
Ja, diese Frau war seltsam.
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