Kapitel 58
• A N T O N •
Ich schaue auf seine Hand, die gefährlich nahe neben meiner liegt.
Jesse ist ein wirklich ein toller Typ - er ist charmant, witzig, sieht gut aus. Ganz wie ein Gentleman hielt er mir vorhin sogar die Tür auf.
Und trotzdem, irgendwie fühlt es sich nicht so gut an, hier mit ihm zu sein, wie es eigentlich sollte. So als würde ich, naja, Valentin betrügen.
Und das ist so verdammt dämlich!
Wir sind ja nicht einmal mehr zusammen. Warum taucht er also immer wieder in meinen Gedanken auf, obwohl ich ihn aus meinem Herzen verbannt habe? Kann er nicht einfach verschwinden?
Leise seufzend greife ich in das Popcorn und stopfe mir eine volle Handvoll in den Mund. Jesse dreht seinen Kopf ein wenig in meine Richtung. "Stimmt etwas nicht?" Schnell schüttle ich lächelnd den Kopf. "Alles gut. Ich versuche nur abzuschalten...Du weißt schon, wegen den Prüfungen und so."
Die schwerste Prüfung ist die, von meinem Exfreund loszukommen. Dass ich immer noch an ihm hänge, obwohl wir nur ein paar Monate zusammen waren...
Es ist so albern!
Aber Valentin, er war einfach etwas Besonderes.
Ich zucke leicht zusammen, als auf einmal eine Hand auf meinem Oberschenkel liegt. "Entspanne dich einfach, Levi. Wenn der Film zu Ende ist, gehen wir noch irgendwohin etwas essen, was hältst du davon?"
Am glücklichsten würde ich mich im Moment schätzen, wenn er seine Hand wegnehmen würde. Die Stelle, die er berührt, fühlt sich an, als würde sie brennen.
Da ich keinen Ton rausbekomme, lächle ich lediglich und versuche dann, mich wieder auf den Film zu konzentrieren. Obwohl das in der letzten halben Stunde auch nicht sonderlich gut funktioniert hat.
Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie seine Hand sich auf einmal meinem Gesicht nähert. Erschrocken weiche ich dieser aus und sehe meinen Sitznachbar mit großen Augen an.
"Entschuldige, ich wollte dir nur", er deutet auf seinen eigenen Mundwinkel, "Du hast da ein bisschen Popcorn." Schnell wische ich mir über den Mund, bedanke mich leise.
Dieses Date wirkt so verdammt schräg! Das kann doch nicht nur ich spüren. Außer Jesse ist total verblendet. Das kann es natürlich auch sein.
Als ich ihn vorhin im Café abgeholt habe, ist er glatt gegen die Glastür gelaufen, nachdem er mich gesehen hat.
Mir war durchaus bewusst, dass ich heute besonders gut aussehe. Schließlich habe ich mir extra viel Mühe gegeben, mich herzurichten. Ob ich es aber für ihn gemacht habe oder doch eher für mich als Bestätigung...ich weiß es nicht.
Verwundert schauen Jesse und ich zu unseren Füßen, wo wir unsere Sachen abgelegt haben. Ein Handy leuchtet hell auf und vibriert offensichtlich. Wir sehen uns gegenseitig an, er schüttelt dann aber den Kopf. "Mein Handy ist ausgeschaltet."
Der Bildschirm wird wieder schwarz, doch schon ein paar Sekunden später erhellt er uns wieder. "Scheint wichtig zu sein", murmelt mein Nachbar und deutet auf mein Smartphone, das auf meiner Jacke liegt.
Ich greife danach und sehe nach, wer mich angerufen hat. Drei verpasste Anrufe von Jay. Und geschrieben hat er mir auch. Es muss wichtig sein, denn er weiß, dass ich eine Verabredung habe.
Mein Herz bleibt stehen, als ich WhatsApp öffne und die erste Nachricht lese.
Jay [20:21 Uhr]: Scheiße, Levi. Valentin weiß, glaube ich, von deinem Date mit Jesse und ist auf dem Weg ins Kino!
Jay [20:22 Uhr]: Ich habe keine Ahnung, was er vorhat, aber vorhin war er echt mega schlecht gelaunt gewesen...
Warum sollte Valentin hierherkommen? Was sollte es ihn interessieren, wenn ich jemanden anderen daten würde?
Auf einmal habe ich tatsächlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Vor uns würde er wahrscheinlich nicht sitzen. Mein Kopf wendet sich in beide Seiten neben mir. Doch auch da kann ich ihn nirgends entdecken.
Also könnte es nur sein, dass er...
Möglichst unauffällig drehe ich mich um und sehe mich im Saal hinter mir um. Und wahrhaftig dauert es nur wenige Sekunden, bis ich ihn entdeckt habe. Selbst in der Dunkelheit erkenne ich, wie sich seine Augen weiten.
Warte es ab, Freundchen!
Ich beuge mich zu Jesse hinüber. "Ich komme gleich wieder." "Ist etwas passiert?", er deutet auf mein Handy, das ich immer noch in der Hand halte. Lächelnd lege ich es zurück auf meine Jacke. "Nein, nein. Ich gehe nur kurz auf die Toilette." Er nickt und sieht mir hinterher, als ich aufstehe und mir einen freien Weg nach draußen erlange.
Valentin gebe ich ein Zeichen, mir zu folgen, bevor ich die Tür aufstoße und in den leeren Gang trete. Wütend lehne ich mich gegen die Wand, warte bis er auftaucht. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnet sich die Tür und er kommt mit zusammengepressten Lippen raus.
Doch gerade, als er etwas sagen will, hebe ich die Hand, um ihn zu stoppen. "Ich hätte gerne eine knappe Erklärung, was zum Teufel du hier tust. Wie du bereits weißt, wartet drinnen meine Verabredung und ich will ihn nicht zu lange warten lassen."
"I-ich, ähm, wollte nur sicher gehen, dass...dir nichts passiert", meint er und stößt mich damit vollkommen vor den Kopf.
Dieser Typ ist ein Mysterium für sich. Es klingt beinahe so, als würde er sich um mich sorgen. Was natürlich vollkommen idiotisch ist. Schließlich war es ihm auch egal, wie ich mich fühle, währenddessen er mich vor unseren Freunden als männliche Hure beleidigt.
"Spinnst du? Hast du getrunken oder gar Drogen genommen?", fahre ich ihn spitz an, "Verschwinde gefälligst!" "Anton-"
"Nein, Valentin! Verstehst du es nicht, dass du dich aus meinem Leben verpissen sollst? Ich kann nicht mehr! Es tut weh, hier vor dir zu stehen. Mit dir reden zu müssen. In dein wunderschönes Gesicht zu gucken", ich raufe mir die Haare, "Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich versuche jeden verdammten Tag, dich zu vergessen. Und doch bist du jede einzelne Sekunde präsent. Es ist, als ob meine Bemühungen zwecklos sind! Je weiter ich dich aus meinen Gedanken verdrängen will, desto stärker kommst du zurück!"
Meine Augen haben sich aus Wut mit Tränen gefüllt. Sein Gesicht verschwimmt teilweise vor mir.
Ich hasse es, dass er diese Gefühle in mir auslöst. Es sollte mir doch egal sein, was mit ihm passiert. Wenn er nicht mit nach Paris kann, sollte ich keinen Anflug von Enttäuschung spüren. Wenn er sich gerne bis zu Tode verprügeln lassen will, sollte ich mir keine Sorgen machen.
Valentin Bishop sollte mir am Arsch vorbeigehen!
Es ist schon zu spät, er hat meine Tränen gesehen. Trotzdem drehe ich mich von ihm weg, um ihn nicht ansehen zu müssen.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er mir ein Taschentuch hinhält, das ich aber standhaft ignoriere.
Warum zur Hölle heule ich jetzt? Ich sollte nicht einmal hier mit ihm stehen, sondern mein Date genießen! Stattdessen bin ich aber mit diesem Mistkerl zusammen.
"E-es tut mir leid, Anton. Wirklich. Du kannst es dir womöglich nicht vorstellen-" "Nein, und es interessiert mich auch nicht." "Du bist mir immer noch wahnsinnig wichtig. Und ich...ich ertrage den Gedanken nicht, dass du..."
Als er nicht weiterredet, mache ich einen großen Fehler. Ich hebe den Kopf und sehe ihn an. Und trotz, dass er richtig beschissen aussieht, wirkt er noch immer wie ein griechischer Gott. Er steht für Perfektion.
"Valentin. Du hast mich den Menschen, der dich am meisten geliebt hat, von dir gestoßen. Das tust du mit allen, die dir nur zu nahe kommen." "Ich weiß, das war ein schrecklicher Fehl-" "Es ist mir egal, wie du es benennen willst. In meinen Augen bist du nichts weiter, als ein einsamer Versager", werfe ich ihm an den Kopf und seufze.
Es bringt nicht einmal etwas, ihn zu beleidigen.
"Ich bin ein Idiot, dass ich dich habe gehen lassen, Anton", sagt er dann auf einmal. Mein Herz macht Luftsprünge, als ich seine Worte nach und nach verarbeite.
Sowas darf er nicht sagen, verdammt!
"Hör auf, ich will", kopfschüttelnd trete ich zurück, um Distanz zu schaffen, "Ich will das nicht hören." "Levi, bitte", er folgt mir, scheint nach meiner Hand greifen zu wollen, überlegt es sich dann aber doch anders, "Ich habe kein Recht darauf, das von dir zu verlangen. Aber ich bitte um eine einzige Chance, alles erklären zu dürfen. Bitte, Anton."
Huhh, also wenn ihr das jetzt schon emotional am Ende fandet, wartet auf das, was noch kommt...
Nächstes Kapitel: 17:30 Uhr
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